Leo Dorn

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Leo Dorn mit Jagdgewehr, ca. 1901–1910

Leo Dorn (* 16. Januar 1836 in Oberstdorf; † 5. November 1915 in Hindelang)[1][2] war ein bayerischer Berufsjäger und Alpinist, der als Leibjäger des Prinzregenten Luitpold von Bayern dessen Jagdrevier in den Allgäuer Alpen verwaltete und aufgrund der zahlreichen dort von ihm zur Strecke gebrachten Greifvögel unter dem Namen „Adlerkönig“ Bekanntheit erlangte.[3][4][5]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leo Dorn wurde am 16. Januar 1836 in Oberstdorf als Sohn des Jägers und Bergführers Josephus Ignatius „Ignaz“ Dorn (* 3. März 1790 in Oberstdorf; † 26. November 1845 in Chur, Kanton Graubünden) und dessen Ehefrau Genofeva, geb. Schmelz (* 1804 in Rubi bei Oberstdorf), geboren.[3][4][6] Seine Familie lebte zu dieser Zeit im Haus Nr. 97, der heutigen Oststraße 5, das den Hausnamen „b’m Doan“ trug.[3]

Schon als 15-Jähriger soll Dorn am 4. Juli 1851 während eines Volksfestes vor einem Publikum von rund 1500 Menschen, an einem Seil hängend, die Brut aus einem bekannten Adlerhorst im Oberstdorfer Oytal geholt haben und dabei von den Altvögeln angegriffen worden sein.[5][7] Dorn galt als begabter Alpinist, der gemeinsam mit seinem Freund, dem Bergführer und Jagdgehilfen Thaddäus Blattner, verschiedene schwierige Aufstiege absolvierte, so etwa den zur Höfats und zum Schneck.[6][7]

1857 heuerte Dorn im Alter von 21 Jahren als Jagdgehilfe im Hindelanger Jagdrevier des späteren Prinzregenten Luitpold von Bayern an, wo dieser gerade weitere Rothirsche hatte ausgewildern lassen.[5][3] Die Revolution von 1848/1849 hatte wenige Jahre vorher zur Aufhebung der Jagdprivilegien des Adels und Bindung des Jagdrechts an das Grundeigentum geführt (siehe Geschichte der Jagd in Deutschland), woraufhin die Bauern die zuvor durch die Obrigkeit zu ihren Lasten hochgehegten Wildbestände in kurzer Zeit dezimierten.[3] König Maximilian II. erließ daraufhin 1850 ein neues Jagdrecht, das nur noch größere Gemeinschafts- und Eigenjagdreviere erlaubte,[3] was Prinz Luitpold noch im selben Jahr nutzte und durch Anpachtung sowie Grundstückskäufe in der Gegend um Oberstdorf und Hindelang ein Jagdrevier aufbaute,[8] das nach zusätzlichen Erweiterungen im Lauf der folgenden Jahre zeitweise rund 20.000 Hektar umfasste.[9] Dieser neuerliche weitgehende Ausschluss der einfachen Bauern von der Jagd befeuerte die Wilderei, deren Bekämpfung einen wesentlichen Teil von Dorns Arbeit darstellte.[3]

Am 23. Oktober 1862 ehelichte er Crescentia Dornacher aus Hindelang,[10] wo sich beide zusammen niederließen.[6]

Im Dienst des Prinzen machte Dorn in den folgenden Jahren Karriere als Berufsjäger und wurde im Jahr 1881 zum Oberjäger und Jagdverwalter der Oberstdorfer und Hindelang-Hintersteiner Jagdreviere des Prinzen ernannt.[5] In seiner dienstlichen Tätigkeit ging Dorn nicht nur scharf gegen Wilderer vor (nach eigenen Angaben stellte er insgesamt 41 Wildschützen, die er teils bis nach Tirol verfolgte),[5][6][7] sondern auch gegen die in den Jagdrevieren heimischen Greifvögel. Steinadler sah man zu Dorns Lebzeiten als Plage, die es zu vertilgen galt – sowohl aus Sicht der lokalen Bergbauern, die Angst um ihr Vieh hatten, insbesondere um Ziegenkitze und Lämmer, als auch aus Sicht der Jagdherren, die in den Adlern Beutekonkurrenten um das Wild in ihren Jagdrevieren sahen.[5][11]

