Königsgrab von Seddin

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Königsgrab von Seddin
Eingang zur Grabkammer

Das sogenannte Königsgrab von Seddin ist ein im Durchmesser 63,8 m großer und 10 m hoher Grabhügel aus der jüngeren Bronzezeit um ca. 800 v. Chr. (Stufe HA B/Periode V). Er befindet sich südwestlich von Seddin, einem Ortsteil der Gemeinde Groß Pankow (Prignitz) im Landkreis Prignitz in Brandenburg, und dort am Rande des Stepenitz-Tales, welches zur Elbe hin entwässert. Wegen der Größe des Grabhügels und seines Fundinventars hat die Fundstelle überregionale Bedeutung. Um den Grabhügel wurde 2016 das erste Grabungsschutzgebiet in Brandenburg mit einer von Fläche von 5661 ha eingerichtet.[1]

Forschungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entdeckung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gedenkstein vor dem Königsgrab Seddin
Das Königsgrab von Seddin, vor 1902 entstandene Skizze

Die intakte Grabkammer wurde 1899 von zwei Arbeitern zur Steingewinnung erbrochen. Am 20. September 1899 erkundeten Ernst Friedel, Direktor des Märkischen Museums in Berlin, in Begleitung von Berliner Pflegern des Museums, Bezirkspfleger Friedrich-Wilhelm Heinemann aus Perleberg und W. Pütz, Techniker der Preußischen Geologischen Landesanstalt zu Berlin, sowie weitere Personen den Tumulus. Nachdem der langjährige Pfleger Hermann Maurer die Grabkammer betreten hatte, sicherten die Beteiligten die Funde und nahmen eine erste Untersuchung vor. Die Funde gelangten 1899 ins Märkische Museum Berlin.

Nachuntersuchungen 2003[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Nachuntersuchungen am Grabhügel 2003 fand sich unter dem Grabhügel eine 15–20 cm dicke Sandschicht mit Holzkohleflitter. Bei der Sandschicht scheint es sich um den anstehenden Boden zu handeln, von dem der Mutterboden entfernt worden war. Die Holzkohlestückchen von Pappel, Weide und Eiche stammen vermutlich von einer Weihezeremonie oder einem Scheiterhaufen. Ein erstes C-14-Datum der Holzkohle ergab ein Alter von 829 v. Chr.

Ausstellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teile der Metallfunde im Märkischen Museum Berlin gingen im Zweiten Weltkrieg verloren. Die erhaltenen Originale, ergänzt um Kopien, waren seit dem Jahr 2002 wieder in der Dauerausstellung zu sehen. Seit 2019 befinden sie sich im Neuen Museum in Berlin.[2] Nachbildungen des Fundkomplexes sind im Stadt- und Regionalmuseum Perleberg, im Prignitz-Museum in Havelberg sowie im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg im Paulikloster zu sehen.

Grabhügel und Grabkammer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der durch seine Größe herausragende Grabhügel gehört zur sogenannten Seddiner Gruppe mit weiteren Großhügeln in der Umgebung, die jedoch im 19. Jahrhundert dem Chausseebau zum Opfer fielen. Sie datierten in die Zeit der Periode III–VI und sind gekennzeichnet durch die Beigabe von Schwertern, Metallgefäßen, Wagen- und Zaumzeugteilen. Die nächsten Parallelen solcher reich ausgestatteter Grabhügel finden sich auf Fünen und in Dithmarschen.

Die dezentral gelegene Grabkammer besteht aus neun großen Findlingen, ursprünglich mit Lehmverputz und roter Bemalung auf den Wänden und einem falschen Gewölbe als oberem Abschluss.

