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Transgas-Pipeline

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Pipeline-Netz von Russland nach Westeuropa

Die TRANSGAS-Trasse (Schreibweise auch: Transgaz; kyrillisch: Трансгаз) ist eine Trasse von Hochdruck-Erdgaspipelines von der Ukraine durch die Slowakei und Tschechien bis nach Österreich und Deutschland.

Die Trasse dient primär der Durchleitung von Ferngas aus Russland bzw. der ehemaligen Sowjetunion. Die Trasse war mit dem Bau 1970–1973 die erste und danach für mehr als 25 Jahre die einzige große Transitpipeline für die Versorgung von West- und Mitteleuropa aus den reichen Erdgasvorkommen Sibiriens und Zentralasiens.

Ungeachtet des Russisch-Ukrainischen Krieges wird über die TRANSGAS Gas von Russland nach Mitteleuropa geliefert (Stand Februar 2023)[1] Die Ukraine will den Transit ab 2025 unterbinden.[2]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Planung und Bau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sowjetunion (UdSSR) hatte in den 1960er-Jahren mit dem Bau von Pipelines begonnen, um ihre westlichen Landesteile, darunter als größten die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (USSR), mit Erdgas zu versorgen. Die Leitungen sollten nach Westen fortgesetzt werden, um auch die Bündnispartner der UdSSR im Warschauer Pakt, die „Sozialistischen BruderländerČSSR und DDR, mit Energie zu beliefern. Als erste große Trasse wurde im Jahr 1967 die Pipeline „Bruderschaft“ (russisch Братство, Bratstvo) fertiggestellt, die vom sibirischen Gasfeld Urengoi östlich von Nadym über eine Strecke von etwa 4500 km bis nach Uschhorod in der Ukraine verläuft.[3]

Planung und Bau der Transgas-Trasse, die westlich an die Bruderschaft-Trasse anschließt, gehen zurück auf das Ende der 1960er-Jahre, als der Ost-West-Konflikt in eine Phase der Entspannung und des zunehmenden Dialoges eintrat. Bereits im Vorfeld der Ostverträge verhandelte die UdSSR mit westlichen Staaten bzw. Unternehmen über Erdgaslieferungen: Nachdem Verhandlungen mit der italienischen ENI im Jahr 1967 noch gescheitert waren, kam es im Folgejahr 1968 zu einem erfolgreichen Vertragsabschluss mit der österreichischen ÖMV, und auch mit Deutschland wurden Gespräche geführt. Im deutsch-sowjetischen Erdgas-Röhren-Vertrag wurde 1970 im Gegenzug für Erdgas-Röhren die Lieferung von Gas an die deutsche Thyssen-Ruhrgas zugesagt.[4][5]

In der ersten Phase von 1971–1973 wurde die Trasse auf ganzer Länge vorbereitet und es wurden Leitungen mit einer Nennweite von DN 1200 bis zur Verzweigung nach Österreich und DN 900 weiter bis zur ost- und westdeutschen Grenze verlegt.[6] Zur Erweiterung der Kapazität wurden in den folgenden Jahren in mehreren Bauphasen auf derselben Trasse weitere, parallele Leitungen verlegt, und im späteren Tschechien wurde als Abkürzung ein neuer Trassenzweig geplant und gebaut.[6]

Betreiber des tschechoslowakischen Pipelinenetzes war die 1971 gegründete Gesellschaft Tranzitní plynovod Praha, international bekannt unter der Kurzbezeichnung Transgas.

Tschechisch-slowakische Teilung und Privatisierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Teilung der Tschechoslowakei im Jahre 1993 erfolgte auch eine Aufteilung des tschechoslowakischen Gasleitungsnetzes und damit auch der Transitpipeline:

Der tschechische Teil der Pipeline fiel an die ČPP Transgas, eine Tochter des tschechischen Gasversorgers České plynárenské podniky (ČPP).[6][7] Im Jahr 2001 wurde das staatliche Unternehmen privatisiert und der deutsche Energieversorger RWE übernahm die Anteilsmehrheit. 2006 wurde im Rahmen des Unbundlings nach EU-Vorgaben von der RWE Transgas der Übertragungsnetzbetreiber RWE Transgas Net abgespalten, der seit 2010 unter dem Namen Net4Gas[8] firmiert.