Am 10. November 1890 erlegte Dorn seinen 50. Adler und wurde zu diesem Anlass vom Prinzregenten per Urkunde zum „Adlerkönig“ erklärt.[5][7] Als Nebenerwerb verkaufte Dorn die Federn (als Schreibfedern und Hutschmuck), den Flaum und die Fänge der Adler.[5][6] Dorn soll in seinem Leben noch Dutzende Adler mehr getötet haben, wobei die Angaben zur Gesamtzahl variieren (je nach Quelle: 76,[12] 76 bis 78,[5] 77,[4][13] 78,[6] 79,[7][12] bis hin zu 100[11]), den letzten angeblich auf einem Misthaufen in Hindelang im Winter 1912,[4][7] demselben Jahr, in dem der greise Prinzregent Luitpold die Jagd auf den Adler in seinen Jagdrevieren einstellen ließ, um die Art vor der Ausrottung zu bewahren.[4]

Leo Dorn, der zeitlebens als „unerschrockener Draufgänger mit Bärenkräften“ galt und zuletzt zusammen mit seiner Frau Crescentia in einem Jägerhaus in Hindelang wohnte, starb am 5. November 1915 im Alter von fast 80 Jahren und wurde auf dem Hindelanger Friedhof beigesetzt, wo bis heute eine Gedenktafel an den „Adlerkönig“ erinnert.[5]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dorn erreichte schon zu Lebzeiten den Status eines Volkshelden, der als Inbegriff eines schneidigen Allgäuer Mannsbildes galt und dessen Konterfei sich auf Tabakspäckchen, Porzellanpfeifenköpfe und Ansichtspostkarten fand.[5]

In Oberstdorf befindet sich im Heimatmuseum eine Büste und am Haus Oststraße 5 eine Skulptur Dorns.[4][14] Carl Stiegele junior brachte 1928 einen Scheibenstutzen heraus, auf dessen Systemkasten ein Bildnis Leo Dorns eingraviert war.[15] Ernst Haeckel schickte 1902 eine Postkarte mit einem Foto Dorns an Frida von Uslar-Gleichen.[16] Eine Fotografie von Leo Dorn, mit erlegtem Adler und Büchse, hängt in der Gaststätte der Allgäuhalle in Kempten. Otto Keck malte ihn als Adlerkönig von Hinterstein.[17]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Max Förderreuthers zeitgenössischem Werk Die Allgäuer Alpen: Land und Leute (Erstauflage 1907) fand Leo Dorn Erwähnung.[18]

Zuvor fanden im postum 1891 herausgegebenen Werk Systematische Übersicht über die Vögel Bayerns des Ornithologen Andreas Johannes Jäckels auch Beobachtungen Dorns Verwendung.[19]

Ludwig Ganghofer schilderte Dorn in seinem Werk Bergheimat (1933) ausführlich:

„Um als Adlerjäger […] Erfolg zu erzielen, dazu gehört aber auch eine so glühende Liebe zum Weidwerk, eine so reiche Erfahrung als Jäger und eine so eiserne, allem Sturm und Wetter trotzende Gesundheit, wie sie Leo Dorn besitzt, der als Oberjäger das Allgäuer Jagdrevier des Prinzregenten von Bayern verwaltete. Dorn ist ein Mustertypus des prächtigen Menschenschlages unserer Berge: eine hohe, breitschultrige Gestalt, Glieder wie aus Stein geschnitten, sonnverbrannte Fäuste, die beim Handschlag die Finger des Grüßenden wie mit stählernen Schrauben umspannen, ein in gesunder Röte lachendes Gesicht mit schneeweißem Vollbart, mit scharf gekrümmter Hakennase und blitzenden Augen, deren jugendhellem Blick man die 70 Jahre nicht anmerkt, die Leo Dorn auf seinem breiten, ungebeugten Rücken trägt. Keck und lustig sitzt ihm auf dem weißen Zaushaar der kleine, verwitterte Filzhut, dessen aufgebogene Krempe von einer langen Adlerfeder durchstochen ist. Jahraus und jahrein, bei Schnee oder Hitze geht Leo Dorn in der gleichen leichten Lodenjoppe in der kurzen Lederhose mit entblößtem Knien. Und die Füße stecken nackt in den schweren Nagelschuhen. ‚Denn weißt, i bin so viel zartli [= verzärtelt, empfindlich] an die Füß‘, versicherte er mir, ‚wollene Söckeln vertrag i nit, die beißen mi allweil gar so viel!‘ Wenn Leo Dorn von seinen Adlerjagden und ihren Strapazen erzählt – die meisten Adler erlegte er im strengen Winter, wenn metertiefer Schnee die Berge deckte –, dann mischt sich in sein Geplauder kein einziges Wort, das nach Latein und Übertreibung klingt. Knapp und ehrlich bleibt er bei der Wahrheit und lächelt vergnügt zu dem Bericht der überstandenen Beschwerden, die auch in so schlichter, schmuckloser Schilderung dem Hörer ein kaltes Gruseln über den Rücken jagen. Man schaudert, aber man lacht auch oft und herzlich. Denn das ernsteste Abenteuer in den Bergen hat immer auch seine lustige Seite. Und der Allgäuer Dialekt, der die Diminutivform liebt, verleiht den Schilderungen Dorns zuweilen einen originellen Gegensatz zwischen Form und Inhalt, einen Anhauch von unwillkürlicher Komik. Es hört sich drollig an, wenn er die Erzählungen einer seiner gefährlichsten Adlerjagden mit den Worten beginnt: ‚Woltern o fests Schneele hat’s gschniebe ghatt im selle Winter, und bis ans Brüstle rauf bin i allweil drin umeinandergstapfet. Aber wie i den Adler amal hon gsehe ghatt, hon i nimmer auslasse. Fleißi hon i umeinandergucket mit’m Spektivle, und wie i seine Weg amal hon ausspekuliert ghatt, hon i a Lämmle aufs Wändle naufgschleppet, und da hon i mir denkt: ›Wart, du Luedersvögele, jetz hock i mi aber eini in Schnee und bleib sitze, wenn mir au glei alle Knöchele wegfriere von die Händ!‹‘“[20]

Trivia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1925 wurde der Steinadler in Bayern gesetzlich unter Schutz gestellt.[4] Mit Stand des Jahres 2020 gibt es im Allgäu wieder elf Brutplätze von Steinadler-Paaren.[5]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Alexander Rößle: Der Adlerkönig Leo Dorn (Teil 1). In: Unser Oberstdorf: Blätter zur Oberstdorfer Heimatkunde. Heft 65, Dezember 2014, OCLC 225602779, ZDB-ID 011952423 (archive.org).
  • Alexander Rößle: Der Adlerkönig Leo Dorn (Teil 2). In: Unser Oberstdorf: Blätter zur Oberstdorfer Heimatkunde. Heft 66, Juni 2015, OCLC 225602779, ZDB-ID 011952423 (archive.org).
  • Eugen Thomma: Oberstdorfs Bergführer – ihnen vertrauten sich Generationen von Touristen an (Teil 1). In: Unser Oberstdorf: Blätter zur Oberstdorfer Heimatkunde. Heft 31, Dezember 1997, OCLC 225602779, ZDB-ID 011952423 (archive.org).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Leo Dorn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Taufen - 3-T | Oberstdorf | Augsburg, rk. Bistum | Deutschland | Matricula Online. In: Matricula Online. ICARUS – International Centre for Archival Research, abgerufen am 2. Dezember 2020.
  2. Register Sterbefälle - 27-S-R | Hindelang | Augsburg, rk. Bistum | Deutschland | Matricula Online. In: Matricula Online. ICARUS – International Centre for Archival Research, abgerufen am 2. Dezember 2020.
  3. a b c d e f g Alexander Rößle: Der Adlerkönig Leo Dorn (Teil 1). In: Unser Oberstdorf: Blätter zur Oberstdorfer Heimatkunde. Heft 65, Dezember 2014, OCLC 225602779, ZDB-ID 011952423 (archive.org).
  4. a b c d e f g Alexander Rößle: Der Adlerjäger Leo Dorn (Teil 2). In: Unser Oberstdorf: Blätter zur Oberstdorfer Heimatkunde. Heft 66, Juni 2015, OCLC 225602779, ZDB-ID 011952423 (archive.org).
  5. a b c d e f g h i j k l Tobias Schuhwerk: Wie "Adlerkönig" Leo Dorn zur Allgäuer Legende wurde. In: allgaeuer-zeitung.de. Allgäuer Zeitung, 18. Mai 2020, archiviert vom Original am 1. Dezember 2020; abgerufen am 1. Dezember 2020.
  6. a b c d e f Eugen Thomma: Oberstdorfs Bergführer - ihnen vertrauten sich Generationen von Touristen an (Teil 1). In: Unser Oberstdorf: Blätter zur Oberstdorfer Heimatkunde. Heft 31, Dezember 1997, OCLC 225602779, ZDB-ID 011952423 (archive.org).
  7. a b c d e f Roland Moos: Adlergeschichten: Gnadenlose Jagd auf den König der Lüfte. In: Vorarlberger Jagd. Nr. 4. Vorarlberger Jägerschaft, Hohenems 2020, OBV AC03922457 , S. 18 f. (archive.org [PDF]).
  8. Eugen Thomma: Der Prinzregent – Gedanken zum 100. Todestag des Wittelsbachers. In: Unser Oberstdorf: Blätter zur Oberstdorfer Heimatkunde. Heft 61, Dezember 2012, OCLC 225602779, ZDB-ID 011952423 (archive.org).
  9. Eugen Thomma: „Jagd-Rechnungen“ - aus den Aufzeichnungen des Försters Joseph Schwarzkopf. In: Unser Oberstdorf: Blätter zur Oberstdorfer Heimatkunde. Heft 41, Dezember 2002, OCLC 225602779, ZDB-ID 011952423 (archive.org).
  10. Hochzeiten - 7-H | Oberstdorf | Augsburg, rk. Bistum | Deutschland | Matricula Online. Abgerufen am 2. Dezember 2020.
  11. a b Josef Hiebeler: Der Steinadler in der Falknerei. Neumann-Neudamm, Waitzendorf 2000, ISBN 978-3-7888-0778-8, 1.1 Der Steinadler der Nominatrasse (Aquila chrysaetos chrysaetos), S. 41, 85 (archive.org [PDF; abgerufen am 30. November 2020]).
  12. a b Ralph Raymond-Braun: Allgäu. 1. Auflage. Michael Müller Verlag, Erlangen 2020, ISBN 978-3-95654-847-5, Der Adlerkönig (812 S., eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. "Auf den Spuren des Königs der Lüfte" - Steinadlervortrag und Exkursion. In: allgaeuer-anzeigeblatt.de. Allgäuer Anzeigeblatt, 10. April 2010, archiviert vom Original am 1. Dezember 2020; abgerufen am 1. Dezember 2020.
  14. Rundgang durch das Oberstdorfer Heimatmuseum: 23. Jagd II. Heimatmuseumsverein Oberstdorf e. V., abgerufen am 19. September 2014.
  15. Feuerstutzen „Besondere Stücke“. In: Feuerbixler.de. Abgerufen am 19. September 2014.
  16. Ernst Haeckel, Frida von Uslar-Gleichen: Das ungelöste Welträtsel. Briefe und Tagebücher 1898–1903, Wallstein Verlag 1996, ISBN 978-3-89244-377-3, S. 785
  17. Gunther le Maire: Bilder von „erdgewachsener Wahrheit“. In: Oberallgäu Kultur, 10. März 2007 (online, abgerufen am 19. September 2014).
  18. Max Förderreuther: Die Allgäuer Alpen: Land und Leute. 2. Auflage. Kösel, Kempten und München 1908, OCLC 8514515, S. 178 ff., 285 (525 S., openlibrary.org).
  19. Andreas Johannes Jäckel: Systematische Übersicht der Vögel Bayerns mit Rucksicht auf das örtliche und quantitative Vorkommen der Vögel, ihre Lebensweise, ihren Zug und ihre Abänderungen. R. Oldenbourg, München und Leipzig 1891, S. IX (Online bei Archive.org).
  20. Ludwig Ganghofer: Bergheimat im Projekt Gutenberg-DE