Kreisgericht (Großherzogtum Hessen)

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Kreisgericht war im Großherzogtum Hessen die Bezeichnung für die Gerichte zweiter Instanz (entsprechend einem heutigen Landgericht) in der Provinz Rheinhessen. In den beiden anderen Provinzen waren das die Hofgerichte.

Historischer Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Kreisgericht Mainz als Gericht zweiter Instanz für die gesamte Provinz Rheinhessen stammte aus der mit übernommenen französischen Rechtstradition und entsprach dem „tribunal de première instance“ der französischen Gerichtsverfassung. Als Rheinhessen 1816 an das Großherzogtum Hessen fiel und als Provinz Rheinhessen konstituiert wurde, bestand es aus 12 Kantonen mit je einem Friedensgericht, die nun den Bereich bildeten, der dem Kreisgericht nachgeordnet war.

Zum 1. Dezember 1836 wurde das Kreisgericht Mainz in die Kreisgerichte Mainz und Alzey geteilt.[1] 1852 wurden beide Kreisgerichte in Bezirksgericht umbenannt.[2]

Gliederung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Friedensgericht Kreisgericht
ab 1836
Sitz Anmerkungen
Friedensgericht Alzey Alzey Alzey
Friedensgericht Bingen Mainz Bingen
Friedensgericht Mainz I Mainz Mainz
Friedensgericht Mainz II Mainz Mainz
Friedensgericht Nieder-Olm Mainz Nieder-Olm
Friedensgericht Ober-Ingelheim Mainz Ober-Ingelheim
Friedensgericht Oppenheim Alzey Oppenheim
Friedensgericht Osthofen Alzey Osthofen[Anm. 1] (bis 1822: „Friedensgericht Bechtheim“)
Friedensgericht Pfeddersheim Alzey Pfeddersheim
Friedensgericht Wöllstein Alzey Wöllstein
Friedensgericht Wörrstadt Mainz Wörrstadt
Friedensgericht Worms Alzey Worms

Rechtsgrundlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rechtsgrundlage der Kreisgerichte war das Gesetz Nr. 103 über die Organisation der Gerichte vom 27. Ventôse 1800[3] (18. März 1800). Artikel 7 dieses Gesetz legte die Aufgabe der Gerichte fest. Im Wesentlichen waren das erstinstanzliche Angelegenheiten in Zivilsachen, wenn ein anderes Gesetz das vorsah, zweitinstanzliche Entscheidungen bei Berufungen gegen Entscheidungen von Friedensgerichten und strafrechtliche Entscheidungen. Mit „Arrêté portant organisation des tribunaux des quartre départements...“ vom 14. Fructidor 1802[4] wurde festgelegt, dass das Gericht in Mainz aus sieben Richtern und vier Ergänzungsrichtern bestehen sollte. Zu den sieben Richtern zählte auch der Präsident und der Vizepräsident. Das Gericht bestand danach aus zwei Kammern. Mit Dekret vom 18. August 1810 wurde die Zahl der Richter von sieben auf 9 erhöht und festgelegt, dass die eine Kammer für Zivil- und die andere für Strafsachen zuständig sei. Diese Regelungen blieben bis 1879 in Kraft.

Ende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 wurden Organisation und Bezeichnungen der Gerichte reichsweit vereinheitlicht. Zum 1. Oktober 1879 hob das Großherzogtum Hessen deshalb die Bezirksgerichte auf. Ihre Aufgaben wurden Teils auf das Landgericht Mainz, teils auf die ebenfalls neu eingerichteten Amtsgerichte übertragen, die die Friedensgerichte ersetzten.[5]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Eckhart G. Franz u. a.: Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im 19. und 20. Jahrhundert. 1989, ISBN 3-88838-224-6.
  • Günther Krug: Die Advokat-Anwälte der Großherzoglich-Hessischen Provinzialhauptstadt Mainz. Dissertation, Mannheim 1996, S. 12.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bis 1804 mit Sitz in Bechtheim, dann in Osthofen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Verordnung, die Eintheilung der Provinz Rheinhessen in zwei Gerichtsbezirke erster Instanz betreffend vom 4. Oktober 1836. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 46 vom 10. Dezember 1836, S. 461–464 (reader.digitale-sammlungen.de).
  2. Bekanntmachung die Umwandlung der Benennung „Gr[oßherzogliches] Kreisgericht“ in die Benennung „Gr[oßherzogliches] Bezirksgericht“ betreffend vom 24. Oktober 1852. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 53 vom 11. November 1852, S. 459 (reader.digitale-sammlungen.de).
  3. Loi sur l’organisation des tribunaux vom 27. Ventôse VIII (Nr. 103) veröffentlicht unter dem 7. Germinal VIII (28. März 1800). In: Bulletin des lois de la République Française. 3. Serie, Band 1, Nr. 15. Imprimerie de la République, Paris IX (1800), S. 2–26 (gallica.bnf.fr).
  4. Bulletin des lois. 211, troisième série, no. 1945.
  5. §§ 1, 2 Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 30. Mai 1879, S. 197f.