Der slowakische Teil des Transgas-Netzes wurde ab 1993 von Slovtransgaz, einer weitgehend autonomen Untereinheit des slowakischen Gasversorgers Slovenský plynárenský priemysel (SPP), betrieben.[9][10] Hieraus wurde nach der Privatisierung im Jahr 2002 und dem Unbundling 2006 zunächst die SPP-preprava, welche 2008 in eustream umbenannt wurde.[11]

Streitigkeiten und Bau von Alternativtrassen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kapazität im Vergleich[12][13]
Name Kapazität
[Mrd. m³/a]
Transgas 120
Jamal-Europa
(Nordzweig, über Polen)
33
Nord Stream

Nord Stream II

(Nicht zertifiziert)

55

55

South Stream
(eingestellt)
63
Blue Stream 19
TurkStream 32

Nach der Auflösung der Sowjetunion im Jahre 1991, durch die die Ukraine politisch von Russland unabhängig wurde, entwickelten sich zwischen den beiden Ländern zunehmende Meinungsverschiedenheiten bezüglich der angemessenen Vergütung, die die Ukraine für die Durchleitung des russischen Gases zur Transgas-Pipeline erhalten sollte. Der russisch-ukrainische Gasstreit gipfelte ab 2005 mehrfach darin, dass die durchgeleitete Menge von ukrainischer Seite stark reduziert wurde, woraufhin die russische Seite vorübergehend die Lieferung einstellte.

Um nicht vollkommen auf die Transgas-Trasse – und damit auf die Transitländer, insbesondere die Ukraine – angewiesen zu sein, suchte Russland nach Ausweichmöglichkeiten und plante mehrere Alternativtrassen. Bereits 1997 wurde nördlich der Transgas-Trasse, durch Belarus und Polen, die Alternativtrasse JAMAL fertiggestellt. Trotz dieser Alternativen floss aber weiterhin der Großteil (etwa drei Viertel) des russischen Gases über die Transgas-Trasse nach Westeuropa.[14] Im Jahr 2007 kam es aber auch wegen der Durchleitung durch diese Trasse zu Streitigkeiten zwischen Russland und Belarus. Als dritte Route wurde 2011 die Trasse Nord Stream durch die Ostsee fertig. Die Fertigstellung einer parallelen Trasse Nord Stream II ist abgeschlossen, wird jedoch aufgrund des Russischen Überfalls auf die Ukraine bis auf Weiteres nicht Betrieb gehen (Stand Mai 2022).[15]

Auch südlich der Transgas-Trasse war mit der Leitung South Stream über das Schwarze Meer und den Balkan eine Alternativtrasse vorgesehen. Dieses Projekt ist inzwischen eingestellt, Ursache für die Einstellung waren das Dritte Energiepaket der EU, das die Entflechtung von Lieferant und Pipelinebetreiber vorsieht, sowie die geänderte politische Lage nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland. Weitere Trassen im Süden, die aber nicht oder nur teilweise zur Durchleitung von russischem Gas nach Westeuropa bestimmt sind, sind die Trassen Blue Stream, White Stream und Nabucco (ebenfalls inzwischen eingestellt).

Verlauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

TRANSGAS
→ Trasse Jamal-Europa (Süd)
                  
                  
← Trasse Sojus
                  
← Trasse Bruderschaft
ÜS Uschhorod Ukraine UA
                  
Grenze
                  
ÜS/VS Veľké Kapušany Slowakei SK
                  
→ Trasse YAMAL II (von Polen)
                  
VS Jablonov nad Turňou
                  
VS Veľké Zlievce
                  
VS Ivanka pri Nitre
                  
KP Plavecký Peter
                  
ÜS Brodské
                  
Grenze
                  
Grenze
ÜS Lanžhot Tschechien CZ
                  
Osterreich A ÜS Baumgarten
→ Trasse STORK (von Polen)
                  
→ Trasse TAG
VS Břeclav
                  
KP Malešovice
                  
VS Kralice nad Oslavou
                  
VS Hostim
VS Kouřim
                  
VS Veselí nad Lužnicí
KP Hospozín
                  
VS Strážovice
                  
→ Quertrasse GAZELLE
                  
ÜS Hora Sv. Kateřiny / Brandov
                        
KP Rozvadov
Grenze
                  
Grenze
VS Sayda / ÜS Olbernhau Deutschland D
                  
Deutschland D ÜS Waidhaus
→ Trasse OPAL
                  
→ Trasse MEGAL
← Trasse STEGAL
                  
← Trasse MET
                  

Ukraine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Westen der Ukraine laufen drei große Trassen für russisches Gas zusammen: Aus dem Norden Sibiriens, vom Gasfeld Urengoi, kommt die Trasse „Bruderschaft“ (Bratstvo). Ebenfalls aus dem sibirischen Norden, von der Jamal-Halbinsel, kommt ein Abzweig der Trasse Jamal-Europa (kurz: YAMAL) über Belarus. Die dritte Trasse, „Einheit(SOYUZ), kommt aus dem südlichen, zentralasiatischen Teil Russlands bei Orenburg nahe der Grenze zu Kasachstan.

Die drei Leitungstrassen kreuzen nach der Zusammenführung in einer Verdichterstation südlich von Uschhorod (Welt-Icon) die ukrainisch-slowakische Grenze.

Slowakei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Transgas-Pipeline beginnt hinter der slowakischen Grenze an der Verdichterstation Veľké Kapušany (Welt-Icon). Nachdem kurz hinter der Grenze ein weiterer Zweig der YAMAL-Leitung aus Polen hinzugekommen ist, verläuft die Pipeline über Verdichterstationen bei Jablonov nad Turňou (Welt-Icon), Veľké Zlievce (Welt-Icon) und Ivanka pri Nitre (Welt-Icon) durch den Süden der Slowakei. Im Westen der Slowakei, nahe Plavecký Peter (Welt-Icon), verzweigt sich die Leitung in eine nördliche und eine südliche Trasse. Die südliche schließt an der slowakisch-österreichischen Grenze, nahe Baumgarten an der March (Welt-Icon), an die Trans Austria Gasleitung (TAG) an. Die nördliche quert hinter der Station Brodské (Welt-Icon) per Brücke den slowakisch-tschechischen Grenzfluss March.[16]

Tschechien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hinter der Grenze beginnt mit der Station Lanžhot (Welt-Icon) der tschechische Teil der Trasse. Einige Kilometer weiter, bei Břeclav[17], besteht eine Verbindung zu der von Polen (Cieszyn) kommenden Verteilnetzleitung STORK II.

Südlich von Brno, bei Malešovice (Welt-Icon), teilt sich die Transgas-Pipeline erneut in einen südlichen und einen nördlichen Zweig:

Der südliche Zweig verläuft über drei Verdichterstationen bei Hostim (Welt-Icon), Veselí nad Lužnicí (Welt-Icon) und Strážovice (Welt-Icon) bis zur Übergabestation Rozvadov (Welt-Icon) an der tschechisch-deutschen Grenze. Auf deutscher Seite, bei Waidhaus in Bayern (Welt-Icon), erfolgt die Übergabe an den Nordzweig der Mittel-Europäischen-Gasleitung (MEGAL).[7]

