Großes Stammbuch

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Großes Stammbuch, Seite 58 und 59

Das Große Stammbuch, gelegentlich auch als Album Amicorum bezeichnet, ist ein von dem Augsburger Kaufmann und Kunstagenten Philipp Hainhofer im frühen 17. Jahrhundert angelegtes Stammbuch. Es handelt sich um eine mit bildlichen Darstellungen illustrierte Autographensammlung, die Eintragungen zahlreicher politisch bedeutender Persönlichkeiten zwischen 1596 und 1633 enthält. Das Stammbuch gilt wegen seiner Ausstattung als herausragendes Kunstwerk. Seit dem Ankauf für 2,8 Millionen Euro durch die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel im Jahr 2020 befindet es sich in der dortigen Sammlung, wo es wissenschaftlich untersucht wird.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seite 4: Lateinische Verse zum Zweck des Stammbuchs
Doppelseite (Seite 179 und 180) mit Blumen und Conchylien, um 1590–1595

Das Große Stammbuch hat ein Format von 21 cm × 18 cm und umfasst 227 paginierte Seiten aus Papier, Pergament und Seide. Es verfügt heute über eine Schnürbindung und einen Einband aus violettem Samt. Ursprünglich hatte Philipp Hainhofer eine Schraubheftung verwendet, die einen Austausch der Seiten zuließ.

In dem Buch haben sich zwischen 1596 und 1633 europäische Herrscher, wie die Kaiser Matthias und Rudolf II., sowie Angehörige des Adels und der Oberschicht handschriftlich eingetragen. Darunter sind Fürsten, Diplomaten, Geistliche und Feldherren, die zum Teil Protagonisten des Dreißigjährigen Kriegs waren.

Die Einträge bestehen aus einer Seite mit persönlichen Sätzen oder Gedichten in unterschiedlichen Sprachen, darunter Deutsch, Französisch, Lateinisch, Italienisch. Hinzu kommt meist ein Schmuckblatt. Das Album enthält reich verzierte Wappendarstellungen und Zeichnungen im Stil des Barock. Wegen der hochwertigen bildlichen Ausgestaltung gilt das Buch auch als ein Sammlungsalbum für Kunst.

Die bildlichen Darstellungen zu den Einträgen ließ Hainhofer häufig von renommierten Künstlern anfertigen, die er auf Kosten der Eintragenden in Auftrag gab. Anhand der Beschreibungen von Hainhofer sowie den Unterschriften der Künstler auf ihren Werken ließen sich unter anderem Joseph Heintz, Johann Matthias Kager, Lucas Kilian, Jacopo Ligozzi und Anton Mozart sicher identifizieren. Bei vielen Bildern sind die Künstler bisher nicht bekannt, darunter die Seiten mit floralen Bildmotiven. Sie zeigen Tulpen, die damals in Europa neu und kostbar waren, und erinnern an die Arbeiten von Georg Hoefnagel.

Seitenliste[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der ausklappbaren Liste werden die jeweiligen Seiten, ihre Datierung, die eintragende Person und die Art des Eintrags dargestellt.[1]

