Smartglasses

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Google Glass, 2013
Monokulares EyeTap aus Spritzguss[1], 1998

Smartglasses (oder umgangssprachlich: Datenbrille) sind tragbare (wearable) Computer, die Informationen zum Sichtfeld des Benutzers hinzufügen.[1][2][3][4][5][6][7][8] Sie ermöglichen augmented Reality bzw. mixed Reality.

Bauarten von Displays[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es bestehen verschiedene Bauformen für Displays, welche sehr nahe vor den Augen des Nutzers angebracht sind (Head-Mounted Display). Diese können in zwei Gruppen eingeteilt werden: basierend auf Kugelspiegel (curved mirror) oder Wellenführung (wave-guide). Verschiedene Wellenführungstechniken bestehen bereits seit längerer Zeit, darunter Diffraktionsoptik, holographische Optik, polarisierte Optik, reflektierende Optik und Projektion. Ein Beispiel für eine Projektion direkt auf die Netzhaut des Anwenders, ist das Virtual retinal display.

Mensch-Computer-Interaktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die Schnittstelle zum Menschen, die Mensch-Computer-Interaktion, gibt es hier folgende sinnvolle Steuerungsmöglichkeiten:

Pioniere auf dem Gebiet der Smartglasses[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als bekannteste Pioniere können Thad Starner, Professor am California Institute of Technology und Berater für die Entwicklung des ersten Google Glass, sowie Steve Mann, Erfinder des EyeTap, genannt werden.

Rezeption durch die Öffentlichkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Interesse in der Bevölkerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015[10] können sich 38 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren vorstellen, eine Brille wie Google Glass zu nutzen. Unter den 14- bis 29-Jährigen sind es 57 Prozent, bei den 30- bis 49-Jährigen 40 Prozent, 35 Prozent der 50- bis 64-Jährigen und 23 Prozent der Bundesbürger über 65 Jahren können sich laut Umfrage die Nutzung vorstellen. 17 Prozent der Befragten geben demnach an, dass sie ein solches Gerät in jedem Fall nutzen werden.[11]

Bedenken zur Privatsphäre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch die Präsentation von Google Glass wurden kurz darauf Bedenken geäußert bezüglich des Eingriffs in die Privatsphäre und die Etiquette beim Verwenden solcher Geräte in der Öffentlichkeit, die das Fotografieren und Filmen von Personen ohne deren Erlaubnis ermöglichen.[12][13][14]

Datenschützer befürchten, dass Träger solcher Brillen in der Lage sein könnten, Fremde in der Öffentlichkeit mittels Gesichtserkennung zu identifizieren oder private Gespräche aufzunehmen und zu senden. Mit Google Glass wurde beispielsweise das Auslösen einer Fotoaufnahme durch bloßen Lidschlag ermöglicht.[15][16]

Einige Einrichtungen in den USA hatten Google Glass bereits vor der Veröffentlichung verboten und gaben Sorgen um mögliche Verletzungen der Privatsphäre ihrer Kunden an.

Nach europäischem Recht kann die Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum als eine rechtswidrige private Videoüberwachung eingestuft werden, die häufig mit der Verletzung des Rechts am eigenen Bild, der Vertraulichkeit des Wortes, informationeller Selbstbestimmung, der Privatsphäre sowie des Schutzes vor Überwachungsdruck als Bestandteilen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, einhergehen kann.[17] Betroffenen Personen soll daher bereits gegen eine potentielle Erfassung durch Smartglasses ein Notwehrrecht zustehen, das im äußersten Fall auch zu körperlicher Gewalt und Zerstörung der Geräte berechtigen kann.[17]

Sicherheitsbedenken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch Bedenken bezüglich des Führens von Fahrzeugen während der Nutzung solcher Brillen wurden geäußert. Am 31. Juli 2013 wurde bekannt, dass Fahrern das Tragen von Google Glass während der Fahrt in Großbritannien vermutlich verboten wird.[18]