Der nördliche Zweig verläuft über zwei Verdichterstationen bei Kralice nad Oslavou (Welt-Icon) und Kouřim (Welt-Icon) sowie einen Knotenpunkt bei Hospozín (Welt-Icon), von wo eine Querverbindung zur südlichen Trasse abzweigt, bis nach Hora Svaté Kateřiny (Welt-Icon) und Brandov (Welt-Icon) an der deutsch-tschechischen Grenze. Hier bestehen auf deutscher Seite, bei Olbernhau (Welt-Icon) und Sayda (Welt-Icon) in Sachsen, Verbindungen zur Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung (OPAL), zur Sachsen-Thüringen-Erdgas-Leitung (STEGAL) und zur Mitteleuropäischen Transversale (MET).[7]

Seit Anfang 2013 sind die Endpunkte des nördlichen und südlichen Zweiges zusätzlich durch die GAZELLE-Pipeline verbunden.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Amy Walker: Trotz Sanktionen: Russland ist immer noch unter zwei wichtigsten Gaslieferanten der EU. Merkur.de, 22. Februar 2023, abgerufen am 24. März 2024.
  2. Leonard Laurig: Ukraine will ab 2025 kein russisches Gas mehr weiterleiten – was bedeutet das für Europa? Redaktionsnetzwerk Deutschland, 30. Oktober 2023, abgerufen am 24. März 2024.
  3. Ksenia Borisocheva: Analysis of the Oil- and Gas-Pipeline-Links between EU and Russia. An account of intrinsic interests. Centre for Russia and Eurasia (CERE), Athen November 2007 (online [PDF]).
  4. Stichtag: 1. Februar 2005 – Vor 35 Jahren: Unterzeichnung des Erdgas-Röhren-Vertrags in Essen: Pipeline durch den eisernen Vorhang. WDR.de, abgerufen am 12. Februar 2013.
  5. Luis-Martín Krämer: Die Energiesicherheit Europas in Bezug auf Erdgas und die Auswirkungen einer Kartellbildung im Gassektor. Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Köln 2011 (online [PDF]).
  6. a b c 40 years of natural gas transit through the Czech Republic. Net4Gas, Prag 2011 (net4gas.cz [PDF]).
  7. a b c Oldřich Petržilka: Gas Market in the Czech Republic. Präsentation auf dem Central European Gas Congress, 15.-17. Juni 2011. Hrsg.: Czech Gas Union. Budapest Juni 2011 (online [PDF]).
  8. NET4GAS. Offizieller Internetauftritt
  9. Our company >> History: 40 years of safe and reliable gas transmission services. eustream, abgerufen am 13. Februar 2013.
  10. Zuzanna Valentová: Gas Crisis in Slovakia and its impact on the economy of the country. Bachelor's Thesis. European Polytechnical Institute, Hodonín August 2010 (Volltext [SWF; 2,0 MB]).
  11. Transmission system. eustream, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. Februar 2018; abgerufen am 12. Februar 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eustream.sk
  12. Instrumente zur Sicherung der Gasversorgung. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, abgerufen am 12. Februar 2013.
  13. Pipeline-Projekte. Wie Europa mit Gas versorgt werden soll. Tagesschau.de, 7. Dezember 2012, abgerufen am 12. Februar 2013.
  14. Die Ostsee-Pipeline – Eine Pro- und Kontra-Diskussion zum russisch-deutschen Erdgasprojekt. In: Klett-Magazin Geographie. Ernst Klett Schulbuchverlag, Leipzig 2006, S. 11–15 (Volltext online [PDF]).
  15. dpa: Nord Stream 2 nimmt wichtige Hürde. In: Welt. Axel Springer, 26. Januar 2022, abgerufen am 27. Januar 2022.
  16. Transmission and Storage System in the Czech Republic at a Glance. Online-Report. RWE, 2009, abgerufen am 12. Februar 2013.
  17. Transmission system. Net4Gas, abgerufen am 12. Februar 2013.