L.H.O.O.Q.

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
L.H.O.O.Q.
Marcel Duchamp, 1919
Reproduktion der Mona Lisa,
mit Bleistift ergänzt
19,7 × 12,4 cm
Privatkollektion

Link zum Bild
(Bitte Urheberrechte beachten)

Vorlage:Infobox Gemälde/Wartung/Museum

L.H.O.O.Q. ist eines der bekanntesten Ready-mades des französisch-amerikanischen Malers und Objektkünstlers Marcel Duchamp aus der Zeit des Dadaismus, das er in verschiedenen Versionen schuf. Die erste Version stammt aus dem Jahr 1919. L.H.O.O.Q. ist eine bearbeitete Reproduktion von Leonardo da Vincis weltberühmtem Gemälde Mona Lisa, auf der Duchamp als Parodie des Bildes mit Bleistift einen Schnurrbart sowie einen Spitzbart am Kinn und den Titel hinzufügte.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Ready-made mit dem Titel L.H.O.O.Q. ist eine bearbeitete Reproduktion der Mona Lisa von Leonardo da Vinci, dessen 400. Todestages im Jahr 1919 gedacht wurde. Duchamp fügte der Reproduktion mit Bleistift einen Schnauz- sowie einen Spitzbart hinzu. Es wird innerhalb der sechs Kategorien der Ready-mades von Duchamp nach Francis M. Naumann unter dem Begriff „Rectified readymade“ („Verbessertes Ready-made“) eingeordnet.

Der Titel L.H.O.O.Q. (frz. buchstabiert: èl ache o o qu) ist ein Wortspiel; spricht man die Buchstaben französisch aus, ergibt sich daraus der Satz „Elle a chaud au cul“ (dt. etwa: „Sie hat einen heißen Hintern“). Der Satz ist ein Vulgärausdruck für eine Frau, deren sexuelles Interesse das Normalmaß übersteigt. Diese Interpretation wurde von Duchamp in einem späten Interview gestützt, in dem er L.H.O.O.Q. locker mit „Es gibt ein Feuer da unten“ übersetzte.[1]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Marcel Duchamp verwirklichte das Konzept des Ready-made bereits in seinen Werken wie Fahrrad-Rad (1913), Flaschentrockner (1914) und Fontäne (1917).

L.H.O.O.Q. entstand 1919 in Paris. Es war die Zeit des Dadaismus, einer Kunstrichtung, die während des Ersten Weltkriegs im Jahr 1916 in Zürich entstanden war und die in anderen europäischen Städten sowie in New York City Anhänger fand. Dada war eine literarische und künstlerische Antwort auf die Brutalität des Krieges; Dada verachtete bürgerliche Ideale und reagierte durch die Ablehnung „konventioneller“ Kunstformen, die oft parodiert wurden.

In Francis Picabias dadaistischer Zeitschrift 391 erschien in Nr. 12 im März 1920 L.H.O.O.Q. Tableau Dada par Marcel Duchamp[Bild 1] auf der Titelseite. Bei der Reproduktion wurde allerdings der Spitzbart am Kinn der Mona Lisa weggelassen und nur der Schnurrbart blieb erhalten.[2] Duchamp erklärte später, dass Picabia das Original nicht vorlag und er den Schnurrbart auf einer Mona-Lisa-Reproduktion einzeichnete, den Spitzbart aber vergessen hatte. Picabias Reproduktion galt lange als das Original; erst zehn Jahre später, im März 1930, wurde Duchamps Erstling zusammen mit einer größeren Replik auf der Ausstellung La peinture au défi in Paris gezeigt. Louis Aragon verfasste im Katalog ein Vorwort. In den frühen 1940er Jahren fand ein weiterer Dada-Künstler, Hans Arp, Picabias Originalreplik in einer Buchhandlung. Arp zeigte es Duchamp, der es vorsichtig mit schwarzer Tinte um den von Picabia vergessenen Spitzbart komplettierte und mit blauer Tinte zum Titel hinzufügte: „moustache par Picabia / barbiche par Marcel Duchamp. Avril 1942“.[Bild 2][3][4]

Duchamp schuf viele seiner Ready-mades in mehreren Versionen; so gibt es auch L.H.O.O.Q. in verschiedenen Größen und unterschiedlichem Material. 1960 malte er seine Ergänzungen auf eine handgemalte Kopie der Mona Lisa, die im Besitz von Max Ernst und seiner Frau Dorothea Tanning war und versah sie mit seiner Widmung.[5]

