Polydymit

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Polydymit
Polydymit aus der Grube Grüneau bei Schutzbach, Siegerland, Rheinland-Pfalz
(Sichtfeld: 2,4 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Pld[1]

Andere Namen

Trinickeltetrasulfid

Chemische Formel Ni2+Ni3+2S4[2][3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide und Sulfosalze
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

II/C.01
II/D.01-030

2.DA.05
02.10.01.07
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol hexakisoktaedrisch; 4/m32/m
Raumgruppe Fd3m (Nr. 227)Vorlage:Raumgruppe/227[2]
Gitterparameter a = 9,47 Å[2]
Formeleinheiten Z = 8[2]
Zwillingsbildung nach {111}[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 4,5 bis 5,5 (VHN100= 379 bis 427)[4]
Dichte (g/cm3) gemessen: 4,5 bis 4,8; berechnet: 4,83[4]
Spaltbarkeit unvollkommen nach {001}; beobachtet auch nach {111}[4]
Bruch; Tenazität uneben bis muschelig[5]
Farbe hellgrau bis stahlgrau, kupferrot anlaufend[4]
Strichfarbe schwärzlichgrau[6] bis schwarz[7]
Transparenz undurchsichtig (opak)
Glanz Metallglanz

Polydymit ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ mit der chemischen Zusammensetzung Ni2+Ni3+2S4[2][3] und damit chemisch gesehen Trinickeltetrasulfid. Strukturell zählt Polydymit allerdings zur Gruppe der Spinelle.

Polydymit kristallisiert im kubischen Kristallsystem und entwickelt meist oktaedrische Kristalle und Zwillinge von bis zu einem Zentimeter Größe, findet sich aber auch in Form körniger bis massiger Mineral-Aggregate. Das Mineral ist stets undurchsichtig (opak) und zeigt auf den Oberflächen der hellgrauen bis stahlgrauen Kristalle einen metallischen Glanz. Bei frischen Mineralproben ist der Metallglanz von hoher Brillanz. Da Polydymit an der Luft mit der Zeit kupferrot anlaufen kann, schwächt sich auch der Glanz ab. Die Strichfarbe von Polydymit ist dagegen schwärzlichgrau bis schwarz.

Mit Linneit (Co2+Co3+2S4) bildet Polydymit eine lückenlose Mischkristallreihe.[4]

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Untersuchung einer Mineralprobe aus Siderit (bergmännisch: Spateisenstein) und Quarz ohne Fundortangabe, die in der Mineralsammlung der RWTH Aachen ausgestellt war, fielen Hugo Laspeyres einige sehr gut entwickelte und bis zu fünf Millimeter große, polysynthetische Oktaeder-Zwillinge eines lichtgrauen Erzes unter Milleritnadeln auf. Die qualitative Analyse ergab, dass es sich um eine bisher unbekannte Verbindung aus hauptsächlich Nickel und Schwefel mit unwesentlichen Anteilen von Eisen handelte.

An der Universität Gießen fand Laspeyres zwei weitere Stufen mit den gleichen Kristallen, die dem Etikett nach „aus dem Siegenschen“ und aus „Grünau in der Grafschaft Sayn-Altenkirchen“ stammten. Für Laspeyres stand damit außer Frage, dass auch die erste Stufe aus einem dieser Fundorte stammte. Laspeyres benannte das neu entdeckte Mineral in seiner Erstbeschreibung 1876[8] in Anlehnung an dessen häufige Vorkommen in Form von Kristallzwillingen nach den altgriechischen Worten πολύ polý für ‚viel‘ und δυμος didymos für ‚Zwilling‘.[9]

Aufgrund der Forschungen Laspeyres gilt derzeit die seit 1912 stillgelegte Eisenerz-Grube Grüne Au (siehe auch Grube Eisernhardt) mit Sideritgängen sowie Kupfer-, Cobalt- und Nickelerzen (auch Grüne Aue oder Grüneau) bei Schutzbach im Landkreis Altenkirchen (Westerwald) in Rheinland-Pfalz als Typlokalität.

