Internationaler Gesangswettbewerb Neue Stimmen

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Logo des Gesangswettbewerbs Neue Stimmen

Neue Stimmen (Eigenschreibweise in Großbuchstaben) ist ein internationaler Gesangswettbewerb.[1] Er wurde 1987 auf Initiative von Liz Mohn mit Unterstützung von August Everding ins Leben gerufen, um den Opernnachwuchs zu fördern.[2] Die Neuen Stimmen gelten als „Talentschmiede“,[3] die für viele Teilnehmer den Beginn einer internationalen Karriere markiert.[4][5] Der Gesangswettbewerb wird alle zwei Jahre von der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh ausgerichtet,[6] zuletzt im Juni 2022.[7]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

August Everding (am Rednerpult) auf dem Finalkonzert 1997
Maria Celeng während des Finalkonzerts 2011

1985 gaben die Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Herbert von Karajan ein Konzert in der Gütersloher Stadthalle. Anlass war das 150-jährige Bestehen von Bertelsmann.[8] Am Rande der Veranstaltung diskutierte Karajan mit Liz Mohn über die mangelnde Förderung des Operngesangs. Im Vergleich zum Ausland sei es in Deutschland schwierig, geeigneten Nachwuchs zu finden.[9] Aufgrund dessen initiierte Mohn, seit 1986 Mitglied des Beirats der Bertelsmann Stiftung, einen internationalen Gesangswettbewerb. An der Realisierung war August Everding maßgeblich beteiligt, der als damaliger Generalintendant der Bayerischen Staatstheater das nötige Fachwissen beisteuerte.[2][10]

Der erste Gesangswettbewerb fand im Oktober 1987 in Zusammenarbeit mit der Intendantengruppe des Deutschen Bühnenvereins in der Stadthalle Gütersloh statt.[11] Im Gegensatz zu anderen Förderprogrammen fanden Teilnehmer eine große Bühne und einen Konzertsaal vor, den sie mit ihrer Stimme ausfüllen mussten. Außerdem wurden sie von einem Symphonieorchester begleitet. Parallel zum Wettbewerb richtete die Bertelsmann Stiftung ein Symposium aus, auf dem Experten über Themen der Kulturpolitik debattierten. Es wurde in den folgenden Jahren fortgesetzt.[12]

Neue Stimmen war zunächst ein „Europäischer Sängerwettstreit“, da nur in Europa ausgebildete Künstler teilnehmen durften.[13] Beachtenswert ist hierbei, dass es von Beginn an Bewerber aus Osteuropa gab. Anfang der 1990er Jahre kamen aber immer mehr Sänger aus anderen Ländern hinzu.[14] Dadurch entwickelten die Neuen Stimmen ihren heutigen Charakter als „Internationaler Gesangswettbewerb“.[15] Im Laufe der Jahre stieg die Zahl der Teilnehmer kontinuierlich.[16]

Nach den Gesangswettbewerben in den Jahren 1987, 1988 und 1989 wechselten die Organisatoren zu einem zweijährigen Rhythmus, der bis heute beibehalten wird. 1997 fand der erste Meisterkurs statt, der seither in den Jahren zwischen den Wettbewerben durchgeführt wird. Er dient der Förderung besonders talentierter Bewerber, die zuvor am Wettbewerb teilgenommen haben.[17] 2012 kam als drittes Format eine Liedmeisterklasse hinzu,[18] die 2013 und 2014 fortgeführt wurde.[19][20] Dadurch wollen die Organisatoren insbesondere das Lied als Kunstform lebendig halten.[18]

Aufgrund der Auswirkungen der globalen COVID-19-Pandemie fand der Meisterkurs der Neuen Stimmen im Jahr 2020 erstmals vollkommen digital statt. Die Teilnehmer erhielten die Möglichkeit, sowohl ihre künstlerischen als auch ihre karrierebegleitenden Fähigkeiten in Einzel- und Gruppentrainings per Video zu entwickeln.[21] 2022 kehren die Neuen Stimmen als Präsenzveranstaltung nach Gütersloh zurück. Das Finalkonzert wurde von den Duisburger Philharmonikern unter der Leitung von Jonathan Darlington begleitet.[22]

Wettbewerb[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Internationale Gesangswettbewerb Neue Stimmen besteht seit über 30 Jahren.[23] 2022 nahmen rund 1400 Bewerber aus über 60 Nationen teil.[24] Zu den Voraussetzungen zählte, dass sie an einer Musikhochschule immatrikuliert waren und bereits Rollen einstudiert oder aufgeführt haben. Für Sängerinnen und Sänger galt gleichermaßen eine Altersgrenze von 31 Jahren.[25]

