Walter Niemann (Maler)

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Walter Niemann im Alter von 48 Jahren, Worpswede 1963

Walter Niemann (* 7. Mai 1915 in Hamburg; † 14. September 1986 in Worpswede) war ein deutscher Maler, Grafiker und Bildhauer. Er zog Ende der 1930er Jahre nach Worpswede, wo er bis zu seinem Tod als Künstler lebte und wirkte. Zusammen mit seiner Ehefrau Charlotte Niemann und Künstlerkollegen wie Waldemar Otto und Otto Meier gehörte er zur zweiten Generation der Künstlerkolonie Worpswede.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Walter Niemann besuchte die reformpädagogische Lichtwarkschule in Hamburg-Winterhude; sein Mitschüler und bester Freund war Heinz Strelow[1]. Als Autodidakt eignete sich Niemann bereits als Schüler verschiedene Maltechniken an und schuf seine ersten Bilder, wie etwa die Tuschzeichnung der Hamburger Hinterhöfe, die Aquarellzeichnung der Beeke mit dem Weyerberg im Hintergrund oder die Ölzeichnung einer Mühle, angefertigt während seiner ersten Besuche in Worpswede als Jugendlicher.

Nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung zum Maler, ehe er 1936 zum Militärdienst eingezogen wurde. Ende der 1930er Jahre ließ er sich in Worpswede nieder. Dort arbeitete er als Grafiker und Bildhauer und malte als Künstler Bilder in Öl, Aquarelle, sowie Tusch-, Bleistift- und Kohlezeichnungen.

Frühwerk (1930er Jahre)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehe und Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ende der 1930er Jahre lernte Walter Niemann die Künstlerin Lotty (genannt Charlotte) O.B.L. Timm kennen, die wenig später mit ihm nach Worpswede zog. 1939 heirateten sie; 1942 wurde in Worpswede der erste Sohn geboren. Walter Niemann befand sich zu diesem Zeitpunkt im Lazarett in Rüdesheim. Ende 1945 wurde der zweite Sohn geboren.

Kriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unmittelbar nach Ende seines Wehrdienstes zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Niemann in den Kriegsdienst einberufen. Er war als Funker für den Nachschub beim Russlandfeldzug 1941 zuständig, gemeinsam mit dem gleichaltrigen Heinrich Albertz, dem späteren Regierenden Bürgermeister von Berlin, der sich in Niemanns Kompanie befand. Während des Militärdienstes malte er weiter, teilweise draußen auf dem Panzer sitzend, während der Fahrt.[2] Es entstanden über 35 Aquarelle im DIN-A4-Format. Als Motive dienten die karge russische Winterlandschaft sowie die russische Bevölkerung. Im Feldpostbriefwechsel mit seiner Frau Charlotte bat Niemann um Nachschub an Farben, Pinseln und Papier.[3]

Im Juli 1942 ließ sich Niemann nach einem Patrouillengang von einem Panzer mitnehmen, der, während Niemann außen auf dem Panzer saß, über eine Mine fuhr.[4] Niemann verletzte sich am rechten Sprunggelenk schwer, so dass er zunächst in eine Krankenstation an der Front kam und schließlich in ein Lazarett nach Rüdesheim am Rhein verlegt wurde. Dort verbrachte er über zweieinhalb Jahre und wurde über ein halbes Dutzend Mal am Bein operiert. Auch im Lazarett malte er weiter.

Kriegszeit (Russland 1942)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachkriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Entlassung aus dem Lazarett Anfang 1945 lebte Walter Niemann gemeinsam mit seiner Frau und dem zweijährigen Sohn im Ortskern von Worpswede im Haus einer späteren Schlachterei. Aufgrund der Kriegsereignisse bei der Einnahme durch britisches Militär kam die Familie zunächst in der Scheune einer Gastwirtschaft an der Hamme unter, ehe sie eine Wohnung im ehemaligen Wohnhaus von Bernhard Hoetger bezogen. Dort lebten sie die folgenden 19 Jahre und Walter Niemann richtete in Worpswede sein Atelier ein.

1964 ließ Walter Niemann das Haus „Hinterm Berg 117“ bauen. In dessen Mauern integrierte er eigene Skulpturen aus Stein oder Glaselementen sowie andere Kunstwerke.