Fundinventar[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Funde aus dem Königsgrab von Seddin im Neuen Museum in Berlin

Es handelte sich um insgesamt drei Brandbestattungen. Die Hauptbestattung befand sich in einem Topf mit einem Deckel, der mit Tonstiften darauf befestigt war. Im Topf befand sich eine Amphore aus Bronzeblech, in der sich der Leichenbrand befand, der vermutlich in ein Marderfell eingewickelt war. Als Grabbeigaben fanden sich ein Schwert, ein Tüllenbeil und -meißel, Wendelringe, Rasiermesser mit stilisierten Darstellungen, Bronzeblechgeschirr, Stangenknopf, Lanzettspitze, Kamm, Messer mit Ringgriff, Lockenringe aus Spiraldraht und zwei Eisennadeln.

Funde aus dem Königsgrab von Seddin

Teile der Grabausstattung weisen auf Verbindungen zum Süden, insbesondere nach Mittelitalien. Die reiche Grabausstattung zeigt eine sozial hochgestellte Persönlichkeit. In jüngster Zeit wird auch eine kalendarische Symbolik der Verzierung der Bronzeamphore diskutiert, welches der bestatteten Hauptperson eine sakrale Funktion, im Sinne von Sakralkönigtum, zuweisen würde.

Grubenreihe von Seddin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2003 konnten ca. 50 m nördlich des Grabhügels eine über mehrere hundert Meter Ost-West verlaufende Reihe von Feuergruben nachgewiesen werden. Diese gehören zu einem vermutlich älteren Kultfeuerplatz, wie sie von anderen Plätzen Norddeutschlands und Südskandinaviens bekannt geworden sind. Erste C-14-Daten der Feuergruben ergaben ein Alter von 904 und 1001 v. Chr., die große zeitliche Differenz der beiden Werte irritiert dabei.

Die Grubenreihe passiert das „Königsgrab“ in einer Entfernung von 53 m. Zwar sind die Gruben mit einem Abstand von durchschnittlich 1,85 m perlschnurartig aufgereiht, jedoch entspricht der um wenige Grade von der Ost-West-Achse abweichende Befund keinesfalls einer exakten Geraden. Vor allem in der Mitte und im Westen der Reihe gibt es geringfügige Abweichungen einzelner Gruben und ganzer Grubengruppen. Dies spricht dafür, dass die Gargruben nicht in einem Zuge oder nicht durch die gleichen Menschen errichtet wurden. Nach Radiocarbondatierung erfolgte der Bau der Reihe um 900 v. Chr., also kurz vor oder gleichzeitig mit dem „Königsgrab“.