Die Jury sichtet in Vorauswahlen zunächst die besten Talente. Der Prozess findet weltweit unter fairen und professionellen Bedingungen statt, beispielsweise in New York City oder Kapstadt.[26] Nach der Vorauswahl werden ausgewählte Teilnehmer nach Gütersloh eingeladen und von Repetitoren begleitet.[27][28] Dort werden in einem Finalkonzert mit Orchester die Preisträger ermittelt.[29]

Seit 2013 gibt es jeweils einen weiblichen und männlichen ersten, zweiten und dritten Platz, wodurch eine gerechtere Bewertung der Teilnehmer möglich ist.[30] Mitunter kann es vorkommen, dass zwei Preisträger denselben Platz einnehmen, wenn sie sich vor der Jury als ebenbürtig erweisen. Außerdem gibt es Förder-, Publikums- und andere Sonderpreise.[31]

Die Preisträger der Neuen Stimmen erhalten ein Preisgeld in Abhängigkeit von ihrer Platzierung.[32] 2022 betrug es 15.000, 10.000 und 5.000 Euro. Sie werden im weiteren Verlauf ihrer Karriere begleitet, etwa bei der Annahme weiterer Engagements.[33] Intendanten und Agenten nutzen den Gesangswettbewerb als Talentbörse, um vielversprechende Sänger zu verpflichten.

Jury[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Jury der Neuen Stimmen besteht aus erfahrenen Praktikern der Opern- und Musikwelt. Derzeit sind es fünf Frauen und vier Männer unter dem Vorsitz von Dominique Meyer.[34]

Von 1987 bis 1997 leitete August Everding das Gremium. In den Jahren 1999 bis 2001 trat René Kollo an seine Stelle.[35] 2003, 2005 und 2007 stand Gérard Mortier an der Spitze.[36] Die Schirmherrschaft über den Gesangswettbewerb hatten Richard von Weizsäcker (1993), Roman Herzog (1995), Rita Süssmuth (1997), Wolfgang Clement (1999) und Peter Ustinov (2001) inne.[37]

