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Terrassenhaus

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Terrassenhaus-Wohnanlage Tapachstrasse, Stuttgart (1969–1971)
Hügelhaus Marl (1963–1971)
Terrassensiedlung Mühlehalde (1963–1971)
La Grande-Motte (ab 1968)
Hügelhaus Erftstadt (1972–1975)
Terrassenhaus Schermbeck (1972)
Terrassenhaus St. Peter (1972–1978)
Terrassenhaus Wilhelmshaven (1972)
Terrassenhochhaus Davenstedt (1971–1973)
Terrassenhäuser in Freiburg-Tiengen (1973)
Pharao-Haus (1974)
Terrassenhäuser in Wien (1978)
Terrassenhäuser in Bratislava (vor 2014)
Lobe Block Berlin (2019)

Ein Terrassenhaus ist ein Wohngebäude, dessen Geschosse stufenförmig zurückversetzt sind, so dass jedes Stockwerk eine Dachterrasse hat.[1]

Bauformen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zielsetzung der Terrassenhäuser des 20. Jahrhunderts war eine Bebauung von hoher Dichte bei gleichzeitiger Sicherung von Wohnqualität und Privatsphäre; der Antagonismus von Mietshaus und Einfamilienhaus sollte überbrückt werden. Man unterscheidet zwischen hangfolgenden und hangbildenden Terrassenhäusern; erstere eignen sich vor allem in Südhanglagen, letztere, insbesondere deren Großformen, werden auch als Hügelhaus bezeichnet.

Man findet lineare, versetzte und unterbrochene Reihungen der Wohneinheiten, letztere haben oft Außentreppen und individuelle Eingänge. Terrassenhäuser auf der Ebene werden in verjüngte bzw. verschobene Tribünen mit rückwärtiger Erschließung, sowie echte mehrseitige Hügelbauten mit mittiger Erschließung differenziert. Die Gebäudegrößen variieren von kleineren, zwei- bis dreigeschossigen Eigentumsobjekten bis hin zu Großwohnanlagen.

Die stets vorhandene Wohnterrasse wird als ein „intensiv nutzbarer Wohnbereich unter freiem Himmel mit den Qualitäten eines privaten Raumes“ aufgefasst. Sie ist vielfach mit typischen großen Pflanzcontainern ausgestattet.

Bevorzugte Baumaterialien waren Beton und Kalksandstein, oft verbunden mit regionaltypischer Gestaltung wie Klinkerverblendern in Norddeutschland oder Schieferschindeln im Bergischen Land.

Geschichtliche Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Terrassenhäuser kamen in der historischen Architektur meist bei Hanglage schon im Vorderen Orient, in Mesopotamien und in Indien vor. Zu erwähnen sind auch die Hängenden Gärten der Semiramis. Die Pueblosiedlungen der altamerikanischen Kultur waren ebenfalls terrassenförmig ähnlich ausgebildet.[1]

Seit 1908 beschäftigte sich Henri Sauvage mit maisons à gradins; es gelang ihm, zwei typusbildende Entwürfe in Paris zu realisieren. Bei einem von diesen wurde die Kernzone als Schwimmbad genutzt. Im Gegensatz zu späteren Konzepten respektierte Sauvage den Blockrand.[2] Ein frühes Terrassenhaus im deutschsprachigen Raum ist das Haus Scheu in Wien, errichtet 1912–1913 nach Plänen von Adolf Loos.[3]

Von ihm stammt auch 1923 ein Entwurf für terrassierte Arbeiterhäuser in Wien, bei dem die Terrassen als erhöhte Quartierstraßen für die Gemeinschaft inszeniert wurden.[4] 1933 projektierte Le Corbusier ein einhüftiges Terrassenhaus für Algier, das ebenfalls nicht realisiert wurde.

Experimentelle Bauweisen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Terrassenhäuser sind auch eine experimentelle Sonderbauform des Mehrfamilienhauses. Mitte der 1950er Jahre konzipierte der schweizerische Modulbaupionier Fritz Stucky ein innovatives Bebauungssystem für Steilhänge in Zug, bei dem aufwendige Gründungsarbeiten entfielen, da die autonomen Wohnetagen nach Art einer überdimensionalen Treppe auf seitlichen Betonwangen auflagen. Trickreiche Interpretation der Bauordnung ermöglichte es hierbei, auf sehr geringer Grundfläche Einzeleigentum mit vielfacher Wohnfläche zu realisieren, was einen Boom ähnlicher Projekte auslöste.

Der Künstler Walter Jonas entwickelte ab dem Jahr 1960 die städtebauliche Utopie Intrapolis – die nach innen gewendete Stadt. Hier sollten Trichterhäuser bzw. Kelchhäuser in Gruppen zu wenigstens drei Gebäuden errichtet werden und jeweils etwa 2000 Bewohner aufnehmen. Die Terrassen auf der Innenseite der Kelche waren zur Optimierung der Privatsphäre versetzt angeordnet[5][6]. Es gibt nach diesem Konzept einen Entwurf für Hamburg-Lohbrügge-Nord von Ulrich Schmidt von Altenstadt, der jedoch nicht umgesetzt wurde[7].

