Oberrat (Herzogtum Kurland und Semgallen)

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Wappen des Herzogtums Kurland und Semgallen

Oberrat war im Herzogtum Kurland und Semgallen die Benennung der vier höchsten Würdenträger, die im Herzogtum den Obersten Rat repräsentierten. Sie waren Adelige, mussten im Besitz kurländischer Güter oder Ländereien sein und das kurländische Indigenat besitzen. Das Herzogtum Kurland und Semgallen existierte von 1561 bis 1795, nach der dritten Teilung Polens wurde es vom Russischen Reich vereinnahmt und eine neue Rangordnung installiert.

Instanzen der Verwaltung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Aufbau der Verwaltung des Herzogtums war, gemäß der „Formula Regiminis“ (Regierungsformel) von 1617, in drei Stufen gegliedert: Hauptleute, Oberhauptleute und Oberräte.[1]

Acht Hauptleute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die unterste Stufe bildeten acht Hauptleute, die in den, noch aus der Zeit des Deutschen Ordens stammenden, Burgen und festen Plätzen residierten und die herzoglichen Güter und Städte in ihrem jeweiligen Bezirk verwalteten.

Vier Oberhauptleute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es folgte die Stufe der Oberhauptleute, dieses waren je zwei aus Kurland und Semgallen, die der Herzog unter den Hauptleuten auswählte. Ihnen oblag die Verwaltung der vier Oberhauptmannschaften in Kurland (Goldingen und Tuckum) und in Semgallen (Mitau und Selberg).[2] Zudem übten sie die Amtsaufsicht über alle staatlichen Institutionen in ihrem Verantwortungsbereich aus und waren die Gerichtspräsidenten der Oberhauptmannschaftsgerichte als Gerichte der Ersten Instanz.

Vier Oberräte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die vier Oberräte waren die höchsten Würdenträger im Herzogtum Kurland und Semgallen. Sie wurden vom Herzog unter den Oberhauptleuten ausgewählt und auf Lebenszeit ernannt.[3]

Oberster Rat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die vier Oberräte bildeten den „Geheimrat“ oder den „Obersten Rat“ des Herzogs.[7] Mitunter wurden die Ämter Landhofmeister und Kanzler in Personalunion besetzt. Der Oberste Rat repräsentierte die Landesregierung und das Hofgericht beim Herzog. Sie vertraten den Herzog während dessen Abwesenheit im Herzogtum sowie im Falle von dessen Minderjährigkeit, aber auch während der herzoglosen Zeit nach dessen Tod. Darüber hinaus vertraten sie den Adel beim Herzog und wurden auch als „Ältere Brüder“ tituliert, sie konnten den Herzog zur Einhaltung der Freiheit, der Privilegien und zur Wahrung der Bürgerrechte auffordern, ohne Sanktionen seinerseits zu befürchten. Mit der Machtübernahme und Einverleibung Kurlands durch das zaristische Russland wurden die Oberräte abgeschafft, „das Oberhofgericht blieb jedoch bestehen und die Oberräte führten ihre Titel weiter, obwohl sie deren entsprechende Verwaltungsaufgaben nicht mehr hatten“.[8]

