Regierung Badoglio

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Die Regierung Badoglio war die erste italienische Regierung der postfaschistischen Zeit unter dem Marschall von Italien Pietro Badoglio. Sie kam ins Amt, als im Juli 1943 der diktatorisch regierende Benito Mussolini von oppositionellen Faschisten und monarchistischen Kräften gestürzt wurde, die das Bündnis mit dem nationalsozialistischen Deutschland lösen und einer antifaschistischen Massenbewegung zuvorkommen wollten. Die Regierung vollzog den Wechsel auf die Seite der Alliierten und erklärte im Oktober 1943 dem vormals verbündeten Deutschland den Krieg. Im April 1944 bildete Badoglio unter Einbindung der vorher ausgeschlossenen Parteien ein zweites Kabinett. Am 18. Juni 1944 wurde dieses durch das Kabinett Bonomi II abgelöst.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kriegseintritt Italiens[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1940 war Marschall Pietro Badoglio ein entschiedener Gegner eines italienischen Kriegseintritts an der Seite Hitlerdeutschlands. Mussolini erklärte den Krieg schließlich, als die Niederlage Frankreichs im Westfeldzug besiegelt war. Badoglio trat jedoch erst im Verlauf des desaströsen italienischen Feldzugs gegen Griechenland vom Posten des Generalstabschefs der Streitkräfte zurück. Sein Nachfolger wurde Ugo Cavallero.

Putsch gegen Mussolini[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter dem Eindruck der militärischen Katastrophen in Nordafrika (u. a. Zweite Schlacht von El Alamein) und am Don, wo die Italienische Expeditionsarmee in der Sowjetunion im Winter 1942/43 fast vollständig vernichtet worden war, brach die schwelende Krise des faschistischen Regimes im Frühjahr 1943 offen aus. Nach der alliierten Landung auf Sizilien plädierten führende Faschisten aus verschiedenen Gründen für das Zusammentreten des Großen Faschistischen Rates und stimmten am 25. Juli 1943 für die Absetzung Mussolinis, der daraufhin von König Viktor Emanuel III. entlassen und inhaftiert wurde. Direkt danach setzte der König den politisch relativ unerfahrenen Marschall Badoglio als Ministerpräsident ein und teilte ihm die zu berufenden Minister mit (diese hatte er zusammen mit Graf Pietro d'Acquarone[1] ausgewählt).[2]

Regierungsbildung unter Badoglio[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das erste Kabinett bestand nur aus Personen aus dem Umfeld Mussolinis. Die neue Regierung versuchte eine Balance zwischen den Ansprüchen der Alliierten, die am 10. Juli 1943 auf Sizilien gelandet waren, und dem Bündnispartner Deutschland herzustellen. In den „45 Tagen“ (quarantacinque giorni), dem Zeitraum zwischen dem Sturz Mussolinis und der Besetzung durch deutsche Truppen, verschwanden die faschistische Partei PNF und die Institutionen des Regimes nahezu geräuschlos. Badoglio löste mit Wirkung zum 6. August 1943 auch formal den Partito Nazionale Fascista auf. Als die Alliierten ihre Bombenangriffe auf italienische Städte forcierten, nahm Badoglio geheime Waffenstillstandsverhandlungen mit ihnen auf.

Entwaffnete Badoglio-Soldaten in Bozen (September 1943), Aufnahme einer Propagandakompanie

Die resultierende Kapitulation Italiens wurde am 8. September 1943 verkündet. Die Kapitulation bedeutete einen Frontwechsel, allerdings ohne dass die meisten italienischen Soldaten darüber informiert wurden. Die Wehrmacht startete daraufhin den Fall Achse und besetzte Nord- und Mittelitalien, schloss die Stadt Rom ein und nahm etwa 800.000 italienische Soldaten gefangen; besonders in der Ägäis und in Griechenland wurden tausende italienische Soldaten nach ihrer Gefangennahme erschossen. Die Deutschen befreiten Mussolini am Gran Sasso im „Unternehmen Eiche“ und setzten ihn am 23. September 1943 als Chef der Repubblica Sociale Italiana ein, mit Sitz in Salò am Gardasee. Die faschistischen Schwarzen Brigaden kämpften ebenfalls gegen italienische Partisanen und Truppen der Regierung Badoglio. Der König floh mit Badoglio und zwei Ministern über Pescara in das unbesetzte Brindisi. Auf Druck der West-Alliierten erklärte die Regierung Badoglio Deutschland am 13. Oktober 1943 den Krieg.[3] Die Kriegserklärung gegen Deutschland kommentierte die NS-Presse als „lächerlich“ und bezeichnete Badoglio als „Verräter“.[4]