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Nachkriegszeit wurde Niemann zu einem prägenden Künstler von Worpswede.[5] Er fertigte Marionetten für den Bremer Puppenspieler Eduard Schmidt-Auffurth an,[6] schuf behindertengerechtes Kinderspielzeug aus Holz[7] und Steinfiguren wie den Pfahl der vielen Gesichter[8] oder den Dreiwürfelmann.[9]

Für das Merian-Heft „Worpswede“ des ersten Jahrgangs 1949[10] steuerte Niemann 14 Karikaturen der Worpsweder Künstlerkollegen bei, zeichnete das Titelbild und den Worpsweder Ortsplan für das Touristikfaltblatt Umgebungskarte Worpswede,[11] den Buchumschlag und den Bremer Stadtplan für das Buch In der Altstadt[12] und entwarf mehrere Einladungen für die Worpsweder Künstlerfeste.[13][14]

Nach seiner Meisterprüfung 1947[15] arbeitete Niemann als Dozent an der Hochschule für Künste Bremen.[16]

Von der Bremer Schulbehörde bekam er den Auftrag, Schulbücher zu illustrieren. Aus der Zusammenarbeit mit der Schriftstellerin und Bibliothekarin Ursula Ziebarth wurde eine Freundschaft, so dass Niemann ihr über 300 Zeichnungen und Bilder widmete.[17] Diese befinden sich u. a. als gemalte Tagebücher im Nachlass von Ziebarth.[18]

Niemann nahm an vielen Kunstausstellungen teil, verkaufte Bilder an Museen und Kunstvereine und erhielt zahlreiche erste Wettbewerbspreise und Aufträge für „Kunst am Bau“ und „Kunst im öffentlichen Raum“. [19]

In der Wahl seiner Werkstoffe war er vielseitig: Bei seinen sogenannten „Materialbildern“ verwendete er neben den klassischen wie Holz, Metall, Keramik, Glas, Natur- und Kunststein auch Alltagsgegenstände wie Schrauben und Nägel oder speziellere Materialien wie etwa Orgelpfeifen.[20][21]

Er gestaltete Pflasterpläne für Fußwege und fertigte Holzreliefs wie das Freistehende Holz-Figurenpaar, das Große Holzrelief für das Bäderschiff MS „Bremerhaven“[22] oder die farbigen Holzreliefs Tafelrunde der Bremer Stadtmusikanten und Nordwärts an.

Niemann schuf Installationen aus Beton wie etwa eine Betonkeramik für das Finanzamt und die Justizbehörde Verden oder das Betonband. Für die Fritz-Gansberg-Schule Bremen fertigte er eine Metallinstallation in Form der freistehenden Metall-Rotoren-Installation Die sieben Faulen an.[23] Im Amtszimmer des hannoverschen Landesbischofs Hanns Lilje wurde Niemanns Materialbild Hahn installiert. Keramikinstallationen wie das Keramische Wandrelief, das Keramikbild Eulenspiegel oder eine Keramikwand gehörten ebenso zu seinen Werken wie Wand-Kachelmosaike, Wand- und Deckenmalerei und der Kunststein-Fries am Gerichtsgebäude am Ostertor.

Für den Senat der Freien Hansestadt Bremen stellte er keramische Tabak-, Kaffee-, Tee- und Konfektdosen her, die ab 1967 offiziellen Senatsgästen als Präsent überreicht wurden.[24] Als Motiv dienten die Bremer Stadtmusikanten.

Für das „Bremer Haus“ in Bonn, den Sitz der bremischen Vertretung in der bundesrepublikanischen Hauptstadt, das u. a. der spätere Bundespräsident Karl Carstens mit seiner Frau bewohnte,[25] entwarf Niemann die Boden- und Wandteppiche.  

Aufgrund der hohen Qualität seiner Arbeit erhielt Niemann eine Professur an der Hochschule für Künste (HfK) Bremen und wurde dort Leiter der „Abteilung Fläche“.[26] In den 1970er Jahren engagierte er sich mit seinem Freund Martin Kausche für den Aufbau der Worpsweder Künstlerhäuser.[27]

Krankheit und Tod[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Leiter der „Abteilung Fläche“ der Staatlichen Kunsthochschule Bremen arbeitete Niemann in den Werkstatträumen mit Lacken und Farben und war einer täglich hohen Konzentration an Lösungsmitteln ausgesetzt. Er entwickelte, wie sein Vorgänger und sein Nachfolger, Leukämie. Die zu dem damaligen Zeitpunkt nicht heilbare Krankheit und den absehbaren Tod vor Augen, setzte sich Niemann in seiner letzten Arbeit mit dem Tod auseinander. Er verstarb 1986 mit 71 Jahren. Er liegt auf dem Worpsweder Friedhof begraben.

Nachlass[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch private Rückkäufe befinden sich die meisten Bilder von Walter Niemann inzwischen im Besitz seiner Familie. Des Weiteren besitzen die Worpsweder Museen[28] und die Stiftung Haus im Schluh[29] in Worpswede zahlreiche seiner Kunstwerke.

1950er Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1960er Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1970er Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Spätwerk (1980er Jahre)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Walter Niemann (Maler) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wilhelm Marquardt: Gegen das Vergessen - Heinz Strelow. Norderstedt 2020, ISBN 978-3-7519-5194-4.
  2. Ursula Ziebarth: Hatschi und Schildbürgergeschichten. Erinnerungen an Walter Niemann. 2013, S. 4–5.
  3. Walter Niemann – Charlotte Niemann: Feldpostbriefwechsel 1939-1945.
  4. Ursula Ziebarth: Hatschi und Schildbürgergeschichten. Erinnerungen an Walter Niemann. 2013, S, 4–5.
  5. Barkenhoff-Stiftung Worpswede (Hrsg.): Heiteres Worpswede. Worpsweder Verlag, 1994, ISBN 3-89299-171-5, S. 5.
  6. Barkenhoff-Stiftung Worpswede (Hrsg.): Heiteres Worpswede. Worpsweder Verlag, 1994, ISBN 3-89299-171-5, S. 129.
  7. Barkenhoff-Stiftung Worpswede (Hrsg.): Heiteres Worpswede. Worpsweder Verlag, ISBN 3-89299-171-5, S. 160, 161, 163, 164, 176, 177.
  8. Barkenhoff-Stiftung Worpswede (Hrsg.): Heiteres Worpswede. Worpsweder Verlag, 1994, ISBN 3-89299-171-5, S. 128.
  9. Barkenhoff-Stiftung Worpswede (Hrsg.): Heiteres Worpswede. Worpsweder Verlag, 1994, ISBN 3-89299-171-5, S. 139.
  10. Heinrich Leippe (Hrsg.): Merian. Worpswede. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1949, S. 82–88.
  11. Barkenhoff-Stiftung Worpswede (Hrsg.): Worpswede intern. Worpsweder Verlag, 1989, ISBN 3-922516-82-3, S. 277.
  12. Umschlag und Illustrationen von Walter Niemann: In der Altstadt, Erzählungen zur bremischen Heimatkunde. Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft Bremer Schule e. V. Eilers & Schünemann Verlagsgesellschaft, Bremen.
  13. Barkenhoff-Stiftung Worpswede (Hrsg.): Worpswede intern. Worpsweder Verlag, 1989, ISBN 3-922516-82-3, S. 269, 284.
  14. Ursula Ziebarth: Hatschi und Schildbürgergeschichten, Erinnerungen an Walter Niemann. Hrsg.: Ursula Ziebarth. Berlin 2013, ISBN 978-3-00-044091-5, S. 31,33.
  15. Walter Niemann: Sehweisen. Vorwort: Jürgen Döring, Nachwort: Jobst von Harsdorf. Hrsg.: Charlotte Niemann. Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 1988, ISBN 3-88132-907-2.
  16. Walter Niemann: Sehweisen. Vorwort: Jürgen Döring, Nachwort: Jobst von Harsdorf. Hrsg.: Charlotte Niemann. Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 1988, ISBN 3-88132-907-2.
  17. Ursula Ziebarth: Hatschi und Schildbürgergeschichten, Erinnerungen an Walter Niemann. Hrsg.: Ursula Ziebarth. Berlin 2013, ISBN 978-3-00-044091-5, S. 3.
  18. Weser Kurier: Gästebuch eines Jahrhunderts. 100 Jahre Haus im Schluh - Stätte einer künsterischen Produktion. 29. November 2021, abgerufen am 29. Januar 2022.
  19. Walter Niemann: Sehweisen. Vorwort: Jürgen Döring, Nachwort: Jobst von Harsdorf. Hrsg.: Charlotte Niemann. Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 1988, ISBN 3-88132-907-2.
  20. Weser Kurier: Eine Radio-Pionierin und ein Tausendsassa. Sie wären beide in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden – Charlotte und Walter Niemann. 4. Juli 2015, abgerufen am 29. Januar 2022.
  21. Text: Gisela Arnd; Bild: Hans Saebens: Worpsweder Bilderbuch. Einbandentwurf nach einem Materialbild von Walter Niemann. Hrsg.: Hans Saebens. Burkhard-Verlag Ernst Heyer, Worpswede 1966, S. 68.
  22. Weser Kurier: Eine Radio-Pionierin und ein Tausendsassa. Sie wären beide in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden – Charlotte und Walter Niemann. 4. Juli 2015, abgerufen am 28. Januar 2022.
  23. Die sieben Faulen. Fritz Gansbergschule Bremen. Abgerufen am 28. Januar 2022. an.
  24. Weser Kurier: Eine Radio-Pionieren und ein Tausendsassa. Sie wären beide in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden – Charlotte und Walter Niemann. 4. Juli 2015, abgerufen am 28. Januar 2022.
  25. Karl Carstens: Erinnerungen und Erfahrungen. Hrsg.: Kai von Jena, Reinhard Schmoeckel. De Gruyter Oldenbourg (Verlag), 1993, ISBN 978-3-486-41928-3, S. 148–149.
  26. Walter Niemann: Sehweisen. Vorwort: Jürgen Döring, Nachwort: Jobst von Harsdorf. Hrsg.: Charlotte Niemann. Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 1988, ISBN 3-88132-907-2.
  27. Weser Kurier: Eine Radio-Pionierin und ein Tausendsassa. Sie wären beide in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden – Charlotte und Walter Niemann. 4. Juli 2015, abgerufen am 29. Januar 2022.
  28. Worpsweder Museen. Abgerufen am 28. Januar 2022.
  29. Heinrich Vogeler Stiftung: Worpsweder Museum. Abgerufen am 28. Januar 2022.