Preisträger[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1987
1988
  • 1. Platz: Izabela Labuda (Sopran)[39]
  • 2. Platz: Heike Theresa Terjung (Lyrischer Mezzosopran)
  • 3. Platz: Ingrid Kertesi (Koloratursopran)
1989
1991
1993
  • 1. Platz: Marina Ivanova (Koloratursopran)
  • 2. Platz: Laura Polverelli (Mezzosopran)
  • 3. Platz: Nicola Beller (Lyrischer Sopran)
1995
1997
1999
  • 1. Platz: Tina Schlenker (Lyrischer Koloratursopran)[42]
  • 2. Platz: Andrei Dounaev (Tenor)
  • 3. Platz: Paul Gay (Bass-Bariton)
2001
  • 1. Platz: Burak Bilgili (Bass)[43]
  • 2. Platz: Woo-Kyung Kim (Tenor)
  • 3. Platz: Anna Samuil (Sopran)
2003
2005
  • 1. Platz: Maria Virginia Savastano (Sopran)[45]
  • 2. Platz: Alexey Kudrya (Tenor)
  • 3. Platz: Anna Aglatova (Sopran)
2007
  • 1. Platz: Marina Rebeka (Sopran)[46]
  • 2. Platz: Fernando Javier Radó (Bass)
  • 3. Platz: Diego Torre (Tenor)
2009
  • 1. Platz: Eunju Kwon (Sopran)[47]
  • 2. Platz: Kihwan Sim (Bass-Bariton)
  • 3. Platz: JunHo You (Tenor)
2011
2013
  • 1. Platz: Nicole Car (Sopran), Nadine Sierra (Sopran), Myong-Hyun Lee (Tenor)[49]
  • 2. Platz: Oleg Tibulco (Bass)
  • 3. Platz: Kristina Mkhitaryan (Sopran), Oleksandr Kyreiev (Bariton)
2015
  • 1. Platz: Elsa Dreisig (Sopran), Anatoli Sivko (Bass)[50]
  • 2. Platz: Miriam Albano (Mezzosopran), Darren Pati (Tenor)
  • 3. Platz: Bongiwe Nakani (Mezzosopran), Lukhanyo Moyake (Tenor)
2017
  • 1. Platz: Svetlina Stoyanova (Mezzosopran), Cho ChanHee (Bass)[51]
  • 2. Platz: Emily D’Angelo (Mezzosopran), Johannes Kammler (Bariton)[52]
  • 3. Platz: Zlata Khershberg (Mezzosopran), Mingjie Lei (Tenor)
2019
2022
  • 1. Platz: Francesca Pia Vitale (Sopran), Carles Pachon (Bariton)[7]
  • 2. Platz: Eugénie Joneau (Mezzosopran), Sakhiwe Mkosana (Bariton)
  • 3. Platz: Yewon Han (Sopran), Dumitru Mitu (Tenor)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Neue Stimmen – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. August Everding: „Neue Stimmen“: Viele singen um ihr Lebensglück. In: Welt am Sonntag. 23. März 1997, S. 27.
  2. a b „Die Idee hatte Herbert von Karajan“. In: Westfalen-Blatt. 28. November 2012.
  3. Talentschmiede gewährt Blick hinter die Kulissen. In: Die Glocke. 29. September 2016, S. 21.
  4. Mit ganzem Herzen. In: Westfalen-Blatt. 18. Juni 2011.
  5. Ein wahrer Jungbrunnen für die künftige Opernszene. In: Sächsische Zeitung. 20. Oktober 2005, S. 7.
  6. Bertelsmann-Stiftung sucht Neue Stimmen. In: Rhein-Zeitung. 10. Januar 2011, S. 26.
  7. a b Neue Stimmen 2022: Italienerin und Spanier gewinnen Gesangswettbewerb. In: Zeit. 1. Juli 2022, abgerufen am 8. Juli 2022.
  8. Liz Mohn: Liebe öffnet Herzen. Goldmann Verlag, München 2008, ISBN 978-3-641-02988-3, S. 105–110.
  9. Liz Mohn: Schlüsselmomente. Erfahrungen eines engagierten Lebens. C. Bertelsmann Verlag, München 2011, ISBN 978-3-641-07123-3, S. 69–76.
  10. Harald Stazol: Die Meistersinger von Gütersloh. In: Stern. Nr. 42, 1999.
  11. Neue Stimmen – Internationaler Gesangswettbewerb im Portrait. In: Klassik – unabhängig, kritisch, aktuell. Abgerufen am 1. September 2017.
  12. Zwischen Kunst und Kommerz: Symposium widmet sich Musikkultur in der Zukunft. In: Lausitzer Rundschau. 30. Mai 1997, S. 19.
  13. Bertelsmann-Stiftung. Ausgaben steigen auf 16,4 Millionen D-Mark. Durch Verbesserung staatlicher Strukturen soll Gemeinwohl-Beitrag geleistet werden. In: Handelsblatt. 5. April 1990, S. 6.
  14. Olympiade für Nachwuchskünstler. „Neue Stimmen“ mit internationalen Talenten. In: Neue Westfälische. 7. Mai 2003.
  15. Chance für den Opernnachwuchs. Internationaler Gesangswettbewerb der Bertelsmann-Stiftung. In: Neue Westfälische. 22. Januar 2009.
  16. „Neue Stimmen“ gefragt. In: Neue Westfälische. 10. Mai 2005.
  17. Meisterkurs und Galakonzert. „Neue Stimmen“ zum ersten Mal im neuen Theater. In: Neue Westfälische. 16. Oktober 2010.
