Aiko Kempen

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Aiko Kempen (* 1984 in Bonn)[1][2] ist ein deutscher Investigativ-Journalist, Redakteur, Aktivist, Musiker[3] und Autor aus Leipzig.

Journalistische Tätigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kempen war unter anderem für Ippen Investigativ, BuzzFeed News und für das ARD-Magazin Monitor tätig. Seine Beiträge erschienen in der taz, Vice Online, im Tagesspiegel, im SZ-Magazin, in der Zeit, Neues Deutschland, bei der Satirezeitschrift Titanic, früher auch bei kleineren Medien wie dem Antifa Infoblatt, dem Greenpeace Magazin und dem Fuze Magazine.[4] Seit 2022 arbeitet Kempen für das Aufklärungsportal FragDenStaat, bei dem er unter anderem die bis dahin unter Verschluss gehaltenen NSU-Akten öffentlich zugänglich machte.[5] Mit Marcus Engert deckte er die bis dahin unbekannte rechte Vergangenheit des Bundespolizei-Professors Stephan Maninger auf.[6] 2021 veröffentlichte er ein Buch über rassistische und neonazistische Tendenzen bei der bundesdeutschen Polizei im Europa Verlag.[7][8] Kempen leitete bis 2020 die Online-Redaktion des Magazins Kreuzer. An der Akademie für Publizistik in Hamburg lehrt er investigative Recherche[9] und ist Mitbegründer der Schweizer Storytelling-Agentur Elephant Stories.[10][11]

Inhaltliche Schwerpunkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schwerpunkt von Kempens Arbeit ist die kritische Behördenbeobachtung, speziell Phänomene wie Polizeigewalt oder Verstrickung von rechtsextremen Strukturen und staatlichen Institutionen. Er begleitete zum Beispiel die Nachbereitung der Silvester-Ausschreitungen 2020 im Leipziger Stadtteil Connewitz.[12] Als Ergebnis seiner Recherchen über die Falschdarstellungen der Polizei verloren zwei Leipziger Polizeisprecher ihre Posten.[13] Kempen kommentierte in unterschiedlichen Medien die Verfahren gegen die vermeintliche Linksextremistin Lina E. im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren. In dem Zusammenhang verklagte er das Landeskriminalamt Sachsen.[14] Gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte reichte er Verfassungsbeschwerde gegen die Novelle des Sächsischen Polizeigesetzes ein.[15] Kempen ist häufiger Interview-Partner, auch bei kleineren Medien, bei Podcasts und im Fernsehen.[16][17][18][19] Er ist als Referent regelmäßig auf Vorlesungsreisen.[20] 2021 sprach er beim Copbird Hackathon in Leipzig.[21] Ebenfalls 2021 veröffentlichte er einen Gastbeitrag in einem Sammelband über Demokratiefeindlichkeit unter Corona-Leugnern.[22][23]

Veröffentlichung von NSU-Akten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gemeinsam mit dem Moderator Jan Böhmermann und dem Journalisten Arne Semsrott veröffentlichte Aiko Kempen die NSU-Akten.[24] Danach entbrannte eine mediale Debatte über das Versagen des Verfassungsschutzes, die Taten des NSU zu unterbinden.[25][26][27][28] Der Verfassungsschutz Hessen erstattete anschließend Anzeige gegen Unbekannt.[29] Der Verfassungsschutz hatte ursprünglich für die Dokumente eine Sperrfrist von 120 Jahren vorgesehen,[30] die jedoch auf 30 Jahre reduziert wurde.[31] Einhergehend mit der durch die Veröffentlichung aktualisierten bundesweiten Debatte um die Rolle des Verfassungsschutzes wurde auch dessen Transparenzpflicht erneut diskutiert.[32]

Sächsische Behörden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teile von Kempens Arbeit entfallen auf den Komplex sächsischer Landespolitik und Polizeiarbeit, wobei hierbei mitunter groteske Zusammenhänge beleuchtet werden: So berichtete er zum Beispiel bei VICE Online über eine satirische Plakatkampagne der PARTEI, bei der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer und andere hochrangige CDU-Mitglieder humoristisch verarbeitet wurden;[33] an anderer Stelle schrieb er über eine polizeiliche Razzia wegen Wasserbomben, die gegen deutsche WM-Fans eingesetzt wurden.[34] Andererseits werden aber auch politisch weitreichende Vorgänge beleuchtet, zum Beispiel die Kriminalisierung von Drogennutzern[35][36] oder Racial Profiling durch die sächsischen Behörden.[37]

Connewitz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kempen recherchiert und veröffentlicht regelmäßig zum von der Öffentlichkeit teilweise als Hochburg der linken und alternativen Szene wahrgenommenen Leipziger Stadtteil Connewitz. Durch Szenekontakte,[38] anonyme Hinweisgeber und Recherche gelangt er an Stimmen, Einschätzungen und Dokumente aus dem Stadtteil zu kontroversen Themen.[39][40][41] Kempens besondere Aufmerksamkeit galt außerdem der Aufbereitung des Neonazi-Überfalls auf den Stadtteil,[42] dem sogenannten Sturm auf Connewitz, sozialpolitischen Themen wie Gentrifizierung als auch die Berichterstattung zu fragwürdiger polizeilicher Behördenpraxis.[43][44]

