Michael Hahn (Indologe)

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Michael Hahn (2006)

Michael Hahn (* 7. Mai 1941 in Otterndorf; † 12. Juli 2014 in Marburg[1]) war ein deutscher Indologe und Tibetologe mit den Forschungsschwerpunkten klassische Sanskrit-Literatur, tibetische Literatur und Sprachwissenschaft, sowie Buddhismus, der als Professor am Fachbereich Fremdsprachliche Philologien der Philipps-Universität Marburg tätig war.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jugend und Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Michael Hahn war der Sohn des Chirurgen Florian Hahn und dessen Frau Edith, geb. Linsenbarth. Seit seiner Jugend spielte er Klavier. 1960 legte er am Amandus-Abendroth-Gymnasium in Cuxhaven das Abitur ab und begann im selben Jahr das Studium der Mathematik, Chemie, Physik und des Sanskrit (bei Gustav Roth und Ernst Waldschmidt) an der Georg-August-Universität in Göttingen. Im folgenden Jahr studierte er Psychologie und Musikwissenschaft. Von 1962 bis 1967 studierte er Psychologie an der Philipps-Universität Marburg und im Zweitstudium Indologie bei Wilhelm Rau, Tibetologie bei Claus Vogel und Sinologie bei Hans O. H. Stange. Das Psychologiestudium beendete er 1964 mit dem Vordiplom und schrieb ab 1965 seine Dissertation in Tibetologie, die er Mitte 1967 abschloss. Von 1967 bis 1968 folgte ein Studium der Mongolistik (bei Walther Heissig) an der Universität Bonn.

Akademische Laufbahn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1968 war Hahn als Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Hamburg, Arbeitsbereich Indologie mit Schwerpunkt Buddhismuskunde, unter Ludwig Alsdorf und Franz Bernhard tätig, wo er sich 1972 für die Fächer Indologie und Tibetologie mit einer Arbeit über Candragomins Schauspiel Lokānanda habilitierte. Ab 1972 wirkte Hahn als Wissenschaftlicher Assistent (einschließlich der Befugnis, Vorlesungen zu halten) an der Universität Bonn. 1973 erfolgte die Umhabilitation für Indologie und Tibetologie an der Universität Bonn, wo er 1982 zum Professor ernannt wurde. In den Jahren 1976 bis 1988 unternahm er Reisen zur Suche von buddhistischen Handschriften aus Nepal, die dann in Form von Kopien und Mikrofilmen der Forschungstätigkeit am Indologischen Seminar der Universität Bonn dienten.

Zum 1. Oktober 1988 erhielt er einen Ruf als Professor an die Philipps-Universität Marburg als Nachfolger von Wilhelm Rau. Diese Position hatte er bis 2007 inne, seine Abschiedsvorlesung fand im Juli 2007 statt.

Bereits im Sommer 2004 hatte der Senat der Universität Marburg im Rahmen größerer Einsparungsmaßnahmen beschlossen, das Fachgebiet Indologie und Tibetologie nach der Emeritierung von Hahn zu schließen. Hahn gelang es, die hessische Landesregierung von den Leistungen und dem internationalen Ansehen der Forschung in Marburg zu überzeugen, sodass der Beschluss rückgängig gemacht und 2006 das Verfahren zur Wiederbesetzung der Professur eingeleitet wurde, das 2007 mit der Ernennung von Jürgen Hanneder als Nachfolger Hahns abgeschlossen wurde.[2]

Zwischen 1976 und 2009 hatte Hahn Gastprofessuren inne und absolvierte temporäre Forschungsaufhalte in Europa, Asien und Nordamerika. Von 1976 bis 1980 übernahm er eine Gastprofessur für Tibetisch an der Philipps-Universität Marburg, von 1984 bis 1985 eine Gastprofessur (Forschungsaufenthalt ohne Lehrtätigkeit) an der Waseda-Universität in Tokio. Numata-Professuren führten ihn an die Universität von Calgary (Numata Chair of Buddhist Studies, 1991),[3] die Universität London (2001), die Universität Berkeley, Kalifornien (2005) sowie an die Universität Wien (2009). Von 1978 bis 1979 war er Regionaler Leiter (local director) des Nepal-German Manuscript Preservation Project[4] und des Nepal Research Centre in Kathmandu (Nepal), 1981 und 1982 absolvierte er Forschungsaufenthalte als Research Fellow in der Reiyukai Library[5] in Tokio.

Forschungsgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Klassische Sanskrit-Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der poetischen und didaktischen Sanskrit-Literatur des indischen Buddhismus (in Originalen, aber auch in tibetischen oder chinesischen Übersetzungen) lag Hahns Schwerpunkt auf schlecht oder gar nicht erschlossenen Werken. Resultierende Arbeiten waren Neu- oder Erstausgaben, die in vielen Fällen auch von Übersetzungen begleitet sind. Diese Publikationen umfassen Hahns eigene Arbeiten sowie die Magisterarbeiten und Dissertationen seiner Schüler. Auf diese Weise sind viele Werke der indischen Literatur erstmals oder in verbesserter Form zugänglich gemacht worden.

