Mikalojus Konstantinas Čiurlionis

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Mikalojus Konstantinas Čiurlionis

Mikalojus Konstantinas Čiurlionis (* 10.jul. / 22. September 1875greg. in Varėna; † 28. Märzjul. / 10. April 1911greg. in Pustelnik (Marki) bei Warschau) war ein litauischer Komponist und Maler.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sprache der gebildeten Litauer seiner Zeit war Polnisch, wie in diesem Manuskript Gedanken (Myśl).
Mikalojus Konstantinas Čiurlionis mit seiner Frau Sofija Kymantaitė-Čiurlionienė (1886–1958) im Jahr 1908. Durch sie kam er näher mit der litauischen Sprache in Berührung.

Mikalojus Konstantinas Čiurlionis war das älteste von neun Kindern einer polnisch sprechenden Familie. Seine Mutter Adelė hatte deutsche Vorfahren und sein Vater Konstantinas war Organist. Dementsprechend früh kam er mit Musik in Berührung. Er erhielt von 1889 bis 1893 Unterricht in der Orchesterschule des polnischen Fürsten Michał Ogiński in Plungė. Die Unterstützung des Fürsten ermöglichte ihm ab 1894 ein Musikstudium an der Musikakademie Warschau in den Fächern Klavier und Komposition. Zu seinen Lehrern zählte Zygmunt Noskowski. 1899 erhielt er sein Diplom. Statt danach eine feste Anstellung anzunehmen, entschloss sich Čiurlionis, 1901/02 am Leipziger Konservatorium bei Carl Reinecke und Salomon Jadassohn seine musikalische Ausbildung zu perfektionieren. Ab 1902 begann er sich für die Malerei zu interessieren und nahm in Warschau ersten Malunterricht. Er begriff sich selbst als Synästhetiker. Zusätzlich beschäftigte er sich immer stärker mit philosophischen Fragestellungen. György Dalos schreibt: "Der in der UdSSR äußerst populäre Nationalkünstler [...] hatte als Komponist und Maler die Synthese dieser beiden Kunstarten angestrebt."[1]. Von 1904 bis 1906 war er Schüler der Warschauer Schule der Schönen Künste. Danach war Čiurlionis sowohl kompositorisch als auch malerisch sehr aktiv: er gab Konzerte und wirkte an zahlreichen Kunstausstellungen mit. 1907/08 wohnte er in Vilnius. Danach ließ er sich in Sankt Petersburg nieder. Gegen Ende seines Lebens litt er unter psychischen Problemen. Er wurde in verschiedenen Kliniken behandelt, starb jedoch bereits im Alter von 35 Jahren an einer Lungenentzündung. Postum wurde ihm gerade in Litauen größte Anerkennung zuteil. Sowohl seine Musik als auch seine Gemälde erlebten große Resonanz. 1987 wurde eine Čiurlionis-Gesellschaft ins Leben gerufen. Vytautas Landsbergis gilt als größter Kenner seines Schaffens. Heute besitzt Čiurlionis den Status eines Nationalhelden. Die Mikalojaus Konstantino Čiurlionio gatvė in Vilnius und der Asteroid (2420) Čiurlionis sind nach ihm benannt.

Meeressonate, Finale (1908)

Čiurlionis als Komponist[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Čiurlionis' Schaffen hat seine Wurzeln in der Spätromantik. Üppige Harmonik und schwärmerische Klangbilder kennzeichnen schon seine ersten Werke. Auch die Volksmusik seines Landes hatte für ihn eine große Bedeutung; er sammelte zahlreiche Lieder und harmonisierte sie. Doch Čiurlionis war ein sehr innovativer Geist und begann, erstaunliche kompositorische Experimente zu unternehmen. Sehr beachtlich ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung von Kompositionstechniken, die auf Reihen beruhen. Hier antizipierte er die Schönbergsche Zwölftontechnik, ohne freilich mit der Tonalität zu brechen. Dennoch zeigen seine Werke eine ungewöhnlich freie Harmonik. Auch hinsichtlich der Rhythmik erwies sich Čiurlionis sehr eigenständig. Er entwickelte sehr komplexe rhythmische Strukturen und wandte Polyrhythmik und sogar Polymetrik an. Manche seiner späteren Werke zeichnen sich durch stark ausgeprägte polyphone Strukturen aus, was einen Hang zum Neoklassizismus mit sich führt. Den Schwerpunkt seines kompositorischen Schaffens bildete die Klaviermusik. Interessant ist der Einfluss der Malerei auf seine Musik: viele Werke sind ganz deutlich malerisch angelegt und versuchen, Landschaften musikalisch darzustellen. Auch weisen seine Kompositionen eine bemerkenswerte klangliche Farbigkeit auf. Čiurlionis war der erste litauische Komponist von Format. Seine Werke, die von Vytautas Landsbergis katalogisiert wurden, besitzen allerdings auch internationale Bedeutung.

