Nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Beispiel für eine nachhaltige Pflanzung und Ansaat in einem Hausgarten (mit Acker-Glockenblumen, Muskatellersalbei und Nachtkerzen)

Mit dem Begriff nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten werden naturnahe Pflanzungen und Ansaaten bezeichnet, die dem Leitgedanken der Nachhaltigkeit bei gärtnerischen Situationen entsprechen, und die im Sinne des Naturgartens überwiegend aus in Mitteleuropa heimischen Wildpflanzen bestehen.[1][2][3]

Besonderheiten und Voraussetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten gelten insbesondere als dauerhaft und langlebig, wobei der Zeitraum von den biologisch-genetischen Eigenschaften der verwendeten Pflanzen abhängt. Dabei haben Einjährige naturgemäß eine kürzere Lebensspanne als zweijährige Arten oder dauerhafte Stauden, Gehölze oder Zwiebeln. Ein entscheidendes Merkmal ist, dass nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten sich durch generative und vegetative Vermehrung im Laufe der Jahre immer wieder selbst vermehren. Voraussetzung dafür sind die Verwendung von heimischen Arten und ihren naturnahen fertilen Sorten, da nur diese blühen und fruchten, das heißt, sie bilden Samen, aus denen sich die Bestände eigenständig und regelmäßig erneuern können. Aufgrund von vorliegenden Praxiserfahrungen gelten dabei heimische Arten in der Regel gegenüber gezüchteten Sorten als überlegen. Nicht heimische Zierpflanzen werden dagegen als eher ungeeignet angesehen, weil deren Arten sich meistens nicht vermehren.[2][4][5]

Als Voraussetzung für die Realisierung von nachhaltigen Pflanzungen und Ansaaten gelten unter anderem[2]:

Als „Pionierpflanzen“ können z. B. Nachtkerzen gepflanzt oder gesät werden.
  • eine bauliche Umsetzung nach den Grundsätzen und Richtlinien des Naturgartenbaues, wie sie etwa von den Fachbetrieben für naturnahes Grün vorgelegt werden, und bei denen hauptsächlich regionale Baustoffe und Materialien verwendet werden,[6]
  • in der Regel unkrautfreie Ausgangsböden, um artenreiche, vielfältige und abwechslungsreiche und langfristig stabile Verhältnisse zu erzeugen,[2]
  • eine weitgehende oder überwiegende Verwendung von heimischen Pflanzen gemäß den entsprechenden Veröffentlichungen des Bundesamtes für Naturschutz (BfN)[3][7], sowie
  • eine besonders artenreiche und vielfältige Flora, welche in der Regel aus Pflanzungen und Ansaaten mit Ein- und Zweijährigen oder Stauden, Blumenbeete aller Standorte, Wildblumensäume, Blumenwiesen, Blumenschotterrasen, Blumenkräuterrasen, sowie Zwiebel-, Stauden- und Gehölzpflanzungen besteht.[2][8]

Kennzeichen aller nachhaltigen Pflanzungen ist eine mehr oder weniger große natürliche Dynamik, das heißt die ursprünglich gepflanzten oder gesäten Arten können sich verändern, neue Arten können hinzukommen und bestehende verschwinden.[9] Zum Erhalt wird eine schonende, naturgemäße nachhaltige Pflege für erforderlich gehalten, die in den ersten ein bis drei Jahren mit einer Entwicklungspflege beginnen, und dann in eine Dauerpflege übergehen sollte. In naturnahen Anlagen werden dabei alle Pflanzen als Teil eines dynamischen Prozesses verstanden, der sich ständig verändernde Muster erzeugt: „Es kann weder ein Anfangsbild beibehalten noch ein Endbild formuliert werden“.[10]

Arten und Überlebensstrategien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Arten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachhaltige Pflanzungen erfordern fundierte Kenntnisse der Arten und ihres Verhaltens unter unterschiedlichen Bedingungen. Besondere Bedeutung haben dabei ihre natürlichen Verbreitungs- und Überlebensstrategien, wie sie zum Beispiel der englische Pflanzenökologe John Philip Grime formuliert hat.[11][12] Dabei wird zwischen „Pionieren“, „konkurrenzstarken“ und „stresstoleranten Arten“ unterschieden. Nach Meinung von Wildpflanzenpraktikern ist noch eine vierte Strategie bedeutsam, die der „Konkurrenzschwachen“. Viele Arten sind Mischtypen, sie weisen verschiedene Strategien gleichzeitig auf.[2]

