Thomas Blatt

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Thomas Blatt in den 1940er Jahren
Thomas Blatt am 70. Jahrestag des Aufstandes in Sobibór (14. Oktober 2013).

Thomas Blatt (geboren am 15. April 1927 in Izbica, Polen; gestorben am 31. Oktober 2015 in Santa Barbara, Kalifornien[1]) war ein US-amerikanischer Buchautor und Überlebender des Aufstandes im Vernichtungslager Sobibór.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thomas „Toivi“ Blatt wuchs im jüdischen Schtetl Izbica in Polen auf. Das Ghetto Izbica wurde im Zweiten Weltkrieg ein Deportationsziel[2] der Schutzstaffel (SS) für Juden. Blatt wurde im Alter von 15 Jahren gemeinsam mit seiner Familie in das Vernichtungslager Sobibor abtransportiert. Seine Familie wurde vor seinen Augen in die Gaskammer geschickt. „Toivi“ wurde zum Arbeitseinsatz selektiert.[3] Sobibór, im damaligen Kreis Lemberg, heute in der Wojewodschaft Lublin, Polen, war „eines der drei Vernichtungslager der ‚Aktion Reinhardt‘ – der detailliert geplanten und durchgeführten Vernichtung von über eineinhalb Millionen europäischer Juden“.[4] Im Lager schloss er sich der jüdischen Untergrundgruppe an. Am 14. Oktober 1943[5] beteiligte er sich mit etwa 600 anderen Häftlingen am Aufstand von Sobibór und der anschließenden Flucht. Toivi gehörte zu den 47 Personen, die den Aufstand in Sobibór überhaupt überlebten. Nach seiner „Heimkehr in den Raum Izbica“ wurde ihm von früheren Nachbarn sowohl Unterstützung gegeben wie auch verweigert, und er war dort weiteren Mordanschlägen ausgesetzt.

In einem 1983 geführten Interview mit Karl Frenzel,[6] einem SS-Aufseher des Vernichtungslagers, versuchte er den Motiven für die industrielle Tötung in Sobibor nachzugehen. Es war nach dem Holocaust eines der ersten Gespräche zwischen einem SS-Aufseher und seinem Opfer.

Er hielt Gedenkveranstaltungen in Sobibór sowie Vorträge zum Holocaust.

Thomas Blatt sagte auf einer Veranstaltung in Frankfurt 1999:

„Gott! Wie zerbrechlich, wie ungeheuer dünn ist die Kruste der Zivilisation. Wie leicht wird die Schutzhülle – sobald die Bedingungen dafür gegeben sind – zerspringen und eine Bestie hervorbrechen. Davor habe ich Angst.“

Blatts Buch From the Ashes of Sobibór ist eines der bekanntesten Bücher zum Thema Holocaust. Der darauf basierende Film Flucht aus Sobibor mit Alan Arkin und Rutger Hauer wurde für vier Emmys nominiert und erhielt zwei Golden-Globe-Auszeichnungen sowie den Writers Guild of America Award für das beste Drehbuch.[7]

An der Ausarbeitung des Drehbuchs zu Escape from Sobibor war er gemeinsam mit Stanisław Szmajzner, einem weiteren Überlebenden des Vernichtungslagers, beteiligt.

Im Mai 2009 wurde Thomas Blatt im Zuge der Vorermittlungen gegen John Demjanjuk in München als überlebender Zeuge über seine Erfahrungen im Vernichtungslager Sobibor vernommen[8][9] und machte im Januar 2010 im Demjanjuk-Prozess eine Aussage vor dem Landgericht München.[10][11]

Zuletzt lebte Thomas Blatt in den USA. Er starb Ende Oktober 2015 im Alter von 88 Jahren als einer der letzten Überlebenden des Aufstands von Sobibór.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • From the Ashes of Sobibór. A Story of Survival. Northwestern University Press, Evanston, Illinois 1997, ISBN 0-8101-1302-3. Auf Deutsch als:
  • Sobibór. Der vergessene Aufstand. Bericht eines Überlebenden. Aus dem Englischen übersetzt und mit Nachbemerkungen versehen von Heike Kleffner und Miriam Rürup. Unrast, Hamburg u. a. 2004, ISBN 3-89771-813-8.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jules Schelvis: Vernichtungslager Sobibór. Unrast, Hamburg u. a. 2004, ISBN 3-89771-814-6. Deutsch zuerst: Metropol, Berlin 1998; Niederländisch: Vernietigingskamp Sobibor. De Bataafsche Leeuw, Amsterdam 1994, ISBN 90-6707-319-9; Englisch: Sobibor. A history of a Nazi death camp. Berg, Oxford u. a. 2007, ISBN 978-1-84520-419-8. (Wissenschaftliches Standardwerk, geschrieben von einem überlebenden Holländer).
  • Jules Schelvis: Eine Reise durch die Finsternis. Ein Bericht über zwei Jahre in deutschen Vernichtungs- und Konzentrationslagern. Unrast, Hamburg u. a. 2005, ISBN 3-89771-815-4.
  • Yitzhak Arad: Belzec, Sobibor, Treblinka. The Operation Reinhard Death Camps. Indiana University Press, Bloomington In. u. a. 1987, ISBN 0-253-34293-7 (teilweise überholtes, früheres Standardwerk).
  • Adalbert Rückerl (Hrsg.): Nationalsozialistische Vernichtungslager im Spiegel deutscher Strafprozesse. Belzec, Sobibor, Treblinka, Chelmno. Deutscher Taschenbuchverlag, München 1977, ISBN 3-423-02904-8 (dtv 2904) (Grundlegende Dokumentation mit Auszügen aus Gerichtsurteilen und Zeugenaussagen).
  • Richard Rashke: Flucht aus Sobibor. bahoe Books, Oktober 2016, ISBN 978-3-903022-39-3.

Dokumentarfilm[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Thomas Blatt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R.: USA: Thomas Blatt (88) gestorben. In: Jüdische Allgemeine. www.juedische-allgemeine.de, abgerufen am 25. Mai 2022.
  2. Izbica – Ghetto ohne Mauern (Memento vom 29. Juli 2007 im Internet Archive)
  3. Buchankündigung, Aufbau Taschenbuch Verlag (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive)
  4. Sobibór - der vergessene Aufstand (Memento vom 16. März 2005 im Internet Archive)
  5. Sobibor, 14 octobre 1943, 16 heures (Memento vom 4. April 2013 im Internet Archive)
  6. The Confrontation with a Murderer (Memento vom 9. Dezember 2013 im Internet Archive)
  7. IMDB zu Escape from Sobibor
  8. Jan Friedmann: Überstellung nach Stadelheim: Ärzte entscheiden über Demjanjuks Zukunft. In: Spiegel Online. 12. Mai 2009, abgerufen am 25. Mai 2022.
  9. Demjanjuk-Abschiebung: "Die Welt soll erfahren, wie es in Sobibor gewesen ist". In: Spiegel Online. 12. Mai 2009, abgerufen am 25. Mai 2022.
  10. Zusammenfassung der Zeugenaussage von Thomas Blatt; im Demjanjuk-Prozess in München im Januar 2010 (Memento vom 3. Juli 2015 im Internet Archive)
  11. Transkript eines Berichts im Politmagazin Kontrovers des Fernsehsenders BR vom 25. Juni 2010, u. a. mit Stellungnahmen von Thomas Blatt (PDF) (Memento vom 24. Mai 2011 im Internet Archive)