Čiurlionis als Maler[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Maler bevorzugte Čiurlionis Landschaften, stand aber auch dem Symbolismus nahe. Seine Bilder haben oft philosophische Hintergründe. Auffällig ist wiederum der Einfluss der Musik auf die Malerei: so schuf Čiurlionis mehrere Zyklen von Gemälden, die er als „Sonaten“ bezeichnete und deren einzelne Bilder er mit „Allegro“, „Andante“ u. ä. überschrieb. Hierbei orientieren sich die einzelnen Bilder am Charakter der jeweiligen musikalischen Vortragsanweisung: ein Andante zum Beispiel vermittelt also eine eher ruhige Atmosphäre. Manche Gemälde tragen sogar den Titel „Fuge“. Diese Synthese von Musik und Malerei ist kunsthistorisch einmalig. Čiurlionis schuf etwa 280 Bilder, darunter 200 Gemälde und 80 Grafiken.

Kompositionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Orchesterwerke
    • Miške“ (Im Walde), Symphonische Dichtung (1900/01; VL 1)
    • Symphonie No. 1 D-Moll, Klavierauszug erhalten (1902; VL 4. Durch Skizzen rekonstruiert und orchestriert durch Jurgis Juozapaitis, 2011)
    • „Jūra“ (Das Meer), Symphonische Dichtung (1903–07; VL 5)
    • „Kęstutis“, Ouvertüre (Skizzen, 1902; VL 2)
    • „Die Schöpfung der Welt“, Symphonische Dichtung (1907; VL 6. Edition und Orchestrierung durch Arvydas Malcys, 2015)
    • „Dies Irae“, Symphonische Dichtung, Skizzen (1910; rekonstruiert durch Giedrius Kuprevičius)
    • Symphonie No. 2, "Litauische Pastorale" (1911; Skizzen)
  • Vokalmusik
    • „Jūratė“, Oper (Skizzen, 1908/09)
    • „De profundis“, Kantate für Chor und Orgel (1899; VL 8)
    • mehrere geistliche Chöre (1898–1902)
    • weitere Chöre und Lieder
    • etwa 60 Volksliedbearbeitungen für Chor
  • Kammermusik
    • Thema und Variationen für Streichquartett h-moll (1898; VL 80)
    • Streichquartett c-moll (1901/02; VL 83)
    • Fugen für Streichquartett
    • Kanons für Streichquartett
  • Klaviermusik
    • Klaviersonate F-Dur (1898; VL 155)
    • Klaviersonate cis-moll, verschollen (1898; VL 156)
    • Sonate zu vier Händen, verschollen (1898)
    • Sonate für Klavier und Violine, Skizzen (1898)
    • „Jūra“ (Das Meer), Zyklus (1908; op. 28)
    • zwei Nocturnes in fis-moll (1900; op. 4 Nr. 1) und cis-moll (1901; op. 6 Nr. 2)
    • Variationszyklen
    • über 30 Mazurkas
    • Polonaisen
    • 16 Zyklen von Präludien (ab 1896)
    • Fugen
    • Kanons
    • insgesamt etwa 200 Klavierwerke
  • Orgelmusik
    • Präludien
    • Fugen

Bilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Frühlingssonate (1907)
  • Sonnensonate (1907)
  • Natternsonate (1908)
  • Sommersonate (1908)
  • Meeressonate (1908)
  • Pyramidensonate (1908)
  • Sternensonate (1908)
  • Begräbnissymphonie, 7 Bilder (1903)
  • Die Erschaffung der Welt, 13 Bilder (1905/06)
  • Tierkreiszeichen, 12 Bilder (1907–09)
  • Tannenbaumfuge (1907/08)
  • Rex (1908/09)

Die Entwicklung des Motivs REX[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Zyklus Erschaffung der Welt (Pasaulio sutvėrimas)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

