Margarete Streicher

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Margarete Streicher (* 9. April 1891 in Graz, Österreich-Ungarn; † 1. Februar 1985 in Wien) war eine österreichische Turnpädagogin.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Matura 1911 studierte sie Naturgeschichte und Biologie, absolvierte 1914 einen Turnlehrerinnenbildungskurs und promovierte 1916 an der Universität Wien. Von 1914 bis 1918 unterrichtete sie an Mädchenmittelschulen Naturwissenschaften und Turnen. Sie war Fachinspektorin für Mädchenturnen an Mittelschulen und reformierte mit Karl Gaulhofer das österreichische Schulturnen („Natürliches Turnen“). Während sich Gaulhofer gegen die strikten Übungsformen nach Adolf Spieß wandte, wollte Streicher das Mädchenturnen von den unterschiedlichen Gymnastiksystemen befreien, die auf der Grundlage von Ballettübungen anmutige Bewegungen vorschrieben, statt mit Klettern, Laufen und Schwingen natürliche Bewegungen zu betreiben: „Wir versuchen, die Kinder möglichst frei üben zu lassen; wir zeigen ihnen nichts, sondern stellen Aufgaben...“[1] So wurden die klassischen Turngeräte nicht etwa abgeschafft, sondern als Hindernisse für Laufen und Klettern verfremdet.[2] Ihr zweiter Arbeitsschwerpunkt lag in der Körperbildung der Frauen und Mädchen. Von 1924 bis 1938 war sie Fachinspektorin für Mädchenturnen an den Wiener Mittelschulen und der Turnlehrerinnenausbildung: Von 1940 bis Kriegsende war sie Regierungsrätin am Hochschulinstitut für Leibesübungen der Universität Wien. Als NSDAP-Mitglied (eingetreten am 25. April 1941, Mitgliedsnummer 8.119.327) und -Nutznießerin war sie von 1945 bis 1948 außer Dienst. Sie setzte ab 1948 ihre Aufgaben nach dem Amnestiegesetz fort und wurde 1956 als Hofrätin pensioniert.

Ausgehend von den Naturwissenschaften fand sie ihren pädagogischen Bezugspunkt in der Reformpädagogik, wo sie vor allem mit Herman Nohl, Professor für Pädagogik an der Georg-August-Universität Göttingen, zusammenarbeitete. „Der Ausdruck 'Natürliches Turnen' bedeutet also im Grund das Prinzip der untrennbaren Einheit 'Mensch', in dessen Erziehung der Körper wohl Angriffspunkt, nie aber das Ziel sein kann; das bleibt immer der ganze Mensch.“[3] Was sie in ihrer Theorie fordert, kommt dem Variabilitätstraining nahe: "Die Leibesübungen sind Entwicklungshilfe, nicht Drill, nicht Fertigkeitsvermittlung. Die körperliche und zugleich geistige Beweglichkeit ist zu sichern und damit die Fähigkeit, die stets neuen Lebensanforderungen zu bewältigen."[4]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1969 Gründung der Gaulhofer-Streicher-Stiftung der Universität Wien
  • 1973 Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Stefan Größing (Hrsg.): Margarete Streicher: ein Leben für die Leibeserziehung; Salzburger Symposium aus Anlaß des 100. Geburtstages, 8.-10. April 1991. Inst. für Sportwiss. d. Univ., Salzburg 1991.
  • Stefan Größing: Margarete Streicher. Eine starke Frau in einer Männerwelt. Hollinek, Purkersdorf 2007, ISBN 978-3-85119-312-1.
  • Rosa Diketmüller: Streicher, Margarete. In: Brigitta Keintzel, Ilse Korotin (Hrsg.): Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2002, ISBN 3-205-99467-1, S. 714–717.
  • Stefan Größing: Streicher, Margarete. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 532 (Digitalisat).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Margarete Streicher: Körperliche Erziehung und Lebensgestaltung. In: Margarete Streicher: Natürliches Turnen. 1. Teil. (= Pädagogik der Gegenwart. Band 107). Wien/ München 1971, S. 19.
  2. Arnd Krüger: Sport und Politik, Vom Turnvater Jahn zum Staatsamateur. Fackelträger, Hannover 1975, S. 53.
  3. Das Prinzip des Natürlichen. (Juli 1950) In: Margarete Streicher: Natürliches Turnen. 1. Teil. (= Pädagogik der Gegenwart. Band 107). Wien/ München 1971, S. 96.
  4. Margarete Streicher: Lehrer, Vorturner, Trainer. In: Margarete Streicher: Natürliches Turnen. 1. Teil. (= Pädagogik der Gegenwart. Band 107). Wien/ München 1971, S. 55.