Harrisch-Wierische Ritterschaft

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Harrisch-Wierische Ritterschaft war ein von etwa 1250 bis 1584 bestehender Zusammenschluss baltisch-deutscher Lehnsträger und Vasallen in Harrien und Wierland im Norden Estlands und mithin die Vorgängerorganisation der Estländischen Ritterschaft.

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Sommer 1219 eroberte König Waldemar II. von Dänemark die Landschaften Harrien und Wierland. Er belehnte seine Vasallen mit Rittergütern und Land, wofür diese Aufgaben der Landesverteidigung und Ämter in Verwaltung zu leisten hatten. Im Liber Census Daniae werden 114 harrisch-wierische Vasallen für das Jahr 1241 aufgeführt, zumeist aus Geschlechtern deutscher Herkunft. Diese Geschlechter schlossen sich um 1250 zur Harrisch-Wierischen Ritterschaft zusammen, obwohl für diesen Verband nicht dieser Ausdruck verwendet wurde, sondern eher von „Rittern und Mannen“ oder „Vasallenschaft“ die Rede war.[1] Ein harrisch-wierischer Landesrat fungierte als oberstes Gremium.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zuge des großen Estenaufstands von 1343 wurde die harrisch-wierische Ritterschaft an Menschen und Mitteln erheblich geschwächt, und der Aufstand konnte nur mit Hilfe des Deutschen Ordens niedergeschlagen werden. Nachdem im Herbst 1346 der Deutsche Orden durch Kauf von Dänemark das Herzogtum Estland erwarb, leistete die harrisch-wierische Ritterschaft dem Orden Heerfolge im Rahmen des Aufgebots der Livländischen Ritterschaft, zum Beispiel in der Schlacht bei Tannenberg (1410). Am 13. Juli 1397 gewährte Hochmeister Konrad von Jungingen „den Rittern und Knechten“ in Harrien und Wierland ihre alten Privilegien in der sogenannten „Jungingenschen Gnade“.[2] Die harrisch-wierische war die erste und älteste korporative Ritterschaft auf dem livländischen Ordensgebiet überhaupt.[3] Einzelne Mitglieder der Ritterschaft, wie Otto II. von Brakel, agierten als Bevollmächtigte und übernahmen Ämter und diplomatische Aufgaben im Namen des Ordens.

Im Zuge des Untergangs des Deutschen Ordens leisteten die deutschbaltischen Mitglieder der harrisch-wierischen Ritterschaft, nach Anschluss ehemaliger Ordensvasallen aus Jerwen als Einzelpersonen und langwierigen Verhandlungen, am 4. Juni 1561[3] dem König Erik XIV. von Schweden den Treueeid, von dem sie eine Bestätigung ihrer Privilegien und „alten Freiheit“ erhielten. Damit fand die Herrschaft des Ordens in Estland faktisch ihr Ende. 1584 wurden die Landschaften Harrien, Wierland, Jerwen und Wiek vom schwedischen König zu einem Fürstentum vereinigt. Die harrisch-wierische Ritterschaft ging daher in der seitdem bestehenden Estländischen Ritterschaft auf. Erst danach wurden Matrikel für die Geschlechter der Ritterschaft eingerichtet, um eine Abgrenzung gegenüber durch den schwedischen König mit Gütern belehnten nichtadeligen Söldnerführern als auch Bürgern von Reval und Narva zu schaffen, die ihr Vermögen in Rittergütern in Estland anlegten.

Personen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(Quelle:[4])

Ritterschaftshauptmänner bzw. Bevollmächtigte (unvollständiger Auszug)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Otto II. von Brakel, Bevollmächtigter um 1420
  • Antonius (Tönnies) Maydell, Rat des Deutschen Ordens und Mannrichter in Harrien († zwischen 1556 und dem 24. Juni 1559)
  • N. N. von Tiesenhausen, Ritterschaftshauptmann 1557[5]
  • Reinhold Lode († nach 1561), Herr auf Tolks und Rocht, Ritterschaftshauptmann in Harrien-Wierland

Beteiligte Geschlechter (Auszug)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Axel von Gernet: Die harrisch-wierische Ritterschaft unter der Herrschaft des Deutschen Ordens bis zum Erwerb der Jungingenschen Gnade. (Forschungen zur Geschichte des Baltischen Adels. Erstes Heft, Verlag Franz Kluge, Reval 1893)
  • Georges Baron Wrangell: Die harrisch-wierische Ritterschaft und andere historische Aufsätze (Verlag Franz Kluge, Reval 1914) (online als PDF 6,26 MB)
  • Wilhelm Baron von Wrangel: Die Estländische Ritterschaft, ihre Ritterschaftshauptmänner und Landräte, C. A. Starke Verlag, 1967, S. 345.[9]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. G. v. Wrangell (1914) Seite 1
  2. Wilhelm Baron von Wrangel (1967), S. 13
  3. a b Hasso von Wedel: Die estländische Ritterschaft (Ost-Europa-Verlag, Königsberg u. Berlin 1935) Seite 2 und 5 (online als PDF Seite 11.) Abgerufen am 28. Oktober 2021.
  4. G. v. Wrangell (1914) Seite 13
  5. Geschichtliche Uebersicht der Grundlagen und der Entwickelung des Provinzialrechtes in den Ostseegouvernements, Band 2 (Kaiserl. Kanzlei, St. Petersburg 1845) S. 100 (online)
  6. Henning v. Baensch: Geschichte der Familie von Wrangel vom Jahre 1250 bis auf die Gegenwart. Wilhelm Baensch Verlagshandlung, Berlin & Dresden 1887, S. 160.
  7. Stackelberg, Otto Magnus von: Genealogisches Handbuch der estländischen Ritterschaft, Bd.: 1, (Görlitz 1931), Seite 1 (Digitalisat)
  8. Stackelberg, Otto Magnus von: Genealogisches Handbuch der estländischen Ritterschaft, Bd.: 1, (Görlitz 1931), Seite 97 (Digitalisat)
  9. online bei books.google.de