13-teiliger Bildzyklus, Tempera auf Papier ca. 37 × 32 cm, 1905–1906

Weitere Kunstwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weitere Reproduktionen auf der Webseite des Čiurlionis-Museums.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nijolė Adomavičiene: Die Welt als große Sinfonie – Mikalojus Konstantinas Čiurlionis, herausgegeben von Rainer Budde, Wallraf-Richartz-Museum, Oktogon Verlag, Köln 1998. ISBN 3-89611-050-0
  • Vytautas Landsbergis, Osvaldas Daugelis, Rasa Andrušytė u. a.: Mikalojus Konstantins Čiurlionis – Gemälde, Entwürfe, Gedanken, Bildband, herausgegeben vom M.-K. Čiurlionis-Kunstmuseum, Verlag Folio, Vilnius 1997. ISBN 9986 33 003 3[2]
  • Lama Bialopetravičienė, Wilhelm-Lehmbruck-Museum: Čiurlionis und die litauische Malerei 1900-1940, Duisburg 1989. ISBN 3-923576-57-9
  • Heinz Faulstich. Mikalojus Konstantins Čiurlionis – Psychologische Betrachtungen über sein Leben und Schaffen. Dissertation, Tübingen 1953.
  • Vytautas Landsbergis: M. K. Čiurlionis – Time and Content – Biographie in englischer Sprache, Vilnius 1992.
  • Vytautas Landsbergis: Das Königliche Konservatorium zu Leipzig mit den Augen eines Studenten, Briefe von M. K. Čiurlionis, in: Beiträge zur Musikwissenschaft, herausgegeben vom Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler in der DDR, Heft 1 1979, Seite 42–69, Berlin (Ost) 1979.
  • Zenta Mauriņa: Denn das Wagnis ist schön – Geschichte eines Lebens, Abschnitt: „Kaunas - Hauch der Unendlichkeit“, Seite 457–465, Memmingen, Dietrich 1953.
  • Yumiko Nunokawa und Darius Kučinskas. “M. K. Čiurlionio simfoninės poemos „Dies irae“ analitinės interpretacijos,” 2014. [1].
  • Lina Užukauskaitė: Ein ikonisches Paar: Mikalojus Konstantinas Čiurlionis’ Briefe an Sofija. In: Liebesgeschichte(n): Identität und Diversität vom 18. bis zum 21. Jahrhundert. Hg. v. Frank Becker und Elke Reinhardt-Becker. Frankfurt am Main, New York: Campus 2019, 131–149. ISBN 9783593510293
  • Gintaras Beresnevičius, Yvonne Luven, Kai Ulrich Müller: Litauen, Verlag J. C. Bucher, München 1994. ISBN 3-7658-0833-4

Čiurlionis-Museen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

M. K. Čiurlionis Nationales Kunstmuseum in Kaunas, Litauen.
  • Das 1921 gegründete Nationale M. K. Čiurlionis-Kunstmuseum[3] in Kaunas ist eines der ältesten und größten Kunstmuseen Litauens und präsentiert die Entwicklung der litauischen und internationalen Kunst von der Frühzeit bis in die Gegenwart. Eine Dauerausstellung ist Čiurlionis’ Gemälden, Graphiken und Photographien gewidmet.
  • Das in Čiurlionis’ Geburtshaus in Druskininkai eingerichtete Čiurlionis-Memorialmuseum zeigt neben einer Dauerausstellung zum Leben des Künstlers wechselnde Ausstellungen zu unterschiedlichen Themen.
  • In dem anlässlich des 120. Geburtstag des Künstlers am 22. September 1995 eröffneten Mikalojus-Konstantinas-Čiurlionis-Haus in Vilnius, in dem der Maler und Komponist 1907/08 wohnte, werden neben Kammerkonzerten und Ausstellungen auch Konferenzen und anderen Kulturevents veranstaltet. Hier hat auch die 1987 gegründete Čiurlionis-Gesellschaft ihren Sitz.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Mikalojus Konstantinas Čiurlionis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. György Dalos, lebt wohl Genossen, Verlag C.H.Beck, München 2011, Seite 133, ISBN 978-3-406-62178-9
  2. Datensatz der Deutschen Nationalbibliothek
  3. Nacionalinis M. K. Čiurlionio dailės muziejus