Königshalle von Seddin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In 250 Meter Entfernung vom Königsgrab wurden bei einer Ausgrabung im Jahr 2023 unter Leitung des Archäologen Immo Heske die Reste eines überdimensionierten Gebäudes entdeckt. Es stammt aus der Bronzezeit um 1000 v. Chr. und ist mit 10 Metern Breite und 31 Metern Länge der größte bisher entdeckte Bau seiner Art im nordeuropäischen Raum. Zwei Außenwände bestanden aus Feldsteinen, was eine Abweichung von der üblichen Bauweise in diesem Raum mit Holz und Lehm darstellt. Das Gebäude diente der Einlagerung von Getreide sowie der Unterbringung von Vieh. Es gab auch einen Bereich zum Wohnen und einen repräsentativen Bereich mit der Feuerstelle im Gebäudezentrum. Die Forscher nehmen an, dass der zentrale Raum für Feierlichkeiten genutzt wurde. Der brandenburgische Landesarchäologe Franz Schopper hält es für möglich, dass es sich bei dem Bau um eine Versammlungshalle für einen Herrscher handelte.[3][4]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ernst Friedel: Bericht über das Königsgrab von Seddin. in: Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 33, 1901, S. 64–73.
  • Albert Kiekebusch: Das Königsgrab von Seddin. Führer zur Urgeschichte, Bd. 1, Augsburg 1928.
  • Jens May, Reiner Zumpe: Kalendarien in der jüngeren Bronzezeit im nördlichen Mitteleuropa. Ein Beitrag zur Interpretation buckelverzerter Amphoren und Schilde. in: Bernhard Hänsel (Hrsg.): Mensch und Umwelt in der Bronzezeit Europas, Kiel 1998, S. 571–574.
  • Torsten Foelsch: Das Königsgrab bei Seddin in der Westprignitz. Katalog zur Ausstellung in der Kirche zu Seddin anlässlich der 100. Wiederkehr der Entdeckung der Grabkammer des bronzezeitlichen Hügelgrabes im Jahre 1899. Perleberg 2002
  • Jürgen Kunow (Hrsg.): Das „Königsgrab“ von Seddin in der Prignitz. In: Arbeitsberichte zur Bodendenkmalpflege in Brandenburg, 9, Wünstorf 2003
  • Carola Metzner-Nebelsick: Das „Königsgrab“ von Seddin in seinem europäischen Kontext. in Arbeitsberichte zur Bodendenkmalpflege in Brandenburg, 9, 2003, S. 35–60.
  • Jens May, Thomas Hauptmann: „König Hinz“ kommt in die Jahre. Neues vom Königsgrab Seddin, Lkr. Prignitz. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2003, Stuttgart 2004, S. 54–56.
  • Jens May, Thomas Hauptmann: Das „Königsgrab“ von Seddin und sein engeres Umfeld im Spiegel neuerer Feldforschungen In: Bodenaltertümer Westfalens, Band 51, Mainz 2012, S. 105–135
  • Jens May, Thomas Hauptmann: Warum befindet sich das „Königsgrab“ von Seddin am Mittellauf der Stepenitz? Wasserwege und archäologische Sachkultur der jüngeren Bronzezeit in der Prignitz. In: Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet, 34, 2011, S. 129 ff.
  • Jens May: Das Königsgrab von Seddin 2012-2015. in: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2015, Stuttgart 2017, S. 44–50.
  • Sophie Heisig: Mehr als heiße Steine? Digitale dreidimensionale Rekonstruktion von Teilen der Steingrubenreihe in Seddin, Lkr. Prignitz, in: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2015, Stuttgart 2017, S. 50–52.
  • Burkart Ullrich, Henning Zöllner, Ronald Freibothe: In den Hügel geschaut. Geophysikalische Prospektion am Königsgrab Seddin, Lkr. Prignitz, In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2015, Stuttgart 2017, S. 55–56.
  • Jens May: Neue Forschungen am „Königsgrab“ von Seddin. in: Svend Hansen, Franz Schopper (Hrsg.): Der Grabhügel von Seddin im norddeutschen und südskandinavischen Kontext, Arbeitsberichte zur Bodendenkmalpflege in Brandenburg 33, 2018, S. 9–35 (Online)
  • Immo Heske: Zwischen Königsgrab und Wickbold 1 – Jungbronzezeitliche Siedlungsreste in der Sakrallandschaft bei Seddin in der Prignitz 2015 - 2018, in: Praehistorische Zeitschrift, Bd. 94,1, 2019, S. 210–232.
  • Immo Heske: Schwarze Steine, weißer Sand. Neue Befundgattung an einer Siedlung des Königs Hinz bei Seddin, Lkr. Prignitz, in: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2019, Stuttgart 2021, S. 55–59.

Filme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Königsgrab Seddin. Ein Monument der jüngeren Bronzezeit. Thomas Claus Medienproduktion, 2016. Video bei YouTube (17:12 Min.).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Königsgrab von Seddin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Königsgrab Seddin wird erstes Grabungsschutzgebiet bei landkreis-prignitz.de
  2. Neupräsentation des Königsgrabes von Seddin bei archaeologie-online.de vom 23. September 2023
  3. Die Königshalle von Seddin bei rbb24.de vom 1. November 2023
  4. Julia Köppe: Archäologen entdecken »Halle von König Hinz« in Brandenburg in Der Spiegel vom 1. November 2023

Koordinaten: 53° 8′ 6,8″ N, 11° 58′ 29″ O