Smartglasses in der Arbeitswelt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verwendung von Smartglasses in der Arbeitswelt hat stark zugenommen. Vor allem im Bereich der Lagerlogistik und der Kommissionierung von Produkten werden Datenbrillen inzwischen routinemäßig eingesetzt, da Untersuchungen erwiesen haben, dass sie Arbeitsprozesse beschleunigen und die Effizienz steigern können. Eine Pilotstudie hat die Bewegungsabläufe während einer typischen Kommissioniertätigkeit mithilfe des CUELA-Messsystems zur Erfassung von Muskel-Skelett-Belastungen aufgezeichnet. Das Ergebnis lässt vermuten, dass Datenbrillen zumindest teilweise einen positiven Einfluss auf die Körperhaltung beim Kommissionieren haben[19].

Datenbrillen können auch bei der sicheren Inbetriebnahme von Flurförderzeugen eingesetzt werden. Dabei erfolgt der Sicherheitscheck der Fahrzeuge bisher konventionell durch analoge Checklisten, sodass Informationen über Schäden erst mit Zeitverlust vorliegen. Mit der Kamerafunktion einer Datenbrille kann ein Mangel am Fahrzeug hingegen digital dokumentiert und in Echtzeit an die zuständigen Personen weitergeleitet werden[20].

Mithilfe von Smartglasses können auch Empfehlungen für weniger rückenbelastende Arbeitsweisen abgeleitet werden. Dazu dient ein personengetragenes Biofeedbacksystem: Man verwendet eine Datenbrille, die mit Miniatur-Inertialsensoren kommuniziert, die an Beschäftigten angebracht sind. So können hohe Muskel-Skelett-Belastungen in Echtzeit visualisiert werden. Dieses System ist eine spezielle Variante des CUELA-Messsystems, das eine Online-Darstellung von Wirbelsäulenbelastungen bei der Ausführung von Tätigkeiten ermöglicht[21].

Smartglasses werden auch in virtuellen Simulationen zur Sicherheit zukünftiger Arbeitsplätze eingesetzt (s. Virtuelle Realität im Arbeitsschutz). So lassen sich gefährliche Arbeitssituationen nachstellen oder die Gebrauchstauglichkeit und Sicherheit von Produkten überprüfen.

Eine Untersuchung hat die Nutzung von Datenbrillen bei der Bedienung von Flurförderzeugen geprüft und eine Zunahme der sensorischen und kognitiven Belastung nachgewiesen. Wie sich diese Belastung auf die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten auswirkt, müssen weitere Studien klären[22].

Einordnung in den Bereich der Technik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Smartglasses sind am Körper (genauer: am Kopf) getragene Geräte und damit Wearables. Im Bereich der Informatikforschung und der neueren Entwicklungen in der Industrie wird auch von „immersive computing“ oder „spatial computing“[23] gesprochen. Immersion ist der Eindruck des „Eintauchens“ in eine computergenerierte audiovisuelle Umgebung. „Räumliche Computersysteme“ verwenden darüber hinaus die physische Umgebung, welche mittels optischen Sensoren geometrisch erfasst wird und als „Medium“ für Anwendungen aller Art dient. Computergrafiken überlagern dabei bspw. auf glaubwürdige Weise Elemente in einem geschlossenen Zimmer und bieten Entertainment (z. B. Gaming, virtuelle Bildschirme), Kommunikation (z. B. Chats mit Avataren) oder Arbeitsanwendungen (z. B. CAD). Für Vertreter des Lifelogging stellen Smartglasses auch eine eventuelle Option für das Erfassen ihres Tages- und Lebenslaufs dar.