Zu den von Hahn und Mitarbeitern bearbeiteten Texten gehören die Schauspiele Lokānanda (Freude für die Menschen; 5. Jahrhundert) von Candragomin, und Nāgānanda (Freude für die Nāgas; 7. Jahrhundert) von Harsadeva, sowie aus der buddhistischen Erzählliteratur der „Legendenkranz“ Jātakamālā des Haribhaṭṭa (vor 400 n. Chr.), der „Legendenkranz“ des Gopadatta (nach Haribhaṭṭa, vor 800 n. Chr.), der „Legendenkranz“ des Āryaśūra (3. oder 4. Jahrhundert), und Kṣemendras „Wunschranke der Großtaten des Bodhisattva“ (11. Jahrhundert).

Indische Metrik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Bereich der Versmaßlehre erschloss Hahn die theoretische Darstellung der indischen Metrik (Ratnākaraśāntis Chandoratnākara) als auch deren literarische Umsetzung durch Jñānaśrīmitra (* etwa 975/980, † etwa 1025/1040).[6]

Literatur des Buddhismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Bereich der buddhistischen Literatur wurden unter Hahn die buddhistische Briefliteratur (Lekha), buddhistische Mahnreden und Predigten (Parikathā), sowie zahlreiche buddhistische Hymnen durch Neu- oder Erstausgaben erschlossen.

Tibetische Sprachwissenschaft und Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der Herausgabe eines Lehrbuchs der klassischen tibetischen Schriftsprache mit primär didaktischer Zielsetzung behandelte Hahn Probleme der Morphologie, Etymologie und Wortbildung des Tibetischen in einer Reihe von Aufsätzen (Miscellanea Etymologica Tibetica). Es wurden vor allem die sprachlichen Besonderheiten bei Übersetzungen aus dem Sanskrit analysiert.

Mitgliedschaften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Deutsche Morgenländische Gesellschaft (bis 2014)
  • International Association for Sanskrit Studies (bis 2014)
  • International Association for Buddhist Studies (bis 2014)
  • Japanese Association of Indian and Buddhist Studies (bis 2014)

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1970 bis 2014 publizierte Hahn 20 Monografien und etwa 120 Artikel in nationalen und internationalen Zeitschriften. Viele der Aufsätze enthalten Editionen und Übersetzungen indischer, tibetischer, mongolischer und chinesischer Texte.[7]

Als Autor[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jñanasrimitras Vrttamalastuti: Eine Beispielsammlung zur altindischen Metrik. Dissertation Universität Marburg, 1967, DNB 570349206
  • Candragomins Lokānandanātaka: Ein Beispiel zur klassischen indischen Schauspieldichtung. Habilitationsschrift Universität Hamburg, 1972.
  • Lehrbuch der klassischen tibetischen Schriftsprache. Mit Lesestücken und Glossar. 8. Auflage. Indica et Tibetica Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-923776-10-8. (2003 erfolgte die dänische, 2009 die polnische Übersetzung)
  • Jñānaśrīmitras Vṛttamālāstuti. Ein Beispielsammlung zur altindischen Metrik. Nach dem tibetischen Tanjur zusammen mit der mongolischen Version herausgegeben, übersetzt und erläutert. (= Asiatische Forschungen, 33). Wiesbaden 1971, ISBN 3-447-01367-2.
  • Candragomins Lokānandanāṭaka. Nach dem tibetischen Tanjur herausgegeben und übersetzt. Ein Beitrag zur klassischen indischen Schauspieldichtung. (= Asiatische Forschungen, 39). Wiesbaden 1974, ISBN 3-447-01620-5.
  • Haribhaṭṭa and Gopadatta. Two Authors in the Succession of Āryaśūra. On the Rediscovery of parts of their Jātakamālās. erweiterte 2. Auflage. 1992, ISBN 4-906267-29-7.
  • Nāgārjuna’s Ratnāvalī. Vol. 1: The basic texts (Sanskrit, Tibetan, Chinese). (= Indica et Tibetica, 1). Bonn 1982, ISBN 3-923776-00-4.
  • Ratnākaraśānti’s Chandoratnākara. (= Miscellaneous Papers, 34, Nepal Research Centre). Kathmandu/ Wiesbaden 1982, OCLC 243740997.
  • Die Subhāṣitaratnakaraṇḍakakathā. Ein spätbuddhistischer Text zur Verdienstlehre. (= Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen). Göttingen 1982, ISBN 3-525-85116-2.
  • Das Mṛgajātaka (Haribhaṭṭajātakamālā XI). (= Indica et Tibetica, 3). Studie, Texte, Glossar von Michael Hahn und Konrad Klaus. Bonn 1983, ISBN 3-923776-02-0.
  • Der große Legendenkranz. (Mahajjātakamālā). Eine mittelalterliche buddhistische Legendensammlung aus Nepal. Nach Vorarbeiten von Gudrun Bühnemann und Michael Hahn (Hrsg. und Einl. von Michael Hahn). (Asiatische Forschungen, 88). Wiesbaden 1985, ISBN 3-447-02424-0.
  • Joy for the World. A Buddhist Play by Candragomin. Transl. with an Introduction and Notes. Berkeley 1987, ISBN 0-89800-148-X.
  • Hundert Strophen von der Lebensklugheit. Nāgārjunas Prajñāśataka tibetisch und deutsch. (= Indica et Tibetica, 18). Bonn 1990, ISBN 3-923776-18-7.
  • Invitation to Enlightenment. Letter to the Great King Kaniṣka by Mātṛceṭa. Letter to a Disciple by Candragomin. Berkeley 1999, ISBN 0-89800-299-0.
  • Schlüssel zum Lehrbuch der klassischen tibetischen Schriftsprache und Beiträge zur tibetischen Wortkunde. (= Indica et Tibetica, 10a). 3. Auflage. Marburg 2003, ISBN 3-923776-08-X.
  • King Kapphiṇa’s Triumph. A Ninth Century Kashmiri Buddhist Poem. Kyoto 2007, ISBN 978-4-8318-7281-4.
  • Vom rechten Leben. Buddhistische Lehren aus Indien und Tibet. Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, Frankfurt am Main/ Leipzig 2007, ISBN 978-3-458-70003-6.
  • Haribhaṭṭa in Nepal. Ten Legends from His Jātakamālā and the Anonymous Śākyasiṃhajātaka. (= Studia Philologica Buddhica. Monograph Series, XXII). Editio minor, Tokyo 2007, ISBN 978-4-906267-58-3.
  • mit Siglinde Dietz: Wege zur rechten Erkenntnis. Buddhistische Lehrbriefe. Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, Frankfurt am Main/ Leipzig 2008, ISBN 978-3-458-70013-5.
  • Poetical Visions of the Buddha’s Former Lives. Seventeen Legends from Haribhaṭṭa’s Jātakamālā. Aditya Prakashan, Delhi 2010, ISBN 978-81-7742-104-0.
  • Śivasvāmin’s Kapphiṇābhyudaya. Indian edition, Aditya Prakashan, Delhi 2013, ISBN 978-81-7742-129-3.

Als (Mit-)Herausgeber[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Von 1982 bis 2014 war Hahn Verleger und Herausgeber der Reihe Indica et Tibetica.[8] In dem Zeitraum sind mehr als 50 Bände erschienen.
  • Journal of the Nepal Research Centre. Band 2–4. Kathmandu/ Wiesbaden 1979.
  • The Recensions of the Nâgânanda. Band 1, The North Indian Recension, The Nâgânanda by Harsadeva ed. by Mâdhava Candra Ghosa assisted by Krsna Kamala Bhattâcârya; mit einer Einleitung von Michael Hahn; Vorwort und Bibliographie der Editionen und Übersetzungen des Nâgânanda von Roland Steiner. New Delhi 1991.
  • Michael Hahn, Jens-Uwe Hartmann, Roland Steiner (Hrsg.): Suhrllekhâh. Festgabe für Helmut Eimer. Swisttal-Odendorf 1996.
  • Studia Tibetica et Mongolica. Festschrift Manfred Taube; redigenda curaverunt Helmut Eimer, Michael Hahn, Maria Schetelich und Peter Wyzlic; Swisttal-Odendorf 1999.
  • Pāsādikadānaṃ. Festschrift für Bhikkhu Pāsādika. (Indica et Tibetica, 52). Marburg 2009.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Oberhessische Presse, 17. Juli 2014
  2. Philipps-Universität Marburg: Die Geschichte der Marburger Indologie und Tibetologie
  3. Numata Chair, University of Calgary
  4. Geschichte des Nepal-German Manuscript Preservation Project (Memento vom 1. März 2014 im Internet Archive) (englisch)
  5. Der Name wurde später in The International Institute for Buddhist Studies geändert und lautet heute The International College for Buddhist Studies.
  6. Jñānaśrīmitra, Michael Hahn: Jñānaśrīmitras Vrttamālāstuti: eine Beispielsammlung zur altindischen Metrik. Foto-Druck: Chemoprint, 1967 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Verzeichnis der Schriften von Michael Hahn. In: Konrad Klaus, Jens-Uwe Hartmann (Hrsg.): Indica et Tibetica: Festschrift für Michael Hahn zum 65. Geburtstag von Freunden und Schülern überreicht. Arbeitskreis für tibetische und buddhistische Studien Universität Wien, 2007, ISBN 978-3-902501-05-9, S. 13–24.
  8. Website des Indica et Tibetica Verlag, Marburg