  18. a b Das Lied als Kunstform. In: Westfalen-Blatt. 3. Oktober 2012.
  19. Stefan Lind: Ein Fest der Klassik. In: Westfalen-Blatt. 5. Oktober 2013.
  20. Feuer und Alarm: „Neue Stimmen“ im Konzerthaus. In: Der Tagesspiegel. 18. November 2014, S. 25.
  21. Neue Stimmen: Meisterkurs nur digital. Bertelsmann Stiftung geht neue Wege. In: Neue Westfälische. Bielefelder Tageblatt. 27. Oktober 2020, S. 8.
  22. Internationaler Gesangswettbewerb Neue Stimmen. Duisburger Philharmoniker, abgerufen am 8. Juli 2022.
  23. Gütersloh: Runder Geburtstag. In: Gala. Nr. 20, 2017, S. 101.
  24. 1.430 Bewerbungen bei Neue Stimmen. In: Bielefelder Tageblatt. 28. April 2017, S. 30.
  25. Gesangswettbewerb Neue Stimmen ausgeschrieben – Altersgrenze gesenkt. In: Musik Heute. 30. Januar 2015, abgerufen am 1. September 2017.
  26. „Neue Stimmen“ so international wie nie. In: Die Glocke. 28. April 2017, S. 21.
  27. Stefan Lind: „Neue Stimmen“: Heute geht’s los. 40 junge Operntalente sind in Gütersloh eingetroffen. In: Westfalen-Blatt. 7. Oktober 2013.
  28. 19 Sänger im Semifinale. In: Westfalen-Blatt. 10. Oktober 2013.
  29. Stefan Lind: Finale ist längst ausverkauft. In: Westfalen-Blatt. 17. Oktober 2011.
  30. Soprane und Tenöre künftig getrennt. „Neue Stimmen“ mit veränderter Preisstruktur. In: Neue Westfälische. 17. Januar 2013.
  31. Matthias Gans: Sängerpersönlichkeiten mit großer Perspektive. In: Neue Westfälische. 29. Oktober 2007.
  32. „Neue Stimmen“ zeichnen Sieger aus. In: Rhein-Zeitung. 26. Oktober 2015, S. 31.
  33. Christian Horwedel: „Neue Stimmen 1999“. Die Meistersinger von Gütersloh im Wettbewerb. In: Berliner Morgenpost. 2. Dezember 1999, S. 31.
  34. Jubiläumskonzert zu „25 Jahre Neue Stimmen 2012“ am 1. Dezember im Theater der Stadt Gütersloh. Gütersloh TV, 28. November 2012, abgerufen am 1. September 2017.
  35. René Kollo Jury-Chef bei „Neue Stimmen“. In: Sächsische Zeitung. 20. August 1999, S. 14.
  36. Gerard Mortier sucht „Neue Stimmen“. In: Der Tagesspiegel. 10. Januar 2002, S. 25.
  37. Peter Ustinov übernimmt Gesangsjury-Ehrenvorsitz. In: Berliner Zeitung. 27. März 2001, S. 10.
  38. Matthias Gans: „Feine Öhrchen in Gütersloh“. 25 Jahre „Neue Stimmen“: Geburtstagsgala mit Gewinnern des Wettbewerbs. 3. Dezember 2012.
  39. Zum Angedenken an Urzula Mitrenga. In: Südwest Presse. 7. November 2012, S. 20.
  40. Eine Entdeckung von Gustav Kuhn. In: Kronen Zeitung. 21. Mai 2015, S. 46.
  41. Carl H. Hiller: Neue Stimmen im Wettstreit. 4. Sängerwettstreit der Bertelsmann-Stiftung. In: Bonner General-Anzeiger. 31. Oktober 1991, S. 17.
  42. Als Zerlina zum Sieg: Deutsche gewinnt internationalen Preis. In: Allgemeine Zeitung. 14. Oktober 1999.
  43. Türkischer Bassist gewinnt Wettbewerb. In: Leipziger Volkszeitung. 21. Mai 2001, S. 15.
  44. Counter-Tenor errang ersten Preis im Wettbewerb „Neue Stimmen“. In: Die Welt. 27. Oktober 2003, S. 27.
  45. Argentinierin gewinnt bei „Neue Stimmen“. In: Berliner Zeitung. 24. Oktober 2005, S. 25.
  46. Lettin gewinnt „Neue Stimmen“. In: Nürnberger Nachrichten. 29. Oktober 2007.
  47. Jeanette Salzmann: Diese Stimmen treffen ins Herz. In: Neue Westfälische. 2. November 2009.
  48. Stefan Lind: Ein Sopran überstrahlt alles. In: Westfalen-Blatt. 24. Oktober 2011.
  49. Barbara Brunnert: Ausnahmsweise drei Sieger. In: Westfalen-Blatt. 14. Oktober 2013.
  50. Gewinner stehen fest. In: Göttinger Tageblatt. 27. Oktober 2015, S. 13.
  51. „Neue Stimmen“ für die Opernwelt. In: Rhein-Zeitung. 16. Oktober 2017, S. 31.
  52. „Neue Stimmen“ aus Bulgarien und Südkorea. In: Die Glocke. 15. Oktober 2017, abgerufen am 20. Oktober 2017.
  53. Neue Stimmen aus Russland und Südafrika. In: Die Glocke online. 27. Oktober 2019, abgerufen am 29. Oktober 2019.

Koordinaten: 51° 54′ 32,8″ N, 8° 25′ 4,3″ O