Oberräte (Kanzler und Landhofmeister) zwischen 1562 und 1795[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bogusław Dybaś: Landrat, Oberrat, Starosta. Die adeligen Würdenträger in den livländischen Provinzen der polnisch-litauischen Republik Livland. In: Stephan Wendehorst (Hrsg.): Die Anatomie frühneuzeitlicher Imperien. Herrschaftsmanagement jenseits von Staat und Nation (= Bibliothek Altes Reich, Bd. 5). Walter de Gruyter, Berlin 2015, ISBN 978-3-486-57911-6, S. 211–226.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Heinrich Ludwig Birkel: Formula Regiminis de Anno MDCXVII. Pacta Subjectionis inter Regem Sigismundum Augustum et Magistrum Gotthardum Kettler, inita Vilnae die XXVIII. Novembris Anni MDLXI. et Privilegium Sigismundi Augusti datum Vilnae Nobilitati Livoniae ... MDLXI = Regierungs-Formel vom Jahre 1617. Unterwerfungs-Verträge zwischen dem Könige Sigismund August und dem Heermeister Gotthard Kettler, abgeschlossen zu Wilna den 28sten November 1561. Und das Privilegium, welches der König Sigismund August dem liefländischen Adel im Jahre 1561, sechs Tage nach dem Feste der heiligen Catharina, in Wilna ertheilet. J. F. Steffenhagen und Sohn, Mitau 1807, S. 1–57, hier S. 2–13 (Digitalisat der Universität Dorpat).
  2. Neueste Lȧnder- und Völkerkunde: Ein geographisches Lesebuch für alle Stȧnde..., Band 3 von Neueste Lȧnder- und Völkerkunde: Ein geographisches Lesebuch für alle Stȧnde, Im Verlage des geographischen Instituts, 1807, Original von University of Michigan, Digitalisiert 24. März 2006 [1]
  3. Bogusław Dybaś: Landrat, Oberrat, Starosta. Die adeligen Würdenträger in den livländischen Provinzen der polnisch-litauischen Republik Livland. In: Stephan Wendehorst (Hrsg.): Die Anatomie frühneuzeitlicher Imperien. Herrschaftsmanagement jenseits von Staat und Nation (= Bibliothek Altes Reich, Bd. 5). Walter de Gruyter, Berlin 2015, S. 211–226, hier S 221.
  4. Landhofmeister. In: Deutsches Rechtswörterbuch (DRW) [2]
  5. Kanzler. In: Baltische Historische Kommission: Baltisches Rechtswörterbuch
  6. Landmarschall. In: Baltische Historische Kommission: Baltisches Rechtswörterbuch
  7. Der geheime oder Oberste Rat des Herzogs. In: August Wilhelm Hupel, Statistisch-Topographische Nachrichten von den Herzogthümern Kurland und Semgalln. Nebst andern kürzern Aufsätzen: Der nordischen Miscellaneen 9tes und 10tes Stück, Band 9 von Der nordischen Miscellaneen ... Stück / von August Wilhelm Hupel, Verlag Johann Friedrich Hartknoch, 1785, Original von Nationalbibliothek der Tschechischen Republik, Digitalisiert 23. Nov. 2015 [3]
  8. Oberräte. In: Baltische Historische Kommission: Baltisches Rechtswörterbuch
  9. Clodt von Jürgensburg, Jost in der Deutschen Biographie
  10. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Michael von Brunnow. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  11. Melchior von Flöckersamb. In: Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft[4] und Fölckersam, Melchior von in der Deutschen Biographie
  12. Christoph Heinrich von Puttkamer. In: [5] [6]
  13. Die vier Oberräte (Fußnote 5), in: Almut Bues (Hrsg.), Eine schwierige Erbschaft: die Verhandlungen nach dem Tode Herzog Jakobs von Kurland 1682/83, Band 1 von Quellen und Studien, Deutsches Historisches Institut Warschau, Otto Harrassowitz Verlag, 1995, ISBN 3-447-03620-6 [7]
  14. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Heinrich Christian von den Brincken. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  15. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Johann Heinrich von Keyserling. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  16. Landhofmeister in Kurland [8]
  17. Presidente del Governo Ducale (dal 26/4/1795 Provvisorio) 1562/1796 (Landhofmeister)Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 1. Juni 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.portalestoria.net
  18. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Heinrich Georg von Mirbach. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  19. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Otto Christoph von der Howen. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  20. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Dietrich Graf von Keyserlingk. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  21. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Heinrich Christian von Offenberg. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  22. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Johann Ernst von Klopmann. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  23. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Ernst Johann von Taube. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  24. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Georg Christoph von Lüdinghausen. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  25. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Christian Ernst von Oelsen. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  26. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Carl Ferdinand von Orgies. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital