Alexandra Kluge

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Alexandra Karen Kluge (* 2. April 1937 in Halberstadt; † 11. Juni 2017 in Berlin[1]) war eine deutsche Ärztin und Schauspielerin. Bekanntheit erlangte sie durch die Zusammenarbeit mit ihrem Bruder Alexander Kluge, der sie in mehreren seiner Filme einsetzte.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausbildung und erfolgreiches Filmdebüt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alexandra Kluge wurde 1937 als Tochter des Arztes Ernst Kluge und dessen Ehefrau Alice (Geburtsname: Hausdorf) geboren.[2] Der Filmemacher Alexander Kluge ist ihr älterer Bruder.[3] 1945 entging die Familie der Bombardierung Halberstadts durch alliierte Flugzeuge, bei der das Elternhaus komplett zerstört wurde.[2] Nach der Trennung der Eltern zog ihr Bruder mit der Mutter nach Berlin-Charlottenburg, während Kluge die Schule in der DDR besuchte.[4] Sie studierte Medizin an der Humboldt-Universität zu Berlin, dann in Frankfurt am Main und München und wurde zum Thema Anorexia nervosa (1969)[4][5][6] promoviert. Später arbeitete Kluge als Assistenzärztin in Berlin und als Krankenhausärztin in Frankfurt am Main.[4] Von 1991 bis 2002 arbeitete sie als Assistenzärztin in der onkologischen Schwerpunktpraxis von Prof. Rühl in Berlin. Seit 2002 war sie freie Mitarbeiterin bei den Kulturprogrammen der Kairos-Film bei dctp.

Mit dem Film kam Kluge weitestgehend durch ihren Bruder in Berührung. Für ihn war sie als Regieassistentin tätig und beteiligte sich am Drehbuch zu dessen Kurz-Dokumentarfilm Lehrer im Wandel (1962/63). Einem breiten Publikum wurde sie aber erst 1966 bekannt, als sie die Hauptrolle in Abschied von gestern übernahm, dem ersten Langfilm ihres Bruders. In dem Drama ist sie als junge Anita G. zu sehen, Tochter jüdischer KZ-Überlebender; nach ihrer Flucht aus der DDR in die Bundesrepublik gerät die Krankenschwester auf die schiefe Bahn. Abschied von gestern feierte seine Premiere 1966 bei den Filmfestspielen von Venedig, wo der Film mehrfach preisgekrönt wurde. Kluge erfand eigene Texte und spielte Szenen mit spontanen Einfällen, woraufhin sie ihr Bruder als „meine Mitautorin“ pries.[5] Nach dem Premio Cinema Nuova in Venedig als Beste Schauspielerin sowie der Rosa d’Oro der Filmjournalisten (für die „sympathischste Persönlichkeit der XVII. Filmkunstschau in Venedig“[7]) erhielt Kluge ein Jahr später den Bundesfilmpreis als Beste Hauptdarstellerin und den Medienpreis Bambi.

Rückzug von der Schauspielerei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Obwohl der deutsche Kritiker Reinhard Baumgart in der Süddeutschen Zeitung die Zusammenarbeit der Kluge-Geschwister mit der von Jean-Pierre Léaud und François Truffaut verglich, setzte Alexandra Kluge ihre Filmkarriere nach ihrem erfolgreichen Leinwanddebüt nicht fort.[4] Als Begründung gab sie an, sie wolle sich „vom großen Apparat nicht verwursten lassen“.[6] Sie war daraufhin nur noch gelegentlich als Darstellerin, Sprecherin oder Drehbuchautorin an den Filmen ihres Bruders beteiligt. Rückblickend schrieb 2010 der Kritiker Andreas Platthaus (Frankfurter Allgemeine Zeitung): „Man kann nur bedauern, dass diese faszinierende Frau, die das Zeug zu einer deutschen Jeanne Moreau hatte, danach kaum noch Filme gedreht und stattdessen ihre Karriere als Ärztin weiterverfolgt hat.“[8]

