Zelluläre Landwirtschaft

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Zelluläre Landwirtschaft ist ein Forschungsgebiet, das sich mit der Herstellung von tierischen und pflanzlichen Produkten in Zellkultur beschäftigt. Hierunter fallen Produkte wie In-vitro-Fleisch, Fisch, Milch, Eier, Gelatine, Seide und Leder. Der zellulären Landwirtschaft wird das Potential zugesprochen, eine Alternative zu den mit ökologischen und ethischen Problemen beaufschlagten herkömmlichen Produktionsmethoden für tierische Produkte darstellen zu können. In den letzten Jahren erfuhr das Forschungsgebiet wachsendes Interesse von Wissenschaftlern und Investoren.

Üblicherweise wird zwischen zellulären und azellulären Produkten unterschieden. Zelluläre Produkte bestehen aus ganzen Zellen oder künstlichen Geweben und werden auf dem Wege des Tissue Engineering hergestellt. Azelluläre Produkte sind organische Stoffe (z. B. Proteine, Lipide), die von Zellkulturen hergestellt werden. Im Endprodukt sind dann keine Zellen enthalten. Bezüglich des Herstellungsprozesses lässt sich zelluläre Landwirtschaft in Zell-/Gewebskultivierung und Präzisionsfermentation unterscheiden.

Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tissue Engineering[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zellauswahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Herstellung von kultiviertem Fleisch werden Stammzellen als Ausgangsmaterial verwendet, welche die Fähigkeit zu zahlreichen Zellteilungen besitzen (Proliferation) und zugleich die Kapazität, sich in ein bestimmtes Gewebe zu entwickeln (Differenzierung). Da die Hauptbestandteile von in vivo gewachsenem Fleisch Muskel- und Fettgewebe sind, fokussiert sich ein Großteil der momentanen Forschung auf die Produktion von kultiviertem Muskel und kultiviertem Fett, wofür jeweils verschiedene Zelltypen verwendet werden können. So enthalten beide Organe gewebespezifische adulte Stammzellen, i. e. Satellitenzellen in Muskeln oder mesenchymale bzw. fibroadipotöse Stammzellen in Fett. In Abgrenzung zu adulten Stammzellen werden auch pluripotente Stammzellen für die Produktion eines oder mehrerer Gewebe verwendet, beispielsweise embryonale Stammzellen oder induzierte pluripotente Stammzellen. Da sich pluripotente Stammzellen in eine Vielzahl verschiedener Zelltypen ausdifferenzieren können, ist zu deren spezifischer Differenzierung eine komplexe Mischung verschiedener Zellstimuli, wie Wachstumsfaktoren oder transgene Genexpression, notwendig. Die Anforderung an die Zellen, sich noch häufig teilen zu können, um aus dem vom Tier entnommenen Material ökonomisch relevante Mengen kultivierten Fleisch herzustellen, stellt dabei eine besondere Herausforderung für die Entwicklung der Technologie dar. Es wird dabei von 30 bis 50 notwendigen Zellteilungen ausgegangen, welche jedoch in den Bereich des Hayflick Limits kommen. Die Entwicklung von Zelllinien, d. h. der von einer Zelle oder einer geringen Anzahl an Zellen ausgehende Zellpopulation, die diesen Anforderungen gerecht werden, wird hierbei auch als Zelldesign bezeichnet. Der Begriff Zelldesign umfasst dabei die Auswahl der Stammzellen, die Optimierung ihrer Wachstumsbedingung, also auch die genetische Modifikation, und hat zum Ziel, die genetische Stabilität und Reproduzierbarkeit des Wachstums und finaler Produkte zu maximieren.[1][2]

Nährmedien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um außerhalb eines Organismus wachsen zu können, benötigen Zellen in vitro eine Nährlösung (auch Kulturmedium), die den Zellen als Nährstofflieferant dient. Diese können neben dem Hauptbestandteil Wasser unter anderem anorganische Salze, verschiedene Zucker, Aminosäuren, Peptide, Vitamine und Wachstumsfaktoren enthalten.[3] Im Gegensatz zur medizinischen Anwendung besteht in der zellulären Landwirtschaft die zusätzliche Einschränkung, dass keine oder nur geringe Anteile an tierischen Produkten wie beispielsweise Fetales bovines Serum in den Nährmedien verwendet werden können, um dem Ziel einer (von den ursprünglichen Zellen abgesehen) tierfreien Produktion von kultiviertem Fleisch gerecht zu werden.[4]

Biomaterial[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um adhärente (anhaftende) Zellen wie Satellitenzellen in einem Bioreaktor proliferieren zu lassen, werden üblicherweise Mikroträger (Microcarrier) verwendet. Diese müssen biologisch aktiv sein, sodass die Zellen z. B. durch fokale Adhäsion mit ihnen interagieren können, und idealerweise auch biologisch abbaubar oder essbar, um im späteren Produkt keine Gefahrenstoffe darzustellen. Die Suche nach den idealen Mikroträgern stellt innerhalb der zellulären Landwirtschaft eine eigene Forschungsdisziplin dar. Auch für die Differenzierung von Myoblasten (wie auch von pluripotenten Stammzellen) zu Myozyten muss eine Stützstruktur vorhanden sein, auf der sich die zunächst mononukleären Zellen zu multinukleären Muskelfasern durch Zellfusion ausbilden können. Bei Stützstrukturen wird grundsätzlich unterschieden zwischen Hydrogelen, die ausgangs noch in flüssigem Zustand mit den Zellen gemischt werden und bei höheren Temperatur, Salzkonzentrations- oder pH-Änderungen aushärten (z. B. Kollagen, Matrigel, Gelatin, Alginate, Agarose etc.), und bioaktiven porösen Gerüsten (Scaffolds), wie beispielsweise Soja, Pektin oder Gellan.[5][6]

Fermentation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Hilfe von Präzisionsfermentation (engl. precision fermentation) lassen sich tierische Produkte wie zum Beispiel Milch und Eier herstellen. Beide Lebensmittel besitzen Proteine mit besonderen sensorischen Eigenschaften, welche nur schwierig durch pflanzliche Proteine ersetzt werden können. Durch Präzisionsfermentation lassen sich durch genetisch veränderte Mikroorganismen diese Proteine herstellen, ohne dass hierfür ein Tier benötigt wird.

Ein bereits etabliertes Produkt ist zum Beispiel mikrobiell fermentiertes Lab.[7] Das Enzym Chymosin B ist eine Protease, die natürlicherweise im Labmagen von Kälbern gebildet wird. Es ist in der Lage, Proteine in der Milch der Mutterkuh zu spalten, und erleichtert so die Verdauung der Proteine für das Kalb. Gleichzeitig führt das Spalten der Milchproteine zu einer Veränderung der Löslichkeit der Proteine. Die Proteine fallen aus und die Milch dickt ein. Aufgrund dieser Fähigkeit wird Lab bzw. das darin enthaltene Chymosin B zur Produktion von Käse verwendet. Traditionell wird Lab aus den Mägen geschlachteter Kälber gewonnen. Durch Präzisionsfermentation ist seit Anfang der 1990er Jahre auch eine tierfreie Alternative erhältlich. Durch Einführen der Original-Gensequenz von Chymosin B aus dem Hausrind in einem Pilz (Trichoderma reesei) kann ein identisches Protein aus einem Fermentationsprozess anstatt aus Schlachtung gewonnen werden. Heutzutage werden 80 % des weltweit in der Käseproduktion eingesetzten Labs auf diese Weise produziert.[7]

Motive für die Erforschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Umwelt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um den Umwelteinfluss von kultiviertem Fleisch herauszufinden, gibt es verschiedene LCA-Studien (life cycle asessment), die kultiviertes Fleisch mit konventionellen Tierprodukten vergleichen. Die neueste Studie (Stand 2022) kommt vom niederländischen Forschungsinstitut CE Delft. Demnach wird der ökologische Fußabdruck wie folgt verringert: Kultiviertes Fleisch verursacht 92 % weniger Treibhausgas-Emissionen als konventionelles Rindfleisch, 52 % weniger als konventionelles Schwein und 17 % weniger als bei konventionellem Huhn. Außerdem benötigt kultiviertes Fleisch laut einer Prognose bei Verwendung nachhaltiger Energie (CM sust.) im Vergleich zu konventionellem Rindfleisch bis zu 95 % weniger Land, 78 % weniger Wasser, spart bis zu 93 % der Feinstaubbelastung ein und verringert die Auswirkungen auf die globale Erwärmung um 92 %.[8][9]

Gesundheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zielsetzung, mit kultiviertem Fleisch das tierische Produkt nachzuahmen, setzt eine grundlegende Übereinstimmung der Zusammensetzung von Muskelfleisch und kultiviertem Fleisch voraus. Natürliches Fleisch trägt zur vollwertigen Protein-, Vitamin- und Mineralstoffversorgung bei, die je nach Entnahmeregion, Tier oder Fleischprodukt variieren kann. Kritik gegenüber Fleischprodukten entspringt vor allem erhöhten Anteilen gesättigter Fettsäuren in nicht mageren Fleischstücken oder Fleischprodukten.[10] Ebenso werden Zusätze in Fleischprodukten wie Pökelsalz durch ihre gesundheitsschädliche Auswirkung bei hohem Konsum kritisiert. Die synthetische Herstellung von kultiviertem Fleisch ermöglicht es hypothetisch, die Fettmenge sowie die Fettsäurezusammensetzung durch Adipozyt-Kulturen zu optimieren.[11] Ein Austausch von gesättigten mit mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren, wie sie in Fisch vorkommen, ist in Diskussion.[11][12][13] Da das Endprodukt von den hinzugefügten Zellen und dem Nährmedium definiert wird und durch eben diese verändert werden kann, besteht die Möglichkeit des Fine-Tunings. Dadurch könnte das als erstrebenswert anerkannte Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3-Fettsäuren in die hergestellten Produkte eingefügt werden. Zwar ist die Umsetzung von diesen Überlegungen noch nicht gesichert, es gibt jedoch einige Ansätze der Umsetzung der Fettoptimierung, z. B. durch Fettsäuresupplementation des Mediums[14] oder durch Tuning der Fettsäurezusammensetzung in den zugegebenen Adipozyten.[15]

Die Zugabe von Vitaminen und Mineralien wird derzeit durch Supplementation des Mediums oder des Endproduktes erforscht.[14][16] Durch fortschreitende Forschung wird der nutritive Inhalt kultivierten Fleisches möglicherweise den von tierentnommenem Fleisch übertreffen, jedoch muss dieser mit den Einflüssen der Veränderungen auf Geschmack und Konsistenz des Endproduktes abgeglichen werden. Forschung in diesem Bereich beschäftigt sich mit dem Fortschrittsgedanken, kultiviertes Fleisch zu verbessern und gleichzeitig potenzielle Konsequenzen dieser Abänderungen aufzudecken und zu beheben.[17]

Ein weiterer Kritikpunkt des heutigen Fleischkonsums ist die Anreicherung von Antibiotika im Fleisch, welche durch nicht artgerechte Massentierhaltung notwendig sind. Durch den Wegfall des Heranzüchtens eines kompletten Tieres umgeht die kultivierte Fleischproduktion solche Probleme und weist so in der Theorie weniger gesundheitliche Bedenken als konventionell hergestelltes Fleisch auf. Start-ups im Bereich der zellulären Landwirtschaft nutzen weitaus weniger Antibiotika als konventionelle Tierhaltung.[11] Die sterile Herstellung kultivierten Fleisches ohne jegliche Antibiotika ist zwar noch keine Realität, da Antibiotika potenziell zur Vermeidung möglicher Kontamination in der Zellkultur dienen; die Gesamtmenge der Antibiotikarückstände im Endprodukt würde jedoch drastisch gesenkt werden. Die Bedingungen in Zellkulturen verhindern ebenso die Übertragung von Zoonosen oder Kontaminationen, wie sie in Schlachthäusern möglich sind.[11] Durch den sinkenden Kontakt mit lebendigen Tieren in Massentierhaltung könnte die Risikoaussetzung von Menschen mit viralen Pathogenen reduziert werden.[18] Die Sicherheit der zugesetzten Substrate, die zur Entwicklung von kultiviertem Fleisch notwendig sind, muss sichergestellt werden können, um bisher unbekannte Gesundheitsrisiken durch neue Technologien ausschließen zu können.[19] Im Allgemeinen wird die Lebensmittelsicherheit kultivierten Fleisches als hoch eingestuft,[20] muss jedoch im Umfeld der Hochskalierung noch bestätigt werden.

Abseits von kultiviertem Fleisch wird zelluläre Landwirtschaft auch genutzt, um durch Präzisionsfermentation identische Tierprodukte (z. B. Proteine) ohne die Nutzung des Tieres herzustellen.[7] Hierfür wird genetisches Material des gewünschten Tierproteins in einen effizienten Wirt, z. B. Hefen, integriert, welche dann in Fermentationsinkubatoren kultiviert werden und so eine große Menge des gewünschten Proteins produzieren. Das Produkt kann vom Wirt (Host) getrennt und aufgereinigt werden. Enzyme, die durch diesen Prozess hergestellt und vom Host genutzt werden, wurden durch die FDA als generally regarded as safe (GRAS) eingestuft.[7] Fermentation wird bereits häufig genutzt, z. B. in der Käseherstellung. Die Methode kann auf weitere Milchprodukte sowie Eier und Gelatine angewandt werden.[7]

Industrialisierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Markt in Deutschland und Nachbarländern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während der weltweite Markt der zellulären Landwirtschaft weltweit in zahlreichen Bereichen (Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Eier, Gelatine, Seide, Leder) wächst, konzentrierten sich Start-ups in Deutschland, Niederlande und Österreich vorerst auf den Bereich des kultivierten (Fisch-)Fleisches.

Als Pionier der Zellulären Landwirtschaft durch die Entwicklung des ersten kultivierten Fleischproduktes im Jahr 2013 gründete Mark Post 2015 das erste niederländische Unternehmen Mosa Meat, welches sich mit dem Kreieren von kultiviertem Fleisch auseinandersetzt. 2018 folgte die Gründung von Meatable, einem weiteren niederländischen Unternehmen, das den Gedanken aufgriff, die Produktion von Fleisch vom Tier zu trennen. Ein Jahr später wurde Peace of Meat ebenfalls in den Niederlanden gegründet. Peace of Meat spezialisiert sich auf die Kreation von kultiviertem tierischem Fett als wichtigem Bestandteil des Endproduktes.

Ebenfalls 2019 wird in den Niederlanden FUMI Ingredients gegründet. Fumi ingredients fokussiert sich auf Inhaltsstoffe, die durch zelluläre Landwirtschaft mit Mikroorganismen hergestellt werden. FUMI ingredients stellt Eiweiß her, das zur vielfältigen weiteren Verarbeitung genutzt werden kann.

Im Bereich der Mikroorganismennutzung ist Formo (zuvor: LegenDairy Foods) ansässig. Das 2019 gegründete Unternehmen mit Hauptsitz in Berlin nutzt Hefen zur Herstellung von Milcheiweißen, um diese vor allem zur Käseherstellung zu nutzen.[21]

Die 2018 gegründete Hamburger Firma Mushlabs nutzt Pilzmycelzellen zur Fermentation. Das Startup Bluu Biosciences, das 2020 in Berlin gegründet wurde, spezialisiert sich auf die Erzeugung von Produkten aus Fischzellen.

Die 2016 in Chicago, USA, gegründete Firma Because Animals mit Nebensitz in Wien, Österreich, ist auf Nahrung für Haustiere (Hunde, Katzen) spezialisiert.

Gesellschaftliche Aspekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Akzeptanz und Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut aktueller Studienlage (2020) ist die Akzeptanzrate zum Probieren kultivierten Fleisches bei etwas mehr als die Hälfte der Befragten (57 % der befragten Deutschen im Jahr 2019, 64,4–66,4 % in den USA).[22] Daten zum eingeschätzten regelmäßigen Kaufwillen fallen geringer aus (11,5 % in Brasilien gegenüber 59,3 % in den USA).[22] Die Hauptfaktoren, die die Akzeptanz kultiviertem Fleisches beeinflussen, sind die wahrgenommenen Vorteile für das Individuum selbst sowie für die Gesellschaft, u. a. die Vermeidung von Tierleid und Tötung, die erhöhte Einsetzung für das Tierwohl und damit verbundene moralische Ansätze, kultiviertes Fleisch als Alternative für Haustierfutter, die nicht vegan ernährt werden können bei sonstiger veganer Lebensweise der Tierhalter, sowie auch Umweltfaktoren wie Reduktion von Treibhausgasemissionen, verminderte Wasser- und Landnutzung, ein potentiell geringerer Fettgehalt des Endproduktes und die Adressierung der Hungersnot durch wachsende Weltbevölkerung. Erhöhte zukünftige Akzeptanz werde durch mehr Information über kultiviertes Fleisch zur Reduktion der Gefühle von Unnatürlichkeit und Fremdsein, die angepasste Nomenklatur und die geeignete Rahmensetzung mit Fokus auf gesellschaftliche Vorteile anstatt auf wissenschaftlichen Fortschritt erreicht.[22] Ebenfalls sei der ethische Aspekt eine treibende Kraft der Akzeptanz: Der Konsum von Tierprodukten ohne die Einschränkung von Tierwohl als Grundgedanke der zelluläre Landwirtschaft steht im Fokus vieler zukünftiger Konsumenten.[23] Die Belehrung über Umweltaspekte und Tierwohl scheint größere Zustimmung zu fördern als Informationsaustausch zu der Technologie von kultiviertem Fleisch,[24] eine Erkenntnis, die möglicherweise auf naturalistischer Heuristik beruhe, dem Gedanken, dass das Natürliche gut sei,[25] wobei angemerkt wird, dass die konventionelle Tierhaltung alles andere als natürlich ist.[26] Die Techniken der zellulären Landwirtschaft sollten daher nicht allein mit der Natürlichkeit eines Tieres verglichen werden, sondern mit dem kompletten System der Massentierhaltung.[26]

Als Nachteile werden genannt, dass in Kulturen gezüchtetes „Fleisch“ als unnatürlich, fremd und gefälscht wahrgenommen wird.[11] Zudem finden bei Zellulärer Landwirtschaft auch gentechnische Verfahren Anwendung, die besonders in Deutschland eher skeptisch gesehen wird. Die generelle Akzeptanz künstlich erzeugter Nahrungsmittel aus der Labortechnik wird ebenfalls kritisch bewertet, so wurde vom Schweizer Gottlieb-Duttweiler-Institut (GDI) im European Food Trends Report 2021 über eine australische Studie aus 2020 zur Generation Z berichtet, dass 72 Prozent der Befragten nicht bereit gewesen seien, künstlich erzeugte Fleischprodukte zu billigen.[27] Eine weitere zu klärende Frage nach dem Auskommen von Kleinbauern und ihrer landschaftspflegerischen Eigenschaften besteht vor allem im ländlichen Bereich, die auch vom Tourismus abhängig ist. Der durch die noch anfängliche Forschung hohe Preis ist ebenfalls ein Aspekt, der die Akzeptanz von kultiviertem Fleisch vermindert.[28] Des Weiteren ist die Tatsache zu beachten, dass vor allem bei der Bevölkerung in den Industrienationen vermehrt Krankheiten durch zu hohe Proteinaufnahmen, insbesondere durch tierisches Protein, induziert werden.[29][30] Empfohlen wird eine Ernährung mit 2/3 pflanzlichen Proteinen und 1/3 tierischem Protein.[31]

Akademische Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Folgende akademische Forschungsprojekte gibt es zurzeit (Stand 2022) in Deutschland:

Lobbyierende Organisationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Unterstützung des Marktes alternativer Proteine haben sich weltweit einige NGOs gegründet, um dem Markt der alternativen Proteine zu verhelfen, das Ende der Massentierhaltung zu beschleunigen und die Akzeptanz der industriellen Herstellung von tierähnlichen Produkten durch Wissensverbreitung zu erhöhen. Ziel ist es, Konsumenten, Politiker, Wissenschaftler sowie weitere Interessensgruppen zu informieren und vernetzen. In Deutschland sind die Lobbyorganisationen Good Food Institute (GFI) Europe[37] und Cellular Agriculture (CellAG) Deutschland[38] sowie CellAG Europe[39] tätig. Hochschulgruppen wie die in Regensburg und Berlin gegründeten und vom GFI unterstützten Alt.Protein-Projects setzen sich ebenfalls für die Verbreitung alternativer Proteine ein.[40][41] Ebenfalls unterstützt der Verband BALpro die zelluläre Landwirtschaft als eine alternative Proteinquelle.[42]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Mark J. Post, Shulamit Levenberg, David L. Kaplan, Nicholas Genovese, Jianan Fu, Christopher J. Bryant, Nicole Negowetti, Karin Verzijden und Panagiota Moutsatsou: Scientific, Sustainability and Regulatory Challenges of Cultured Meat. Nature Food 1, Nr. 7 (Juli 2020): S. 403–415. doi:10.1038/s43016-020-0112-z.
  2. Cultivated meat cell lines | Deep dive | GFI. 29. Januar 2021, abgerufen am 10. Januar 2023 (amerikanisches Englisch).
  3. Meenakshi Arora: Cell Culture Media: A Review. Materials and Methods 3 (5. März 2013). doi:10.13070/mm.en.3.175.
  4. A. M. Kolkmann, M. J. Post, M. A. M. Rutjens, A. L. M. van Essen und P. Moutsatsou: Serum-Free Media for the Growth of Primary Bovine Myoblasts. Cytotechnology 72, Nr. 1 (Februar 2020), S. 111–120. doi:10.1007/s10616-019-00361-y.
  5. Jasmine Si Han Seah, Satnam Singh, Lay Poh Tan und Deepak Choudhury: Scaffolds for the Manufacture of Cultured Meat. Critical Reviews in Biotechnology 42, Nr. 2 (17. Februar 2022), S. 311–323. doi:10.1080/07388551.2021.1931803.
  6. Cultivated meat scaffolding | Deep dive | GFI. 29. Januar 2021, abgerufen am 10. Januar 2023 (amerikanisches Englisch).
  7. a b c d e Valentin Waschulin, Liz Specht: Cellular agriculture: An extension of common production methods for food In: Website des Good Food Institute (PDF), abgerufen am 29. März 2022.
  8. FBR BP Biorefinery & Sustainable Value Chains, FBR Bioconversion, VLAG, Iris Vural Gursel, Mark Sturme, Jeroen Hugenholtz, Marieke Bruins: Review and Analysis of Studies on Sustainability of Cultured Meat. Wageningen: Wageningen Food & Biobased Research, 2022. doi:10.18174/563404.
  9. Elliot Swartz: New studies show cultivated meat can have massive environmental benefits and be cost-competitive by 2030 vom 9. März 2021; In: Blog des Good Food Institute; abgerufen am 30. März 2022.
  10. L. M. Valsta, H. Tapanainen und S. Männistö: Meat Fats in Nutrition. Meat Science 70, Nr. 3 (Juli 2005): S. 525–530.doi:10.1016/j.meatsci.2004.12.016.
  11. a b c d e Chriki, Sghaier, Jean-François Hocquette: The Myth of Cultured Meat: A Review. Frontiers in Nutrition 7 (7. Februar 2020): S. 7. doi:10.3389/fnut.2020.00007.
  12. The finishing touch for cultured meat? Spanish start-up scores in fat replication. Abgerufen am 10. Januar 2023 (englisch).
  13. I'll Have My Burger Petri-Dish Bred, With Extra Omega-3. Abgerufen am 10. Januar 2023 (englisch).
  14. a b Ilse Fraeye, Marie Kratka, Herman Vandenburgh, Lieven Thorrez: Sensorial and Nutritional Aspects of Cultured Meat in Comparison to Traditional Meat: Much to Be Inferred. Frontiers in Nutrition 7 (24. März 2020): S. 35. doi:10.3389/fnut.2020.00035.
  15. Kyle D. Fish, Natalie R. Rubio, Andrew J. Stout, John S.K. Yuen, David L. Kaplan: Prospects and Challenges for Cell-Cultured Fat as a Novel Food Ingredient. Trends in Food Science & Technology 98 (April 2020), S. 53–67. doi:10.1016/j.tifs.2020.02.005.