Trivia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kempen begründet seine Motivation für Investigativjournalismus und gesellschaftskritischen Aktivismus im Rahmen verschiedener Interviews und Porträts. Kempen berichtete u. a. vom Mord an dem russischen Antifaschisten Aleksandr Ryukhin während eines Konzertes seiner Band im Jahr 2006 und dem Mord am Tour-Security und Antifa-Aktivisten Ivan „Vanya Kostolom“ Khutorskoy.[45][46][47]

Weitere Aktivitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aiko Kempen war bis zu deren Auflösung Gitarrist der Melodic-Hardcore-Band Tackleberry und spielt heute bei der Leipziger Pop-Punk-Band Chartreux.[48] Kempen war außerdem als Sänger und Gitarrist an Einzelprojekten von Sick of It All und Warehouse beteiligt.[49]

Aiko Kempen trainiert und lehrt Thai-Boxen beim Leipziger Kampfsportverein 8 Weapons.[50][51]

Veröffentlichungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • „Es ist Krieg“: Der „Sturm“ auf Connewitz und die sächsischen Behörden. In: H. Kleffner, M. Meisner (Hrsg.), Extreme Sicherheit. Herder Verlag, 2019, ISBN 978-3-451-38561-2.
  • Auf dem rechten Weg? Rassisten und Neonazis in der deutschen Polizei. Europa Verlag, 2021, ISBN 978-3-95890-350-0.
  • Sächsische Verhältnisse. In: O. Decker, F. Kalkstein, J. Kiess (Hrsg.), Demokratie in Sachsen. Edition Überland, 2021, ISBN 978-3-948049-17-1.
  • Die Polizei auf Coronademonstrationen: Selbsternannte Widerstandskämpfer oder verhasste Merkelschergen, in: H. Kleffner, M. Meisner (Hrsg.), Fehlender Mindestabstand. Herder Verlag, 2021, ISBN 978-3-451-39037-1.
  • Die blaue Mauer des Schweigens – Polizist:innen, die still bleiben, wenn sie reden sollten. In: Jahrbuch Öffentliche Sicherheit (JBÖS) 2022/2023, Verlag für Polizeiwissenschaft, ISBN 978-3-86676-780-5.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Artikel von Aiko Kempen. taz.de, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  2. https://twitter.com/x_xjochen/status/1189938270030970882. twitter, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  3. Über den Zustand der deutschen Polizei. SWR1, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  4. torial - staging journalism. Digitales Portfolio für Journalisten. Abgerufen am 16. Dezember 2022.
  5. FragDenStaat und ZDF Magazin Royale präsentieren: NSU-Akten gratis! nsuakten.gratis, abgerufen am 8. Dezember 2022.
  6. Verdacht auf rechte Vergangenheit: Bundespolizei prüft Biographie eines Professors für Sicherheitspolitik. Buzzfeed, abgerufen am 8. Dezember 2022.
  7. deutschlandfunkkultur.de: Aiko Kempen: "Auf dem rechten Weg?" - Risse in der blauen Mauer des Schweigens. Abgerufen am 12. Dezember 2022.
  8. Süddeutsche Zeitung: Ziemlich viele Einzelfälle. Abgerufen am 12. Dezember 2022.
  9. Aiko Kempen. Akademie für Publizistik Hamburg, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  10. Storytelling-Agentur Elephant Stories geht an den Start. Kress.de, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  11. Neueintragung Elephant Stories KlG, Zürich (pdf). Bundesamt für Justiz (BJ), Eidgenössisches Amt für das Handelsregister, 21. Mai 2021, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  12. Krawalle in Leipzig: Warum die Behörden eine Mitschuld tragen. Vice, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  13. Pressesprecher muss Posten räumen: Leipzigs Polizei zieht nach Connewitz-Debatte Konsequenzen. In: Tagesspiegel Online. Abgerufen am 8. Dezember 2022.
  14. Leipziger Journalist verklagt LKA Sachsen. Kreuzer Leipzig, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  15. Verfassungsbeschwerde 18.12.2020 im Verfahren gegen das SächsPVDG. Abgerufen am 8. Dezember 2022.
  16. Interview mit Aiko Kempen: „Rechtsextreme fühlen sich in der Polizei viel zu sicher“. Belltower.com, 29. April 2021, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  17. 5 Jahre nach dem "Sturm auf Connewitz" (Podcast Radio Corax). untergrundblättle, 12. Januar 2021, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  18. SWR1 Leute: Aiko Kempen | Literaturwissenschaftler und Musiker | Recherchierte Rassismus-Fälle bei der deutschen Polizei. ARD Mediathek, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  19. Die "blaue Mauer des Schweigens" - Was steckt dahinter? 19. November 2021, abgerufen am 12. Dezember 2022.