Anfang der 1970er Jahre vertraute Alexander Kluge seiner Schwester in dem Film Gelegenheitsarbeit einer Sklavin (1973) die Rolle der Hausfrau und Mutter Roswitha Bronski an, die sich mit einer Abtreibungspraxis gesellschaftspolitisch zu engagieren versucht.[9] Nach der Rezension von Wilfried Wiegand (Frankfurter Allgemeine Zeitung) strahlt Alexandra Kluge in dem Film „nur noch eine gebrochene Intellektualität“ aus, nachdem ihr im Erfolgsfilm Abschied von gestern „eine unzerstörbare Naivität ins Gesicht geschrieben“ gestanden habe. Die Naivität der Hauptfigur wirke nur noch dargestellt, ihre Roswitha B. wirke „ein bisschen dumm“, was gegen die eigentliche Intention von Alexander Kluge spreche.[10] Laut der Zeit handelt Gelegenheitsarbeit einer Sklavin vom Gesicht der Hauptdarstellerin: „Wenn Alexandra Kluge im Bild ist, provoziert sie Zuneigung, Zustimmung und spontane Sympathie auch oder gerade, wenn sie alles falsch macht. Ein sehr offenes, schutzloses Gesicht, verletzlich und ganz preisgegeben und dann wieder entschlossen und sicher, mit Augen, die ratlos und ängstlich und gottergeben die Belehrungen ihres Mannes oder ihre Gelegenheitsarbeiten hinnehmen und doch eine unerschütterliche innere Ruhe ausstrahlen können.“[11]

Kluges letzte Rolle war in dem Essayfilm Die Macht der Gefühle (1983).

Privatleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alexandra Kluges Grabstein auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin

Alexandra Kluge heiratete 1968 Bion Steinborn, der in den 1980er Jahren Herausgeber der Filmzeitschrift Filmfaust war. Er spielte in Gelegenheitsarbeit einer Sklavin ihren Ehemann.[12][13] 1968 wurde sie Mutter eines Sohnes, Andro Steinborn.

Eine enge Freundschaft verband sie mit dem ungarischen Literaturwissenschaftler Péter Szondi (1929–1971), den sie im April 1963 durch Theodor Adorno kennenlernte.[14]

Alexandra Kluge starb im Juni 2017 im Alter von 80 Jahren in Berlin. Sie wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt.

Dokumentation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine filmische Dokumentation über Alexandra Kluge mit dem Titel „Ich friere auch im Sommer“ und dem Untertitel: „Die zwei Leben der Alexandra Kluge“ wurde von der Dokumentarfilmerin Hanna Laura Klar angefertigt und im Deutschen Filmmuseum gezeigt.[15]

Filmografie (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Schauspielerin Alexandra Kluge gestorben, deutschlandfunkkultur.de (via archive.org) vom 13. Juli 2017
  2. a b Borszik, Oliver: Interpretation zweier ausgewählter Texte Alexander Kluges: "Ein Liebesversuch" und "Massensterben in Venedig". GRIN Verlag, München 2007, ISBN 978-3-638-68179-7, S. 3.
  3. Alexander Kluge. In: filmportal.de. Deutsches Filminstitut, abgerufen am 2. April 2012.
  4. a b c d Alexandra Kluge. In: Internationales Biographisches Archiv 27/1974 vom 24. Juni 1974.
  5. a b Lob in Venedig. In: Der Spiegel. Nr. 38, 1966, S. 133 (online).
  6. a b Ach, der Papili. In: Der Spiegel. Nr. 53, 1967, S. 86 (online).
  7. "Zum Lampenfieber bin ich nicht gekommen". In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. Oktober 1966, S. 70.
  8. Platthaus, Andreas: Momente des deutschen Films (V): "Abschied von gestern" in der F.A.Z.-Filmedition. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. März 2010, Nr. 9, S. 28.
  9. Schober, Siegfried: Abschied von heute. In: Der Spiegel. Nr. 50, 1973, S. 145 (online).
  10. Wiegand, Wilfried: Sehnsucht nach gestern. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. Februar 1974, S. 24.
  11. Alexander Kluges Neubeginn. In: Die Zeit, 4. Januar 1974, Nr. 2.
  12. Die Welt aus den Angeln heben, taz.de vom 7. März 2013, abgerufen am 14. Juli 2017.
  13. vgl. Eintrag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek DNB 482610956. Ihre medizinische Dissertation veröffentlichte sie unter dem Namen „A Karen Steinborn“.
  14. Kalberer, Guido: Denker auf Augenhöhe mit dem Tragischen. In: Tages-Anzeiger, 6. Januar 2005, S. 41.
  15. Ein Filmstar, eine Ärztin, In: Frankfurter Rundschau, 19. Juni 2018, S. 28.