Jüdischer Friedhof Creglingen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Der Jüdische Friedhof in Creglingen
Der Jüdische Friedhof in Creglingen
Detailansicht

Der Jüdische Friedhof von Creglingen, einer Stadt im Main-Tauber-Kreis im nördlichen Baden-Württemberg, diente bis in die 1930er Jahre als Bestattungsplatz für die jüdischen Gemeindemitglieder in Creglingen und Umgebung.[1] Der jüdische Friedhof ist ein Kulturdenkmal der Stadt Creglingen.[2]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jüdische Gemeinden in Creglingen und Umgebung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Stadtgebiet lebende Juden gab es bei der jüdischen Gemeinde Creglingen und der benachbarten jüdischen Gemeinde Archshofen erstmals im Mittelalter und dann wieder seit dem 16./17. Jahrhundert. In beiden Orten wurden auch Synagogen errichtet. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte die jüdische Gemeinde in Creglingen mit etwa 130 Personen ihre höchste Mitgliederzahl, 1933 hatte Creglingen noch 73 jüdische Einwohner. Am 25. März 1933 wurden die Mitglieder der jüdischen Gemeinde Creglingen von einer auswärtigen SA-Terrorgruppe unter dem Kommando des Heilbronners Fritz Klein zusammengetrieben. Sechzehn Männer wurden auf dem Rathaus schwer misshandelt, zwei davon, Hermann Stern und Arnold Rosenfeld, starben an den brutalen Schlägen. Der Würzburger Professor Horst F. Rupp schreibt: Gäbe es eine Namensliste der über 6.000.000 ermordeten Juden, Hermann Stern und Arnold Rosenfeld stünden ganz oben als erste Opfer der Shoa.[3] Mindestens Hermann Sterns Grab ist auf dem Creglinger jüdischen Friedhof erhalten geblieben;[4] auch Arnold Rosenfeld wurde dort bestattet.[5][6] In Lion Feuchtwangers Roman Die Geschwister Oppenheim, in dem der Vorfall geschildert wird, ist Stern in Berg umbenannt worden.[7]

Friedhofsanlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der im 17. Jahrhundert angelegte jüdische Friedhof liegt etwa einen Kilometer von Creglingen entfernt. Er diente als Bestattungsort für Juden aus Creglingen, Archshofen – die Gemeinde kaufte sich 1847 in den Friedhof ein –, Craintal, Allersheim, Waldmannshofen, Hechingen und Welbhausen. Von der Mitte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Friedhof offenbar allmählich um einen südlichen Teil erweitert; zwischen dem hügeligen Nordteil, der wohl in mehreren Lagen belegt und aufgeschüttet wurde, und dem jüngeren Südteil liegt eine freie Rasenfläche. Die erste Bestattung auf dem Südteil fand 1890 statt. Bis 1930 wurden dort 91 Gräber belegt; die letzte Bestattung fand 1939 statt. Nach der Erweiterung des Friedhofs und der Gründung eines Friedhofsvereins im Jahr 1879 wurde 1892 eine steinerne Einfriedung nach den Plänen des Architekten Johann Wendelin Braunwald um den Friedhof gezogen, der vorher nur durch einen Lattenzaun eingefasst gewesen war. 1943 wurde der Friedhof zwangsweise an die Stadt Creglingen verkauft; es kam zu verschiedenen Schändungen. Im Jahr 1998 wurde eine Tafel zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus an der Umfassungsmauer angebracht. 2001 ging er per Schenkung in den Besitz der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs über.

Die Grabsteine auf dem älteren Nordteil bestehen großenteils aus Sandstein. Der wohl älteste Grabstein mit noch lesbarer Inschrift stammt aus dem Jahr 1696 und bezeichnet das Grab eines Eisik Jizchak ben Mosche. Eine erste Inventarisierung führte der Oberlehrer Josef Preßburger 1930 durch. Er zählte 341 Grabsteine, deren Inschriften er noch entziffern konnte, und zahlreiche weitere mit unlesbaren Inschriften. 1997 wurden die Grabsteine neu katalogisiert.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hartwig Behr, Horst F. Rupp: Vom Leben und Sterben. Juden in Creglingen. Königshausen & Neumann, Würzburg 1999, ISBN 3-8260-1834-6.
  • S. Michal Antmann: Der jüdische Friedhof von Creglingen. Grunddokumentation im Auftrag der Stadt Creglingen. 1998.
  • Claudia Heuwinkel: Jüdisches Creglingen. Ein Gang durch die Stadt. (= Orte jüdischer Kultur). Schubert, Haigerloch 2001, ISBN 3-933231-19-1.
  • Eva Maria Kraiss, Marion Reuter: Bet Hachajim – Haus des Lebens. Jüdische Friedhofe in Württembergisch Franken. Swiridoff, Künzelsau 2003, ISBN 3-89929-009-7.
  • Gerhard Naser (Hrsg.): Lebenswege Creglinger Juden. Das Pogrom von 1933. Der schwierige Umgang mit der Vergangenheit. Eppe, Bergatreute 1999, ISBN 3-89089-057-1.
  • Horst F. Rupp: Streit um das Jüdische Museum. Königshausen & Neumann, Würzburg 2004, ISBN 3-8260-2966-6.
  • Staatsarchiv Ludwigsburg – Archivalieneinheit: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg – Dokumentation der jüdischen Grabsteine in Baden-Württemberg. 1989–2007. 2. Photodokumentation der jüdischen Grabsteine in Baden-Württemberg. b. Württemberg. Bestellsignatur: EL 228 b Nr. 347. Titel: 08: Creglingen, Friedhof

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Jüdischer Friedhof Creglingen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Liste der jüdischen Friedhöfe in Baden-Württemberg. In: uni-heidelberg.de. Abgerufen am 6. Dezember 2020.
  2. Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.): Liste der Bau- und Kunstdenkmale mit Stand vom 15. Februar 2012.
  3. Das Ende der jüdischen Gemeinde Creglingen – Verein Alt-Rothenburg e.V. In: alt-rothenburg.de. Abgerufen am 6. Dezember 2020.
  4. Staatsarchiv Ludwigsburg EL 228 II b Nr. 59560-59561 (Aufnahmen von 1989)
  5. Staatsarchiv Ludwigsburg EL 228 II b Nr. 59539 (Aufnahme von 1989)
  6. Creglingen Town Walking Tour. In: romanticroad.com. Abgerufen am 6. Dezember 2020.
  7. Nachrichten aus einer viel gelästerten Zeit - Wie das baden-württembergische Städtchen Creglingen in einen Historikerstreit geriet. In: literaturkritik.de. Abgerufen am 6. Dezember 2020.

Koordinaten: 49° 27′ 43,5″ N, 10° 1′ 4″ O