Rhaude

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Rhaude
Gemeinde Rhauderfehn
Koordinaten: 53° 10′ N, 7° 34′ OKoordinaten: 53° 9′ 42″ N, 7° 34′ 15″ O
Höhe: 3 (1–3,1) m ü. NHN
Fläche: 4,96 km²
Einwohner: 357 (1970)
Bevölkerungsdichte: 72 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. Januar 1973
Postleitzahl: 26817
Vorwahl: 04952
Karte
Lage der Gemeinde Rhauderfehn im Landkreis Leer
Rhaude – Dorfstraße – Kirche
Rhaude – Glockenturm

Rhaude, die Muttergemeinde des späteren Rhauderfehns ist heute ein Ortsteil der ostfriesischen Gemeinde Rhauderfehn und zählt zu den ältesten Ansiedlungen im Overledingerland.

Rhaude Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut Heimatforschern leitet sich der Name Raweck, Roude oder Raude von der Roten Riede ab, einem Fluss, der früher nahe dem Ort vorbeifloss. Eine andere Deutung geht davon aus, dass Rhaude eine mittelalterliche Rodung in Wald war und der Ortsname Raude oder Roude sich vom „Roden des Waldes“ abgeleitet.[1] Das Dorf Rhaude fand möglicherweise bereits im 10. Jahrhundert erstmals unter der Bezeichnung „in Renuuidu“ Erwähnung.[2] In ersten gesicherten urkundlichen Quellen wurde der Ort „to Rawida“ (1409), „Rowde“ (1589) und „Raude“ (1719) genannt.[3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der ostfriesische Heimatforscher Otto Galama Houtrouw vermutete, dass Rhaude bereits zu Zeiten Karls des Großen gegründet wurde.[4] Im Hochmittelalter zählte Rhaude zur ostfriesischen Landesgemeinde Overledingerland.

Die Rhauder Kirche, eine einschiffige Kirche mit Apsis und freistehendem Turm, stammt aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhundert und wurde als Wehrkirche erbaut, die der Bevölkerung bei Angriffen durch Räuber oder Soldaten Schutz bot.

Im Dreißigjährigen Krieg fiel Peter Ernst II. von Mansfeld 1622 von Holland aus über Münster mit 3000 Mann zu Fuß und 3000 Reitern ins Overledingerland ein. Rhaude und der Nachbarort Holte hatten die Last der Einquartierung zu tragen. 1637 rückte Landgraf Wilhelm von Hessen mit 7000 Mann aus dem Münsterschen heran. Die zuvor angelegte Rhauder Schanze wurde vom französischen General Rantfou gestürmt.[2]

Rhaude lag im Amt Stickhausen und fiel 1744 nach dem Tod des letzten ostfriesischen Fürsten Carl Edzard ebenso wie die Grafschaft Ostfriesland an Preußen.

Ab 1807 gehörte Rhaude zum Königreich Holland und ab 1819 zum Kaiserreich Frankreich (Département Ems-Oriental, Arrondissement Emden, Kanton Stickhausen). Nach dem Ende der französischen Herrschaft gehörte Rhaude wieder zum Amt Stickhausen, zunächst im Königreich Preußen und ab 1815 im Königreich Hannover. Nach der Annexion Hannovers 1866 gehörte Rhaude wieder zum Königreich Preußen.[5]

Im 17. Jahrhundert war Rhaude auch Ausgangspunkt für den Beginn der Moorkolonisierung in den südlich gelegenen Hochmooren. Bis in das 19. Jahrhundert hinein blieb das Kirchspiel Rhaude auch Muttergemeinde und Kirchort für die angrenzenden Moorkolonien und Fehne und war bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts die flächengrößte Kirchengemeinde in Ostfriesland, bis sich nach und nach die verschiedenen Gemeinden auf den Moorkolonien selbstständig machten.

Die Gemarkung des alten Geestdorfes Rhaude hat heute eine Ausdehnung von 496 Hektar.[6]

Im Jahr 1821 lebten etwa 210 Menschen in Rhaude, 1905 knapp 250, 1946 lebten über 530 Menschen in Rhaude und 2019 waren es gut 420 Menschen.[7]

Mit Einführung der Kreisverfassung 1885 zählt das Dorf Rhaude zum Landkreis Leer.[8]

Am 1. Januar 1973 wurde Rhaude in die neue Gemeinde Rhauderfehn eingegliedert.[9]

Die Planungen für die Erneuerung des Dorfes Rhaude wurden von 1984 bis 1987 vollzogen und die Maßnahmen von 1987 bis 1995 durchgeführt.

