Ponomarevit

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Ponomarevit
Ponomarevit (rotbraun) mit Klyuchevskit (grün) vom Tolbatschik, Kamtschatka, Russland
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1986-040[1]

IMA-Symbol

Pon[2]

Chemische Formel K4Cu2+4OCl10[3][1]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Halogenide
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

III/D.02-010

3.DA.35
10.06.12.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m[4]
Raumgruppe C2/c (Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15[3]
Gitterparameter a = 14,73 Å; b = 14,86 Å; c = 8,93 Å
β = 104,9°[3]
Formeleinheiten Z = 4[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2[5] bis 2,8[6] (abgeleitet aus VHN10 = 71 kg/mm2[7])
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,78; berechnet: 2,72[7]
Spaltbarkeit unvollkommen nach {001} und {110}[6]
Bruch; Tenazität spröde[7]
Farbe Ziegelrot mit Goldstich, dunkelrot, schwarz[6]
Strichfarbe orangerot[7]
Transparenz durchsichtig, an der Luft undurchsichtig werdend[6]
Glanz Glasglanz, Harz- bis Fettglanz[6]
Radioaktivität kaum messbar[4]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,686[8]
nβ = 1,718[8]
nγ = 1,720[8]
Doppelbrechung δ = 0,034[8]
Optischer Charakter zweiachsig negativ
Achsenwinkel 2V = 28° (gemessen), 26° (berechnet)[8]

Ponomarevit (IMA-Symbol Pon[2]) ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Halogenide“ mit der chemischen Zusammensetzung K4Cu2+4OCl10[3] und damit chemisch gesehen ein Kalium-Kupfer-Oxichlorid.

Ponomarevit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und entwickelt pseudohexagonale, plattige Kristalle bis etwa 0,1 mm mit einem glasähnlichen Glanz auf den Oberflächen. Meist sind diese allerdings zu krustigen Überzügen bis etwa 3 cm Dicke oder knolligen bis tropfenförmigen Mineral-Aggregaten zusammengebacken. Das Mineral ist von ziegelroter Farbe mit einem Stich ins Goldene, kann aber auch dunkelrot bis schwarz sein. Die Strichfarbe ist jedoch immer orangerot. In frischem Zustand ist Ponomarevit durchsichtig, an der Luft wird er aber schnell trübe und undurchsichtig.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Synthetisch konnte die Verbindung K4Cu2+4OCl10 bereits 1972 durch J. J. de Boer, D. Bright und J. N. Helle dargestellt und deren Struktur entschlüsselt werden.[9]

Als natürliche Mineralbildung wurde Ponomarevit erstmals in Mineralproben aus Fumarolenablagerungen am ersten Schlackenkegel entdeckt, der bei der großen Spalteneruption zwischen 1975 und 1976 am Vulkan Tolbatschik auf der Halbinsel Kamtschatka im russischen Föderationskreis Ferner Osten entstand. Die Analyse und Erstbeschreibung erfolgte durch Lidija Pawlowna Wergassowa, Stanislaw K. Filatow, E. K. Serafimowa und T. F. Semenowa (russisch: Л. П. Вергасова, С. К. Филатов, Е. К. Серафимова, Т. Ф. Семенова). Sie benannten das Mineral nach dem russischen Vulkanologen Wassili Wassiljewitsch Ponomarew (englisch: Vasilii Vasil’evich Ponomarev; russisch: Василий Васильевич Пономарев; 1940–1976), um seine Pionierarbeit auf dem Forschungsgebiet der Sublimate des Tolbatchik-Hauptbruchausbruchs zu ehren.

Das Typmaterial des Minerals wird in der Mineralogischen Sammlung der Staatlichen Bergbau-Universität Sankt Petersburg (ehemals Staatliches Bergbauinstitut) in Sankt Petersburg unter der Katalog-Nr. 1483/1 aufbewahrt.[6][10]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da der Ponomarevit erst 1986 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet. Einzig im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. III/D.02-10. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Halogenide“ und dort der Abteilung „Oxihalogenide“, wobei in den Gruppen III/D.01 bis III/D.05 diejenigen Oxihalogenide eingeordnet sind, bei denen Mg, Mn, Cu, Zn und Sn vorherrschen. Ponomarevit bildet hier zusammen mit Avdoninit, Centennialit, Chrysothallit, Cryobostryxit, Dioskouriit, Flinteit, Mellizinkalit, Sanguit und dem inzwischen diskreditierten Vondechenit die unbenannte Gruppe III/D.02 (Stand 2018).[5]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[11] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Ponomarevit in die erweiterte Abteilung der „Oxihalogenide, Hydroxyhalogenide und verwandte Doppel-Halogenide“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metallen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit Cu usw., ohne Pb“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 3.DA.35 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Ponomarevit in die Klasse der „Halogenide“ und dort in die Abteilung der „Oxihalogenide und Hydroxyhalogenide“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 10.06.12 innerhalb der Unterabteilung „Oxihalogenide und Hydroxyhalogenide mit der Formel AmBn(O,OH)pXq“ zu finden.

