Zählstück

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Das Zählstück (mittellateinisch frustum) diente in der mittelalterlichen Altmark, gesamten Mark Brandenburg und darüber hinaus als Maßeinheit, Recheneinheit und Rechnungswährung.[1][2][3]

Funktion und Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zahlungen der Abgaben erfolgten in zahlreichen, verschiedenen Münzen und Naturalien.[4] Das Zählstück stellte deren Vergleichbarkeit her. Es verkörperte die durchschnittliche Abgabenhöhe einer Hufe.[5] Das Landbuch Kaiser Karls IV. von 1375 hielt im Nebenabschnitt 1.10 Werte des Rechnungswährungen, Gegenwerte der Naturalien die notwendigen Informationen bereit:[6]

Werte des Zählstücks[6][7]
1 Zählstück = 1 Wispel Roggen
= 1 Wispel Gerste
= 2 Wispel Hafer
= 16 Scheffel Weizen
= 12 Scheffel Erbsen[8][9]
= 2 Schock Hühner
= 1 Pfund (Währung) an Brandenburgischem Silber
= 20 Schilling an Pfennig Brandenburgisches Silber

Alles ließ sich untereinander austauschen.[1] Bei eindeutigen Formulierungen handelte es sich um Geld- oder Natural-Zählstücke, bei unklaren, verkürzten Angaben um unbestimmte Zählstücke. Unter den Werten waren keine Preisangaben zu verstehen. Die Zählstückbuchhaltung konnte nicht für die Bestimmung von Marktpreisen benutzt werden.[10]

Ausgehend von Eckhard Müller-Mertens nutzten Mediävisten das Zählstück in der Tradition der mittelalterlichen Schreiber – es ermöglichte die Vergleichbarkeit.[1][10][8]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Entstehung des Zählstücks gründete im anfänglich unterentwickelten Münzwesen der Mark Brandenburg, der Oberhand der Naturalwirtschaft. Erstmals erschien es in der Märkischen Fürstenchronik von 1260 (CDB, Hauptteil D, Band I, S. 13).[1] Seine erste Bewährungsprobe erlebte die Recheneinheit in den Bedeverträgen der 1280er Jahre. Die Ermittlungsmethodik der Hufenbede begünstigte eine unkomplizierte Ausweisung in Zählstücken.[2][11]

Das Landbuch Kaiser Karls IV. wies ein knappes Jahrhundert später Abgaben und Hebungen in ihm aus.[12][13] Es bot zudem eine Aktualisierung an. Spätestens in der Zeit der Luxemburger hatte sich der Böhmische Groschen landesweit verbreitet. Das Urbar etablierte die Silbermünze parallel als Rechnungswährung:[14]

Werte des Böhmischen Groschen[14][7]
212 Böhmische Groschen = 1 Pfund (Gewichtsmaß) Wachs[6]
712 Böhmische Groschen = 1 Pfund (Gewichtsmaß) Pfeffer[6]
48 Böhmische Groschen = 1 Wispel Getreide[15]
90 Böhmische Groschen = 1 Tonne Honig[16]

Während der Regentschaft von Karl IV. in der Markgrafschaft galt 1 Böhmischer Groschen = 6 Brandenburgische Pfennig, 1 Zählstück entsprach demnach 40 Böhmischen Groschen.[14] Das gleiche Verhältnis gab Arthur Suhle für das Jahr 1426 an.[17] Die Landbede des Jahres 1451 zur Deckung der kurfürstlichen Schulden setzte weiterhin auf die Recheneinheit. In jeder Ortschaft wurden die Abgaben zusammen-, in Zählstücke umgerechnet und jedes davon mit zu zahlenden 40 Böhmischen Groschen angesetzt.[18] Ein späterer Beleg stammte aus dem Bistum Brandenburg. Das sogenannte Rechnungsbuch des Joachim Cassel erfasste zwischen 1526 und 1530 verschiedene kirchliche Ab- und Ausgaben, nutzte dafür u. a. das Zählstück.[19] Wann seine Verwendung außer Gebrauch kam, bedarf noch der Untersuchung (Stand 2019).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

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Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sekundärliteratur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Evamaria Engel: Lehnbürger, Bauern und Feudalherren in der Altmark um 1375. In: Feudalstruktur, Lehnbürgertum und Fernhandel im spätmittelalterlichen Brandenburg. Einleitung von Eckhard Müller-Mertens (= Hansischer Geschichtsverein [Hrsg.]: Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte. Band VII). Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1967, DNB 456539689, S. 29–220.
  • Eckhard Müller-Mertens: Hufenbauern und Herrschaftsverhältnisse in Brandenburgischen Dörfern nach dem Landbuch Karls IV. von 1375. Dissertation Humboldt-Universität Berlin 14. November 1951. In: Walter Friedrich (Hrsg.): Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität Berlin. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe. Jahrgang 1; Heft 1, Berlin 1951/52, S. 35–79.
  • Stefan Pätzold: Salzwedel und die Altmark im Landbuch der Mark Brandenburg von 1375/1376. In: Landesheimatbund Sachsen-Anhalt, Cornelia Kessler (Hrsg.): Geschichte und Gegenwart der westlichen Altmark. Protokoll des Wissenschaftlichen Kolloquiums am 23./24. Oktober 1999 in Salzwedel (= Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts. Heft 16). Druck-Zuck, Halle an der Saale 2000, ISBN 3-928466-32-1, S. 35–47 (Volltext in Concilium medii aevi [PDF; 47 kB; abgerufen am 6. Juli 2016]).
  • Hans Spangenberg: Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter (= Verein für Geschichte der Mark Brandenburg [Hrsg.]: Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg. Band 7). Duncker & Humblot, Leipzig 1908, DNB 1128416743.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Eckhard Müller-Mertens: Hufenbauern und Herrschaftsverhältnisse in brandenburgischen Dörfern nach dem Landbuch Karls IV. von 1375. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität Berlin. Jahrgang 1; Heft 1, Berlin 1951/52, Die Hauptaufgaben der Hufenbauern; Zins, Pacht und Bede. Die Pacht, S. 48–51, hier S. 51.
  2. a b Hans Spangenberg: Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter. Duncker & Humblot, Leipzig 1908, 3. Abschnitt. Das Finanzwesen. 1. Kapitel. Die Einnahmen. 3. Die Steuern. a) Die ordentlichen direkten Steuern. 4. Die Steuereinheit, -Berechnung und Steuersatz, S. 355–363, hier S. 356–357.
  3. Fritz Curschmann: Anhang. In: Die Diözese Brandenburg. Duncker & Humblot, Leipzig 1906, Register über Prokuration, Subsidium und Hufengeld im Bistume Brandenburg, S. 389–477.
  4. Evamaria Engel: Lehnbürger, Bauern und Feudalherren in der Altmark um 1375. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1967, Drittes Kapitel. Besitz- und Abgabenverhältnisse der ländlichen Bevölkerung in den altmärkischen Dörfern. Abgaben der Hufenbauern, S. 78–86.
  5. Stefan Pätzold: Salzwedel und die Altmark im Landbuch der Mark Brandenburg von 1375/1376. In: Geschichte und Gegenwart der westlichen Altmark. Druck-Zuck, Halle an der Saale 2000, ISBN 3-928466-32-1, Anmerkungen. 21, S. 46.
  6. a b c d Johannes Schultze: (Hrsg.): Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375. Kommissionsverlag von Gsellius, Berlin 1940, [Rechentabellen und Übersichten]. De talento, frusto, annona, pipere, pisis, S. 18.
  7. a b Johannes Schultze: Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375. Kommissionsverlag von Gsellius, Berlin 1940, Sachverzeichnis und Worterklärungen, S. 458–461.
  8. a b Joachim Stephan: Die Zauche in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. In: Christian Popp, Joachim Stephan (Hrsg.): An Elbe und Oder. Verlag Dr. Stephan, Einhausen 2008, ISBN 978-3-939457-06-0, Die Landbevölkerung. Die Hufenbauern, S. 74–79, hier S. 78.
  9. Friedrich Gröbel, Edwin Habel (Hrsg.): Mittellateinisches Glossar. Einführung von Heinz-Dieter Heimann (= Uni-Taschenbücher. Band 1551). unveränderter Nachdruck der 2. Auflage, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2008, ISBN 978-3-8252-1551-4, pisus, Sp. 290.
  10. a b Evamaria Engel: Lehnbürger, Bauern und Feudalherren in der Altmark um 1375. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1967, 1. Kapitel. Die altmärkischen Dorfregister des Landbuchs. Fußnote 49, S. 49–50.
  11. Helmut Assing: Die Landesherrschaft der Askanier, Wittelsbacher und Luxemburger (Mitte des 12. bis Anfang des 15. Jahrhunderts). In: Ingo Materna, Wolfgang Ribbe (Hrsg.): Brandenburgische Geschichte. Akademie Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-05-002508-5, Die allmähliche Herausbildung staatlicher Strukturen in der Mark Brandenburg, S. 121–126, Bedeverträge: S. 123.
  12. Johannes Schultze (Hrsg.): Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375. Kommissionsverlag von Gsellius, Berlin 1940, (Obule et Merice). Magna Bentz, S. 182–183, Quilibet mansus solvit pro toto 1 frustum. … Taberna dat 112 frustum.: S. 182, Z. 2–3 von Magna Bentz.
  13. Johannes Schultze (Hrsg.): Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375. Kommissionsverlag von Gsellius, Berlin 1940, Czucha. Sticken, S. 202–203, Relicta Sticken habet 112 frustum et 4 modios a marchione.: S. 202, letzte Z.–S. 203, Z. 1.
  14. a b c Hans Spangenberg: Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter. Duncker & Humblot, Leipzig 1908, 3. Abschnitt. Das Finanzwesen. 1. Kapitel. Die Einnahmen. 3. Die Steuern. a) Die ordentlichen direkten Steuern. 4. Die Steuereinheit, -Berechnung und Steuersatz. Fußnote 356-3, S. 356.
  15. Johannes Schultze (Hrsg.): Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375. Kommissionsverlag von Gsellius, Berlin 1940, [Rechentabellen und Übersichten]. De blado, S. 17.
  16. Johannes Schultze (Hrsg.): Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375. Kommissionsverlag von Gsellius, Berlin 1940, De silvis seu silvarum proventibus, S. 36.
  17. Arthur Suhle: Die Münzverhältnisse in der Mark Brandenburg im 14. Jahrhundert. In: Johannes Schultze (Hrsg.): Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375. Kommissionsverlag von Gsellius, Berlin 1940, Übersicht und Zusammenfassung der wichtigsten Wertverhältnisse z. Zt. des Landbuches, S. 468–469.
  18. Lieselott Enders: Die Altmark. Geschichte einer kurmärkischen Landschaft in der Frühneuzeit (Ende des 15. bis Anfang des 19. Jahrhunderts) (= Klaus Neitmann [Hrsg.]: Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs. Band 56). Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-8305-1504-3, B. Die ländliche Gesellschaft in der Frühneuzeit. III. Die Lebensverhältnisse der Dorfbewohner. Die Bauern und Kossäten. d) Die öffentlichen Lasten. Landschoß, S. 318–319.
  19. Fritz Curschmann: Anhang. In: Die Diözese Brandenburg. Duncker & Humblot, Leipzig 1906, Register über Prokuration, Subsidium und Hufengeld im Bistume Brandenburg. [Einleitung], S. 390–393.