Liste von wallonischen Kirchen und Gemeinden

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Als Wallonische Kirchen (frz. Églises wallonnes; niederl. Waalse Kerken), gelegentlich auch als Wallonerkirchen werden Reformierte Kirchen bezeichnet, deren Mitglieder während des 16. und 17. Jahrhunderts aus den südlichen Niederlanden und Frankreich geflohen waren. Die meisten Flüchtlinge kamen in die sieben nördlichen Provinzen, die späteren Vereinigten Niederlande; einige wallonische Gemeinden entstanden auch in Deutschland und England.

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schon ab den 1520er Jahren gab es reformatorische Bestrebungen in den Spanischen Niederlanden; Hendrik Vos und Johannes van Esschen waren 1523 in Brüssel die ersten Märtyrer der Reformation. 1544 gründete Pierre Brully evangelische Gemeinden, die sich trotz der Verfolgung durch die Behörden halten konnten. Von den südlichen Provinzen aus breitete sich die Reformation nordwärts aus. Spätestens seit der ersten gemeinsamen Synode in Antwerpen 1566, bei der die Confessio Belgica von 1561 als Bekenntnisgrundlage angenommen wurde, war die Kirche calvinistisch geprägt. Die blutige Verfolgung der Protestanten durch den Herzog von Alba, Fernando Álvarez de Toledo, löste 1568 den Niederländischen Aufstand aus, der in den Achtzigjährigen Krieg mündete. 1581 erklärten sich die sieben nördlichen Provinzen, in denen die Protestanten mittlerweile die Mehrheit der Bevölkerung stellten, für unabhängig. Die spanischen Truppen konnten (abgeschlossen mit der Eroberung von Antwerpen 1585) die Südprovinzen unterwerfen, scheiterten aber an dem Versuch der Eroberung der nördlichen Provinzen. Nach einem zwölfjährigen Waffenstillstand flammten 1621 die Kämpfe wieder auf und endeten erst 1648 mit der Anerkennung der Vereinigten Niederlande im Westfälischen Frieden.

Während der gesamten Zeit, verstärkt seit 1567, flohen viele niederländische Protestanten in die Nachbarländer, vor allem nach England sowie nach Ostfriesland, an den Niederrhein, in das Rhein-Main-Gebiet und die Kurpfalz.[1] Diejenigen, die Französisch bzw. verwandte Sprachen wie Wallonisch oder Picardisch sprachen, bildeten dabei eigene Gemeinden, teilweise gemeinsam mit Glaubensflüchtlingen aus Frankreich. An der Selbstorganisation der niederländischen Flüchtlingskirche beim Weseler Konvent 1568 und der Synode von Emden 1571 waren sie beteiligt. Als 1578 viele Flüchtlinge in die Niederlande zurückgekehrt waren und eine Nationalsynode in Dordrecht abgehalten werden konnte, wurde beschlossen, dass die französischsprachigen Gemeinden innerhalb der Niederländisch-reformierten Kirche eine eigene Synode bilden sollten.[2] Zu Beginn des 17. Jahrhunderts bestanden 43 wallonische Gemeinden in der niederländischen Republik.[3] Für die Gottesdienste erhielten sie oft mittelalterliche Klosterkirchen oder Kapellen.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatten sich bereits viele Wallonen sprachlich assimiliert, von den Gemeinden bestanden noch 26. Ab 1680, verstärkt nach der Aufhebung des Edikts von Nantes im Jahre 1685, setzte jedoch ein gewaltiger Zustrom französischer Hugenotten in die Niederlande ein. Die Flüchtlinge schlossen sich den wallonischen Gemeinden an; an 35 Orten (auch in Suriname und Südafrika) bildeten sie eigene Gemeinden, die meist auch zur wallonischen Synode gehörten.[4] Zu den bekanntesten hugenottischen Theologen, die Pastoren in wallonischen Gemeinden wurden, gehörten Pierre Jurieu, Pierre Bayle und Jacques Basnage. Auch die wallonischen Gemeinden in England und Deutschland wurden nun durch Hugenotten geprägt.

