Walter Schwagenscheidt

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Walter Schwagenscheidt (* 23. Januar 1886 in Elberfeld; † 16. Januar 1968 in Kronberg im Taunus) war ein deutscher Architekt und Städteplaner aus dem Umfeld des Neuen Frankfurts, der von 1930 bis 1933 in der Sowjetunion lebte und wirkte.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Walter Schwagenscheidt absolvierte eine Bautechnikerlehre, ehe er mit dem Architekturstudium an der Kunstgewerbeschule in Düsseldorf begann. Teile seines Studiums verbrachte er auch an den Technischen Hochschulen in Stuttgart und München.

Anfang der 1920er Jahre entwickelte er sein Raumstadt-Konzept, als er noch im Planungsbüro von Theodor Veil mitarbeitete und Assistent an dessen Lehrstuhl an der RWTH Aachen war. Ende der 1920er Jahre war er Mitarbeiter von Ernst May in Frankfurt am Main und ab 1927 unterrichtete er an den Technischen Lehranstalten in Offenbach (heutige HfG Offenbach).

Die „Brigade May“ in der Sowjetunion (1931)

Mit Mays Gruppe ging Schwagenscheidt 1930 bis 1933 in die Sowjetunion.[1] Er stellte u. a. mit Ernst May 1931 den Generalbebauungsplan Ščeglovsk, mit Ernst May, Mart Stam, Hans Schmidt, Johan Niegeman, Fred Forbat (Städtebau), Ulrich Wolf (Grünplanung), Wilhelm Schütte (Schulbau), Margarete Schütte-Lihotzky (Kindergärten), Hans Burkart (Wohnungsbau), Carl Lehmann (Tiefbau), Anton Bayer, Hans Leistikow 1931–1933 den Generalbebauungsplan Magnitogorsk[2] auf und beteiligte sich mit Kurt Liebknecht im internationalen Wettbewerb für die Bebauung des linken Schelde-Ufers in Antwerpen.[3] Da die Architektur der Neuen Sachlichkeit in der Sowjetunion keinen Anklang fand und als formalistisch abgelehnt wurde, kehrte die Mehrzahl der Mitglieder der Gruppe wieder nach Deutschland zurück. Schwagenscheidt ließ sich 1934 in Kronberg im Taunus nieder und lebte bescheiden von Aufträgen für kleine Wohnhäuser und Umbauten.

In den frühen 1950er Jahren war Schwagenscheidt wieder als Dozent im Fachbereich Architektur an der Werkkunstschule, der heutigen Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main tätig. Ab 1952 betrieb er ein Architekturbüro mit Tassilo Sittmann.

1959 nahmen Schwagenscheidt und Sittmann am städtebaulichen Wettbewerb zur Frankfurter Nordweststadt teil und erreichten den 3. Platz. Da dieser Entwurf am besten den Vorstellungen des Planungsdezernenten Hans Kampffmeyer entsprach, wurde dieser zur Realisierung ausgewählt.

Würdigung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Walter Schwagenscheidts bedeutendste Leistung ist die Frankfurter Nordweststadt, in welcher er Ideen aus seiner Konzeption einer Raumstadt realisieren konnte. Schwagenscheidt und Sittmann konnten in der Nordweststadt nicht alle ihre Vorstellungen umsetzen, so wurden statt ihrer Gebäudeentwürfe größtenteils Standardhäuser der beteiligten, damals noch gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften gebaut. Der Grundriss der Nordweststadt entspricht jedoch fast vollständig dem städtebaulichen Entwurf Schwagenscheidts und Sittmanns.

Die lockere räumliche Anordnung der Häuser in parkähnlichen Grünanlagen mit einem zum Autoverkehr kreuzungsfreien Fußwegenetz sowie die äußere Verkehrserschließung der Nordweststadt sind Walter Schwagenscheidt und Tassilo Sittmann zuzuschreiben. Auch die Cantate-Domino-Kirche wurde von ihm zusammen mit Sittmann geplant.

Im November 1954 wurde der Entwurf des Hauses Franz Westhoff, Mammolshain, Am Wacholderberg, von einer Jury, die vom Bund Deutscher Architekten und dem Hessischen Minister der Finanzen einberufen war, als „vorbildlicher Bau im Lande Hessen“ ausgezeichnet. Der Jury gehörten folgende Architekten an: Werner Hebebrand, Konrad Rühl, Sep Ruf und Ernst Zinsser.[4]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Walter Schwagenscheidt: Die Raumstadt. Hausbau und Städtebau für jung und alt, für Laien und was sich Fachleute nennt. Skizzen mit Randbemerkungen zu einem verworrenen Thema. Lambert Schneider, Heidelberg 1949. Nachdruck: Bauhaus-Universität, Weimar 2001.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Deutscher Werkbund Hessen, Wilhelm E. Opatz (Hrsg.): Einst gelobt und fast vergessen, moderne Kirchen in Frankfurt a. M. 1948–1973. Niggli-Verlag, Sulgen 2012, ISBN 978-3-7212-0842-9.
  • Elke Sohn: Zum Begriff der Natur in Stadtkonzepten anhand der Beiträge von Hans Bernhard Reichow, Walter Schwagenscheidt und Hans Scharoun zum Wiederaufbau nach 1945. LIT-Verlag, Münster 2008, ISBN 978-3-8258-9748-2.
  • Burghard Preusler: Walter Schwagenscheidt 1886–1968. Architektenideale im Wandel sozialer Figurationen. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1985, ISBN 978-3-421-02836-5.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Rootless cosmopolitan. Judeo-Bolshevik: Walter Schwagenscheidt in the Soviet Union, circa 1932 Published July 30, 2013 at 500 × 522 in Foreign architects in the Soviet Union during the first two five-year plans. In: The Charnel-House. Abgerufen am 29. August 2023 (englisch).
  2. ernst-may-gesellschaft e.V.: Werkübersicht Sowjetunion 1930-1933. In: ernst-may-gesellschaft e.V. ernst-may-gesellschaft e.V., abgerufen am 29. August 2023.
  3. Kurt Liebknecht: Mein bewegtes Leben. VEB Verlag für Bauwesen, Berlin 1986, S. 68–69.
  4. Auszeichnung vorbildlicher Bauten im Lande Hessen vom 6. November 1954. In: Der Hessische Minister der Finanzen (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1955 Nr. 4, S. 70, Punkt 75 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 3,6 MB]).
  5. Stadt Wuppertal: Walter Schwagenscheidt. In: Wuppertal Bildung & Kultur. Stadt Wuppertal, abgerufen am 29. August 2023.