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei idealer Zusammensetzung (Stoffreinheit) besteht Ponomarevit (K4Cu2+4OCl10) theoretisch aus je vier Kalium- (K+) und Kupfer-Kationen (Cu2+) sowie einem Sauerstoff- (O2–) und 10 Chlor-Anionen (Cl). Dies entspricht einem Massenanteil (Gewichts-%) von 20,02 Gew.-% K, 32,54 Gew.-% Cu, 2,05 Gew.-% O und 45,39 Gew.-% Cl[12] oder in der Oxidform 24,12 Gew.-% K2O, 40,73 Gew.-% CuO, 10,24 Gew.-% O und 45,39 Gew.-% Cl.[6]

Bei der Analyse natürlicher Mineralproben aus der Typlokalität am ersten Schlackenkegel fanden sich zusätzlich geringe Gehalte von 2,76 Gew.-% Na2O, 1,25 Gew.-% SO3, 0,31 Gew.-% ZnO und 0,03 Gew.-% Fluor (F).[7]

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ponomarevit kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe C2/c (Raumgruppen-Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15 mit den Gitterparametern a = 14,73 Å; b = 14,86 Å; c = 8,93 Å und β = 104,9° sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ponomarevit ist bereits in kaltem Wasser leicht löslich. Auch an der Luft ist er schon bei Raumtemperatur instabil und wandelt sich nach einigen Tagen in Mitscherlichit um. Beim Erhitzen ist Ponomarevit dagegen bis zu einer Temperatur von 275 °C stabil. Darüber hinaus beginnt der Zerfall des Minerals zu Tenorit (CuO) und Sylvin (KCl) beginnt. Die DTA-Kurve zeigt einen endothermen Übergang bei 408 °C.[7]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ponomarevit bildet sich bei Temperaturen zwischen 280 und 400 °C als Rissfüllung und in Fumarolen. Als Begleitminerale können unter anderem Halit, Sophiit, Sylvin, Tenorit, Tolbachit, Dolerophanit, Piypit, Chalkocyanit, Cotunnit, Klyuchevskit, Kamchatkit auftreten.

Außer seiner Typlokalität am ersten Schlackenkegel konnte Ponomarevit bisher nur noch an den Fumarolen Nowaja (englisch Novaya; „Die Neue“) und Jadowitaja (englisch Yadovitaya; „Die Giftige“) am zweiten Schlackenkegel des Tolbatschik entdeckt werden.[13]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Л. П. Вергасова, С. К. Филатов, Е. К. Серафимова, Т. Ф. Семенова: Пономаревит K4Cu4OCl10Новый минерал Вулканических Возгонов. In: Doklady Akademii Nauk SSSR. Band 300, Nr. 5, 1988, S. 1197–1200 (russisch, rruff.info [PDF; 244 kB; abgerufen am 10. November 2020] englische Übersetzung: L. P. Vergasova, S. K. Filatov, E. K. Serafimova, T. F. Semenova: Ponomarevite K4Cu4OCl10 – a new mineral from volcanic sublimates. In: Doklady Akademii Nauk).
  • Т. Ф. Семенова, И. В. Рождественская, С. К. Филатов, Л. П. Вергасова: Кристаллическая Структура нового Минерала Пономаревита K4Cu4OCl10. In: Doklady Akademii Nauk SSSR. Band 304, Nr. 2, 1989, S. 427–430 (russisch, rruff.info [PDF; 205 kB; abgerufen am 10. November 2020] englische Übersetzung: T. F. Semenova, I. V. Rozhdestvenskaya, S. K. Filatov, L. P. Vergasova: Crystal structure of a new mineral ponomarevite K4Cu4OCl10).
  • John Leslie Jambor, David A. Vanko: New Mineral Names. In: American Mineralogist. Band 75, 1990, S. 706–713 (englisch, rruff.info [PDF; 758 kB; abgerufen am 10. November 2020]).
  • Igor V. Pekov: Minerals first discovered on the territory of the former Soviet Union. 1. Auflage. Ocean Pictures, Moscow 1998, ISBN 5-900395-16-2, S. 169, 327, 364.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Ponomarevite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: November 2020. (PDF; 3,4 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, November 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. Dezember 2020; abgerufen am 10. November 2020 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/cnmnc.main.jp
  2. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 25. Januar 2023]).
  3. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 173 (englisch).
  4. a b David Barthelmy: Ponomarevite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 10. November 2020 (englisch).
  5. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  6. a b c d e f g Ponomarevite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 73 kB; abgerufen am 10. November 2020]).
  7. a b c d e f John Leslie Jambor, David A. Vanko: New Mineral Names. In: American Mineralogist. Band 75, 1990, S. 706–713 (englisch, rruff.info [PDF; 758 kB; abgerufen am 10. November 2020]).
  8. a b c d e Ponomarevite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 10. November 2020 (englisch).
  9. J. J. de Boer, D. Bright, J. N. Helle: The structure of the potassium salt of μ4-oxo-hexa-μ-chloro-tetra[chlorocuprate(II)], K4Cu4OCl10. In: Acta Crystallographica. B28, 1972, S. 3436–3437, doi:10.1107/S0567740872008088 (englisch).
  10. Catalogue of Type Mineral Specimens – P. (PDF 113 kB) In: docs.wixstatic.com. Commission on Museums (IMA), 12. Dezember 2018, abgerufen am 10. November 2020.
  11. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 10. November 2020 (englisch).
  12. Ponomarevit. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 10. November 2020.
  13. Fundortliste für Ponomarevit beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 10. November 2020.