  16. Andrew J. Stout, Addison B. Mirliani, Erin L. Soule-Albridge, Julian M. Cohen, David L. Kaplan: Engineering Carotenoid Production in Mammalian Cells for Nutritionally Enhanced Cell-Cultured Foods. Metabolic Engineering 62 (November 2020), S. 126–137. doi:10.1016/j.ymben.2020.07.011.
  17. 1020 Br, Lane, Unit 1333 Stafford, Tx 77477-5766 Usa: Nutritionally Enhanced Meat. In: New Harvest. Abgerufen am 10. Januar 2023 (englisch).
  18. Dariusz Halabowski, Piotr Rzymski: Taking a Lesson from the COVID-19 Pandemic: Preventing the Future Outbreaks of Viral Zoonoses through a Multi-Faceted Approach. Science of The Total Environment 757 (Februar 2021): 143723. doi:10.1016/j.scitotenv.2020.143723.
  19. Zuhaib Fayaz Bhat, Hina Fayaz: Prospectus of Cultured Meat—Advancing Meat Alternatives. Journal of Food Science and Technology 48, Nr. 2 (April 2011), S. 125–140. doi:10.1007/s13197-010-0198-7.
  20. Tae Kyung Hong, Dong-Min Shin, Joonhyuk Choi, Jeong Tae Do, Sung Gu Han: Current Issues and Technical Advances in Cultured Meat Production: A Review. Food Science of Animal Resources 41, Nr. 3 (Mai 2021), S. 355–372. doi:10.5851/kosfa.2021.e14.
  21. Tierfreie Käseproduktion – Mikroorganismen ersetzen Kühe: Ist das der Käse der Zukunft? In: srf.ch. 30. Januar 2024, abgerufen am 31. Januar 2024.
  22. a b c Christopher Bryant, Julie Barnett: Consumer Acceptance of Cultured Meat: An Updated Review (2018–2020). Applied Sciences 10, Nr. 15 (28. Juli 2020): 5201. doi:10.3390/app10155201
  23. Ramona Weinrich, Micha Strack, Felix Neugebauer: Consumer Acceptance of Cultured Meat in Germany. Meat Science 162 (April 2020): 107924. doi:10.1016/j.meatsci.2019.107924.
  24. Matti Wilks, Matthew Hornsey, Paul Bloom: What Does It Mean to Say That Cultured Meat Is Unnatural? Appetite 156 (Januar 2021): 104960. doi:10.1016/j.appet.2020.104960.
  25. Nicolas Treich: Cultured Meat: Promises and Challenges. Environmental and Resource Economics 79, Nr. 1 (Mai 2021), S. 33–61. doi:10.1007/s10640-021-00551-3.
  26. a b Adeline Muriel Texeira: Empirical study on consumer acceptance of cultured meat in Europe. 18. Dezember 2020 (iscte-iul.pt [abgerufen am 10. Januar 2023]).
  27. European Food Trends Report (PDF), 2021, e. (PDF) Abgerufen am 11. Januar 2023 (Schweizer Hochdeutsch).
  28. Miriam Rinderle Kategorien: Ernährung: Cellular Agriculture: Die Zukunft der Landwirtschaft? 27. Februar 2022, abgerufen am 11. Januar 2023 (deutsch).
  29. Essen wir zu viel Protein? Warum zu viel Fleisch und Wurst krank machen. Abgerufen am 10. Januar 2023.
  30. Krank durch viel tierisches Eiweiß? – gesundheitsverband.net. 15. November 2021, abgerufen am 10. Januar 2023 (deutsch).
  31. NDR: Wie viel Eiweiß ist gesund? Abgerufen am 10. Januar 2023.
  32. Kluger-Lab In: Website der Hochschule Reutlingen; abgerufen am 30. März 2022.
  33. Forschungsprojekt "Disruptive Technologien" In: Website der TU Chemnitz; abgerufen am 30. März 2022.
  34. Kooperation mit Merck und Tufts University zu Bioreaktoren vom 27. Mai 2021; In: Website der TU Darmstadt; abgerufen am 30. März 2022.
  35. Merck Collaborates with TU Darmstadt and Tufts University on Bioreactor Designs to Enable Cultured Meat Production vom 27. Mai 2021; In: Pressemitteilung der Merck Group; abgerufen am 30. März 2022.
  36. Prof. Dr. Nick Lin-Hi In: Website der Universität Vechta; abgerufen am 30. März 2022.
  37. gfi.org abgerufen am 30. März 2022.
  38. https://www.cell-ag.de/ abgerufen am 30. März 2022.
  39. cellularagriculture.eu abgerufen am 30. März 2022.
  40. https://www.regensburgapp.de/ abgerufen am 30. März 2022.
  41. Amy Huang: Student leaders are blazing the trail for a better food future vom 13. August 2021; In: Blog des Good Food Institute; abgerufen am 30. März 2022.
  42. https://balpro.de/arbeitsgruppen/zellulaere-landwirtschaft/ abgerufen am 30. März 2022.