Nicolas Thomä

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Nicolas H. Thomä ist ein deutscher Forscher und ordentlicher Professor und Leiter des Lehrstuhls für interdisziplinäre Krebsforschung an der Fakultät für Lebenswissenschaften der EPFL in Lausanne, Schweiz. Er ist Biochemiker und Strukturbiologe und ein führender Forscher auf dem Gebiet der Ubiquitin-Ligase-Biologie und der DNA-Reparatur.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nicolas Thomä promovierte an der Universität Cambridge (UK), wo er gemeinsam von Peter Leadlay (Universität Cambridge) und Phil Evans (MRC-LMB Cambridge) betreut wurde. Anschließend arbeitete er als Postdoktorand bei Roger Goody (Max-Planck-Institut für Molekulare Physiologie) und beschäftigte sich mit Protein-Ligand-Interaktionen. Im Jahr 2001 wechselte er in das Labor von Nikola Pavletich (Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, USA), um seine Ausbildung in Röntgenkristallographie abzuschließen. Nicolas Thomä ging 2006 als Junior-Gruppenleiter an das Friedrich Miescher Institut for Biomedical Research (FMI) und wurde im Jahr 2012 zum Senior-Gruppenleiter am FMI ernannt. 2023 wurde er zum ordentlichen Professor an der EPFL in Lausanne ernannt und leitet den Lehrstuhl für interdisziplinäre Krebsforschung, seine Forschungsgruppe zielt darauf ab, den Fortschritt in der translationalen Onkologie zu beschleunigen.[1]

Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Labor von Nicolas Thomä untersucht die Struktur und Funktion von makromolekularen Maschinen, die die Stabilität des Genoms, die Genexpression und die DNA-Reparatur steuern. Sein Labor verwendet einen multidisziplinären Ansatz, der Biochemie und Kryoelektronenmikroskopie (Kryo-EM) in Kombination mit Genomik, Bildgebung und chemisch-biologischen Techniken umfasst. Die Forschung seines Labors konzentriert sich auf zwei Bereiche: (i) die Funktionsweise von DNA-bindenden Proteinen, insbesondere Transkriptionsfaktoren, im Zusammenhang mit Chromatin; und (ii) die Verbindung zwischen Chromatin und Ubiquitin-Ligasen. Thomäs Labor hat Kryo-EM-Strukturen von Pionier-Transkriptionsfaktoren bereitgestellt, die an ihr in die Nukleosomenstruktur eingebettetes DNA-Motiv gebunden sind, um zu zeigen, wie Transkriptionsfaktoren auf die DNA zugreifen, wenn sie sterisch im Chromatin eingeschlossen sind[2][3]. Sein Labor hat auch Beiträge zum Gebiet der DNA-Reparatur geleistet, indem es die Mechanismen aufdeckte, durch die eukaryontische Zellen UV-induzierte DNA-Schäden erkennen[4][5][6]. Thomäs Forschungen haben außerdem aufgeklärt, wie sich Cullin-RING E3-Ubiquitin-Ligasen (CRLs) zusammensetzen, um ∼20% des Proteasom-vermittelten Proteinabbaus zu steuern, und wie die Aktivität der CRLs durch das COP9-Signalosom kontrolliert wird.[7][8] Diese Arbeiten lieferten eine Erklärung dafür, wie diese Ubiquitin-Ligasen bei der DNA-Reparatur, der Zellsignalisierung, der Zellteilung und der Differenzierung funktionieren, wie sie bei Krankheiten dereguliert werden und wie sie medikamentös behandelt werden können. Ein besonderer Schwerpunkt von Thomäs Forschung liegt auf niedermolekularen Therapeutika, die gezielt molekulare Maschinen abbauen. Diese Moleküle, die als „molekulare Kleber“ (engl.: „molecular glue“) bezeichnet werden, wirken, indem sie Wechselwirkungen zwischen einer Ubiquitin-Ligase und einem Zielprotein induzieren. Solche Verbindungen haben das Potenzial, Proteine anzugreifen, die mit herkömmlichen pharmakologischen Ansätzen nur schwer zu erreichen sind. Die Forschungsarbeiten von Thomäs Arbeitsgruppe haben das Verständnis für die Funktionsweise des molekularen Klebstoffs Thalidomid und seiner Analoga auf molekularer Ebene verbessert.[9][10][11] Bis heute gehören Thalidomid-Derivate zu den erfolgreichsten Medikamenten gegen das Multiple Myelom und andere Blutkrebsarten. Forschungsarbeiten des Labors haben auch gezeigt, wie andere Verbindungen Protein-Protein-Wechselwirkungen induzieren können, die zum Abbau des Zielproteins führen.[12][13] Dies hat gezeigt, dass Arzneimittel einen unerwarteten Off-Target-Effekt haben können, indem sie Proteine zusammenbringen, und dass diese Eigenschaften offenbar auch anderen niedermolekularen Therapeutika innewohnen. Diese Konzepte können nun aktiv für die Entwicklung neuer Arzneimittel genutzt werden.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Einen neuen Lehrstuhl für interdisziplinäre Krebsforschung. Pressemitteilung der École polytechnique fédérale de Lausanne. Abgerufen am 4. Oktober 2023.
  2. Alicia K. Michael, Ralph S. Grand, Luke Isbel, Simone Cavadini, Zuzanna Kozicka: Mechanisms of OCT4-SOX2 motif readout on nucleosomes. In: Science. Band 368, Nr. 6498, 26. Juni 2020, ISSN 0036-8075, S. 1460–1465, doi:10.1126/science.abb0074 (science.org [abgerufen am 24. Mai 2022]).