Das zweite Kabinett[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die in Italien vorrückenden Alliierten unterstellten die von ihnen besetzten Provinzen der Regierung Badoglio, forderten im Gegenzug aber, zügig mit den Säuberungen von Faschisten zu beginnen. Doch schon bald mussten die Alliierten den Druck erhöhen, weil Badoglio nur zögerlich handelte.[5] Gleichzeitig kam auch Druck von Antifaschisten, wie dem aus dem Exil zurückkehrenden Chef der Kommunistischen Partei Palmiro Togliatti. Am 22. April 1944 musste Badoglio eine neue Regierung bilden. Sie umfasste neben Militärs und Technokraten die Parteien Democrazia Cristiana (DC), die Partito Comunista Italiano (PCI), die PSI und weitere kleinere Parteien (PLI, PDL, PdA). Nach der Befreiung Roms durch die Alliierten am 4. Juni 1944 erzwangen die Antifaschisten am 8. Juni den Rücktritt Badoglios. Sein Nachfolger Ivanoe Bonomi setzte mit einem Kabinett aus zurückgekehrten Emigranten und Antifaschisten die Säuberungen drastischer fort.

Personelle Zusammensetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kabinett Badoglio I[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Präsidium des Ministerrats
Präsident des Ministerrats Pietro Badoglio 28. Juli 1943 bis 17. April 1944
Staatssekretär Pietro Baratono 16. November 1943 bis 1. Februar 1944
Dino Philipson 1. Februar bis 17. April 1944
Ministerien
Äußeres
Minister Raffaele Guariglia 28. Juli 1943 bis 11. Februar 1944
Pietro Badoglio 11. Februar bis 17. April 1944, ad interim
Italienisches Afrika
Minister Melchiade Gabba 27. Juli 1943 bis 24. Februar 1944
Pietro Badoglio 24. Februar bis 17. April 1944, ad interim
Inneres
Minister Umberto Ricci 28. Juli 1943 bis 11. Februar 1944
Vito Reale 11. Februar bis 17. April 1944
Staatssekretär Vito Reale 16. November 1943 bis 11. Februar 1944
Pietro Capasso 24. Februar bis 17. April 1944
Justiz
Minister Gaetano Azzariti 26. Juli 1943 bis 15. Februar 1944
Ettore Casati 15. Februar bis 17. April 1944
Staatssekretär Giuseppe Salvatore De Santis[6] 16. November 1943 bis 15. Februar 1944
Finanzen
Minister Domenico Bartolini 27. Juli 1943 bis 11. Februar 1944
Guido Jung 11. Februar bis 17. April 1944
Staatssekretär Guido Jung 16. November 1943 bis 11. Februar 1944
Währung (in das Finanzministerium eingegliedert am 2. Juni 1944)
Minister Giovanni Acanfora 26. Juli 1943 bis 24. Februar 1944
Guido Jung 24. Februar bis 2. Juni 1944, ad interim
Krieg
Minister Antonio Sorice 26. Juli 1943 bis 11. Februar 1944
Taddeo Orlando 11. Februar bis 17. April 1944
Staatssekretär Taddeo Orlando 15. November 1943 bis 11. Februar 1944
Luftfahrt
Minister Renato Sandalli 27. Juli 1943 bis 17. April 1944
Marine
Minister Raffaele de Courten 27. Juli 1943 bis 17. April 1944
Staatssekretär Pietro Barone 16. November 1943 bis 17. April 1944 zuständig für Handelsmarine
Kriegswirtschaft (aufgelöst am 27. Juni 1944)
Minister Carlo Favagrossa 27. Juli 1943 bis 27. Juni 1944
Landwirtschaft und Forsten
Minister Alessandro Brizzi 27. Juli 1943 bis 11. Februar 1944
Falcone Lucifero 11. Februar bis 17. April 1944
Staatssekretär Tommaso Siciliani 16. November 1943 bis 11. Februar 1944
Handel und Industrie (umbenannt in Handel, Industrie und Arbeit im August 1943)
Minister Leopoldo Piccardi 26. Juli bis 16. November 1943
Epicarmo Corbino 11. Februar bis 17. April 1944
Staatssekretär Epicarmo Corbino 16. November 1943 bis 11. Februar 1944
Öffentliche Arbeiten
Minister Domenico Romano 27. Juli 1943 bis 11. Februar 1944
Raffaele De Caro 11. Februar bis 17. April 1944
Staatssekretär Raffaele De Caro 16. November 1943 bis 11. Februar 1944
Kommunikation
Minister Federico Amoroso 27. Juli 1943 bis 11. Februar 1944
Tommaso Siciliani 11. Februar bis 17. April 1944
Staatssekretär Giovanni Di Raimondo 16. November 1943 bis 17. April 1944 zuständig für Eisenbahnen
Mario Fano 16. November 1943 bis 17. April 1944 zuständig für Post und Telegrafenwesen
Kultur
Minister Guido Rocco 27. Juli bis 15. August 1943
Carlo Galli 15. August 1943 bis 24. Februar 1944
Giovanni Cuomo 24. Februar bis 17. April 1944, ad interim
Nationale Erziehung
Minister Leonardo Severi 27. Juli 1943 bis 11. Februar 1944
Giovanni Cuomo 11. Februar bis 17. April 1944
Staatssekretär Giovanni Cuomo 16. November 1943 bis 11. Februar 1944