Ausgehend von diesen Verbreitungs- und Überlebensstrategien, unterscheidet man bei nachhaltigen Pflanzungen und Ansaaten folgende Grundtypen heimischer Wildpflanzen, wobei manche Arten infolge mehrerer Strategie-Merkmale nicht eindeutig zugeordnet werden können. Neben den nachfolgend genannten Beispielarten lassen sich alle heimischen Wildpflanzen einer oder mehrerer dieser Überlebensstrategien zuordnen.[2]

Überlebensstrategie „Pioniere“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auswahl von heimischen Wildpflanzen, die nach ihrer Verbreitungs- und Überlebensstrategie den „Pionier-Arten“ zugerechnet werden:

Färberkamille (Anthemis tinctoria) • Wundklee (Anthyllis vulneraria) • Wilde Möhre (Daucus carota) • Natternkopf (Echium vulgare) • Margerite (Leucanthemum vulgare) • Kuckucks-Lichtnelke (Lychnis flos-cuculi) • Moschus-Malve (Malva moschata) • Nachtkerzen (Oenothera) • Klatschmohn (Papaver rhoeas) • Einjähriges Rispengras (Poa annua) • Gelbe Resede (Reseda lutea) • Wiesen-Bocksbart (Tragopogon pratensis) • Hasenklee (Trifolium arvense) • Purpur-Königskerze (Verbascum phoeniceum)

Überlebensstrategie „Konkurrenzstarke“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auswahl von heimischen Wildpflanzen, die nach ihrer Verbreitungs- und Überlebensstrategie den „konkurrenzstarken Arten“ zugerechnet werden:

Giersch (Aegopodium podagraria) • Gemeiner Odermennig (Agrimonia eupatoria) • Gewöhnlicher Glatthafer (Arrhenatherum elatius) • Gemeine Akelei (Aquilegia vulgaris) • Gewöhnlicher Wasserdost (Eupatorium cannabinum) • Warzen-Wolfsmilch (Euphorbia verrucosa) • Goldnessel (Galeobdolon luteum) • Gewöhnlicher Blutweiderich (Lythrum salicaria) • Wimper-Perlgras (Melica ciliata) • Dornige Hauhechel (Ononis spinosa) • Wilder Majoran (Origanum vulgare) • Wilde Pastinake (Pastinaca sativa) • Klappertöpfe (Rhinanthus) • Quirlblütiger Salbei (Salvia verticillata) • Gewöhnliches Seifenkraut (Saponaria officinalis) • Bunte Kronwicke (Securigera varia) • Jakobs-Kreuzkraut (Senecio jacobaea) • Rainfarn (Tanacetum vulgare) • Pracht-Königskerze (Verbascum speciosum) • Langblättriger Ehrenpreis (Veronica longifolia)

Überlebensstrategie „Stresstolerante“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auswahl von heimischen Wildpflanzen, die nach ihrer Verbreitungs- und Überlebensstrategie den „stresstoleranten Arten“ zugerechnet werden:

Edle Schafgarbe (Achillea nobilis) • Berg-Lauch (Allium montanum) • Schnittlauch (Allium schoenoprasum) • Gold-Aster (Aster linosyris) • Ochsenauge (Buphthalmum salicifolium) • Spornblumen (Centranthus ruber) • Karthäuser-Nelke (Dianthus carthusianorum) • Wasser-Minze (Mentha aquatica) • Kleine Traubenhyazinthe (Muscari botryoides) • Gagelstrauch (Myrica gale) • Königsfarn (Osmunda regalis) • Gewöhnlicher Tüpfelfarn (Polypodium vulgare) • Ähriger Ehrenpreis (Veronica spicata)

Überlebensstrategie „Konkurrenzschwache“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auswahl von heimischen Wildpflanzen, die nach ihrer Verbreitungs- und Überlebensstrategie den „konkurrenzschwachen Arten“ zugerechnet werden:

Elfenkrokus (Crocus tommasinianus) • Sprossende Felsennelke (Petrorhagia prolifera) • Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) • Goldlack (Erysimum cheiri) • Ausdauernder Lein (Linum perenne) • Purpur-Leinkraut (Linaria purpurea) • Prachtnelke (Dianthus superbus) • Bunte Schwertlilie (Iris variegata)

Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Thema Nachhaltigkeit spielt in der gärtnerischen Praxis eine zunehmend größere Rolle. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten mit heimischen Arten in der Regel dauerhafter und pflegeleichter, und damit meistens auch kostengünstiger als bisherige Begrünungskonzepte sind. Das macht sie attraktiv für öffentliche Parks und Grünanlagen: Nachhaltige Begrünungen mit heimischen Arten werden seit etwa Mitte der 1990er-Jahre von vielen kommunalen Grünflächenämtern umgesetzt, etwa in Großstädten wie Hamburg, Karlsruhe, München oder Stuttgart,[13] aber auch in kleineren Gemeinden wie Haar, Murnau am Staffelsee, Ottenhofen oder Rüsselsheim am Main.[14]

Bei den sogenannten Natur-Erlebnis-Räumen sind nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten zwingender Bestandteil dieser Form der naturnahen Gestaltung von Schulhöfen, Kindergärten und Spielplätzen. Darüber hinaus werden mittlerweile auch Industrie- und Gewerbebegrünungen als nachhaltige Grünflächen konzipiert und ausgeführt, wie Praxisbeispiele zeigen.[15]

Kleine Traubenhyazinthen weisen eine „stresstolerante Überlebensstrategie“ auf.

Im Gartenbereich, insbesondere in Hausgärten und Ziergärten, teils auch in Nutzgärten und Kleingärten, setzt sich die Erkenntnis der Nachhaltigkeit gerade erst durch; verstärkt natürlich im Naturgarten, wo von vornherein mit heimischen Pflanzen gearbeitet wird. Dazu tragen unter anderem verschiedene Publikationen und Berichterstattungen in den Medien bei, sowie die Arbeit von Naturschutzorganisationen und verwandten Vereinen, wie zum Beispiel der Naturgarten e. V. (Verein für naturnahe Garten- und Landschaftsgestaltung).