Ein Aufbewahrungsort für das Typmaterial des Minerals ist nicht bekannt.[10]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die aktuelle Klassifikation der IMA zählt den Polydymit zur „Spinell-Supergruppe“, wo er zusammen mit Cadmoindit, Cuprorhodsit, Daubréelith, Greigit, Indit, Joegoldsteinit, Kalininit, Linneit, Siegenit, Violarit und Xingzhongit die „Linneit-Untergruppe“ innerhalb der „Thiospinelle“ bildet (Stand 2019).[11]

Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Polydymit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung der „Sulfide mit [dem Stoffmengenverhältnis] M : S < 1 : 1“, wo er zusammen mit Bornhardtit, Carrollit, Daubréelith, Greigit, Indit, Linneit, Siegenit, Trüstedtit, Tyrrellit und Violarit die „Linneit-Reihe“ mit der System-Nr. II/C.01 bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/D.01-30. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Sulfide mit Metall : S,Se,Te < 1 : 1“, wo Polydymit zusammen mit Bornhardtit, Cadmoindit, Carrollit, Cuprokalininit, Daubréelith, Fletcherit, Florensovit, Greigit, Indit, Kalininit, Linneit, Siegenit, Trüstedtit, Tyrrellit und Violarit die „Linneit-Gruppe“ mit der System-Nr. II/D.01 bildet.[6]

Auch die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[12] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Polydymit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Metallsulfide mit M : S = 3 : 4 und 2 : 3“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach dem genauen Stoffmengenverhältnis, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „M : S = 3 : 4“ zu finden ist, wo es zusammen mit Bornhardtit, Cadmoindit, Carrollit, Cuproiridsit, Cuprorhodsit, Daubréelith, Ferrorhodsit, Fletcherit, Florensovit, Greigit, Indit, Kalininit, Linneit, Malanit, Siegenit, Trüstedtit, Tyrrellit, Violarit und Xingzhongit die „Linneit-Gruppe“ mit der System-Nr. 2.DA.05 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Polydymit ebenfalls in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfidminerale“ ein. Auch hier ist er in der „Linneitgruppe (Isometrisch: Fd3mVorlage:Raumgruppe/227)“ 02.10.01 innerhalb der Unterabteilung „Sulfide – einschließlich Seleniden und Telluriden – mit der Zusammensetzung AmBnXp, mit (m+n) : p = 3 : 4“ zu finden.

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In reiner Form besteht Polydymit (Ni2+Ni3+2S4) aus 57,85 % Nickel (Ni) und 42,15 % Schwefel (S).

Hugo Laspeyres stellte allerdings bereits bei seinen ersten Analysen zur Ermittlung der chemischen Zusammensetzung fest, dass das Mineral oft durch dessen Matrix aus Siderit (Fe[CO3]) und Quarz (SiO2) sowie durch Fremdbeimengungen von verschiedenen Sulfiden wie Bismuthinit (Wismutglanz, Bi2S3), Boulangerit (Pb5Sb4S11), Gersdorffit (Arsennickelkies, NiAsS), Millerit (NiS) und Ullmannit (Antimonnickelkies, NiSbS) verunreinigt ist; möglicherweise auch durch Galenit (Bleiglanz, PbS) und Chalkopyrit (Kupferkies, CuFeS2). Als Zersetzungsprodukte von Polydymit können zudem Morenosit (Nickelvitriol, Ni(SO4)·7H2O) und Schwefel beigemengt sein.[8]

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Polydymit kristallisiert kubisch in der Raumgruppe Fd3m (Raumgruppen-Nr. 227)Vorlage:Raumgruppe/227 mit dem Gitterparameter a = 9,47 Å sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Polydymit hat die Eigenschaft, beim Erhitzen stark zu dekrepitieren, das heißt unter knisterndem Geräusch zu zerspringen. Lötrohrversuche lassen sich daher nur in einem geschlossenen Kolben durchführen. Stärker erhitzt bilden sich gelbe Sublimate von Schwefel und gelblichbraune Sublimate von Arsensulfid. Der im Kolben verbleibende Rückstand lässt sich auf Kohle leicht zu einer schwarzgrünen magnetischen Kugel schmelzen.[8]

In Salzsäure ist Polydymit unlöslich. In Salpetersäure löst er sich dagegen unter Abscheidung von Schwefel zu einer nach dem Erkalten und Verdünnen mit Wasser klaren grünen Lösung.[8]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Polydymit entsteht vorwiegend in hydrothermal gebildeten Gängen. Als Begleitminerale treten je nach Fundort unter anderem Bismuthinit, Chalkopyrit, Galenit, Millerit, Pyrrhotin, Pyrit, Gersdorffit, Ullmannit, Sphalerit, Quarz, Siderit auf.

