Johannes Goebel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Goebel als Zeuge bei den Nürnberger Prozessen.

Johannes Paul Goebel (* 29. Oktober 1891 in Berlin; † 11. August 1952 in Bremen[1]) war ein deutscher Chemiker.

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Johannes Paul (in der Literatur auch als Walter Paul Edmund) Goebel war seit den 1930er Jahren für die Schering AG im Labor als Pharmazeut und Chemiker tätig. Er stieg dort zum Chefchemiker auf. 1933 trat er der NSDAP (Mitgliedsnummer 3.003.519) und der Allgemeinen SS (SS-Nr. 182.700) bei. Im April 1942 wurde er von der Schering AG nach Auschwitz abgeordnet, um dort in der Medizinischen Abteilung als Assistent von Carl Wilhelm Clauberg bei Menschenversuchen tätig zu werden. Schwerpunkt seiner Tätigkeit war die Massensterilisierung von Jüdinnen. Obwohl kein Mediziner injizierte er selbst. Die Schätzungen zur Zahl der Opfer gehen weiter auseinander. Wolfgang Benz geht von 150 bis 400 aus,[2] Robert Jay Lifton von zwischen 700 und einigen Tausend.[3] Zu den Nebenwirkungen der Versuche gehörten Bauchfellentzündungen oder Sepsis. Eine nicht bekannte Zahl der Opfer starb durch die Versuche. Goebel war auch beteiligt an der Erprobung von Kontrastmitteln für Röntgenzwecke an Häftlingen. Für seine Aktivitäten wurde er mit dem Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse mit Schwertern ausgezeichnet.

Mit dem Vorrücken der Roten Armee flüchteten Goebel und Clauberg Anfang 1945 über das KZ Groß-Rosen ins KZ Ravensbrück. Dort führten sie ihre Experimente fort. Mit dem Ende des Nationalsozialismus wurde Goebel zeitweise inhaftiert. Die Schering AG entließ ihn Ende März 1945, stellte ihn dann später aber wieder ein. Goebel wurde im Rahmen der Nürnberger Prozesse als Zeuge vernommen, aber nicht angeklagt.[4]

"[Clauberg] ... ließ ihm ein Haus in der Umgebung des Lagers zur Verfügung stellen und betraute ihn damit, selbständig intrauterine Einspritzungen vorzunehmen, obwohl Goebel kein Mediziner war. Goebel prahlte so laut mit seinem Tun, daß die Schering-Werke sich von ihm distanzierten. Eduard de Wind[5] [Schering AG] charakterisiert ihn folgendermaßen: 'Überall steckte er seine Nase hinein und zwang alle Frauen ohne Mitleid, sich den Experimenten zu unterwerfen. ... Goebel war grob und sarkastisch. ... er (wirkte) wie ein kleiner Beamter, der im Ausverkauf etwas ergattert hat.'" (Langbein)[6]

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Beitrag zur Kenntnis der binären Blei-Legierungen, 1918 (Dissertation)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Lydia Sliwinski: Der bedeutungsvolle Andere in der Biographie des KZ-Arztes Prof. Dr. med. Carl Clauberg – eine biographische Rekonstruktion. Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (2017) S. 380. (Online, pdf, 264 MB).
  2. Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. C.H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-52965-8, S. 126.
  3. Robert Jay Lifton: Nazi doctors. Medical killing and the psychology of genocide, New York (USA) 2000, S. 277.
  4. Alle Angaben, soweit nicht anders angegeben siehe: Robert Jay Lifton: Nazi doctors. Medical killing and the psychology of genocide, New York (USA) 2000, S. 272, 277; Gert J. Wlasich, Die Schering AG in der Zeit des Nationalsozialismus: Beiträge zur Unternehmenskultur in einem Berliner Konzern, Berlin 2011, S. 167f., 170f.; Regionales Personenlexikon, Artikel Johannes Paul Goebel (Memento des Originals vom 6. April 2022 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/akteureundtaeterimnsinsiegenundwittgenstein.blogsport.de.
  5. Eddy de Wind, jüdischer niederländischer Arzt, der in Auschwitz inhaftiert war, Autor des Buches Ich blieb in Auschwitz. Piper Verlag, München 2020, ISBN 978-3-492-07001-0.
  6. Hermann Langbein: Menschen in Auschwitz. Europa Verlag, Hamburg 1999, ISBN 978-3-203-51243-3, S. 386 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).