Sapeck: La Joconde fumant la pipe, 1887

Die letzte unmodifizierte Reproduktion der Mona Lisa ohne Bart aus dem Jahr 1965, L.H.O.O.Q. rasée, eine Spielkarte montiert auf einer Einladungskarte, ist in der Sammlung des New Yorker Museum of Modern Art unter dem Titel L.H.O.O.Q. Shaved enthalten.[6] Die Einladungskarte bezog sich auf eine im Jahr 1965 veranstaltete Ausstellung des Werks von Duchamp in New York, zu der die künstlerische Avantgarde erschien, so unter anderem Andy Warhol, dessen Mona-Lisa-Adaption Thirty Are Better Than One zwei Jahre früher geschaffen worden war. Ebenfalls in der Ausstellung waren die Repliken der Ready-mades aus dem Jahr 1964, die der Kunsthistoriker und Galerist Arturo Schwarz für seine Mailänder Edition hatte herstellen lassen, darunter auch L.H.O.O.Q.[7]

Adaptionen der Mona Lisa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Vorgänger dieser Arbeit war Sapecks Karikatur der Mona Lisa mit dem Titel La Joconde fumant la pipe (La Gioconda, eine Pfeife rauchend) aus dem Jahr 1887. 1914 folgte Kasimir Malewitschs suprematistisches Gemälde Sonnenfinsternis mit Mona Lisa. Nach Duchamps L.H.O.O.Q. von 1919 gab es weitere Künstler, die von der Mona Lisa inspiriert waren (siehe Übersicht). Der zeitgenössische indische Konzeptkünstler Subodh Gupta formte 2009/2010 Mona Lisa mit Bart als Bronzeskulptur und gab ihr den Titel Et tu, Duchamp?[Bild 3]

Provenienz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1944 gab Duchamp auf dem Original aus dem Jahr 1919 rückseitig eine von einem New Yorker Notar beglaubigte Echtheitsgarantie.[8] Die 1930er-Version war ein Geschenk Duchamps an Louis Aragon, der es 1979 der Kommunistischen Partei Frankreichs übergab. 2005[9] gelangte das Ready-made als Leihgabe der finanziell angeschlagenen Partei für 99 Jahre an das Musée National d’Art Moderne in Paris.[10][11]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Charles Demuth: At Marshall’s, 1915. Abgebildet sind Duchamp (Mitte), Edward Fisk und Marsden Hartley.

„Es war die Verwendung von dem, was die Leute oft mit Plakaten machen, die Zähne schwärzen und derlei Dinge. Mehr oder weniger ein Kapitel Graffiti. Die Gioconda war dermaßen universell bekannt und bewundert, daß die Versuchung sehr groß war, sie für einen Skandal zu verwerten.“

Marcel Duchamp: zitiert nach Calvin Tomkins: Marcel Duchamp. Eine Biographie, S. 261[12]

Die maskuline Änderung des Motivs weist auf Duchamps Rollenspiel mit dem Geschlecht hin; als weibliches Alter Ego wählte er das Pseudonym Rrose Sélavy, das französisch ausgesprochen „Eros, c’est la vie“ („Eros, das ist das Leben“) bedeutet.[13]

Zeitgenossen verstanden das Bild als eine Anspielung auf Leonardo da Vincis angebliche Homosexualität, über die öffentlich nach dem Erscheinen von Sigmund Freuds Essay Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci im Jahr 1910 spekuliert wurde. Duchamp erklärte später, dass ihn die so bekannte und bewunderte La Gioconda gereizt hätte, einen Skandal zu provozieren. Die junge Frau mit Bart erschiene sehr maskulin, was mit da Vincis Homosexualität gut übereinstimme.[14]

Es gibt ebenfalls Vermutungen, dass die Wahl der Mona Lisa als Motiv sich auf den französischen Dichter und Freund Duchamps, Guillaume Apollinaire, bezieht, der 1911 zu Unrecht in Verdacht geriet, das Gemälde aus dem Louvre gestohlen zu haben.[1]

Nach der amerikanischen Bildhauerin Rhonda R. Shearer ist die angebliche Reproduktion der Mona Lisa in Wahrheit eine Fotomontage, die in Teilen nach Duchamps eigenen Gesichtszügen geschaffen wurde.[15]

Der Surrealist Salvador Dalí schuf – mit Hilfe des Fotografen Philippe Halsman in dem Buch Dali’s Mustache (1954) – eine Interpretation/Verfremdung von L.H.O.O.Q.: Die Mona Lisa hat Dalís Gesicht mit Bart, und seine kräftigen Hände halten Goldmünzen. Zusätzlich setzt sich Dalí – unverwechselbar durch Schnurrbart, Blick sowie weitere Attribute – persönlich und als neue Ikone an die Stelle der „Kunstikone La Gioconda“.[16][17]

Der Name einer isländischen Popband, die in den 1990er Jahren aktiv war, bezog sich mit ihrem Namen Lhooq auf Duchamps Werk.[18]

Versionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1919 – Privatkollektion, Paris.[1] Das Musée National d’Art Moderne in Paris hat mehrere Fotografien des Werks von Man Ray in seiner Sammlung.[19]
  • 1920 – gegenwärtiger Standort unbekannt.
  • 1930 – vergrößerte Replik, Musée National d’Art Moderne, Centre Georges Pompidou, Paris (Leihgabe)[20]
  • 1940 – Farbreproduktion vom Original, ausgeführt von Duchamp für das tragbare Museum Boîte-en-valise. Ein Exemplar befindet sich im Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam[21]
  • 1941 – Mustache and Beard of L.H.O.O.Q. Frontispiz zu dem Gedicht Marcel Duchamp von Georges Hugnet. Hrsg. von Georges Hugnet, Paris 1941[22]
  • 1958 – Kollektion von Antoni Tàpies, Barcelona
  • 1960 – Öl auf Leinwand, bis 1999 Kollektion Dorothea Tanning, New York, später Privatbesitz
  • 1964 – 38 Repliken für eine limitierte Edition von Pierre de Massots Marcel Duchamp, propos et souvenirs, Arturo Schwarz, Mailand.
  • 1965 – L.H.O.O.Q. Shaved, Museum of Modern Art, New York

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Francis M. Naumann: Marcel Duchamp. The Art of Making Art in the Age of Mechanical Reproduction. Harry N. Abrams, New York 1999, ISBN 0-8109-6334-5
  • Calvin Tomkins: Marcel Duchamp. Eine Biographie. Hanser, München 1999, ISBN 3-446-20110-6, S. 260–263
  • Arturo Schwarz: The complete Works of Marcel Duchamp. Thames and Hudson, London 1969, S. 202–204; S. 670–671; S. 761

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kunstderivate der Mona Lisa – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Abbildungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. L.H.O.O.Q., 391 Nr. 12, März 1920
  2. L.H.O.O.Q., April 1942
  3. Subodh Gupta: Et tu, Duchamp? In: KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien. 2010, abgerufen am 5. März 2017.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Seekamp Kristina: L.H.O.O.Q. or Mona Lisa. In: Unmaking the Museum: Marcel Duchamp’s Readymades in Context (Memento vom 9. Juni 2008 im Internet Archive). Binghamton University Department of Art History, 2004, archiviert vom Original am 12. September 2006; abgerufen am 28. Dezember 2013.
  2. L.H.O.O.Q. Tableau Dada par Marcel Duchamp, newsletters.artips.fr, abgerufen am 2. Januar 2014
  3. André Gervais: Five Small Things about L.H.O.O.Q., toutfait.com, abgerufen am 28. Dezember 2013
  4. L.H.O.O.Q., 1920, francisnaumann.com, abgerufen am 28. Dezember 2013
  5. L.H.O.O.Q., 1960, christies.com, abgerufen am 2. Januar 2013
  6. L.H.O.O.Q. Shaved, moma.org, abgerufen am 28. Dezember 2013
  7. Susanna Partsch: Sternstunden der Kunst: Von Nofretete bis Andy Warhol. C.H. Beck, München 2003, ISBN 978-3-406-49490-1, S. 218
  8. Abbildung der Rückseite bei: Arturo Schwarz: The complete Works of Marcel Duchamp. Thames and Hudson, London 1969 S. 670
  9. L.H.O.O.Q. au Centre Pompidou, lesinrocks.com, 16. Juni 2005, abgerufen am 29. Dezember 2013
  10. Sylvia Zappi: Financièrement exsangue, le PCF fait évaluer les œuvres d’art de son siège, Le Monde, 3. Juni 2007
  11. Maurice Ulrich: L.H.O.O.Q. à Londres, L’Humanité, 25. Januar 2002
  12. Zitiert nach einem Interview von Calvin Tomkins mit Duchamp
  13. Marcel Dorothea Tanning, L.H.O.O.Q. or La Joconde, 1964 (replica of 1919 original) Norton Simon Museum, Pasadena.
  14. L.H.O.O.Q., 1920, francisnaumann.com, abgerufen am 28. Dezember 2013
  15. Marting, Marco De: Mona Lisa: Who is Hidden Behind the Woman with the Mustache? Art Science Research Laboratory, 2003, archiviert vom Original am 20. März 2008; abgerufen am 28. Dezember 2013.
  16. Gianluca Spinato: Mona Lisa as a Modern Icon, www.academia.edu, abgerufen am 24. November 2015.
  17. La Joconde et cette histoire de moustaches, Worldpress, 18. November 2011; abgerufen am 24. November 2015.
  18. Lhooq, icelandicmusicmuseum.blogspot.de, abgerufen am 31. Dezember 2013
  19. Bitte Suche in Link eingeben (Memento des Originals vom 20. März 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.centrepompidou.fr, centrepompidou.fr, abgerufen am 24. April 2019
  20. L.H.O.O.Q. (Memento vom 31. Dezember 2013 im Internet Archive), centrepompidou.fr, abgerufen am 29. Dezember 2013
  21. L.H.O.O.Q., flickr.com, abgerufen am 30. Dezember 2013
  22. Arturo Schwarz: The complete Works of Marcel Duchamp. Thames and Hudson, London 1969 S. 761