Innerhalb der Protestantischen Kirche in den Niederlanden bildeten die noch bestehenden zwölf wallonischen Kirchengemeinden, in denen weiterhin die französische Sprache gepflegt wird, zunächst eine eigene Classis (jetzt Teil der Classis Limburg-Brabant).[5]

Kirchengemeinden (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Niederlande[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bild Ort Gebäude Gründung Anmerkungen
Amsterdam Waalse Kerk (Amsterdam) (zwischenzeitlich auch die Nieuwe Waalse Kerk) 1578 noch bestehend[6]
Arnhem Waalse Kerk (Arnhem) 1684 seit 1972 vereinigt mit Nimwegen[7]
Breda Waalse Kerk (Breda) 1590 noch bestehend[8]
Brielle Sint Jacobskerk (Brielle) ?
Delft Kapelle des Prinzenhofs 1584 noch bestehend[9]
Den Haag Waalse Kerk (Den Haag) 1591 noch bestehend[10]
Dordrecht Waalse Kerk (Dordrecht) 1586 vereinigt mit Breda[11]
Groningen Pelstergasthuiskerk 1619 noch bestehend[12]
Haarlem Waalse kerk (Haarlem) 1586 noch bestehend[13]
Leiden Waalse Kerk (Leiden) 1584 noch bestehend[14]
Maastricht Waalse Kerk (Maastricht) 1632 Kirche seit 1984 im gemeinschaftlichen Gebrauch zweier Gemeinden[15]
Middelburg Waalse Kerk (Middelburg) 1574 noch bestehend[16]
Rotterdam Waalse Kerk (Rotterdam) 1591 noch bestehend[17]
Utrecht Pieterskerk (Utrecht) 1583 noch bestehend[18]
Vaals Waalse Kerk (Vaals) 1558 gegründet durch aus Aachen ausgewiesene Flüchtlinge, lange auch Gottesdienstort für die Reformierten aus Aachen und Burtscheid[19]
Zwolle Waalse Kerk (Zwolle) 1686 noch bestehend[20]

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bild Ort Gebäude Gründung Anmerkungen
Emden Zeughaus am Falderntor, die spätere alte Stadthalle[21] 1554 1897 mit der deutsch-reformierten Gemeinde vereinigt[22]
Frankenthal (Pfalz) Stiftskirche St. Maria Magdalena 1566 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Pfälzer Union mit den anderen evangelischen Gemeinden vereinigt[23]
Frankfurt am Main Französisch-reformierte Kirche (Frankfurt am Main) 1554 noch bestehend[24]
Hanau Wallonisch-Niederländische Kirche 1597 noch bestehend[25]
Heidelberg Kirche des Dominikanerklosters 1569 bestand (mit Unterbrechungen) bis 1819[26]
Kleve 1566 bestand bis 1829[27]
Köln Gottesdienste in Privathäusern ca. 1570 Aufgelöst 1775[28]
Lambrecht (Pfalz) Klosterkirche 1568 1720 mit der deutsch-reformierten Kirchengemeinde vereinigt[29]
Magdeburg Wallonerkirche 1689 entstanden durch den Umzug der wallonischen Gemeinden aus Frankenthal und Mannheim, 1950 mit den anderen reformierten Gemeinden vereinigt[30]
Mannheim 1652 bestand mit Unterbrechungen bis 1821
Wesel Heiliggeisthospital[31] 1544 1765 mit der französisch-reformierten Gemeinde vereinigt[32]
Wetzlar Chor der Franziskanerkirche 1586 bestand bis 1833[33]