Seiten und Eintragungen
Seite Datierung Eintragende Person Darstellung
1 1600 Titelseite mit drei Zitaten in französischer, italienischer und lateinischer Sprache sowie Philipp Hainhofers Name und Wappen in einer Umrandung.
4–5 An das Buch (Ad Librum) und den Leser (Ad Lectorem) gerichtete, lateinische Widmungen mit einer bildlichen Umrandung von Tieren, die über Ranken aus Früchten und Blumen springen.
8 Johann Schweikhard von Cronberg, Erzbischof von Mainz Unterschrift, Vollwappen und Wahlspruch sowie Tuschezeichnung von Reisenden in einer Landschaft, signiert mit dem Monogramm von Anton Mozart.
10 1624 Władysław IV. Wasa, König von Polen Unterschrift, Wappen und Wahlspruch auf einem emblematischen Gemälde.
13 1633 Gustaf Horn, Kommandeur der schwedischen Armee in Deutschland Unterschrift, Wappen und Wahlspruch.
16–17 Rudolf II., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Porträt durch Daniel Fröschl und Unterschrift mit bildlicher Darstellung mit Landschaftshintergrund und Szene mit dem Kaiser, flankiert von zwei allegorischen Figuren.
20 Matthias, Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Unterschrift, Vollwappen und Darstellung von vier Tugenden.
21 1620 Christian IV., König von Dänemark und Norwegen Unterschrift, Vollwappen und Wahlspruch.
24 1616 Elisabeth Stuart, Kurfürstin von der Pfalz Unterschrift, Wahlspruch und von Putten getragenes britisches Vollwappen, gemalt von Johann Matthias Kager.
25 Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz Unterschrift und allegorische Federzeichnung.
30–31 Cosimo II. de’ Medici, Großherzog der Toskana Unterschrift, Wahlsprüche und eine bemalte Seite mit seinem gekrönten Wappen, flankiert von sitzenden Figuren der Gerechtigkeit und Standhaftigkeit, gemalt von Jacopo Ligozzi.
33 1608 Joachim Ernst, Markgraf von Ansbach Unterschrift und Vollwappen mit Darstellung von musizierenden Engeln, gemalt von Anton Mozart.
36 1612 Philipp II., Herzog von Pommern-Stettin Unterschrift, Wahlspruch und Wappen, umgeben von emblematischen Medaillons und Darstellung einer allegorischen Landschaft, gemalt von Johann Matthias Kager.
37 Philipp II., Herzog von Pommern-Stettin Kalligraphisches Porträt in schwarzer Tinte mit Goldrahmen.
39 1613 Johann Friedrich, Herzog von Württemberg Unterschrift und Wappen, darüber Vögel und Tiere.
41 1612 Leopold V., Erzherzog von Österreich-Tirol Unterschrift, Wahlspruch und Wappen mit zwei Engeln.
43 1616 Barbara Sophia von Brandenburg, Herzogin von Württemberg Unterschrift und Wappen sowie zwei Putten, die eine Schriftrolle halten.
45 1616 * Barbara Sophia von Brandenburg, Herzogin von Württemberg
* Agnes von Württemberg (1592–1629), Ehefrau von Franz Julius von Sachsen-Lauenburg
* Anna von Württemberg (1597–1650), Tochter von Herzog Friedrich I.
Unterschriften, Wahlsprüche und Wappen.
50 1620 Adolf von Schleswig-Holstein-Gottorf, fürstlicher Militär Unterschrift, Wahlspruch und Darstellung einer Kriegsgöttin, die mit seinem Wappen einen Schild hält.
51 1630 Johann Wilhelm, Herzog von Sachsen-Altenburg Unterschrift, Wahlspruch und Wappen mit einem Putto.
53 1618 Zeichnung der Köpfe von Ceres, Venus und Bacchus nach dem Bildmotiv Sine Cerere et Baccho friget Venus.
55 1614 Ludwig V., Landgraf von Hessen-Darmstadt Unterschrift und Wappen.
58 1613 August der Jüngere, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg Unterschrift, Wahlspruch und Widmung an „suo amico“ Philipp Hainhofer in einer Federzeichnung mit der Verkündigung an die Hirten, gezeichnet von Lucas Kilian.
59 1614 Ursula von Pfalz-Veldenz-Lützelstein, Herzogin zu Württemberg, 1614 Name und Wappen mit allegorischen Frauenfiguren.
62 1616 Georg Friedrich, Markgraf von Baden und protestantischer Heerführer Unterschrift, Vollwappen und Figuren des Glaubens und der Gerechtigkeit, gemalt von Tobias Bernhart.
65 1619 Clara Maria von Pommern (1574–1623), erste Ehefrau von Herzog August der Jüngere Unterschrift und Wappen, flankiert von der heiligen Katharina von Siena und der Jungfrau des Unbefleckten Empfängnis.
68 1613 Karl Friedrich I., Herzog von Münsterberg Unterschrift und Wappen, umgeben von Engeln mit Instrumenten der Passion, gezeichnet von Lucas Kilian.
69 1613 Ludwig Friedrich, Herzog von Württemberg-Mömpelgard Unterschrift, Wahlspruch und Wappen in einem Rahmen aus Insekten, Blumen und Muscheln.
