Paul Dargel

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Paul Dargel, vor 1939

Paul Dargel (* 28. Dezember 1903 in Elbing; † seit 1945 verschollen) war ein deutscher Politiker (NSDAP).

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frühes Leben und Weimarer Republik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dargel schloss den Schulbesuch im Jahr 1919 mit der Mittleren Reife ab. Zeitweise besuchte er auch die Handelsschule. Von 1919 bis 1930 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Holzkaufmann.

Zum 1. Oktober 1930 trat Dargel in die NSDAP (Mitgliedsnummer 533.762) ein.[1] Im Dezember 1930 übernahm Dargel als Parteifunktionär der NSDAP das Amt eines Kreisleiters. 1932 wurde er Gauamtsleiter und 1933 Gauorganisations- und Schulungsleiter. 1930 wurde Dargel in den Preußischen Landtag gewählt, dem er bis 1932 als Abgeordneter angehörte.

Erste Jahre der NS-Herrschaft (1933 bis 1940)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Machtrantritt der Nationalsozialisten im Jahr wurde Dargel Gauorganisations- und Schulungsleiter der NSDAP. Im selben Jahr wurde er zudem kurzzeitig Mitglied im Provinziallandtag der Provinz Ostpreußen. 1934 übernahm Dargel ein Amt im Preußischen Provinzialrat der Provinz Ostpreußen. Im Reichsarbeitsdienst wurde Dargel derweil Ehrenarbeitsführer.

Bei der Reichstagswahl am 29. März 1936 kandidierte Dargel für den nationalsozialistischen Reichstag, wurde aber nicht gewählt. Am 30. November 1937 trat Dargel im Nachrückverfahren für den Abgeordneten Fritz Adam als Abgeordneter in den nationalsozialistischen Reichstag ein, in dem er anschließend siebeneinhalb Jahre lang, bis zum Ende der NS-Herrschaft im Frühjahr 1945 den Wahlkreis 1 (Ostpreußen) vertrat.

Anlässlich des fünften Jahrestages der Regierungsübernahme durch die NSDAP erhielt Dargel am 30. Januar 1938 das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP.[2]

Am 11. November 1940 wurde Dargel zum Regierungspräsidenten in Zichenau ernannt.

Zweiter Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während des Zweiten Weltkrieges amtierte Dargel von 1941 bis 1944 als Leiter der Hauptabteilung II (Verwaltung) des Reichskommissariats Ukraine. Zugleich war Dargel ständiger Vertreter des Reichskommissars Erich Koch im Amtssitz Rowno.[3]

In dieser Zeit war Dargel auch am Holocaust beteiligt: Am 25. August 1941 nahm er an einer Sitzung im Hauptquartier des Generalquartiermeisters Oberkommando des Heeres, Eduard Wagner teil, bei der die für den 1. September 1941 geplante Etablierung des Reichskommissariats Ukraine durch zivile, militärische und polizeiliche Stellen besprochen wurde. Dabei ließ der nicht anwesende Höhere SS- und Polizeiführer Russland-Süd Friedrich Jeckeln bekanntgeben, dass er die Tötung von mehreren tausend Juden durchführen werde:

Major Wagner erläuterte […]. Bei Kamenetz-Podolsk hätten die Ungarn etwa 11.000 Juden über die Grenze geschoben. In den bisherigen Verhandlungen sei es noch nicht gelungen, die Rücknahme dieser Juden zu erreichen. Der Höhere SS- und Polizeiführer (SS-Obergruppenführer Jeckeln) hoffe jedoch, die Liquidation dieser Juden bis zum 1.9.1941 durchgeführt zu haben. […][4]