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Rhaude wurde am 28. Februar 1759 der deutsche Mediziner Johann Christian Reil geboren. Die Familie Reil stammte ursprünglich aus Braunschweig. Die Eltern waren Johann Julius Friedrich Reil (1716–1780), der als Pastor zunächst in Rhaude und später in Norden tätig war und dessen Ehefrau Anna Jansen-Streng (1731–1802). Johann Christian Reil war Mediziner und gilt als Wegbereiter der romantischen Medizin. Er war Anatom, Chirurg, Physiologe, Gynäkologe, Augenarzt, Badearzt und Reformer. Bekannt ist er heute jedoch vor allem als einer der Leibärzte Goethes und durch seine Arbeiten im Bereich der Psychosomatik. Reil gilt heute auch als einer der Wegbereiter der modernen Psychiatrie.

Rhauder Mühlenweg und Mühle

Rhauder Mühle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gedenktafel für Johann Christian Reil in Rhaude am Pfarrhaus

In Rhaude befindet sich eine historische Windmühle, die heute als Veranstaltungs- und Ausstellungsraum genutzt wird[10] und auf Anfrage auch besichtigt werden kann.[11] Die Galarieholländer-Mühle wurde im Jahr 1852 erbaut und fiel später wie viele andere Windmühlen auch dem großen Mühlensterben in Ostfriesland zum Opfer. Im Jahr 1991 erwarb die Gemeinde Rhauderfehn den übriggebliebenen Mühlenstumpf. Mit ehrenamtlichem Einsatz wurde die ehemalige Windmühle restauriert und soweit wieder hergestellt, dass im Jahr 1996 der Achtkant und die Mühlenkappe wieder aufgesetzt werden konnten. Im Jahr 1997 wurden die Windmühlenflügel montiert, so dass die Windmühle wieder komplett war.[12]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kurt Engel: Schul-Catalogus von der Schule zu Rhaude, Friesische Blätter, 1984, S. 1–9.
  • Gustav Engelkes: Das Kirchspiel Rhaude und seine Landschaft, Friesische Blätter, 1969.
  • Reinhard Former: Rhaude: Wo die Kirche noch im Dorfe steht. In: Ostfriesland Magazin. Nr. 8, 1997, S. 8–15.
  • H. H.; Das überflügelte alte Mutterdorf (Rhaude), OZ, 1950. S. 25.1.
  • Heinrich Habbo Herlyn: Rhaude. Muttergemeinde der Overledinger Fehne, Der Deichwart, 1983, S. 8
  • Hajo Jelden: Eine Quelle zur Geschichte der Rhauder Fehne. Kaum bekannte historisch-geografische Beschreibung der Parochie Rhaude von 1877, In: Unser Ostfriesland 2005, 1 und 2.
  • Wilhelm Korte: Die Vögte von Rhaude, Der Deichwart, 1957, S. 299.
  • Wilhelm Korte: Rhauder Pastoren im 17. Jahrhundert, Heimatkde. u. Heimatgesch., 1965, S. 4.
  • Joseph König: Zur Geschichte der Schanzen von Detern, Potshausen und Rhaude, In: Ostfriesischer Hauskalender oder Hausfreund, 1953, S. 57–61.
  • Gerhard Willms: Aus der Geschichte der Mühle zu Rhaude, Möhlenkring Rhaude – Holte, Maschinenskript, Holte, 1948, S. 25.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Rhaude – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Rhaude // Gemeinde Rhauderfehn. Abgerufen am 5. September 2023.
  2. a b Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft: Rhaude, Gemeinde Rhauderfehn, Landkreis Leer. Abgerufen am 28. Oktober 2015.
  3. Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft: Rhaude, Gemeinde Rhauderfehn, Landkreis Leer. Abgerufen am 4. September 2023.
  4. Otto Galama Houtrouw: Ostfriesland. Eine geschichtlich-ortskundige Wanderung gegen Ende der Fürstenzeit. Band 1 und 2, Aurich 1889 und 1891, S. 193.
  5. Rhaude | kirchengemeindelexikon.de. Abgerufen am 15. September 2023.
  6. Rhaude // Gemeinde Rhauderfehn. Abgerufen am 7. September 2023.
  7. Rhaude | kirchengemeindelexikon.de. Abgerufen am 4. September 2023.
  8. Rhaude | kirchengemeindelexikon.de. Abgerufen am 4. September 2023.
  9. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27. 5. 1970 bis 31. 12. 1982. W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 262.
  10. Mühle Rhaude // Gemeinde Rhauderfehn. Abgerufen am 5. September 2023.
  11. Rhauder Mühle – Historische Mühle in Ostfriesland. Abgerufen am 5. September 2023 (deutsch).
  12. Mühle Rhaude // Gemeinde Rhauderfehn. Abgerufen am 15. September 2023.