  3. Alicia K. Michael, Nicolas H. Thomä: Reading the chromatinized genome. In: Cell. Band 184, Nr. 14, Juli 2021, S. 3599–3611, doi:10.1016/j.cell.2021.05.029 (elsevier.com [abgerufen am 24. Mai 2022]).
  4. Syota Matsumoto, Simone Cavadini, Richard D. Bunker, Ralph S. Grand, Alessandro Potenza: DNA damage detection in nucleosomes involves DNA register shifting. In: Nature. Band 571, Nr. 7763, Juli 2019, ISSN 0028-0836, S. 79–84, doi:10.1038/s41586-019-1259-3, PMID 31142837, PMC 6611726 (freier Volltext) – (nature.com [abgerufen am 24. Mai 2022]).
  5. Andrea Scrima, Eric S. Fischer, Gondichatnahalli M. Lingaraju, Kerstin Böhm, Simone Cavadini: Detecting UV-lesions in the genome: The modular CRL4 ubiquitin ligase does it best! In: FEBS Letters. Band 585, Nr. 18, 16. September 2011, S. 2818–2825, doi:10.1016/j.febslet.2011.04.064 (wiley.com [abgerufen am 24. Mai 2022]).
  6. Andrea Scrima, Renata Koníčková, Bryan K. Czyzewski, Yusuke Kawasaki, Philip D. Jeffrey: Structural Basis of UV DNA-Damage Recognition by the DDB1–DDB2 Complex. In: Cell. Band 135, Nr. 7, Dezember 2008, S. 1213–1223, doi:10.1016/j.cell.2008.10.045, PMID 19109893, PMC 2676164 (freier Volltext) – (elsevier.com [abgerufen am 24. Mai 2022]).
  7. Eric S. Fischer, Kerstin Böhm, John R. Lydeard, Haidi Yang, Michael B. Stadler: Structure of the DDB1–CRBN E3 ubiquitin ligase in complex with thalidomide. In: Nature. Band 512, Nr. 7512, August 2014, ISSN 0028-0836, S. 49–53, doi:10.1038/nature13527, PMID 25043012, PMC 4423819 (freier Volltext) – (nature.com [abgerufen am 24. Mai 2022]).
  8. Simone Cavadini, Eric S. Fischer, Richard D. Bunker, Alessandro Potenza, Gondichatnahalli M. Lingaraju: Cullin–RING ubiquitin E3 ligase regulation by the COP9 signalosome. In: Nature. Band 531, Nr. 7596, 31. März 2016, ISSN 0028-0836, S. 598–603, doi:10.1038/nature17416 (nature.com [abgerufen am 24. Mai 2022]).
  9. Eric S. Fischer, Kerstin Böhm, John R. Lydeard, Haidi Yang, Michael B. Stadler: Structure of the DDB1–CRBN E3 ubiquitin ligase in complex with thalidomide. In: Nature. Band 512, Nr. 7512, August 2014, ISSN 0028-0836, S. 49–53, doi:10.1038/nature13527, PMID 25043012, PMC 4423819 (freier Volltext) – (nature.com [abgerufen am 24. Mai 2022]).
  10. Georg Petzold, Eric S. Fischer, Nicolas H. Thomä: Structural basis of lenalidomide-induced CK1α degradation by the CRL4CRBN ubiquitin ligase. In: Nature. Band 532, Nr. 7597, April 2016, ISSN 0028-0836, S. 127–130, doi:10.1038/nature16979 (nature.com [abgerufen am 24. Mai 2022]).
  11. Quinlan L. Sievers, Georg Petzold, Richard D. Bunker, Aline Renneville, Mikołaj Słabicki: Defining the human C2H2 zinc finger degrome targeted by thalidomide analogs through CRBN. In: Science. Band 362, Nr. 6414, 2. November 2018, ISSN 0036-8075, S. eaat0572, doi:10.1126/science.aat0572, PMID 30385546, PMC 6326779 (freier Volltext) – (science.org [abgerufen am 24. Mai 2022]).
  12. Mikołaj Słabicki, Zuzanna Kozicka, Georg Petzold, Yen-Der Li, Manisha Manojkumar: The CDK inhibitor CR8 acts as a molecular glue degrader that depletes cyclin K. In: Nature. Band 585, Nr. 7824, 10. September 2020, ISSN 0028-0836, S. 293–297, doi:10.1038/s41586-020-2374-x, PMID 32494016, PMC 7486275 (freier Volltext) – (nature.com [abgerufen am 24. Mai 2022]).
  13. Zuzanna Kozicka, Nicolas Holger Thomä: Haven't got a glue: Protein surface variation for the design of molecular glue degraders. In: Cell Chemical Biology. Band 28, Nr. 7, Juli 2021, S. 1032–1047, doi:10.1016/j.chembiol.2021.04.009 (elsevier.com [abgerufen am 24. Mai 2022]).
  14. ERC Starting Grant 2010. Abgerufen am 24. Mai 2022.
  15. FMI awards and honors. Abgerufen am 24. Mai 2022.
  16. AE Nicolas Thomä. Abgerufen am 24. Mai 2022.
  17. EMBO: Nicolas Thomä. Abgerufen am 24. Mai 2022.
  18. ERC Advanced Grants 2014: results. Abgerufen am 24. Mai 2022.
  19. ERC Advanced Grants 2019 results. Abgerufen am 24. Mai 2022.