Die Teilnehmer der Sitzung blieben bei dieser Ankündigung ungerührt, das Vorhaben wurde nicht weiter erörtert.[5] Dem Protokoll von Walter Labs zufolge[6] waren bei dieser Besprechung außer Wagner, Dargel und Labs noch anwesend: Hans Georg Schmidt von Altenstadt als Leiter der Abteilung Kriegsverwaltung beim Generalquartiermeister, Justus Danckwerts als Leiter der Abteilung V „Verwaltung“ der Abteilung Kriegsverwaltung beim Generalquartiermeister und politischer Berater von Schmidt von Altenstadt, Otto Bräutigam als weiterer RMfdbO-Vertreter, Ernst-Anton von Krosigk als Chef des Stabes von Karl von Roques, dem Befehlshaber des Rückwärtigen Heeresgebietes Süd sowie möglicherweise Ernst von Krause als Chef des Stabes des Wehrmachtbefehlshabers Ukraine und weitere, namentlich nicht genannte Mitarbeiter des Generalquartiermeisters.[7]

Der Historiker Dieter Pohl hat die Zusammenkunft vom 25. August 1941 als eine Verabredung zum Völkermord bewertet,[8] da einige Tage später das Massaker von Kamenez-Podolsk begann, bei dem 23.600 Juden erschossen wurden.

Am 30. September 1943 überlebte Dargel ein Attentat, das der sowjetische Partisan Nikolai Iwanowitsch Kusnezow auf ihn verübte: Eine Granate, die Kusnezow auf ihn warf, verwundete ihn schwer. Angeblich verlor er sogar beide Füße. Er wurde nach dem Attentat im Flugzeug nach Berlin zurückgebracht.[9]

1944 wurde Dargel zum Beauftragten der Reichsleitung der NSDAP für Ostfragen ernannt. In der letzten Kriegsphase war Dargel 1945 stellvertretender Reichsverteidigungskommissar für die Provinz Ostpreußen. Regulärer Kommissar war derweil sein alter Vorgesetzter Erich Koch.

Bei Kriegsende gelang es Dargel, zusammen mit Koch und anderen Mitarbeitern Kochs, mit den Eisbrecher „Ostpreußen“ aus dem belagerten Königsberg zu fliehen: Das Schiff stach am 27. April mit Ziel Rügen in See und erreichte am 29. April den Hafen Saßnitz auf Rügen. Aufgrund der vorrückenden Roten Armee entschied man sich weiter zu fahren: Am 1. Mai 1945 erreichte die „Ostpreußen“ Kopenhagen, wo das Schiff bis zum 5. Mai liegen blieb. Am 5. Mai fuhr die Gruppe mit ihrem Schiff nach Flensburg.[10] Dargels weiterer Verbleib ist nicht gesichert.

