Roland Duhamel

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Roland Duhamel

Roland Hendrik Richard Nestor Duhamel (* 28. Februar 1943 in Roeselare) ist ein belgischer Literaturwissenschaftler auf dem Gebiet der deutschen und österreichischen Literatur, Kulturphilosoph, Deutsch-als-Fremdsprachen-Didaktiker und Verfechter der Mehrsprachigkeit.

Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Duhamel studierte Germanistik, niederländische Sprache und Literatur sowie englische Sprache und Literatur an der Universität Gent. Er schloss das Studium 1964 mit einer Arbeit über Arthur Schnitzler ab. 1968–1969 studierte er unter anderem am Fachbereich Philosophie der Katholieke Universiteit Leuven sowie 1974–1975 als Alexander-von-Humboldt-Stipendiat Semiotik und Informationstheorie an der Universität Stuttgart. Nach einem vierjährigen vom Nationaal Fonds voor Wetenschappelijk Onderzoek bewilligten Forschungsstipendium wurde er 1972 an der Universität Gent mit einer Dissertation über Nietzsches Artistenmetaphysik (später herausgegeben als Duhamel 1979) promoviert.

Laufbahn und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Lehraufträgen an verschiedenen Hochschulen wurde Duhamel 1975 an die Universität Antwerpen berufen. 1985 avancierte er zum Professor und 1990 zum Ordinarius. Seine Lehrtätigkeit umfasste deutsche Literatur und Deutsch-als-Fremdsprachen-Didaktik. 1991 gründete er an der Universität Antwerpen das heute noch existierende Österreich-Zentrum. 2008 wurde er emeritiert.

Von 1977 bis 2012 war er Vorsitzender des Belgischen Germanisten- und Deutschlehrerverbandes; heute ist er Ehrenpräsident. Mit der Unterstützung der deutschen Botschaft gründete er 1990 die Stiftung zur Förderung von Deutsch als Fremdsprache in Belgien, die er bis 2015 leitete.

Seit 2006 sitzt er dem Wissenschaftlichen Beirat des Vereins Deutsche Sprache (Kamen) vor. Außerdem ist er 2015 bis heute Zweiter Vorsitzender dieser Vereinigung.

Seit 2019 ist er Jurymitglied, seit 2022 Vorsitzender des Stiftungspreises Wilhelm Busch (Kamen).[1]

Literaturwissenschaft und Kulturphilosophie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Umfangreiche Studien der Hermeneutik, Semiotik und der Informationstheorie schufen die Voraussetzungen für Duhamels Interpretationsmethode wie für sein Konzept der Metaliteratur, das er als „die sich auf sich selbst besinnende Literatur“ definiert (Duhamel 2018). Nicht immer seien es die biographischen und historischen Hintergründe noch die großen akademischen Ästhetiken, die zum Verständnis literarischer Kunst beizutragen vermöchten, sondern nicht selten spiele sich innerhalb der Fiktion eine eigenständige Selbstreflexion und Standortbestimmung ab, die den Startschuss zur Interpretation durch die Literatur selbst liefere. Auf diese Weise überschreite die Metaliteratur die Grenze zwischen Kunst und Wissenschaft.

Anhand dieses Konzeptes versucht Duhamel, seine vielen Textinterpretationen (von Goethe bis zur Gegenwartsliteratur) zu Bindegliedern innerhalb eines umfassenderen kulturphilosophischen Nachdenkens auszubauen. Noch seine kulturphilosophischen Aufsätze im engeren Sinne, etwa zu Nietzsche (Duhamel 1994a) oder zu Definition und Geschichte des Nihilismus (Duhamel 2006), sind dem semiotisch-erkenntnistheoretischen Ansatz verpflichtet. Das betrifft auch die Beiträge zu Realismus und Wahrheit der Literatur (Duhamel 1992).

Didaktik und Streit für die deutsche Sprache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Fremdsprachendidaktiker hat Duhamel eine Reihe von fachdidaktischen Beiträgen wie auch ein Handbuch zur Deutsch-als-Fremdsprachendidaktik veröffentlicht (Duhamel & Fernand 1984). Bekannt ist er außerdem wegen seines Einsatzes für das Schulfach Deutsch, dessen Lage seiner Meinung nach in Belgien wie in vielen Ländern im Argen liegt.

