Paläosibirische Völker

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Paläosibirische Völker bezeichnet Ethnien und Bevölkerungsgruppen, welche vor der Expansion heutiger „Neosibirischer Völker“ lebten und deren Vorfahren Sprecher der heterogenen paläosibirischen Sprachen waren oder deren Angehörige diese Sprachen teilweise noch benutzen. Die Bezeichnungen Paläosibirier, Altsibirier oder Paläoasiaten können im erweiterten Sinne auf alle in Nordasien (Sibirien) in Vergangenheit und Gegenwart lebenden Menschen bezogen werden, die nicht den großen eurasischen Sprach- oder „Völkerfamilien“ (Indogermanen, mongolische oder tungusische Völker) zugeordnet werden können. Mit dem Eigenschaftswort paläosibirisch werden auch nicht zuordenbare archäologische Kulturen Nordasiens bezeichnet.

Areale und Völker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige Ethnologen sprechen zusammenfassen vom Kulturareal „Paläo-Sibirien“, um die ursprünglich dort lebenden Jäger und Sammler von den Rentierhirtenkulturen Nordasiens abzugrenzen.

Es gibt heute drei Siedlungsgebiete (Areale) der paläosibirischen Völker. Die meisten von ihnen leben im äußersten Nordosten Asiens, in der Region um den Fluss Kolyma und auf den Halbinseln Tschukotka und Kamtschatka (Areal 1). Weitere Areale sind die Amurmündung und die Insel Sachalin (Areal 2) sowie die Region um den mittleren Jenissei (Areal 3).

Jukagiren und Tschuwanen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Westen des Areals 1, leben die Jukagiren (Siehe auch: jukagirische Sprachen). Jukagirischsprachige Ethnien lebten einigen Auffassungen zufolge früher auch weiter südlich und westlich, etwa auf der Halbinsel Taimyr. Die in ganz Nordost-Asien lebenden Tschuwanen stellen eine Mischbevölkerung mit indigenen, zum Teil jukagirischen Wurzeln dar. Sie sprechen Russisch.

Tschuktscho-Kamtschadalen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die indigene Hauptbevölkerung des Areals 1 stellen die Ethnien dar, die tschuktscho-kamtschadalische Sprachen sprechen. Es handelt sich um die

Ebenfalls dazu gehören die Aljutoren und Kereken, die sprachlich und kulturell zwischen Tschuktschen und Korjaken anzusiedeln sind. Die Kamtschadalen bilden eine Mischbevölkerung, die auf frühe russische Siedler und südliche Itelmenen zurückgeht.

Niwchen und Keten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Niwchen (Giljaken) leben an der Amurmündung und auf der Insel Sachalin (Areal 2). Siehe auch: niwchische Sprache.

Die Keten, zu denen auch die Jugen zählen, sind die letzten Nachfahren mehrerer Ethnien (Kotten, Ariner und andere) im zentralen und südlichen Teil Sibiriens (Areal 3). Siehe auch: jenisseische Sprachen

Turkvölker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der genaue Ursprung der Turkvölker ist umstritten, sie werden jedoch als indigene Bevölkerung des südlichen Sibiriens und der nordwestlichen Mongolei angesehen, bevor sie in Kontakt mit Indogermanen und Mongolen kamen.[1][2]

Andere Ethnien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ainu, Aleuten und Eskimos werden gelegentlich auch zu den Paläosibiriern gerechnet. Da erstere aber vor allem in Japan leben, letztere aber ganz überwiegend in Nordamerika (Alaska, Kanada, Grönland), ist dies eigentlich nicht korrekt.

Bevölkerungszahlen 2021[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Volkszählung 2021 wurden folgende Bevölkerungszahlen ermittelt:[3]

Ethnie Anzahl
Aljutoren 96
Itelmenen 2.596
Jugen 7
Jukagiren 1.802
Kamtschadalen 1.547
Kereken 23
Keten 1.088
Korjaken 7.485
Niwchen 3.842
Tschuktschen 16.200
Tschuwanen 900

Siehe auch: Liste der kleinen indigenen Völker Russlands

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sibirien war seit frühgeschichtlichen Zeiten ein Gebiet mit einer beträchtlichen kulturellen und ethnisch-sprachlichen Dynamik. Die vorkolumbianischen Besiedlungswellen Amerikas gingen von hier aus. Schon in der vorkolonialen Epoche Sibiriens schrumpfte das Gebiet der Paläosibirier erheblich. Sie hinterließen jedoch sprachliche und kulturelle Spuren. Im 18. und 19. Jahrhundert starben mehrere Ethnien und Sprachen aus. Ihre Nachfahren sind heute Teil anderer Völker oder vermischten sich mit russischsprachigen Altsiedlern (Sibirjaken).

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Juha A. Janhunen: The Unity and Diversity of Altaic. In: Annual Review of Linguistics. Band 9, Nr. 1, 17. Januar 2023, ISSN 2333-9683, S. 135–154, doi:10.1146/annurev-linguistics-030521-042356 (annualreviews.org [abgerufen am 10. August 2023]).
  2. Bayazit Yunusbayev, Mait Metspalu, Ene Metspalu, Albert Valeev, Sergei Litvinov, Ruslan Valiev, Vita Akhmetova, Elena Balanovska, Oleg Balanovsky, Shahlo Turdikulova, Dilbar Dalimova, Pagbajabyn Nymadawa, Ardeshir Bahmanimehr, Hovhannes Sahakyan, Kristiina Tambets, Sardana Fedorova, Nikolay Barashkov, Irina Khidiyatova, Evelin Mihailov, Rita Khusainova, Larisa Damba, Miroslava Derenko, Boris Malyarchuk, Ludmila Osipova, Mikhail Voevoda, Levon Yepiskoposyan, Toomas Kivisild, Elza Khusnutdinova, Richard Villems: The Genetic Legacy of the Expansion of Turkic-Speaking Nomads across Eurasia. In: PLOS Genetics. Band 11, Nr. 4, 21. April 2015, ISSN 1553-7404, S. e1005068, doi:10.1371/journal.pgen.1005068, PMID 25898006, PMC 4405460 (freier Volltext) – (plos.org [abgerufen am 10. August 2023]).
  3. Национальный состав населения. Föderaler Dienst für staatliche Statistik, abgerufen am 4. März 2024 (russisch).