In der Literatur wird zum Teil angegeben, dass Dargel nach dem Krieg in Hannover gelebt haben soll.[11][3] In den Adressbüchern für Hannover für diese Zeit ist er indessen nicht verzeichnet.[12] Dargels Ehefrau lebte, von Königsberg kommend, seit Juli 1945 im pfälzischen Nickenich und später in Bielefeld. In den Meldeunterlagen seiner Frau wurde Dargel bereits 1945 als „vermisst“ eingetragen und auch Jahrzehnte später noch entsprechendes angegeben.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 4. Dezember 1935 heiratete Dargel in Königsberg die aus Elberfeld stammende Studienreferendarin Margarete Mallmann (1908–1996), die dort bis Ende 1935 als „Obergauführerin Ostland“ des Bundes Deutscher Mädel tätig war.[13][14] Unter ihrem Ehenamen Dargel-Mallmann veröffentlichte sie mehrere Jugendbücher mit Titeln wie Mädel im Kampf: Erlebnisse und Erzählungen (Mädchenerlebnisse aus dem Ersten Weltkrieg);[15] für ihre Jugenderzählung Ein Schicksal an der Memel erhielt sie 1938/39 den 4. Preis des Hans-Schemm-Preises.[16]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Joachim Lilla, Martin Döring, Andreas Schulz: Statisten in Uniform: Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung der völkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924. Droste, Düsseldorf 2004, ISBN 3-7700-5254-4.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
  • Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu ...“ – das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941–1945. Vögel, München 2006, ISBN 3-89650-213-1.
  • Norbert Korfmacher: Vorläufiges Mitgliederverzeichnis des ostpreußischen Provinziallandtages 1919 bis 1933, 2018, S. 13, Digitalisat.
  • Christian Rohrer: Nationalsozialistische Macht in Ostpreussen, 2006, ISBN 9783899750546, S. 567.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Paul Dargel in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/5811501
  2. Klaus D. Patzwall: Das Goldene Parteiabzeichen und seine Verleihungen ehrenhalber 1934-1944. Studien der Geschichte der Auszeichnungen Band 4. Verlag Klaus D. Patzwall, Norderstedt 2004, ISBN 3-931533-50-6, S. 66.
  3. a b Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945. (Quellensammlung, zitiert VEJ) Band 7: Sowjetunion mit annektierten Gebieten I – Besetzte sowjetische Gebiete unter deutscher Militärverwaltung, Baltikum und Transnistrien. (bearb. von Bert Hoppe und Hiltrud Glass), München 2011, ISBN 978-3-486-58911-5, S. 265
  4. Zitiert nach Hamburger Institut für Sozialforschung (Hrsg.): Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1944. Ausstellungskatalog, Hamburger Edition, 1. Auflage, Hamburg 2002, S. 132, ISBN 3-930908-74-3.
  5. Klaus-Michael Mallmann: Der qualitative Sprung im Vernichtungsprozeß. Das Massaker von Kamenez-Podolsk Ende August 1941; in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, Bd. 10 (2001), S. 239–264, hier S. 249.
  6. Die englischsprachige Übersetzung dieses Protokolls findet sich als Dokument PS-197 (Concerning the conference that has taken place on the OKH concerning the transfer of a part of the Ukraine to the civil administration) in: Office of United States Chief of Counsel For Prosecution of Axis Criminality (Hrsg.): Nazi Conspiracy and Aggression, VOLUME III, United States Government Printing Office, Washington 1946, S. 210–213 (PDF-Datei, Abruf am 11. September 2011).
  7. Teilnehmer nach Andrej Angrick: The Escalation of German-Rumanian Anti-Jewish Policy after the Attack on the Soviet Union, June 22, 1941, S. 23, Fußnote 65 (PDF-Datei, Abruf am 10. August 2011) und Andrej Angrick: Zur Rolle der Militärverwaltung bei der Ermordung der sowjetischen Juden, in: Babette Quinkert (Hrsg.): „Wir sind die Herren dieses Landes“. Ursachen, Verlauf und Folgen des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion. VSA-Verlag, Hamburg 2002, S. 104–123, hier S. 114, Fußnote 38, ISBN 3-87975-876-X.
  8. Im Grunde verabredeten die Herren hier den Völkermord.“ (Dieter Pohl: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in der Sowjetunion 1941–1944, Oldenbourg, München 2008, S. 258, ISBN 3-486-58065-5)
  9. Henry Sakaida: Heroes of the Soviet Union 1941-45. 2004, S. 41.
  10. Ralf Meindl: Ostpreußens Gauleiter. Erich Koch. Eine politische Biographie, 2007, S. 460.
  11. Lilla: Statisten, 2004, S. 90.
  12. Siehe z. B. das Adressbuch für Hannover für das Jahr 1953 (Digitalisat des Adressbuch).
  13. Irene Scheibe: Weibliche Landjugend im Grenzland Ostpommern. Karl Vowinckel, 1937, S. 125 (online).
  14. Abel: Kurzbiographien ausgewählter HJ-Führer und BDM-Führerinnen. In: Totale Erziehung für den totalen Krieg: Hitlerjugend und nationalsozialistische Jugendpolitik. De Gruyter Saur, 2015, S. 1162 (online).
  15. Petra Josting: Der Jugendschrifttums-Kampf des Nationalsozialistischen Lehrerbundes. G. Olms, 1995, ISBN 3-487-09967-5, S. 241, 340 (online).
  16. Gedenkstätte Buchenwald, Stiftung Weimarer Klassik (Hrsg.): Hier, hier ist Deutschland: von nationalen Kulturkonzepten zur nationalsozialistischen Kulturpolitik. Wallstein, 1997, ISBN 978-3-89244-279-0, S. 163 (online).