Julia Kerr

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Alfred Kerr fotografierte Julia Kerr 1920 auf ihrer Hochzeitsreise an der Ponte della Paglia in Venedig

Julia Anna Franziska Kerr (* 28. August 1898 in Wiesbaden als Julia Anna Franziska Weissmann[1]; † 3. Oktober 1965 in Berlin[2]) war eine deutsche Komponistin. Sie war die zweite Gattin von Alfred Kerr, mit dem sie die Kinder Michael und Judith Kerr hatte. Als Komponistin nutzte sie auch den Namen Julia Kerwey.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Julia Weismann war Tochter des Juristen und preußischen Staatssekretärs Robert Weismann und dessen Ehefrau Gertrud, geborene Reichenheim. Ihr Bruder Dietrich „Diez“ Weismann (1900–1982) wurde Geiger und war Lehrer am Stern’schen Konservatorium.[3] Julia studierte unter anderem bei Wilhelm Klatte in Berlin Musik und heiratete dort 1920 den Theaterkritiker Alfred Kerr.[4] Weil sie Juden waren, musste die Familie Kerr aus Deutschland fliehen. Nach einem Aufenthalt in der Schweiz zogen sie nach Frankreich und schließlich 1935 nach England. In London musste Julia Kerr ihre in ärmlichen Verhältnissen lebende Familie mit kümmerlichen Sekretariatsarbeiten über Wasser halten, eine Kompositionstätigkeit war zu dieser Zeit nicht möglich. Nach Kriegsende arbeitete sie als Dolmetscherin und Sekretärin beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess; 'eine patente Frau' nennt sie Robert Kempner in seinen Memoiren.[5]

Später lebte Julia Kerr wieder in Berlin, wo sie ab 1958 als freie Dolmetscherin für Englisch und Französisch im Dienst des Senats von Berlin offizielle Gäste begleitete. Sie starb „bei der Erfüllung ihrer dienstlichen Aufgaben“ 1965 an einem Herzinfarkt.[6][7]

Begraben wurde sie an der Seite ihres Mannes auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf (Lage Z21–217).

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kerrs erste Oper war Die schöne Lau, eine Märchenoper in sechs Bildern nach Eduard Mörikes Dichtung. Das Libretto schrieb Aenne von Below. Die schöne Lau war die erste Oper, die in Deutschland im Rundfunk uraufgeführt wurde: die Funk-Stunde Berlin sendete sie am 3. Februar 1928 unter der Leitung von Selmar Meyrowitz mit Tilly de Garmo in der Titelpartie,[8] die szenische Erstaufführung folgte am 12. Mai 1929 im Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin.[9]
Die Aufführung ihrer zweiten Oper Der Chronoplan, zu der ihr Mann 1929 das Libretto begonnen hatte,[10] verzögerte sich aufgrund der Emigration. In dieser Oper ging es um eine von Albert Einstein erfundene Zeitmaschine, die George Bernard Shaw zu einer Begegnung mit Lord Byron verhelfen sollte. 1947 wurden die Pläne wieder aufgenommen, auch hier fand die Uraufführung im Radio statt: im Dezember 1952 sendete der Bayerische Rundfunk das Werk erstmals als Funkfassung.[11][12]

Neben Opern komponierte Kerr auch Lieder, oftmals auf Gedichte ihres Gatten.

Tondokumente[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der Chronoplan. Oper in 3 Akten, ca. 60 Minuten. Mit Karl Ostertag (Tenor), Karl Schmitt-Walter (Bariton), Margarete Kißling-Rothärmel (Sopran), Renate Gebel (Alt) u. a. Münchner Philharmoniker, Hans Altmann (Dirigent). Aufnahme: 28. Mai 1952, München, Deutsches Museum, Kongresssaal. Bayerischer Rundfunk, Studioproduktion. Ursendung am 5. Dezember 1952. Archivnummer DK015990 W01.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die schöne Lau : Märchenoper in sechs Bildern nach Eduard Mörikes Dichtung von Aenne von Below; Musik von Julia Kerwey; für den Rundfunk eingerichtet von Cornelis Bronsgeest (Sendespiele. Jahrgang 4, Heft 17.) Verlag Funk-Dienst, Berlin 1928 <Textbuch>
  • Michael Kerr: As far as I remember. Hart, Oxford 2002, ISBN 1-901362-87-6
  • Astrid van Nahl: Judith Kerr : die Frau, der Hitler das rosa Kaninchen stahl. wbg Theiss in Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2019. ISBN 978-3-8062-3929-4 (besonders S. 32ff)
  • Joachim Lucchesi: ‚Schleuder und Harfe‘. Musik bei Alfred Kerr: vom Krämerspiegel zum Chronoplan. In: Matthias Henke u. a. (Hrsg.): Entdeckungen. Kurt Weill als Lotse durch die Moderne. Universi, Siegen 2022, ISBN 978-3-96182-103-7, S. 153–163 Download.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. HStAMR Best. 925 Nr. 2302 Standesamt Wiesbaden, Geburtsnebenregister 1898, S. 275, Geburtsurkunde Nr. 1475
  2. Standesamt Charlottenburg von Berlin, Namensverzeichnis Sterberegister 1965, Nr. 3065
  3. Stengel/Gerigk: Lexikon der Juden in der Musik. Hahnefeld, Berlin 1943, Spalte 311 sowie Hesses Musiker-Kalender 1931, Hesse, Berlin 1930
  4. Standesamt Berlin-Grunewald, Heiratsurkunde Nr. 29 vom 21. April 1920
  5. Robert M. W. Kempner: Ankläger einer Epoche. Ullstein, Frankfurt 1983, S. 226
  6. Witwe Alfred Kerrs †. In: Nordwest-Zeitung vom 6. Oktober 1965
  7. Andy Murray: Into the unknown: the fantastic life of Nigel Kneale. Revised & updated edition. Headpress, London 2017. ISBN 978-1-909394-47-6
  8. Neues Wiener Journal, Wien, 10. Februar 1928, S. 6 f
  9. Neues Wiener Journal, 17. Mai 1929, Seite 11
  10. Freiheit!, Wien, 31. Mai 1929, S. 3
  11. Joachim Lucchesi: ‚Schleuder und Harfe‘. Musik bei Alfred Kerr: vom Krämerspiegel zum Chronoplan. In: Entdeckungen. Universi, Siegen 2022, ISBN 978-3-96182-103-7, S. 153–163
  12. Mannheimer Morgen vom 12. Dezember 1952, S. 12 [1]