England[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bild Ort Gebäude Gründung Anmerkungen
Canterbury Krypta der Kathedrale von Canterbury 1575 noch bestehend[34]
London St Anthony’s Chapel in Threadneedle Street 1550 noch bestehend[35]
Norwich St Mary The Less 1565 bestand bis 1832[36]
Southampton St Julien's (Southampton) 1569 bestand bis 1939[37]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Eberhard Gresch: Die Hugenotten: Geschichte, Glaube und Wirkung. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 42009.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Armin Kohnle: Die Kurpfalz – Asyl für Glaubensflüchtlinge im 16. Jahrhundert. In: Hugenotten. Zeitschrift der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft 73, 2009, S. 59–75 (PDF-Datei).
  2. Guillaume H.M. Posthumus Meyjes, Hans Bots (Hrsg.): Livre des actes des Eglises Wallonnes aux Pays-Bas 1601–1697. Instituut voor Nederlandse Geschiedenis, 2005, S. IX (pdf).
  3. Gerald Cerny: Theology, Politics and Letters at the Crossroads of European Civilization. Jacques Basnage and the Baylean Huguenot Refugees in the Dutch Republic. Nijhoff, Dordrecht 1987.
  4. Eberhard Gresch: Die Hugenotten: Geschichte, Glaube und Wirkung. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2005, S. 150 f.
  5. Website der Eglises Wallonnes.
  6. https://dewaalsekerk.nl/
  7. https://waalse-gemeente-arnhem-nijmegen.protestantsekerk.net
  8. http://www.waalsekerkbreda.nl
  9. http://eglisewallonnedelft.nl
  10. https://eglisereformeewallonnedelahaye.nl
  11. http://eglisewallonnedordrechtbreda.nl
  12. http://www.waalsekerkgroningen.nl
  13. https://waalsekerkhaarlem.nl
  14. https://sites.google.com/site/eglisewallonnedeleyde
  15. https://www.kerkgebouwen-in-limburg.nl/kerken/maastricht/waalse-kerk-voormalige-nederlands-gereformeerde-kerk
  16. http://www.egliseswallonnes.nl/fr/middelburg
  17. Eglise Wallonne Rotterdam. Abgerufen am 11. Februar 2021 (französisch).
  18. https://pieterskerk-utrecht.nl
  19. https://www.obib.de/Geschichte/Die_Geschichte_von_Vaals.pdf
  20. https://www.waalsekerkzwolle.nl/
  21. https://www.emden-touristik.de/emden-erleben/emden-zu-fuss/reformationsroute-1/stadtwaage-am-neuen-markt
  22. Gresch, S. 121.
  23. Volker Christmann: Die wallonische / französische reformierte Kirchengemeinde Frankenthal. In: Hugenotten. Zeitschrift der Deutschen Hugenotten-Gesellschaft 73, 2009, S. 82–91 (PDF-Datei)
  24. https://www.efrg.de/
  25. http://www.wng-hanau.de
  26. Friedrich Wilhelm Cuno: Geschichte der wallonisch-reformierten Gemeinde zu Heidelberg (= Geschichtsblätter des Deutschen Hugenotten-Vereins 4). Heinrichshofen, Magdeburg 1894.
  27. Gresch, S. 117.
  28. Protokolle der Wallonischen Gemeinde in Köln von 1600-1776, bearbeitet von Rudolf Löhr. Köln 1975 (pdf).
  29. Theodor Gümbel: Die Wallonisch-französische Fremdengemeinde in St. Lambrecht-Grevenhausen. Heinrichshofen'sche Buchhandlung, Magdeburg 1893.
  30. Gresch, S. 100.
  31. http://www.historische-vereinigung-wesel.de/images/Mitteilungen/106.pdf
  32. Friedrich Wilhelm Cuno: Geschichte der wallonisch- und französisch-reformirten Gemeinde zu Wesel. Heinrichshofen, Magdeburg 1894; Gresch, S. 117.
  33. Friedrich Wilhelm Cuno: Geschichte der wallonisch- und französisch-reformirten Gemeinde zu Wetzlar. Heinrichshofen, Magdeburg 1894; Gresch, S. 113.
  34. http://www.frenchchurchcanterbury.org.uk/
  35. https://www.egliseprotestantelondres.org.uk/
  36. William John Charles Moens: The Walloons and Their Church at Norwich: Their History and Registers, 1565-1832. Huguenot Society, London 1888.
  37. https://www.lymingtonanddistricthistoricalsociety.co.uk/meetings/past-meetings/november-2017/