71 1624 Alessandro Orsini, Kardinal der Römischen Kirche Unterschrift über einem Gemälde eines Bären.
73 1621 Charles de Valois, Herzog von Auvergne und Angoulême Unterschrift über seinem gemalten Wappen.
75 1625 Aloysio Gonzaga, Prinz von Castiglione
Ferdinando Gonzaga
Unterschriften unter gemaltem Wappen.
78 1613 Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Reichsfürst aus dem Hause Wittelsbach Unterschrift und Wappen mit bemalter Umgebung, darunter Putten beim Musizieren.
80 1612 Heinrich Wenzel, Herzog von Münsterberg Unterschrift, Vollwappen und Wahlspruch.
84 1612 Maria Dorothea von Württemberg (1559–1639), Ehefrau von Herzog Otto Heinrich Unterschrift, Wappen und Wahlspruch mit einer Szene mit Landschaftshintergrund sowie Figuren der Gerechtigkeit und Nächstenliebe, signiert von Anton Mozart.
85 1612 * Sabine (1589–1661), Tochter von Herzog Otto Heinrich
* Susanna (1591–1667), Ehefrau von Pfalzgraf Georg Johann II.
Unterschriften und Wahlsprüche.
90–91 1614 August, Herzog von Sulzbach Unterschrift, Wahlspruch und Wappen, umgeben von zwei ganzseitigen Bildstickereien aus Seide und Goldfaden mit Darstellung eines Baldachins in einer Landschaft und einem Massaker an Unschuldigen.
94 * Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen
* Moritz, Herzog von Sachsen-Zeitz
Unterschriften und Wahlsprüche.
95 Ganzseitiges Gemälde einer Landschaft mit dem Kurfürsten Johann Georg I. und seinen Söhnen Augustus, Christian und Moritz rittlings auf einem Pferd mit rosa Mähne.
100 1619 Friedrich Achilles, Herzog von Württemberg Signatur, Wahlspruch und Wappen in kunstvoller architektonischer Umgebung mit Putten.
101 1623 Joachim Ernst, Herzog von Schleswig-Holstein-Plön Unterschrift und Wahlspruch.
103 François de Lorraine (1571–1632), Graf von Vaudemont Unterschrift, Vollwappen und Wahlspruch.
106 1630 Georg II., Landgraf von Hessen-Darmstadt. Unterschrift, Wappen und Wahlspruch mit symbolischen Erinnerungen an die Sterblichkeit.
108 1615 Anna von Pommern, Angehörige des Greifengeschlechts Unterschrift und Vollwappen.
109 1617 Anna Maria, Herzogin von Pommern Unterschrift, Wahlspruch und Vollwappen umrahmt von zwei geflügelten Meerjungfrauen.
112 1632 Hans, Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf (1606–1655) Unterschrift, Wahlspruch und Wappen, das von einer Figur der Nächstenliebe gehalten wird.
113 1632 Alexander Heinrich (1608–1667), Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg Unterschrift und Wahlspruch sowie nackte Glücksfigur, die den Wind in ihrem Segel fängt.
116 1614 Friedrich I., Landgraf von Hessen-Homburg Unterschrift, Vollwappen und Wahlspruch.
118 1630 Marguerite von Béthune († 1661), Ehefrau von Herzog Henri II. de Rohan Unterschrift, Vollwappen und Widmung.
119 1630 Marguerite de Rohan (1617–1684), Tochter des Herzogs Henri II. de Rohan Unterschrift, Vollwappen und Widmung.
124–125 1610 Francesco Contarini, Doge von Venedig Allegorisches Gemälde mit Wappen und Inschrift durch einen venezianischen Maler.
125 1614 Johann Christoph von Westerstetten, Fürstbischof von Eichstätt Unterschrift und Darstellung von Putten, Wahlsprüchen und den Figuren von Gerechtigkeit und Frieden.
128–129 1616 Moritz von Oranien, Statthalter der vereinigten Niederlande Unterschrift und Wappen.
131 1608 Giovanni de’ Medici, Premierminister seines Neffen Cosimo II. Unterschrift, Wahlspruch und Wappen mit Darstellung von Tieren, Fischen, Reptilien, Vögeln und Blumen, die die vier Elemente und Jahreszeiten darstellen.
134 1616 Johann Albrecht I. (1563–1623), Graf zu Solms-Braunfels Unterschrift und Wappen.
135 1616 Adam Gottfried Berca, Baron von Berka von Dubá Unterschrift, Wahlspruch und Wappen auf dem Schild eines gepanzerten Ritters zu Pferd.
137 1596 Ludwig Eberhard zu Oettingen-Oettingen (1577–1634), Graf Unterschrift, Widmung und Wappen in einer Begrenzung aus sitzenden Vögeln.
138–139 Doppelseite mit Blumen, Muscheln und Insekten innerhalb eines Randes aus Muscheln.
140 1597 Ludwig (1579–1643), Graf zu Erbach Unterschrift, Wahlspruch und Wappen in einer Begrenzung aus Vögeln und einer Fledermaus.
143 Vratislaus I., Fürst von Fürstenberg Unterschrift, Wahlspruch und Wappen.
146 1627 Georg IV., Graf von Ortenburg Unterschrift, Vollwappen und gemalte Szene mit industriellem Bergbau.
147 1629 Philipp Ernst von Mansfeld-Artern (1560–1631), kursächsischer Hauptmann Unterschrift, Wahlspruch und Wappen mit zwei Palästen.
