Mary Mallon

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Typhus Mary)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
„Typhus-Mary“ in einer Zeitungs-Illustration von 1909, in der sie kleine Schädel in eine Pfanne gibt

Mary Mallon (* 23. September 1869 in Cookstown, Nordirland; † 11. November 1938 auf North Brother Island, Vereinigte Staaten), bekannt als Typhoid Mary (Typhus-Mary), war die erste Person in den Vereinigten Staaten, die als nicht erkrankte Trägerin von Typhus identifiziert wurde, als sogenannte Dauerausscheiderin. Mallon war 1883 aus Irland eingewandert.[1]

Mary Mallon arbeitete zwischen 1900 und 1907 als Köchin im Gebiet von New York City. Während dieser Zeit infizierte sie 53 Menschen mit Typhus; drei von ihnen starben. Im Jahr 1900 war Mallon noch keine zwei Wochen Köchin in einem Haus in Mamaroneck, als die Bewohner an Typhus erkrankten.[2] 1901 zog sie nach Manhattan, wo Mitglieder der dort von ihr bekochten Familie Fieber und Durchfall bekamen und die Wäschefrau starb. Danach arbeitete sie für einen Anwalt, bis sieben der acht im Haushalt lebenden Menschen an Typhus erkrankten. Mallon pflegte monatelang die Menschen, die sie infiziert hatte, aber ihre Fürsorge verbreitete die Seuche noch weiter. 1904 nahm sie eine Stelle auf Long Island an. Innerhalb von zwei Wochen wurden vier der zehn Familienmitglieder mit Typhus ins Krankenhaus eingeliefert. Sie wechselte erneut ihren Arbeitgeber und infizierte Menschen in drei weiteren Haushalten.[3] Die Seuche wurde oft über eines ihrer Desserts übertragen: Pfirsiche mit Eiscreme.

George Albert Soper (1870–1948) war ein Hygieniker, der von einem der Hausherren, für den Mary Mallon arbeitete, angeheuert wurde. Nach sorgfältiger Untersuchung identifizierte er Mallon als mögliche Trägerin von Typhus. Er konfrontierte sie mit der Möglichkeit, dass sie Typhus verbreite. Sie reagierte entrüstet auf seine Anfrage nach Urin- und Stuhlproben, und Soper ging wieder. Später veröffentlichte er seine Ergebnisse im Journal of the American Medical Association, in der Ausgabe vom 15. Juni 1907.[4] Soper brachte bei seinem nächsten Besuch bei Mallon einen Arzt mit, wurde aber wieder abgewiesen.

Dass Mallon die Möglichkeit leugnete, sie könnte Trägerin von Typhus sein, basierte teilweise auf der Diagnose eines angesehenen Apothekers. Dieser befand, sie trage keine Bakterien. Außerdem war das Wissen nicht weit verbreitet, dass eine Person eine Seuche verbreiten kann und dennoch nicht an ihr erkrankt. Vermutlich war Soper im Umgang mit Mary Mallon auch recht taktlos.[5]

Mary Mallon (im Vordergrund) in einem Krankenhausbett während ihrer ersten Isolierung

Das Gesundheitsamt von New York City sandte die Ärztin Sara Josephine Baker zu Mallon, um mit ihr zu sprechen, aber „zu diesem Zeitpunkt war sie davon überzeugt, dass die Obrigkeit sie grundlos verfolge, während sie nichts falsch gemacht habe.“

Ein paar Tage später suchte Baker gemeinsam mit einigen Polizisten Mallon an ihrem Arbeitsplatz auf und nahm sie in Gewahrsam. Der Gesundheitsinspektor von New York City untersuchte sie und erkannte sie als Trägerin. Sie wurde im Riverside Hospital isoliert. Über den Umgang mit ihr beschwerte sie sich im Juni 1909 schriftlich bei ihrem Anwalt: „Ich bin hier für jeden die Peepshow. Sogar die Assistenzärzte sind vorbeigekommen, um mich zu sehen und mich nach den Fakten zu befragen, die ohnehin schon die ganze Welt kennt.“ Die männlichen Patienten hätten über sie gesagt: „Da ist sie, die entführte Frau.“ William H. Park habe eine Illustration von ihr angefertigt: „Ich frage mich, wie der besagte Dr. William H. Park es finden würde, wenn er so beleidigt, in der Zeitung abgedruckt und […] als Typhoid William Park bezeichnet werden würde.“[6]

Nach drei Jahren wurde sie unter der Bedingung entlassen, nie wieder mit Nahrungsmitteln zu arbeiten. 1915 kehrte sie aber zum Kochen zurück und infizierte 25 Menschen, während sie als Köchin im New Yorker Sloane-Krankenhaus arbeitete. Zwei der Infizierten starben später.

Die Gesundheitsbehörde nahm sie daraufhin wieder in Gewahrsam und verwies Mary Mallon auf Lebenszeit in eine Isolierstation. Sie wurde von 1907 bis 1910 und erneut von 1915 bis zu ihrem Tod 1938 in Quarantäne gesperrt.[7]

Mary Mallon wurde eine Art Berühmtheit. Journalisten, die sie interviewen wollten, wurde verboten, auch nur ein Glas Wasser von ihr zu akzeptieren. Später durfte sie in Laboren auf North Brother Island als Technikerin arbeiten.