Mechanische Aspekte von Smartglasses[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Derzeit steht bei der Entwicklung vieler Smartglasses die Datenfunktionalität und –visualisierung im Mittelpunkt, weshalb der Optimierung der Gelenktechnik weniger Beachtung geschenkt wird. Brillen für Virtual Reality werden in der Regel statisch am eigenen PC / Arbeitsplatz / Wohnzimmer eingesetzt und müssen nicht klein zusammengefaltet verstaubar sein. Oft sind diese Modelle deshalb mit einem elastischen Kopfband oder starren Bügeln ausgestattet. Smartglasses und Datenbrillen hingegen stellen im Gegensatz zu normalen Korrektionsbrillen oder Sonnenbrillen erweiterte Anforderungen an die Brillenscharniere: Die verbaute Elektronik und ggf. Akustik und Optik führt zu einer starken Gewichtserhöhung. Während eine durchschnittliche Korrektionsbrille zwischen 9 g und 15 g und große Sonnenbrillen bis max. 35 g wiegen, können Smartglasses und Datenbrillen zwischen 40 g und 100 g erreichen. Wird die Datenbrille über einen längeren Zeitraum (z. B. am Arbeitsplatz) getragen, darf das Gewicht den Tragekomfort nicht beeinträchtigen[24]. Trotz der größeren Masse muss das Brillenscharnier die Brille sicher am Kopf des Trägers halten und, wenn es sich um ein gefedertes Scharnier handelt, auch den entsprechenden Anpressdruck an die Schläfen für einen komfortablen Sitz liefern. Beim Zusammenfalten der Fassung sollen die schweren Bügel außerdem nicht auf die Gläser der Front „fallen“. Hierzu muss das Scharnier auch in der Lage zu sein, die Schließ-Bewegung abzudämpfen oder ggf. mechanisch zu begrenzen.

Funktionsintegrierte Kinematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werden bei Smartglasses Daten, Signale oder Strom zwischen Bügel und Brillenfront ausgetauscht, z. B., wenn ein Display in der Brillenfront von der Elektronik im Brillenbügel gespeist wird, sich die Batterie sich im einen Bügel und die Elektronik im anderen befindet oder wenn die Elektronik beider Bügel miteinander synchron arbeiten soll, ergeben sich weitere Anforderungen an die Kinematik der Brille. Eine mögliche Lösung ist, elektrische Kontakte zwischen Bügel und Front zu platzieren, die den Stromkreis schließen, wenn der Brillenbügel ganz aufgeklappt ist. Nachteil bei dieser Bauform, ist, dass die Kontakte im zusammengeklappten Zustand offen liegen. Durch Berührung oder Verschmutzung kann so die Funktionalität beeinträchtigt werden. Abhilfe kann hier die Führung eines (Flachband-)Kabel oder eine flexible Leiterbahn (FPC-Verbinder) durch das Scharnier schaffen. Um das Kabel vor Kontakt zu schützen, sollte allerdings eine Abschirmung nach außen bestehen.

Tragekomfort[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie bei konventionellen Brillen kann der Tragekomfort durch Federscharniere erhöht werden. Ist dies technologisch nicht umsetzbar oder nicht gewünscht, können Scharniere ohne Feder einen gleichmäßigen, leicht gedämpften Gang erzeugen, wobei zusätzlich das Zufallen der Bügel durch das Eigengewicht vermieden wird. Entsprechende Dämpfung und Gangregulierung erreicht man beispielsweise durch die Verwendung von speziellen Schraubensicherungen mit einem kunststoffumspritzten Schaft, die eine definierte Reibung im Scharnier erzeugen.

