Oberlandesgericht Marienwerder

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Das Oberlandesgericht Marienwerder war ein von 1879 bis 1943 bestehendes deutsches Oberlandesgericht.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oberlandesgerichtsbezirk 1879–1919 in orange

Kaiserreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Marienwerder war seit 1772 Sitz von Gerichten zweiter Instanz. 1772 entstand das Ober-Hof- und Landesgericht Marienwerder, welches im Folgejahr in Westpreußische Regierung umbenannt wurde. Ab 1808 war es ein Oberlandesgericht, hier das Oberlandesgericht Marienwerder. Ab 1849 gab es in Preußen einheitlich Appellationsgerichte, hier das Appellationsgericht Marienwerder.

Im Rahmen der Reichsjustizgesetze wurden die bisherigen Gerichte aufgehoben und mit Wirkung zum 1. Oktober 1879 das „Oberlandesgericht Marienwerder“ gebildet[1]. Es war nun eines von 13 Oberlandesgerichten in Preußen. Der Sitz des Gerichts war Marienwerder. Der Oberlandesgerichtsbezirk war deckungsgleich mit der Provinz Westpreußen unter Ausschluss des zum Landgericht Schneidemühl (Oberlandesgericht Posen) gehörigen Kreises Deutsch-Krone mit einer Fläche von insgesamt rund 23.360 km2 und einer Einwohnerzahl im Jahr 1890 von 1.367.974.[2] Der Bezirk bestand zu Anfang aus 5 Landgerichten mit 40 Amtsgerichten.[3]

Dies waren das Landgericht Conitz, Landgericht Danzig, Landgericht Elbing, Landgericht Graudenz und Landgericht Thorn.[4]

Republik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oberlandesgerichtsbezirk 1919–1938/42. Neue Gebiete in Gelb

1919 wurde die Provinz Westpreußen großteils an das neugegründete Polen abgetreten. Danzig (und damit auch der Bezirk des Landgerichts Danzig) wurde als Freie Stadt Danzig aus dem Reichsverband ausgegliedert. Östlich und westlich des Polnischen Korridors verblieben Reste beim Reich. Das Oberlandesgericht Marienwerder wurde nicht aufgelöst und bekam aus dem aufgelösten Oberlandesgerichtsbezirk Posen die dem Deutschen Reich verbliebenen Landgerichte Meseritz und Schneidemühl. Problematisch war, dass die Landgerichte Meseritz und Schneidemühl im westlichen Teil, das Landgericht Elbing im östlichen Teil lag und der Gerichtspräsident auf Dienstreisen ausländisches Territorium durchqueren musste. Noch dazu war es mit seinen drei Landgerichtsbezirken reichsweit einer der kleinsten Oberlandesgerichtsbezirke und stand daher immer zur Disposition.

Diktatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1933 trat Präsident Arthur Ehrhardt auf eigenen Wunsch in den Ruhestand; ihm folgte Max Karge auf Grund einer Entscheidung des preußischen Justizministers Hanns Kerrl. Bei der Neubesetzung der vakanten Präsidentenstelle fragte Reichsjustizminister Franz Gürtner bei Hitler im Februar 1937 an, ob das Gericht aufzulösen sei. Im März 1937 ordnete Hitler der Fortbestand des Oberlandesgerichts Marienwerder an, da er wie die Regierungen vor ihm mit der Wiederbesetzung des Korridors rechnete. 1938 wurde das Amtsgericht Fraustadt in den Oberlandesgerichtsbezirk Breslau eingegliedert.[5] Im selben Jahr war es Juden im Gerichtsbezirk nicht mehr möglich, sich bei Anwaltszwang gerichtlich vertreten zu lassen, da „arische“ Anwälte solche Mandate ablehnten.[6] Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde das Oberlandesgericht Danzig geschaffen, dem die früheren Landgerichtsbezirke Marienwerders zugeordnet wurden. 1942 wurde das Oberlandesgericht endgültig zum 1. Januar 1943 aufgelöst.[7] Der Gerichtsbezirk wurde auf die Bezirke des Kammergerichts und der Oberlandesgerichte Breslau, Danzig, Posen und Stettin aufgeteilt. Zeitgleich wurde das Landgericht Marienwerder eingerichtet.

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Präsidenten des Oberlandesgerichts[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bekannte Richter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Baugeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oberlandesgerichtsgebäude, Marienburger Str. 24, heute ul. Braterstwa Narodów 59.

Das „Justiz-Collegienhaus“ ist ein zweigeschossiges, rechteckiges Gebäude mit einem Walmdach. Das Gebäude wurde erbaut 1798–1800 von David Gilly aus den Ziegeln, die beim Abriss des Ost- und Südflügel des Domkapitelschlosses gewonnen wurden. Dort war das Gericht vorher untergebracht. Eröffnet wurde es nach zweijähriger Bauzeit am 18. Januar 1801. Bis 1945 gab es die Inschrift „Jedem Gerechtigkeit“[8], ein Hinweis auf die Worte des preußischen Königs Friedrich II. bei der Errichtung des Gerichts 1772. Heute ist im gut erhaltenen Gebäude ein Zentrum für Bildungsforschung.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gesetz, betreffend die Errichtung der Oberlandesgerichte und der Landgerichte vom 4. März 1878 (PrGS 1878, S. 109–124)
  2. Carl Pfafferoth: Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung. Hrsg.: Reichsjustizamt. Carl Heymanns, Berlin 1897, S. 161 f. (Scan des Originals an der Harvard University auf HathiTrust [abgerufen am 2. Juni 2023]).
  3. zeno.org Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7, Leipzig 1907.
  4. Carl Pfafferoth: Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung. Hrsg.: Reichsjustizamt. Carl Heymanns, Berlin 1880, S. 444 f. (Scan des Originals an der Harvard University auf HathiTrust [abgerufen am 2. Juni 2023]).
  5. Lothar Gruchmann Justiz im Dritten Reich 1933–1940. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner, München 2001, S. 275.
  6. Lothar Gruchmann: Justiz im Dritten Reich 1933–1940. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner, München 2001, S. 176.
  7. Erlaß über die Aufhebung des Oberlandesgerichts Marienwerder vom 5. Oktober 1942, RGBl. I, S. 567.
  8. Nachrichten die Preußische Justizverwaltung betreffend, Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung, Band 9 (1817) Heft 17/18, S. 372.