Minotaurus (Dürrenmatt)

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Minotaurus ist eine Ballade des Schweizer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt und erschien 1985. Die Geschichte verarbeitet den antiken Mythos aus der Sicht des Minotauros.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Darstellung des Heranwachsens des Minotaurus, einem Zwitterwesen halb Stier, halb Mensch, wird vom Labyrinth erzählt, dessen Wände aus Glas bestehen. Dadurch spiegelt sich das Bild des Minotaurus in den Wänden und das Wesen sieht sich somit in sehr großer Anzahl selbst, egal in welche Richtung es blickt. Diese Spiegelbilder nimmt er nicht als solche war, sondern sieht in ihnen eigene Individuen, die alle die gleichen Bewegungen wie er ausführen. So betrachtet er sich selbst als eine Art Gott über die Spiegelbilder.

Der Minotaurus begegnet im Labyrinth einem Mädchen, das als einziges Wesen nicht seinen Bewegungen folgt und das für ihn durch seine Spiegelbilder wiederum eine Gruppe von anderen Wesen darstellt. Das Mädchen flüchtet vor ihm und der Minotaurus jagt sie durch das Labyrinth. Er findet sie und sie beginnen zu tanzen. Während des Tanzes kommen sie sich immer näher, bis der Minotaurus das Mädchen umbringt. Er schläft neben ihr ein.

Als er erwacht, ist das Mädchen verschwunden und ein weiterer Mensch erscheint neben ihm. Aus Freude darüber beginnt der Minotaurus wieder zu tanzen. Doch der Mensch stößt mit einer Waffe in seine Brust, woraufhin er auf den Boden sinkt. Nach dieser Attacke erscheinen sechs weiteren Jungen und Mädchen und umjubeln den Minotaurus, da sie glauben, er sei tot.

Der nur verwundete Minotaurus entwickelt nun einen immensen Hass gegen diese. Er springt auf und beginnt die Tanzenden der Reihe nach umzubringen. Als er alle ermordet hat, wendet er sich seinen eigenen Spiegelbildern zu und zerstört große Teile der Glaswände, bis er die Spiegel als solche erkennt und realisiert, dass er der einzige Minotaurus im Labyrinth ist.

Nachdem er erneut eingeschlafen ist, erscheint Ariadne und wickelt einen roten Faden um seine Hörner. Als er einige Zeit später erwacht sieht er Theseus vor sich stehen, der einen Stierkopf trägt, sodass er vom Minotaurus als Spiegelbild wahrgenommen wird. Da aber Theseus nur mit leichter Verzögerung seine Bewegungen nachahmt, realisiert der Minotaurus, dass Theseus ein anderes Wesen ist. Diese Erkenntnis freut ihn, da für ihn nun ein weiterer Minotaurus existiert, der, genauso wie er selbst, von allen gehasst wird. Er beginnt erneut zu tanzen und bemerkt nicht, dass Theseus einen Dolch hervorholt, mit dem er den Minotaurus tötet. Theseus verlässt das Labyrinth und der Kadaver des Minotaurus wird von Vögeln gefressen.

Hauptfiguren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der Minotaurus ist ein Zwitterwesen mit einem Stierkopf und einem Menschenkörper. Er wurde durch Pasiphae zur Welt gebracht, nachdem sie sich von einem dem Poseidon geweihten weißen Stier hat begatten lassen. Nach seinem Heranwachsen in einem Kuhstall wurde er in das Labyrinth eingesperrt.
  • Ariadne kommt gegen Ende der Ballade ins Labyrinth und umwickelt die Hörner des Minotaurus mit einem roten Faden.
  • Theseus tritt kurz nach Ariadne auf und trägt zur Verwirrung des Minotaurus eine Stiermaske. Er ersticht diesen mit einem Dolch.

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dürrenmatt arbeitete an der Ballade bereits 1984. In diesem Jahr befand er sich in einer Beziehung mit der Schauspielerin Charlotte Kerr, welche im selben Jahr den Film Portrait eines Planeten drehte. In diesem wird in einer Szene die Geschichte des Minotaurus mündlich vorgetragen.

Im Mai 1985 wurde die Ballade dann erstmals unter dem Titel Minotaurus, Eine Ballade. Mit Zeichnungen des Autors veröffentlicht, während sie vorher noch als Manuskript den Untertitel Ein Ballett trug.[1]

Adaptionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Musikalische Bearbeitungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hörspielbearbeitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Primärtext:

  • Friedrich Dürrenmatt: Minotaurus, Eine Ballade, Der Auftrag, Novelle, Midas oder Die schwarze Leinwand. Diogenes, Zürich 1998, ISBN 978-3-257-23066-6, S. 9–32.