Kabinett Badoglio II[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Präsidium des Ministerrats
Präsident des Ministerrats Pietro Badoglio 22. April bis 8. Juni 1944
Vizepräsident des Ministerrats Palmiro Togliatti (PCI) 22. April bis 8. Juni 1944
Staatssekretär Renato Morelli (PLI)
ohne Geschäftsbereich
Minister Benedetto Croce (PLI) 22. April bis 8. Juni 1944
Minister Carlo Sforza (parteilos)
Minister Giulio Rodinò di Miglione (DC)
Minister Pietro Mancini (PSIUP)
Ministerien
Äußeres
Minister Pietro Badoglio (Militär) 22. April bis 8. Juni 1944
Italienisches Afrika
Minister Pietro Badoglio (Militär), ad interim 22. April bis 8. Juni 1944
Inneres
Minister Salvatore Aldisio (DC) 22. April bis 8. Juni 1944
Staatssekretär Nicola Salerno (PSIUP)
Filippo Caracciolo di Castagneto (PdA)
Justiz
Minister Vincenzo Arangio-Ruiz (PLI) 22. April bis 8. Juni 1944
Staatssekretär Nicola Lombardi (PDL)
Finanzen
Minister Quinto Quintieri (PDL) 22. April bis 8. Juni 1944
Staatssekretär Antonio Pesenti (PCI)
Krieg
Minister Taddeo Orlando (Militär) 22. April bis 8. Juni 1944
Staatssekretär Mario Palermo (PCI)
Luftfahrt
Minister Renato Sandalli (Militär) 22. April bis 8. Juni 1944
Marine
Minister Raffaele de Courten (Militär) 22. April bis 8. Juni 1944
Staatssekretär Domenico Albergo (PSIUP) zuständig für Handelsmarine
Landwirtschaft und Forsten
Minister Fausto Gullo (PCI) 22. April bis 8. Juni 1944
Staatssekretär Gino Bergami (parteilos)
Handel, Industrie und Arbeit
Minister Attilio Di Napoli (PSIUP) 22. April bis 8. Juni 1944
Staatssekretär Francesco Sansonetti
Öffentliche Arbeiten
Minister Alberto Tarchiani (PdA) 22. April bis 8. Juni 1944
Staatssekretär Adolfo Cilento (PDL)
Kommunikation
Minister Francesco Cerabona (PDL) 22. April bis 8. Juni 1944
Staatssekretär Giovanni Di Raimondo (parteilos) zuständig für Eisenbahnen
Staatssekretär Mario Fano (parteilos) zuständig für Post und Telegrafenwesen
Nationale Erziehung (umbenannt in Öffentlicher Unterricht am 29. Mai 1944)
Minister Adolfo Omodeo (PdA) 22. April bis 8. Juni 1944
Staatssekretär Angelo Raffaele Jervolino (DC)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Siehe auch italienischsprachige Wikipedia.
  2. Sicily and the Surrender of Italy, Seite 281 (Kap. XV: Dissolution of the Rome-Berlin Axis)
  3. Peter Tompkins: Verrat auf italienisch. Molden Verlag 1967. Auszüge daraus hier: Peter Tompkins: Mussolinis Sturz und Italiens Frontwechsel 1943 (3. Teil). In: Der Spiegel 14/1967.
  4. Das NSDAP-Blatt Westdeutscher Beobachter widmete in seiner Ausgabe Nr. 524 vom 14. Oktober 1943 Badoglio auf der Titelseite breiten Raum und schrieb dazu: „Badoglio hat mit dieser ‚Kriegserklärung‘ aufs neue bewiesen, daß er lediglich das Werkzeug der britisch-amerikanischen Kriegsverbrecher geworden ist. Er setzt damit dem Verrat die Krone auf. Kein Mensch, auch nicht im Feindlager, nimmt diese Kreatur ernst.“
  5. Der Spiegel 14/1967: Scheidung auf italienisch. Mussolinis Sturz und Italiens Frontwechsel 1943 (Teil 4). Siehe auch Teil 1, Teil 2 und Teil 3
  6. PDF der Amministrazione dell'Interno (italienisch)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Piero Pieri: Badoglio, Pietro. In: Alberto M. Ghisalberti (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 5: Bacca–Baratta. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1963.
  • Ivan Palermo, Storia di un armistizio (= Le Scie 52). Mondadori, Mailand 1967 (italienisch)
  • Hans Woller: Die Abrechnung mit dem Faschismus in Italien 1943 bis 1948 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Bd. 38). Oldenbourg, München u. a. 1996, ISBN 3-486-56199-5.
  • Denis Mack Smith: Modern Italy. A political history. New Haven/London 1997 (englisch)
  • Claudio Pavone: Una guerra civile. Saggio storico sulla moralità nella Resistenza, 1991. Taschenbuchausgabe 2006, ISBN 978-8833916767
    • englische Übersetzung: A Civil War: A History of the Italian Resistance. ISBN 978-1781687772 (2013)
  • Ernesto Galli della Loggia: La morte della patria: La crisi dell'idea di nazione tra Resistenza, antifascismo e Repubblica, 1998.