Als eher seltene Mineralbildung kann Polydymit an verschiedenen Orten zum Teil zwar reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet. Als bekannt gelten bisher rund 140 Fundorte (Stand 2019).[13] Neben seiner Typlokalität, der Grube Grüne Au bei Schutzbach, fand sich das Mineral in Rheinland-Pfalz noch in der nahe gelegenen Grube Pius sowie in den Gruben Wingertshardt bei Katzwinkel, Käusersteimel, Fischbacher Werk und Lammerichskaule im Landkreis Altenkirchen.

Weitere in Deutschland bekannte Fundorte sind unter anderem die Grube Clara bei Oberwolfach (Bezirk Freiburg) in Baden-Württemberg sowie die Grube Klappertshardt nahe Hummerzheim bei Bad Münstereifel, die Gruben Aurora und Dörnberg der Ramsbecker Gewerkschaft, die Grube Neue Hoffnung bei Wilnsdorf, die Grube Wilder Mann (auch Wildermann) bei Müsen, die Grube Eiserner Union und die Grube Brüderbund im Bezirk Arnsberg in Nordrhein-Westfalen.

In Österreich konnte Polydymit bisher nur in einem Serpentinit-Steinbruch bei Dietmannsdorf an der Wild und in den korund- und serpentinhaltigen Plagioklasfelsen bei Wolfsbach (Gemeinde Drosendorf-Zissersdorf) in Niederösterreich sowie am Brennkogel in den Hohen Tauern und an mehreren Stellen im Schwarzleograben in der Gemeinde Leogang im Salzburger Land gefunden werden.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Australien, China, Finnland, Griechenland, Italien, Japan, Kanada, Namibia, Rumänien, Russland, Simbabwe, der Slowakei, Spanien, Südafrika, Tschechien und den Vereinigten Staaten von Amerika.[14]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • H. Laspeyres: Chemische Untersuchungen von Nickelerzen; 1. Polydymit, ein neues Nickelerz. In: Journal für Praktische Chemie. Band 122, 1876, S. 397–413 (rruff.info [PDF; abgerufen am 13. Juni 2019]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Polydymite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 93 (englisch).
  3. a b Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: March 2019. (PDF 1703 kB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, März 2019, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. Januar 2021; abgerufen am 20. Mai 2019 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/cnmnc.main.jp
  4. a b c d e f Polydymite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF]).
  5. David Barthelmy: Polydymite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 13. Juni 2019 (englisch).
  6. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  7. Richard V. Gaines, H. Catherine W. Skinner, Eugene E. Foord, Brian Mason, Abraham Rosenzweig: Dana’s New Mineralogy. 8. Auflage. John Wiley & Sons, New York u. a. 1997, ISBN 0-471-19310-0, S. 100–101.
  8. a b c d H. Laspeyres: Chemische Untersuchungen von Nickelerzen; 1. Polydymit, ein neues Nickelerz. In: Journal für Praktische Chemie. Band 122, 1876, S. 397–413 (rruff.info [PDF; abgerufen am 13. Juni 2019]).
  9. Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 230.
  10. Catalogue of Type Mineral Specimens – P. (PDF 112 kB) In: docs.wixstatic.com. Commission on Museums (IMA), 12. Dezember 2018, abgerufen am 24. Juni 2019.
  11. Ferdinando Bosi, Cristian Biagioni, Marco Pasero: Nomenclature and classification of the spinel supergroup. In: European Journal of Mineralogy. Band 31, Nr. 1, 12. September 2018, S. 183–192, doi:10.1127/ejm/2019/0031-2788 (englisch).
  12. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF 1703 kB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 25. April 2019 (englisch).
  13. Localities for Polydymite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 13. Juni 2019 (englisch).
  14. Fundortliste für Polydymit beim Mineralienatlas und bei Mindat