148 1630 * Franz Christoph von Teuffenbach
* Sybilla von Teuffenbach, geb. von Herberstein
* Christoph von Welz, Baron von Eberstein
Unterschriften, Wahlsprüche und Wappen vor einer weitläufigen Landschaft mit Ernteszene.
149 1608 Georg Friedrich, Graf von Hardegg und von Glatz Unterschrift, Wahlspruch und Wappen mit Baldachin.
152 1626 Friedrich Casimir, Reichsgraf von Ortenburg Unterschrift, Vollwappen und Wahlspruch.
153 1625 Freiherr Georg von Wartenberg († 1632) Unterschrift, Wahlspruch und Wappen mit einem geflügelten Hermelin.
156 1616 Johann Conrad von Rosenbach, Johanniter in der Komturei Rothenburg ob der Tauber Unterschrift, Wahlspruch und Wappen.
157 Ganzseitiges Gemälde einer Seeschlacht mit der Eroberung der türkischen Galeere Sultana durch Galeeren des Malteserordens.
160 1609 Jehan Phelipaux, Berater von Heinrich IV. von Frankreich Unterschrift, Wahlspruch, Widmung und Wappen.
162 Johann Friedrich, Graf von Schwarzenberg und Baron von Hohenlandsberg Unterschrift, Wahlspruch und Wappen in einer gemalten Umrandung mit Laubblättern und Vögeln.
163 Gemälde mit einer Landschaft, die Philipp Hainhofer 1610 als „gar schvne Niderlandische Landschafft ...... wie Leander zu Heron bey dem mohnschein über das Wasser will schwümmen“ bezeichnete.
164 Gemälde mit einem Jungen mit einem Korb mit Brezeln und einer Uhr in einer Umrandung von Laubblättern und Tieren.
165 1596 Christoph, Graf von Schwarzenberg und Baron von Hohenlandsberg Wahlspruch und Wappen in einer gemalten Umrandung mit Blumen und Reptilien.
168 1621 Per Brahe, Graf zu Visingsborg Unterschrift, Wahlspruch und Wappen.
169 1618 Johann Conrad, Wild- und Rheingraf von Dhaun Unterschrift, Wahlspruch und Wappen.
174 Marx Fugger (1564–1614), Graf von Kirchberg und Weißenhorn Unterschrift, Vollwappen und Darstellung eines Löwen und eines Evangelisten, gemalt von Johann Matthias Kager.
175 1616 Johann Casimir, Graf von Beckenstein Unterschrift, Vollwappen und Wahlspruch mit Darstellung von Fischen.
178 Philippe de Canaye, Sieur du Fresne (1551–1610), französischer Diplomat und Gesandter von Heinrich IV. in der Republik Venedig Unterschrift und Vollwappen.
179 1596 Georg Christoph Urschenbeck Unterschrift, Wahlspruch und Wappen in einer gemalten Umrandung mit Vögeln und Insekten.
179–180 Doppelseite mit Blumen in einer Umrandung aus Muscheln.
182 1608 Bonaventura de Lafont, Graf Unterschrift, Wahlspruch und Wappen in einer gemalten Umrandung mit Vögeln.
183 1611 Jacques Bongars, französischer Diplomat Unterschrift, Wahlspruch und Wappen mit Darstellung von Stiefmütterchen und Herzen.
186 Zeichnung einer nackten Frau mit Musikinstrumenten und einem Pfau.
187 1596 Johann Christoph, Baron von Puchheim, Herr auf Göllersdorf Unterschrift, Wahlspruch und Wappen in einer gemalten Umrandung mit Schmetterlingen.
190 1629 * Hans Paul, Baron von Wolzogen
* Hans Sigismund, Baron von Wolzogen
Wahlsprüche und Wappen.
192 1611 Zacharias Geizkofler, Reichspfennigmeister des Heiligen Römischen Reichs Unterschrift, Vollwappen und Wahlspruch.
194 1606 Hans Wilheim von Riedheim und Angelberg, Edelmann aus Schwaben Unterschrift, Wahlspruch und Widmung.
195 Johann Adam, Baron von Vöhlin Unterschrift und Wahlspruch auf einer Schriftrolle, die von zwei gekrönten Engeln gehalten wird. Das Wappen wird mit Minerva mit Symbolen von Krieg und Frieden dargestellt.
198 1626 Peter Ernst, Baron von Ernhingen and Pittingen Unterschrift und Wappenanhänger mit Kopf eines Engels.
200 1614 Hugoldt Beer auf Hugoldsdorf Unterschrift und Wahlspruch.
201 1607 Servatius Reichelt (1573–1624), Assesor am Landgericht des Fürstentums Breslau Unterschrift, Gebet und Widmung.
203 1629 Matthias Hoë von Hoënegg, kursächsischer Oberhofprediger Unterschrift, Wappen und Wahlspruch.
205 Zeichnung mit Feder und Kreide Die drei Marien am Grab von Georg Behem.
208 Lamoral von Taxis, kaiserlicher Kämmerer Unterschrift, Wahlspruch und Wappen.
209 Federzeichnung als Kopie eines Stichs, der die Tötung des Herzogs von Guise im Jahre 1563 zeigt.
211 Unterschrift und Federzeichnung eines leeren Schildes auf einem Hügel.
214–215 1602 Ferdinand Matthioli (1565–1625), Arzt und Berater von Kaiser Matthias Wappen von Ferdinand II., König von Böhmen, in Gold auf Schwarz mit dem Datum 1618 auf Seite 214.
Porträtzeichnung von Ferdinand Matthioli in roter und schwarzer Kreide von Joseph Heintz der Ältere auf Seite 215.