Ausgehend von den in der Schweiz etablierten Hanghäusern erlebte das Terrassenhaus während der deutschen Wohnungsbauoffensive der 1960er Jahre eine kurze Blütezeit, als es 1963 zur entscheidenden Weiterentwicklung des künstlichen Hügels auf ebener Fläche kam, was die bundesweite Ausbreitung erst ermöglichte. Ideenskizzen von Walter Gropius, die Wohnberge aus dem Jahr 1928, deuteten bereits in diese Richtung.

Ein früher Akteur war das Stuttgarter Architekturbüro Faller + Schröder. In wechselnden Projektkooperationen entstanden seit 1959 zahlreiche Wettbewerbsentwürfe mit dem Ergebnis, dass 1963 in Marl begonnen wurde, das erste Wohnhügelhaus in Europa zu realisieren.

Als experimentellen sozialen Wohnbau mit über 200 Wohneinheiten entwarf Albin Hennig 1967 die Girondelle in Bochum-Wiemelhausen. Der etwa 200 m lange, skulptural wirkende Baukörper hat im Zentrum eine gestaffelte Höhe von bis zu acht Geschossen. Im dunklen Kern des Komplexes liegen nicht nur die Flure, sondern zum Teil auch Küchen und Bäder.

In Wien wurden mehrere Wohnanlagen in Terrassenbauweise von dem Architekten Harry Glück errichtet. Auch sein bekanntester Bau, der Wohnpark Alt-Erlaa folgt bis zum 12. Stock der Terrassenbauweise.

Eine singuläre Sonderform des Hügelhauses bildet die Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße in Berlin-Wilmersdorf als einer der größten zusammenhängenden Wohnkomplexe Europas: im unbelichtbaren Kernbereich verläuft die Bundesautobahn 104.

Gegen Ende der 1970er Jahre kam der Bau von Terrassenhäusern fast vollständig zum Erliegen. Gründe hierfür liegen im hohen Planungsaufwand, da prinzipbedingt die Grundrissflächen nicht beliebig kopierbar sind. Durch die Ölpreiskrise stiegen die bauphysikalischen Anforderungen, was sich bei einer komplexen Gebäudehülle verstärkt auswirkte. Aufgrund wenig dauerhafter Terrassenabdichtungen traten häufig Feuchtigkeitsprobleme auf. Der Einbruch des öffentlich geförderten Wohnungsbaus tat ein Übriges, da die Projekte häufig von städtischen Wohnungsbaugesellschaften oder Baugenossenschaften finanziert wurden.

Rezeption und Gegenwart[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2004 wurde im Rahmen des Stadtumbaus Ost das Rückbauprojekt Ahrensfelder Terrassen in Marzahn-Nord realisiert. Aus elfgeschossigen Plattenbauten wurden Terrassenhäuser unterschiedlicher Höhe mit maximal sechs Geschossen. Der Wohnungsbestand wurde auf ein Drittel reduziert, die Maßnahme gilt als ein Musterprojekt für verträglichen Stadtumbau.

Gestiegenes Interesse an Bauten der Spätmoderne bewirkt, dass seit etwa 2010 Terrassenhäuser gelegentlich unter Denkmalschutz gestellt werden, da die Bauform zwar zeittypisch, aber relativ selten anzutreffen ist.[8][9]

Im Zuge der Diskussionen über Nachhaltigkeit und Zersiedelung findet das Terrassenhaus in neuester Zeit wieder Befürworter. Seit etwa 2020 gibt es auch einige größere Neubauprojekte, insbesondere in den Niederlanden.