  20. Lesung: Aiko Kempen – Auf dem rechten Weg? Rassisten und Neonazis in der deutschen Polizei. In: Conne Island. Soziokulturelles Zentrum Conne Island, Projekt Verein e.V., abgerufen am 5. Dezember 2022.
  21. Copbird Hackathon. In: PLANLOS-Leipzig. Abgerufen am 5. Dezember 2022.
  22. Konrad Litschko: Neonazis in der Corona-Protestbewegung: Ohne Abstand. In: Die Tageszeitung: taz. 31. März 2021, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  23. Die Polizei auf Coronademonstrationen: Selbsternannte Widerstandskämpfer*innen oder verhasste „Merkel-Schergen“? CILIP Institut und Zeitschrift, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  24. „NSU-Akten“: Wir veröffentlichen, was der Verfassungsschutz 120 Jahre geheim halten wollte. fragdenstaat.de, 28. Oktober 2022, abgerufen am 8. Dezember 2022 (Blog).
  25. Geleakte NSU-Akte: Wo der Verfassungsschutz versagt hat. Der Freitag, abgerufen am 8. Dezember 2022.
  26. Felix Huesmann,Hannah Scheiwe: Böhmermann leakt NSU-Akten: Linke sieht „Versagen des Landesamtes für Verfassungsschutz“. RND, abgerufen am 8. Dezember 2022.
  27. Geheime NSU-Akten veröffentlicht. zdf .de, abgerufen am 8. Dezember 2022.
  28. Neues vom NSU und vom Verfassungsschutt. Deutsche Welle, 11. April 2022, abgerufen am 8. Dezember 2022.
  29. NSU-Akten: Hessischer Verfassungsschutz stellt Strafanzeige. tagesschau.de, abgerufen am 8. Dezember 2022.
  30. Warum bleibt die NSU-Akte 120 Jahre unter Verschluss? 14. Juli 2018, abgerufen am 8. Dezember 2022.
  31. NSU-Akten-Freigabe: Verschwörungstheorien aus dem Parlament. ZDF, abgerufen am 8. Dezember 2022.
  32. Ex-Justizministerin für offeneren Umgang mit NSU-Akten. Mimagazin, 8. November 2022, abgerufen am 8. Dezember 2022.
  33. In Sachsen wirbt Die PARTEI mit Riesenpenis und Hakenkreuzen für die CDU. Abgerufen am 16. Dezember 2022.
  34. Die sächsische Polizei hat wegen Luftballons eine Razzia durchgeführt. Abgerufen am 16. Dezember 2022.
  35. Die sächsische Polizei erklärt einen Studenten per Post für drogenabhängig. Abgerufen am 16. Dezember 2022.
  36. Wie ein Leipziger Polizeichef einen sinnlosen Kampf gegen Drogen führte. Abgerufen am 16. Dezember 2022.
  37. Die sächsische Polizei bittet Hoteliers um Daten rumänischer Gäste. Abgerufen am 16. Dezember 2022.
  38. Aiko Kempen: Connewitzer Graffiti-Krieg (nd-aktuell.de). Abgerufen am 7. Februar 2023.
  39. Leipzig-Connewitz und der Linksextremismus: Erst eskaliert die Gewalt, dann die Debatte. Abgerufen am 7. Februar 2023.
  40. Christian Fuchs, Aiko Kempen, Edgar Lopez: Das Video der Silvesternacht von Connewitz. Diskussion um »linken Terror«: Ein Video zeigt, was wirklich in der Silvesternacht von Connewitz passiert ist. In: kreuzer online. KREUZER Medien GmbH, 6. Januar 2020, abgerufen am 7. Februar 2023.
  41. Aiko Kempen: So haben Linke mit einem Leak den Rechten geholfen. In: vice.com. VICE Media GmbH, 17. Dezember 2019, abgerufen am 7. Februar 2023.
  42. 5 Jahre nach dem „Sturm auf Connewitz“ – Radio CORAX. 11. Januar 2021, abgerufen am 7. Februar 2023.
  43. Sozialer Wohnungsbau zum Nulltarif. Leipziger SPD legt Plan für bezahlbaren Wohnraum in Connewitz vor. In: kreuzer online. 27. März 2019, abgerufen am 7. Februar 2023.
  44. Andreas Raabe: Warum ein Journalist in Leipzig das LKA verklagt. In: t-online.de. Ströer Digital Publishing GmbH, 22. September 2022, abgerufen am 7. Februar 2023.
  45. Aiko Kempen. In: herzkampf.de. Abgerufen am 5. Dezember 2022.
  46. Über den Zustand der deutschen Polizei. SWR1, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  47. Aiko Kempen: Hardcore auf Russisch. In: Fuze Magazin Nr. 19, Dezember 2009/Januar 2010, S. 23. Fuze Magazin, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  48. Interview. Ox Fanzine, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  49. Aiko Kempen. Discogs, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  50. Unser Team. 8 Weapons Leipzig, abgerufen am 5. Dezember 2022.
  51. Aiko. 8 Weapons Leipzig, abgerufen am 5. Dezember 2022.