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Philipp Hainhofer im Großen Stammbuch, ca. 1610

Seit ihrem Aufkommen in den 1530er Jahren waren Stammbücher im Umkreis der Universität Wittenberg und der dortigen Reformatoren Zeichen persönlicher Netzwerkbildung. Vor diesem Hintergrund begann der Augsburger Kaufmannssohn Philipp Hainhofer im Jahr 1596 bei einer Bildungsreise durch Italien mit dem Sammeln von Stammbucheinträgen. Die meisten Einträge dürften erst später bei seinen geschäftlichen Reisen oder in Augsburg beim Besuch auswärtiger Gäste in seiner Kunstsammlung entstanden sein. Auch wurden anscheinend erbetene Blätter eingefügt, die postalisch zugestellt wurden. Ab etwa 1610 praktizierte Hainhofer eine politische Funktionalisierung seines Stammbuchs. Dabei erhielt er durch die prominenten Eintragenden Einladungen zu Audienzen.[2] Bereits während seiner Entstehung war das Große Stammbuch eine Touristenattraktion, die sich Besucher von Philipp Hainhofer in Augsburg gern zeigen ließen. Laut einer zeitgenössischen Quelle galt schon im 17. Jahrhundert das „uberaus künstliche Stammbuch, desgleichen wol nirgents solle gesehen werden“ als Sensation.

Darüber hinaus sind mit dem Wolfenbütteler Stammbuch mit 532 Seiten[3] und dem Augsburger Stammbuch mit 116 Seiten[4] zwei weitere Stammbücher von Philipp Hainhofer bekannt.

Erwerbungen und Verbleib[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Philipp Hainhofer war ab 1613 jahrzehntelang als Agent, Faktor und Korrespondent für Herzog August II. von Braunschweig-Lüneburg tätig, der ihn mit einem Jahresgehalt von 600 Reichstalern entlohnte.[5] Nach Philipp Hainhofers Tod war sein Sohn Georg Ulrich Hainhofer (1614–1659) Haupterbe. Nach dessen Tod 1659 bemühte sich Herzog August II. von Braunschweig-Lüneburg um den schriftlichen Nachlass von Philipp Hainhofer. Er kam mit Reisebeschreibungen, Briefkorrespondenzen sowie Lautenbüchern fast vollständig nach Wolfenbüttel. Dort wurden die Schriften zwischen 1660 und 1663 in den Katalog der Herzog August Bibliothek eingetragen. Zum Nachlass gehörten zwei der drei Stammbücher von Philipp Hainhofer, aber nicht das Große Stammbuch.

Das Werk galt jahrhundertelang als verschollen. Im Jahr 1931 und erneut im Jahr 1941 tauchte es im Verkaufskatalog der Londoner Antiquariatsbuchhandlung Bernard Quaritch Ltd. für 600 Pfund auf. 1946 erwarb der US-Amerikaner Cornelius Hauck (1893–1967) aus Cincinnati das Buch aufgrund seines botanischen Interesses an den darin enthaltenen Pflanzenabbildungen. 2006 wurde es aus seinem Besitz bei Christie’s in New York versteigert.[6] Der Schätzwert lag bei 600.000 bis 800.000 Dollar.[7] Die Herzog August Bibliothek scheiterte bei der Ersteigerung, da das Werk für fast 2,4 Millionen Dollar über das Londoner Antiquariat Maggs Brothers in eine britische Privatsammlung ging. 2019 wurde das Große Stammbuch von einem privaten Sammler über das Auktionshaus Sotheby’s exklusiv der Herzog August Bibliothek zum Kauf angeboten. Die vom Brexit und der Corona-Krise überschatteten Verkaufsverhandlungen zogen sich über ein Jahr hin. 2020 erwarb die Bibliothek das Werk für 2,8 Millionen Euro. Die Mittel stellten das Land Niedersachsen, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, die Kulturstiftung der Länder und weitere Stiftungen zur Verfügung, darunter die Volkswagenstiftung, die Ernst von Siemens Kunststiftung, die Stiftung Niedersachsen und die Rudolf-August Oetker-Stiftung. Laut dem Direktor der Herzog August Bibliothek, Peter Burschel, ist es der bedeutendste Ankauf seit dem Erwerb des mittelalterlichen Evangeliars Heinrichs des Löwen im Jahr 1983.

Erforschung und Ausstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pressekonferenz zum Ankauf des Großen Stammbuches, u. a. mit Markus Hilgert von der Kulturstiftung der Länder, Wissenschaftsminister Björn Thümler und Peter Burschel, rechts in der Vitrine das Buch
Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel

Der Öffentlichkeit wurde der Ankauf des Großen Stammbuches von der Herzog August Bibliothek in einer Pressekonferenz am 25. August 2020 im Sprengel Museum Hannover bekannt gegeben. Durch den Erwerb ist es erstmals der Forschung zugänglich. Nach Meinung der Fachwelt eignet sich die Herzog August Bibliothek als Forschungsbibliothek weltweit am besten zur Erforschung und Präsentation des Werkes. Für Historiker stellt es, wie auch der übrige schriftliche Nachlass von Hainhofer, eine wichtige Quelle zu den kulturellen und politischen Netzwerken der deutschen Höfe im 17. Jahrhundert dar. Verbunden mit dem Ankauf ist ein dreijähriges Forschungsprojekt der Herzog August Bibliothek, bei dem die Entstehung und Geschichte des Werkes sowie seine künstlerische Ausgestaltung wissenschaftlich untersucht werden.[8] Das Forschungsprojekt wird mit 300.000 Euro vom Land Niedersachsen aus Mitteln der Volkswagen-Stiftung finanziert.[9] Während des Projekts soll das Werk digitalisiert und online verfügbar gemacht werden. Für die Öffentlichkeit ist eine Ausstellung geplant, bei der das Große Stammbuch im Rahmen des konservatorisch Vertretbaren gezeigt wird.

Das Große Stammbuch trägt in der Sammlung der Herzog August Bibliothek die Signatur Cod. Guelf. 355 Noviss.  8°.[10] und wird in einem klimatisierten, begehbaren Tresor der Bibliothek verwahrt, in dem auch das Evangeliar Heinrichs des Löwen lagert.

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Große Stammbuch gilt von den drei Stammbüchern von Philipp Hainhofer als das kunst- und kulturgeschichtlich bedeutendste. Experten zufolge überrage es in Ausstattung und politischer Bedeutung die weltweit etwa 25.000 dokumentierten Stammbücher. Die Personen, die sich im Großen Stammbuch eingetragen haben, waren privilegiert und Angehörige der Oberschicht. Laut Peter Burschel von der Herzog August Bibliothek habe Philipp Hainhofer die damaligen Eliten dazu gebracht, in seinem Buch zu unterschreiben. Für ihn war es ein Geschäftsmodell, das als Türöffner in Adelskreisen diente[11], um eine längerfristige Handelsbeziehung zu etablieren und Folgeaufträge für andere Kunstobjekte zu erhalten. Mit dem Buch, das schon damals als Sensation galt, erhielt Philipp Hainhofer Zugang zu den bedeutendsten politischen Entscheidungsträgern seiner Zeit.

Einzelne Medien bezeichnen das Buch als Who’s Who des 17. Jahrhunderts.[12] Der Niedersächsische Wissenschaftsminister Björn Thümler hält es für einen „herausragenden Kulturschatz nationalen Ranges“.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michael Wenzel: Philipp Hainhofer: Handeln mit Kunst und Politik, Berlin, 2020
    • Geschäftsmodell Stammbuch, S. 65–64
    • Stammbücher als Aktanten, S. 119–140

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Großes Stammbuch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. The History of the Book: The Cornelius J. Hauck Collection bei Christie’s, Lot 263, 27.–28. Juni 2006
  2. Stammbücher Philipp Hainhofers bei Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel
  3. Wolfenbütteler Stammbuch Philipp Hainhofers, 1593–1631 bei Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
  4. Augsburger Stammbuch Philipp Hainhofers, 1596–1619 bei Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
  5. Willi Winkler: Königin der Stammbücher in Süddeutsche Zeitung vom 25. August 2020
  6. Ten Most Expensive Books of 2006 bei Fine Books & Collections
  7. Lisa Zeitz: Ein ganzes Album für die Freundschaft: Höchspreise in New York für die Sammlung von Cornelius Hauck in FAZ vom 3. Juli 2006
  8. 2,8-Millionen-Euro-Buch wird für weitere 300.000 Euro erforscht in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 25. August 2020
  9. Spektakulärer Neuerwerb: HAB kauft "Album Amicorum" bei regionalHeute.de vom 25. August 2020
  10. Großes Stammbuch Philipp Hainhofers, 1596–1633, Handschrift, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur Cod. Guelf. 355 Noviss. 8° bei Herzog August Bibliothek
  11. Bibliothek erwirbt Album mit Europas Herrschern in Westfälische Nachrichten vom 25. August 2020
  12. 400 Jahre altes Buch in Hannover vorgestellt bei ndr.de vom 25. August 2020