Bauten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ot Hoffmann, Christoph Repenthin: Neue urbane Wohnformen – Gartenhofhäuser, Teppichsiedlungen, Terrassenhäuser. Ullstein, Berlin 1956.
  • Hans-Ulrich Scherer: Terrassenhäuser. In: Das Werk. Architektur und Kunst, Jg. 51 (1964), Heft 10, S. 349–354. (Digitalisat auf e-periodica.ch, abgerufen am 25. Februar 2024)
  • Walter Meyer-Bohe: Neue Wohnformen. Hang-, Atrium- und Terrassenhäuser. Wasmuth, Tübingen 1970.
  • Karlheinz Benkert: Terrassenhäuser am Hang. Grundlagen für Entwurf und Konstruktion. DVA, Stuttgart 1974.
  • Lorenzo De Chiffre: Das Wiener Terrassenhaus – Entwicklungsphasen und Aktualität eines historischen Wohntypus mit Fokus auf den lokalspezifischen architektonischen Diskurs. Dissertation an der Fakultät Architektur und Raumplanung der Technische Universität Wien 2016. (Digitalisat)
  • Gerhard Steixner, Maria Welzig: Luxus für alle – Meilensteine im europäischen Terrassenwohnbau. Birkhäuser, Basel 2020.
  • Uta Gelbke: Wohnen im Hügel – Terrassenhäuser als Chance für den verdichteten Wohnungsbau?. In: Baunetzwoche 572/2021. (Digitalisat)
  • Eugen Gross/Andrea Jany (Hrsg.): Gelebte Utopie. Die Terrassenhaussiedlung der Werkgruppe Graz. Jovis, Berlin 2022.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 25. Februar 2024), S. 466: Terrassenhaus.
  2. LIA: Materialien zu Henri Sauvage's maisons à gradins (Digitalisat)
  3. a b Haus Scheu im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  4. Astrid Staufer: Das Wiener Terrassenhaus. In: repositum.tuwien.at. 2016, abgerufen am 25. Februar 2024.
  5. SRF: Trichterhaus von Walter Jonas
  6. Stefan Howald: Walter Jonas: Trichterhaus und Intrapolis
  7. Wohnbebauung Lohbrügge-Nord In: Deutsche Bauzeitung Heft 1/1964
  8. Johanna Treblin: Denkmalschutz für ein Stück DDR: Das innovative Terrassenhaus von Berlin-Hellersdorf. In: tagesspiegel.de. 8. Februar 2023, abgerufen am 25. Februar 2024.
  9. Ehre fürs Terrassenhaus. In: moderne-regional.de. 15. November 2020, abgerufen am 25. Februar 2024.
  10. Terrassenhäuser in Zug. In: Das Werk, Heft 2/1961 (doi:10.5169/seals-37544)
  11. Lüscher Architekten: Post-Stucky
  12. Das Werk. Heft 2/1961 (Digitalisat)
  13. Teilinstandsetzung und Umbau Terrassenhaus, Eierbrechtstrasse 16
  14. Das Werk. Heft 10/1964 (Digitalisat)
  15. a b Baukultur NRW: Wohnexperimente
  16. Das Werk. Heft 10/1968 (Digitalisat)
  17. Landschaftsverband Westfalen-Lippe: Eine Architekturikone im Bochumer Süden
  18. Terrassenwohnhaus „Girondelle“ in Bochum. In: Bauen + Wohnen Heft 26/1972 (Digitalisat)
  19. Terrassenhausüberbauung Brunswick Center in London. In: Das Werk, Heft 12/1972 (Digitalisat)
  20. Das Werk. Heft 10/1968 (Digitalisat)
  21. Eintrag auf SOS Brutalism
  22. Wohnanlage Tapachstrasse Stuttgart. In: Das Werk Heft 3/1972 (Digitalisat)
  23. 100 Jahre Bau- und Sparverein Ravensburg eG (Digitalisat)
  24. Ansichtszeichnung im Architekturmuseum der TU Berlin (Digitalisat)
  25. Terrassenwohnhausüberbauung „Eremitageparken“ bei Kopenhagen. In: Das Werk, Heft 12/1972 (Digitalisat)
  26. Architekturführer Wuppertal: Terrassenhaus
  27. Steilhangterrassenhäuser am Nützenberg in Wuppertal. In: Das Werk, Heft 12/1972 (Digitalisat)
  28. Architekturführer Bremen
  29. Denkmalporträt (Digitalisat)
  30. Leitlinien (Digitalisat)
  31. Terrassenhaus Hannover-Mühlenberg
  32. Denkmalporträ̈t: „Hemminger Himmelsleitern“ – Die zukunftsweisenden Terrassenhochhäuser des Wohnparks Schlossgut (Digitalisat)
  33. Atriumwohnpark Kettwig/Ruhr bei Essen. In: Das Werk, Heft 12/1972 (Digitalisat)
  34. Moderne Regional: Porträt Hügelhaus Erftstadt
  35. Terrassenhaussiedlung – Geschichte
  36. Denkmalporträ̈t: Selbstbestimmung im Geschosswohnungsbau. Das Terrassenhaus „Schnitz“ in Stuttgart (Digitalisat)
  37. Les „Pyramides du Lac“ à Villeneuve d'Ascq (59) – Modèle innovation Maisons Gradins Jardins
  38. Unikátne terasy ukryté na Medenej
  39. Marlene Lieback: Die Schöneberger Terrassen – ein Beitrag zum Denkmalwert der Nachkriegsmoderne der 70er Jahre und des sozialen Wohnungsbaus in Berlin. TU Berlin Universitätsverlag 2018 (Digitalisat)
  40. Eintrag 09097748 in der Berliner Landesdenkmalliste
  41. Ab jetzt: Denkmal
  42. TAZ: Die Stadt als Schaltnetz
  43. Terasový dům v Košířích
  44. DBZ: Hinauf in neue architektonische Höhen – Mountain Dwellings in Kopenhagen / DK
  45. Projektvorstellung
  46. Baunetz: Balkons mit Farbpalette – Terrassenhaus von NL Architects in Amsterdam
  47. Dipl.-Ingenieure Architekten Strelzig + Klump
  48. WAZ: Mülheim: Stillstand am Terrassenhaus Kassenberg bald beendet
  49. Benedikt Crone: Stahltischdecke. In: Bauwelt Heft 11/2020 (Digitalisat)
  50. Liesbeth van der Pol: Draped stone dress – Newly built apartments The George | Zuidas, Amsterdam
  51. Terasový bytový dom