Bekannte Smartglasses[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b S. Mann: Vision 2.0. In: IEEE Spectrum. Band 50, Nr. 3, März 2013, S. 42–47, doi:10.1109/MSPEC.2013.6471058 (englisch).
  2. Wearable Computing. A First Step Toward Personal Imaging. In: IEEE Computer. Band 30, Nr. 2, Februar 1997, S. 25–32 (englisch, wearcam.org).
  3. Chris Davies: Quantigraphic camera promises HDR eyesight from Father of AR. In: Slashgear. 12. September 2012 (englisch).
  4. Ari Brockman: Best Smart Glasses of 2015. In: Viewer. Archiviert vom Original am 28. Februar 2014; abgerufen am 24. Februar 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.smartglassesnews.org
  5. Mike Elgan: Why 2014 is the 'year of smart glasses'. In: Computerworld. 21. Dezember 2013;.
  6. We get a faceful of smartglasses at 2014 -- and it ain't pretty. In: CNET. CBS Interactive; ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar);
  7. Jessica Dolcourt: Lumus DK40 Preview – CNET. In: CNET. CBS Interactive, 8. Januar 2014;.
  8. Scott Stein: Epson Moverio BT-200 Smart Glasses Preview – CNET. In: CNET. CBS Interactive, 18. Februar 2014;.
  9. James Trew: Lumus and eyeSight deal brings gesture control to DK-40 smart glasses hand-on. In: Engadget. AOL;
  10. Großes Interesse an den Funktionen von Smart Glasses. Bitkom-Presseinformation vom 12. Oktober 2015, abgerufen am 11. November 2015.
  11. Over a third of Germans interested in using smart glasses. telecompaper.com vom 12. Oktober 2015, abgerufen am 11. November 2015.
  12. Charles Arthur: Google Glass: is it a threat to our privacy? In: The Guardian, 6. März 2013 
  13. Gary Marshall: Google Glass: say goodbye to your privacy. In: techradar.com. 1. März 2013;.
  14. Matt Warman: Google Glass: we'll all need etiquette lessons In: The Daily Telegraph (UK), 24. April 2013 
  15. Steve Henn: Clever Hacks Give Google Glass Many Unintended Powers. In: NPR. NPR, 17. Juli 2013;.
  16. Laster SeeThru smart glasses have one eye on privacy.
  17. a b Thomas Schwenke: Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum. Oldenburger Verlag für Wirtschaft, Informatik und Recht, Edewecht 2016, ISBN 978-3-95599-029-9, S. 409 (rechtsanwalt-schwenke.de).
  18. David Millward: Drivers to be banned from wearing Google Glass In: Daily Telegraph, 31. Juli 2013 
  19. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV): Der Einfluss von Datenbrillen auf die ergonomische Belastung an einem Kommissionierarbeitsplatz: Eine Pilotstudie. (PDF) In: DGUV Report 2/2017. Abgerufen am 21. Oktober 2022.
  20. Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA): Einsatz von Datenbrillen für den Sicherheitscheck von Flurförderzeugen. (PDF) Abgerufen am 21. Juni 2018.
  21. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV): Einsatz von Datenbrillen in der Arbeitswelt. (PDF) In: DGUV Forum 11/2016, S. 23. Abgerufen am 21. Juni 2018.
  22. Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA): Beurteilung von Aufgabenlasten von digitalen Informationssystemen auf Flurförderzeugen: Datenbrille (HMD) vs. Monitor (Grundlagenuntersuchung). Abgerufen am 12. Oktober 2018.
  23. http://www.spatial-computing.org/
  24. Christoph Runde: Nachteile von HMDs gegenüber Projektionen, Seite 7. (html) Whitepaper Head Mounted Displays. 22. Juni 2014, S. 45, abgerufen am 24. Februar 2022.
  25. HandelsblattJournal Sonderveröffentlichung Oktober 2015, Smartglasses in der industriellen Automobilfertigung (Seite 22; PDF 4,9 MB), abgerufen am 22. November 2020.
  26. Christoph Spinger in Augmented Reality, News: Aryzon zeigt neues Augmented Reality Cardboard. In: VR∙Nerds. 31. Mai 2017, abgerufen am 15. März 2019 (deutsch).
  27. Tomislav Bezmalinovic: "Diminished Reality": US-Startup zeigt Demo der Technologie In: Vrodo.de, 27. Oktober 2017