Amatonormativität

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Amatonormativität ist die gesellschaftliche Annahme, dass es allen Menschen in einer exklusiven Beziehung besser geht. Elizabeth Brake prägte den Neologismus, um Soziale Normen über Romantik sowie hinsichtlich der romantischen Orientierung zu definieren.[1][2][3][4] Brake wollte den Druck beschreiben, der von vielen auf sie ausgeübt wurde, der Ehe in ihrem eigenen Leben eine hohe Priorität einzuräumen, obwohl sie dies nicht wollte. Amatonormativität geht über den gesellschaftlichen Druck zu heiraten hinaus und umfasst auch den allgemeinen Druck zur Erfüllung gesellschaftlicher Vorstellungen von Romantik.[2][5]

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff Amatonormativität setzt sich aus dem lateinischen amatus, das „geliebt“ bedeutet, und Normativität – die Erwartungen der Gesellschaft an das Verhalten von Individuen – zusammen.[6] Er ist angelehnt an das Wort Heteronormativität, das Heterosexualität, Monogamie und Cisgeschlechtlichkeit als soziale Norm beschreibt.[7]

Konzept[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Elizabeth Brake beschreibt den Begriff in ihrem Buch Minimizing Marriage als den Druck zu oder Wunsch nach Monogamie, Romantik und/oder Ehe. Die Annahme, alle Menschen würden romantische, sexuelle, monogame und lebenslange Beziehungen wollen, hat viele soziale Folgen.[8] Brake zufolge wird Amatonormativität unter anderem im Recht und in der Moral der Ehe institutionell umgesetzt. Platonische Beziehungen und andere Beziehungen genießen nicht den gleichen rechtlichen Schutz wie romantische Partner durch die Ehe. Asexuelle, Aromantische, und/oder nicht monogam Lebende würden somit als abnormal dargestellt.[9] Brake weist darauf hin, dass die Amatonormativität andere Lebensstile maginalisiert.[5]

Laut der Forscherin Bella DePaulo werden Alleinstehende dadurch als unvollständig stigmatisiert und romantische Partner dazu gedrängt, in ungesunden Beziehungen zu bleiben, weil sie Angst vor dem Singledasein haben.[10] Emilia Roig beschreibt in ihrem Buch Das Ende der Ehe, wie sich Amatonormativität darin äußert, dass Partner oder Partnerinnen zu einer Hochzeit eingeladen werden, der beste Freund oder die beste Freundin jedoch nicht. Dies spiegelt die gesellschaftliche Norm wider, dass romantische Beziehungen als wichtiger angesehen werden als Freundschaften.[11] In Die singuläre Frau zeigt Katja Kullmann, wie wenig erwartet das Lebensmodell zufriedener Singlefrauen in einer von Amatonormativität geprägten Gesellschaft ist, die ihnen suggeriert, ihnen fehle eine romantische Liebesbeziehung.[12]

Das Konzept Amatonormativität wurde von verschiedenen Forschenden aufgegriffen. Es wird häufig in der Forschung zu Asexualität und Aromantik verwendet.[13][14][15] So untersucht die Forscherin Tiina Vares die Erfahrungen aromantischer und asexueller Menschen in einer hetero- und amatonormativer Gesellschaft und kommt zum Schluss, dass die Überwindung der Hetero- und Amatonormativität für das Wohlergehen aromantischer und asexueller Menschen produktiv wäre.[16] Valerie Glass untersucht asexuelle Menschen in Beziehungen und beschreibt, dass Beziehungen asexueller Personen außerhalb der amatonormativen Perspektive liegen. Sie betont, wie wichtig es für Paar- und Familientherapeuten ist, diese Sichtweise ebenso zu berücksichtigen.[17]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Katja Kullmann: Die singuläre Frau. Hanser Berlin, Berlin 2023, ISBN 978-3-446-26939-2.
  • Emilia Roig: Das Ende der Ehe. Ullstein, Berlin 2023. ISBN 978-3-550-20228-5.
  • Elizabeth Brake: Minimizing Marriage: Marriage, Morality, and the Law (Studies in Feminist Philosophy). Oxford University Press, Oxford 2012, ISBN 978-0-19-977413-5 (englisch).

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Do you feel under pressure to find The One?, BBC, 2020. Abgerufen am 15. Juli 2020 (englisch). 
  2. a b Bugging your friend to get into a relationship? How amatonormative of you. In: The Washington Post, 6. Juli 2017. Abgerufen im 14. Juli 2020 (englisch). 
  3. Alles Liebe oder was?: Wider die Vorherrschaft der Paar-Romantik! In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 27. November 2023]).
  4. Roma De las Heras Gómez: Thinking Relationship Anarchy from a Queer Feminist Approach. In: Sociological Research Online. Band 24, Nr. 4, Dezember 2019, ISSN 1360-7804, S. 644–660, doi:10.1177/1360780418811965 (sagepub.com [abgerufen am 12. Dezember 2023]).
  5. a b Elizabeth Brake: Amatonormativity. In: Elizabeth Drake. 29. August 2017, abgerufen am 14. Juli 2020 (englisch).
  6. Drake Baer: There’s a Word for the Assumption That Everybody Should Be in a Relationship. 8. März 2017, abgerufen am 13. Dezember 2023 (englisch).
  7. Michael Warner: Introduction: Fear of a Queer Planet. In: Social Text; 9 (4 [29]), 1991, S. 3–17.
  8. Why These Families Want To Queer Valentine's Day, Huffington Post, 12. Februar 2020. Abgerufen am 14. Juli 2020 (englisch). 
  9. Should Marriage Be Abolished, Minimized, or Left Alone? Psychology Today, abgerufen am 2. März 2019 (englisch).
  10. There's a Word for the Assumption That Everybody Should Be in a Relationship. The Cut, 8. März 2017, abgerufen am 2. März 2019 (englisch).
  11. Emilia Roig: Das Ende der Ehe. Ullstein, 2023, S. 55.
  12. Katja Kullmann: Die singuläre Frau. Hanser, 2022.
  13. Cody Daigle-Orians: I Am Ace: Advice on Living Your Best Asexual Life. Jessica Kingsley Publishers, 2023, S. 162–163.
  14. Cyril Ghosh: De-Moralizing Gay Rights: Some Queer Remarks on LGBT+ Rights Politics in the US. Springer International Publishing, 2018, S. 47 ff.
  15. Carrie Jenkins: What Love Is: And What It Could Be. Basic Books, 2017.
  16. Tiina Vares: Asexuals negotiate the ‘onslaught of the heteronormative’. In: Sexualities. Band 25, Nr. 5-6, 2022, S. 767–784, doi:10.1177/1363460721993389.
  17. Valerie Q. Glass: Queering Relationships: Exploring Phenomena of Asexual Identified Persons in Relationships. In: Contemporary Family Therapy: An International Journal. Band 44, Nr. 4, 2022, S. 344–359, doi:10.1007/s10591-022-09650-9.