Mary Mallon starb mit 69 Jahren an einer Lungenentzündung. Bei der Autopsie fand man Hinweise auf lebende Typhusbakterien in ihrer Gallenblase. Ihr Leichnam wurde eingeäschert und auf dem Saint-Raymond's-Friedhof in der Bronx bestattet.[1]

Nach ihrem Tod fand Mary Mallon Eingang in die Literatur, vor allem durch den Roman Die Ballade von der Typhoid Mary (1982) des Schweizer Autors Jürg Federspiel. Auf dieser Vorlage basieren zum Beispiel ein Comic von Ursula Fürst sowie mehrere Theaterstücke. Auch in der ersten Staffel der TV-Drama-Serie The Knick von Steven Soderbergh wurde die Geschichte von Mary Mallon aufgegriffen. In der Sendereihe 1000 Wege, ins Gras zu beißen wurde ihr Todesart #145 („Mary-nated“) gewidmet.

Mallon in Film und Musik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Paranormal Asylum (Paranormal Asylum: The Revenge of Typhoid Mary), 2013.[8]
  • Hail Mary Mallon ist eine Hip-Hop-Gruppe, bestehend aus Aesop Rock, Rob Sonic und DJ Big Wiz.[9]
  • Die Datenbank Musicbrainz listet mehr als zehn Lieder mit dem Titel Typhoid Mary von unterschiedlichen Interpreten.[10]
  • Fair to Midland veröffentlichten den Song Typhoid Mary sends her best auf ihrem 2011 erschienenen Album Arrows and Anchors.
  • Anthony Bourdain: Typhoid Mary: An Urban Historical. Bloomsbury Publishing, New York 2001, ISBN 1-58234-133-8.
  • Janet Brooks: The Sad and Tragic Life of Typhoid Mary. In: CMAJ: Canadian Medical Association Journal 154, Nr. 6 (1996), S. 915 f., PMC 1487781 (freier Volltext)
  • Donald Emmeluth: Typhoid Fever. Chelsea House, 2004, ISBN 0-7910-7464-1, S. 10–13.
  • Judith Walzer Leavitt: Typhoid Mary : Captive to the Public's Health. Beacon Press, Boston 1996, ISBN 0-8070-2102-4.
  • Filio Marineli, Gregory Tsoucalas, Marianna Karamanou, George Androutsos: Mary Mallon (1869-1938) and the history of typhoid fever. In: Annals of Gastroenteroly 26, Nr. 2 (2013), S. 132–134. PMC 3959940 (freier Volltext)
  • George A. Soper: The work of a chronic typhoid germ distributor. In: Journal of the American Medical Association 48, Nr. 24 (1907), doi:10.1001/jama.1907.25220500025002d, S. 2019–2022.
Commons: Mary Mallon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Typhoid Mary case may be cracked, a century later, Artikel von Geoffrey Mohan in der Los Angeles Times vom 14. August 2013 (englisch)
  • Ridgely Ochs: Dinner with Typhoid Mary. In: Long Island History. Archiviert vom Original am 23. Januar 2005; (englisch).
  • Jennifer Rosenberg: Biography of Typhoid Mary, Who Spread Typhoid in Early 1900s: The sad story of a woman responsible for several typhoid outbreaks Outbreaks. In: about.com. 4. Juli 2019; (englisch, detaillierteres Profil von „Typhus-Mary“).

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b ‘Typhoid Mary’ Dies of a Stroke at 68; Carrier of Disease, Blamed for 51 Cases and 3 Deaths, but She Was Held Immune Services This Morning Epidemic Is Traced. In: The New York Times. 12. November 1938, S. 17, archiviert vom Original am 5. Juni 2011; abgerufen am 29. September 2016 (englisch).
  2. The Straight Dope: Who was Typhoid Mary? In: straightdope.com. 14. August 2000, abgerufen am 29. September 2016 (englisch).
  3. Robby Thiele: Typhus Mary – wie eine unschuldige Frau drei Menschen tötete. In: bluemind.tv. 27. September 2016, abgerufen am 29. September 2016.
  4. G. Soper: The work of a chronic typhoid germ distributor. In: Journal of the American Medical Association. Band XLVIII, Nr. 24, 15. Juni 1907, ISSN 0002-9955, S. 2019–2022, doi:10.1001/jama.1907.25220500025002d.
  5. Typhoid Marry Documentary – The Most Dangerous Woman in America. (Video auf YouTube, 1:16 Stunden) In: National TV. 27. März 2017, abgerufen am 25. Juni 2020 (englisch).
  6. Nina Strochlic: Typhoid Marys Tragödie: Ein Krankheitsverbreiter auf der Flucht. In: National Geographic. 23. März 2020, abgerufen am 28. November 2023.
  7. Jörg Häntzschel: Wenn der Seuchenarzt irrt: Der Roman "Robert Kochs Affe". Abgerufen am 15. August 2021.
  8. Paranormal Asylum: The Revenge of Typhoid Mary bei IMDb
  9. Hail Mary Mallon ~ Group. In: MusicBrainz. Abgerufen am 23. September 2019 (englisch).
  10. Typhoid Mary. In: MusicBrainz. 23. September 2019, abgerufen am 23. September 2019 (englisch).