Bei den Naturgartentagen, die jährlich in der Bildungsstätte des Deutschen Gartenbaus im hessischen Grünberg stattfinden, wurde das Thema Nachhaltigkeit in den letzten Jahren regelmäßig behandelt. So wurden zum Beispiel bei den Naturgartentagen 2007 nachhaltige Pflegestrategien vorgestellt, welche die Verbreitungs- und Überlebensstrategien der Pflanzen berücksichtigen.[16]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • John Philip Grime: Plant strategies, vegetation processes, and ecosystems properties. 2. ed., repr., Wiley, Chichester u. a. (England) 2002, ISBN 0-471-49601-4. (Englisch; Neuaufl. von: Plant strategies and vegetation processes, 1979)
  • Fritz Hilgenstock, Reinhard Witt: Das Naturgarten-Baubuch. Callwey, München 2003, ISBN 3-7667-1542-9.
  • Angelika Lüttig, Juliane Kasten: Hagebutte & Co. Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen. Fauna-Verl., Nottuln 2003, ISBN 3-935980-90-6.
  • Reinhard Witt: Der unkrautfreie Garten. 1. Aufl., Obst- und Gartenbauverl., München 2005, ISBN 3-87596-115-3.
  • Reinhard Witt: Nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten. Kräuter, Stauden und Sträucher. Für Jahrzehnte erfolgreich gärtnern. Praktisch, naturnah. Erweitertes Unkräuter-Lexikon. NaturGarten, Ottenhofen 2008, ISBN 978-3-00-023586-3.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Käte Bora: Gärten, die sich selbst erneuern. Wildpflanzen ohne Turboblüten sind beständig. In: EADS, Roche, ThyssenKrupp (Hrsg.): Innovate! Das Magazin für Forschung und Technologie. Nr. 3. Süddeutsche Zeitung, September 2006, S. 40–44 (Internet Archive [PDF; 9,6 MB; abgerufen am 13. Februar 2020] ; berichtet wird unter anderem über Wildpflanzen, Nachhaltigkeit von Ansaaten und Pflanzungen, etc.).
  2. a b c d e f g Reinhard Witt: Nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten. Kräuter, Stauden und Sträucher. Für Jahrzehnte erfolgreich gärtnern. Naturnah, praktisch, neu. Mit Unkräuter-Lexikon. NaturGarten, Ottenhofen 2006, ISBN 3-00-017707-8.
  3. a b Henning Haeupler, Thomas Muer: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands (= Die Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Band 2). 2., korrigierte und erweiterte Auflage. Herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz. Ulmer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8001-4990-2.
  4. Die Irrungen der Naturgartenidee in den 70er Jahren. In: Taspo Gartendesign, 2006, Ausgabe 4/06, S. 38–41. (Berichtet wird über die Naturgartenidee und nachhaltige Wildpflanzen).
  5. Naturnahe Gartengestaltung (Teil 1): Es geht nicht um die Turbomargeritenblüte. In: Campos, 2006, Ausgabe 4/2006, S. 28–29. (Berichtet wird über die Nachhaltigkeit von heimischen Wildpflanzen im Garten).
  6. Richtlinien (Unterlagen zum Fachbetrieb für naturnahes Grün, Stand 6/07) (→Richtlinien). Website der Fachbetriebe für naturnahes Grün, 2007, abgerufen am 21. Oktober 2009.
  7. FloraWeb – Daten und Informationen zu Wildpflanzen und zur Vegetation Deutschlands. Online-Informationsangebot des Bundesamtes für Naturschutz, abgerufen am 21. Oktober 2009.
  8. Naturnahe alte Gartenrosen als lebendige Bereicherung. In: Neue Landschaft, 2004, Ausg. 12/04, S. 29–32. (Berichtet wird über die Sorten naturnaher Gartenrosen und heimischer Wildrosen).
  9. Ein Blumenberg reift. In: Zeitschrift Kraut und Rüben, 2006, Ausgabe 7/2006, S. 22–25. (Berichtet wird über die nachhaltige Entwicklung eines Naturgartenelementes).
  10. Hein Koningen, Rob Leopold: Pflege ist subtile Gestaltung. In: Garten und Landschaft, 1996, Nr. 4/1996, S. 24–27.
  11. John Philip Grime: Plant strategies and vegetation processes. Wiley, Chichester (England) 1979, ISBN 0-471-99695-5. (englisch)
  12. Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH (UFZ): BiolFlor. Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland. 2002, abgerufen am 14. Februar 2020. Das Informationssystem BiolFlor ist Bestandteil von S. Klotz, I. Kühn, W. Durka (Hrsg.): BIOLFLOR. Eine Datenbank zu biologisch-ökologischen Merkmalen der Gefäßpflanzen in Deutschland (= Bundesamt für Naturschutz, Bonn [Hrsg.]: Schriftenreihe für Vegetationskunde. Band 38).
  13. Reinhard Witt, Bernd Dittrich: Blumenwiesen. Anlage, Pflege, Praxisbeispiele. Mit Wiesenpflanzenlexikon. BLV Verl., München u. a. 1996; ISBN 3-405-14867-7.
  14. Michael von Ferrari: Das Ortsbild bereichern – die Pflegekosten senken. Blühende Grünflächen am Beispiel der Gemeinde Haar. Tagungsbeitrag auf den Naturgartentagen 2008 in der Bildungsstätte Gartenbau Grünberg in Grünberg (Hessen).
  15. Vgl.: Beispiele für Gewerbeflächen(-Begrünung) (→Beispiele →Gewerbe). Webseite der Fachbetriebe für naturnahes Grün, 2007, abgerufen am 21. Oktober 2009.
  16. Reinhard Witt: Naturgemäße und nachhaltige Pflege im naturnahen Garten. Von der Entwicklungs- bis zur Dauerpflege. Harmlose und kritische Unkräuter und Entwicklungen im Laufe der Jahre. Tagungsbeitrag auf den Naturgartentagen 2007 in der Bildungsstätte Gartenbau Grünberg in Grünberg (Hessen).