Verena Stefan

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Verena Stefan (* 3. Oktober 1947 in Bern; † 29. November 2017[1] in Montreal, Kanada) war eine Schweizer Schriftstellerin, die mit ihrem autobiografischen Roman-Debüt Häutungen von 1975 international bekannt wurde.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stefan war die Tochter eines sudetendeutschen Vaters und einer deutschschweizerischen Mutter. Sie wuchs bei ihren Grosseltern auf. Ihr Grossvater, Julius Brunner, war ein Landarzt.[2] Nachdem sie 1967 am Gymnasium Kirchenfeld ihre Matura abgelegt hatte, ging sie nach Berlin. Dort absolvierte sie eine physiotherapeutische Ausbildung und praktizierte als Krankengymnastin. 1973 nahm sie ein Studium der Soziologie und der vergleichenden Religionswissenschaft an der Freien Universität Berlin auf, das sie nicht abschloss.

1972 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen der feministischen Gruppierung «Brot und Rosen». 1974 zog Stefan aufs Land, wo sie im Kreise von Gleichgesinnten ihre private Philosophie, eine Mischung aus Feminismus, Ökologie und Esoterik, praktizierte.[3] 1975 veröffentlichte sie im Münchner Verlag Frauenoffensive ihr erstes Buch, Häutungen, das sich in den folgenden Jahren zu einem Bestseller und Kultbuch der Frauenbewegung entwickelte und Auslöser für den Aufschwung feministischer Literatur in den etablierten Verlagen war. Das Buch wurde in acht Sprachen übersetzt.[4] Stefan vertrat in diesem autobiografisch geprägten Werk einen radikalen Feminismus. Ihre Ziele waren weibliche Selbstfindung, ein neues weibliches Körperbewusstsein sowie eine weibliche Ästhetik, die sich in einer eigenständigen Sprache äusserte.

1980 veröffentlichte sie den Gedichtband «Mit Füssen mit Flügeln», der 8.000 mal verkauft wurde, aber keine Rezeption erfuhr.[3] Im selben Jahr erschien ihre Übersetzung von Adrienne Richs Gedichtband Der Traum einer gemeinsamen Sprache, 1983 gefolgt von Monique Wittigs Lesbische Völker. Ein Wörterbuch. 1987 veröffentlichte sie Wortgetreu ich träume, in dem sie sich dem Thema der Natur zuwandte. Das Buch, das Stefan als «Ehrung der Mutter Erde und eine Erinnerung daran, wie zerstört sie bereits ist» verstand, stiess in der Frauenbewegung auf starke Ablehnung.[3] In ihrem Buch Es ist reich gewesen thematisierte sie 1993 in Form eines fiktiven Gesprächs anhand des Todes ihrer Mutter die Lebensweisen zweier Generationen von Frauen, deren eine den Aufbruch in die Frauenbewegung unternommen hat.[3]

Die Autorin leitete Kurse für kreatives Schreiben in Deutschland und der Schweiz. Seit 2000 lebte sie vorwiegend in Montreal und schrieb vor allem in englischer Sprache. Als bei ihr Krebs diagnostiziert wurde, begann sie, ihre Erfahrungen mit der Krankheit in dem autobiografisch unterlegten Roman Fremdschläfer zu verarbeiten, der 2007 erschien. Der Begriff «Fremdschläfer» hatte eigentlich eine spezielle Bedeutung im Schweizer Asylrecht, den sie aber in ihrer Titelwahl bewusst negierte.[5] 2014 erschien ihr autobiografischer Roman Die Befragung der Zeit, in dem Stefan die Geschichte ihres Grossvaters erzählt, der 1949 wegen des Vorwurfs, illegale Abtreibungen vorgenommen zu haben, in die psychiatrische Klinik Waldau eingeliefert worden war.[6] Das Schweizerische Literaturarchiv der Schweizerischen Nationalbibliothek hat im Frühjahr 2007 das Archiv von Verena Stefan erworben. Es umfasst Notizen und Materialien zu den Werken, Typoskripte der Werke, Traumnotizen und Tagebücher sowie Briefe, Lebensdokumente, Fotografien, Audio- und Videokassetten und eine Sammlung von Rezensionen.

Verena Stefan starb im November 2017 im Alter von 70 Jahren in ihrer kanadischen Wahlheimat Montreal an den Folgen ihrer Krebserkrankung. Sie hinterlässt ihre Ehefrau Lise Moisan.[7]

Auszeichnungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1976: Förderpreis der Freien und Hansestadt Hamburg
  • 1977: Förderpreis für Literatur der Stadt Bern
  • 1988 und 1994: Buchpreis der Stadt Bern
  • 2001: Werkbeitrag Pro Helvetia
  • 2008: Einzelwerkpreis der Schweizerischen Schillerstiftung für Fremdschläfer

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Übersetzungen:

  • Adrienne Rich: Der Traum einer gemeinsamen Sprache. Gedichte 1974–1977 (mit Gabriele Meixner). Frauenoffensive, München 1980.
  • Monique Wittig: Lesbische Völker. Ein Wörterbuch (mit Gabriele Meixner). Frauenoffensive, München 1983.
  • Maureen Murdock: Der Weg der Heldin. Eine Reise zur inneren Einheit (Übersetzung der Gedichte). Hugendubel, München 1994.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Monika Mengel: Zum Tod der Schriftstellerin Verena Stefan. L-Mag, 30. November 2017, abgerufen am 1. Dezember 2017.
    Nach anderen Angaben am 30. November: Verena Stefan ist tot. Börsenblatt, 1. Dezember 2017, abgerufen am 1. Dezember 2017.
  2. Luzia Stettler: Verena Stefans Denkmal für ihren Grossvater – den Abtreibungsarzt. srf.ch, 11. Mai 2014, abgerufen am 1. Dezember 2017.
  3. a b c d Verena Stefan: Kakophonie - Vorwort zur Neuausgabe von 1994. In: Häutungen (= Die Frau in der Gesellschaft). Neue Ausgabe Auflage. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1994, ISBN 978-3-596-11837-3, S. 4–25.
  4. Eintrag im Autoren-Verzeichnis der Stiftung Bibliomedia (Memento vom 11. April 2016 im Internet Archive)
  5. Ingo Arend: Eine undurchsichtige Größe. Freitag, 9. Mai 2008, abgerufen am 1. Dezember 2017 (Anekdote mit einem Bericht von den Solothurner Literaturtagen).
  6. Verena Stefan: Die Befragung der Zeit. Roman. Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24. Juni 2014 auf Perlentaucher.de, abgerufen am 1. Dezember 2017.
  7. L-Mag.de:Die Hochzeiten, Verlobungen, Regenbogenbabies und Abschiede 2017