Dafür, dass sogar nach dem Brexit die Stellung der deutschen Sprache, der in der Europäischen Union am meisten gesprochenen Muttersprache,[2] außerdem einer von drei „Verfahrenssprachen“ der Union,[3] nicht ohne Zutun der Deutschsprachigen immer wieder unterdrückt werden soll, bringt er wenig Verständnis auf (Duhamel 2021).

Privatleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Duhamel ist mit Marie Ballon verheiratet. Zusammen haben sie zwei Kinder. Er spielt klassisches Klavier.

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Duhamels vollständige Bibliographie ist abrufbar über diese Pagina der Universitätsbibliothek Antwerpen, indem im Suchfeld „Duhamel“ eingetragen wird. De Loecker 2008 bietet eine Druckfassung des kompletten Schrifttums bis 2008. Nachstehende Auswahl enthält, nebst den wichtigsten Werken, auch kürzere oben zitierte Beiträge.

  • Duhamel, Roland 1979 Kerngedachten van Friedrich Nietzsche Antwerpen & Amsterdam: Nederlandsche Boekhandel ISBN 90-289-0459-X
  • Duhamel, Roland & Etienne Fernand 1984 Didactiek van het Duits Lier: Van In ISBN 90-306-1301-7
  • Duhamel, Roland 1992 "Wahrheit und Echtheit im deutschen Gegenwartsroman" in Zeitschrift für Germanistik, neue Folge 1, 101–109
  • Duhamel, Roland 1994a "Nietzsches orphische Ästhetik" in Roland Duhamel & Erik Oger (Hrsg.) Die Kunst der Sprache und die Sprache der Kunst Würzburg: Königshausen & Neumann, 152–171 ISBN 3-88479-923-1
  • Duhamel, Roland 1994b "EU: Sprachimperialismus oder freiwillige Selbst-Anglisierung?" in Der Standard 15. Februar 1994: 23
  • Duhamel, Roland 1999 "Fremdsprachenpolitik in Europa am Beispiel Belgiens: Ein Denkanstoß" in Germanistische Mitteilungen: Zeitschrift für Deutsche Sprache, Literatur und Kultur 50: 63–69
  • Duhamel, Roland 2006 Die Decke auf den Kopf: Versuch einer Deutung des Nihilismus Würzburg: Königshausen & Neumann ISBN 3-8260-3293-4
  • Duhamel, Roland 2012 "Sind wir illegal? Kleine Geschichte der Angst" in Dietmar Goltschmigg (Hrsg.) Angst : Lähmender Stillstand und Motor des Fortschritts Tübingen: Stauffenburg Verlag, 385–392 ISBN 978-3-86057-025-8
  • Duhamel, Roland 2018 Reflexionen: Kunst im Spiegel der Literatur Würzburg: Königshausen & Neumann, ISBN 978-3-8260-6337-4; 2. erw. Auflage 2023, ISBN 978-3-8260-7927-6
  • Duhamel Roland 2020 "1918: Untergang des Abendlandes?" in Mira Miladinović Zalaznik (Hrsg.) Europe at the Crossroads of Contemporary World: 100 Years after the Great War Ljubljana: Inštitut Nove Revije, FORhUM, 127–145
  • Duhamel Roland 2021 "Deutsch in der EU: Offener Brief an Ursula von der Leyen" Ausgewählte Korrespondenz des VDS 2021: 23

Außerdem erwähnenswert: Ruthner, Clemens (Hrsg.) 2008 Kontakte und Kontraste: Festschrift für Roland Duhamel (= Germanistische Mitteilungen 67)

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Cajot, José 2008 "Roland Duhamel: Nur Germanist? Nur Kulturphilosoph? Een Portret" [Laudatio] in José Cajot & Roland Duhamel (Hrsg.) 2008 Emeritierung von Roland Duhamel: Universität Antwerpen, 20. November 2008 (Sonderheft Germanistische Mitteilungen): 1–11 (auch hier abrufbar)
  • De Loecker, Armand 2008 "Veröffentlichungen von Roland Duhamel" in Germanistische Mitteilungen 67: 7–14

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Diese Seite des Netzauftrittes der Stiftung Deutsche Sprache.
  2. Zahlen 2012 laut Amtssprachen der Europäischen Union#Demografie.
  3. Häufig gestellte Fragen zu Sprachen in Europa, ein Memorandum der Europäischen Kommission vom 26. September 2013, hier abrufbar.