Sekundärliteratur:

  • Regula Bigler: Surreale Begegnungen von Bild und Text. Lektüren im intermedialen Dialog. Wilhelm Fink. Paderborn 2014, ISBN 978-3-7705-5763-9, S. 206–263.
  • Ioana Crăcium: Die Politisierung des antiken Mythos in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Niemeyer, Tübingen 2000, ISBN 978-3-484-32102-1.
  • Peter Gasser: Dramaturgie und Mythos. Zur Darstellbarkeit des Grotesken in Dürrenmatts Spätwerk. In: Jürgen Söring, Annette Mingels (Hg.): Dürrenmatt im Zentrum. 7. Internationales Neuenburger Kolloquium 2000. Lang, Frankfurt a. M. 2004, ISBN 978-3-631-51724-6, S. 191–209.
  • Peter Gasser: Die Geburt der Literatur aus dem Geiste des Spiels. Zu Friedrich Dürrenmatts Dramaturgie der Phantasie. In: Ulrich Weber u. a. (Hg.): Dramaturgien der Phantasie. Dürrenmatt intertextuell und intermedial. Wallstein, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8353-1446-7, S. 19–40.
  • Matthias Hennig: Gefangen zwischen Spiegelbildern. Friedrich Dürrenmatts Ballade Minotaurus (1985). In: Ders.: Das andere Labyrinth. Imaginäre Räume in der Literatur des 20. Jahrhunderts. Wilhelm Fink, Paderborn 2015, S. 80–93.
  • Gerhard P. Knapp: Friedrich Dürrenmatt. 2. Aufl. Metzler, Stuttgart, Weimar 1993, ISBN 978-3-476-12196-7.
  • Annette Mingels: Jener Einzelne. Kierkegaards Kategorie des Einzelnen als Grundkonstante in Dürrenmatts ideologiekritischem Denken. In: Jürgen Söring, Annette Mingels (Hg.): Dürrenmatt im Zentrum. 7. Internationales Neuenburger Kolloquium 2000. Lang, Frankfurt a. M. u. a. 2004, ISBN 978-3-631-51724-6, S. 259–284.
  • Peter Rusterholz: Metamorphosen des Minotaurus. Entmythologisierung und Remythisierung in den späten Stoffen Dürrenmatts. In: Verena Ehrlich-Häfeli (Hg.): Antiquitates Renatae. Deutsche und französische Beiträge zur Wirkung der Antike in der europäischen Literatur. Festschrift für Renate Böschenstein zum 65. Geburtstag. Königshausen und Neumann, Würzburg 1998, ISBN 978-3-8260-1548-9, S. 323–331.
  • Manfred Schmeling: Der labyrinthische Diskurs. Vom Mythos zum Erzählmodell. Athenäum, Frankfurt a. M. 1987, ISBN 978-3-610-08914-6.
  • Monika Schmitz-Emans: Im Labyrinth der Bilder und Texte. In: Jürgen Söring, Annette Mingels (Hg.): Dürrenmatt im Zentrum. 7. Internationales Neuenburger Kolloquium 2000. Lang, Frankfurt a. M. u. a. 2004, ISBN 978-3-631-51724-6, S. 11–44.
  • Theodore Ziolkowski: Der Minotaurus als tragische Gestalt bei Dürrenmatt. In: Ulrich Weber u. a. (Hg.): Dramaturgien der Phantasie. Dürrenmatt intertextuell und intermedial. Wallstein, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8353-1446-7, S. 239–260.
  • Ulrich Weber u. a. (Hrsg.): Dürrenmatt Handbuch, Leben – Werk – Wirkung. J. B. Metzler, Berlin 2020, ISBN 978-3-476-02435-0, S. 17, 142, 147–148, 209–210, 235, 268, 272–274, 280–281, 311, 372–373, 377, 385, 414.
  • Ulrich Weber: Friedrich Dürrenmatt. Eine Biographie. Diogenes, Zürich 2020, ISBN 978-3-257-07100-9, S. 508–510.
  • Heinrich Goertz: Friedrich Dürrenmatt. rororo, Hamburg 1987, ISBN 3-499-50380-8, S. 125–126.
  • Juliane Meyer: Die Umdeutung des antiken Mythos Minotaurus bei Dürrenmatt. GRIN, München 2005, ISBN 978-3-638-38728-6.
  • Sandra K.: Erschriebene Labyrinthe bei Friedrich Dürrenmatt. GRIN, München 2016, ISBN 978-3-668-29881-1, S. 24–34.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ulrich Weber u. a. (Hrsg.): Dürrenmatt Handbuch, Leben – Werk – Wirkung. J. B. Metzler, Berlin 2020, ISBN 978-3-476-02435-0, S. 147
  2. Ulrich Weber u. a. (Hrsg.): Dürrenmatt Handbuch, Leben – Werk – Wirkung. J. B. Metzler, Berlin 2020, ISBN 978-3-476-02435-0, S. 372
  3. Ulrich Weber u. a. (Hrsg.): Dürrenmatt Handbuch, Leben – Werk – Wirkung. J. B. Metzler, Berlin 2020, ISBN 978-3-476-02435-0, S. 373
  4. ARD-Hörspieldatenbank (Minotaurus. Eine Ballade, Deutschlandradio 2004)