Anna von Kahle

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Anna von Kahle (Der Bazar, 54. Jg., Nr. 4, 20.1.1908, S. 50)
Marmor Skulpturen der Bildhauerin von Anna von Kahle, Amor und Frühling, im Herrenhaus in Bellin, Otto Dahms, 1930

Anna (Henriette Antonie Elise) von Kahle (geboren 17. Februar 1843 auf Rittergut Bellin (Neumark) (polnisch Bielin (Moryń));[1] gestorben 31. Mai 1920 in Berlin[2]) war eine deutsche Bildhauerin, die ab den 1880er Jahren regelmäßig ausstellte.

Engelsskulptur von Anna von Kahle in der Familiengrabstätte der Rittergutsbesitzer von Kahle an der Ostseite der Kirche von Bellin, 1930, Otto Dahms.[3]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anna von Kahle war Tochter eines Ziegeleibesitzers und ,[4] wie durch Carola Muysers und Dietmar Fuhrmann 1992 im Künstlerinnenlexikon festgehalten.[1] Ihr Vater war Ernst von Hymmen, (* 13. August 1870 in Hannover; † 5. Januar 1874 in Bellin).[3] Ihre Mutter war Helene von Hymmen, geb. Kahle (* 24. Dezember 1845 in Bellin; † 3. Dezember 22. Juni 1929 in Bellin), eine Gutsherrentochter aus Bellin.[3] Die überholte Angabe des Geburtsjahrs ist 1853.[5][6] Ihre jüngere Schwester war die Malerin Julie von Kahle.[1] Anna von Kahle nutzte den Ton aus der Ziegelei des Vaters, um ihr künstlerisches Talent zu entwickeln.[4][7]

Von 1876 an bis 1880 studierte sie beim Bildhauer Fritz Schaper in Berlin und im Anschluss beim Bildhauer Albert Wolff in Rom. Danach machte sie sich als Künstlerin selbständig.[1] Sie war die erste Künstlerin, die im Katalog der Akademie neben ihrer privaten auch ihre Atelieradresse aufführen ließ und so der Kundschaft signalisierte, dass sie wie ihre männlichen Kollegen Auftraggeber empfangen konnte, was nicht den gesellschaftlichen Konventionen entsprach.[8] Sie war Mitglied des Vereins Berliner Künstlerinnen und des lokalen Zweigs der Deutschen Kunstgenossenschaft.[1][5][9]

Marmor Skulptur von Anna von Kahle, Der Sommer, vor dem Herrenhaus in Bellin. Aufnahme 1929, Lehrer Otto Dahms aus Bellin.

1879 erfolgte ihr Ausstellungsdebüt mit einer Porträtbüste von sich selbst in Marmor[4] bei der Berliner Akademieausstellung. Regelmäßig zeigte sie Werke auf den Ausstellungen des Vereins Berliner Künstlerinnen und in der Nationalgalerie. Ihre anmutigen Kinderfiguren fanden auf zahlreichen Kunstausstellungen in Berlin, München, England und Amerika Anklang und Anerkennung.[5][10][9] Anna von Kahle war die einzige Bildhauerin in Deutschland, die ab den 1880er Jahren regelmäßig ausstellte. Ihr hohes Maß an Professionalität und Anerkennung war einmalig für diese Zeit für eine Bildhauerin.[8] 1886 beteiligte sie sich an der Gründung der „Arbeitshülfe“, eines Beschäftigungsvereins für Frauen.[1][4]

Marmor Skulptur von Anna von Kahle, Bacchus, vor Herrenhaus in Bellin, 1930, Otto Dahms.[3]

Die letzte Wohnadresse von Anna von Kahle befand sich im Hansaviertel, in der Brückenallee 30. Die Straße befand sich in der Nähe des S-Bahnhofs Bellevue und ist heute nicht mehr erhalten.[11]

Schaffen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die meisten ihrer Arbeiten führte sie in Marmor aus. Ihr Werk reicht von Büsten, Kinderfiguren, Genres, allegorischen Bildwerken und -figuren bis hin zu Grabmälern. Sie schuf zahlreiche Porträtbüsten – laut Brigitte Hüfler 55[7] –, so von dem Schriftsteller Theodor Fontane, von Generalleutnant Hans von Winterfeldt und von Generalleutnant Friedrich von Dincklage-Campe. Von ihr gestaltete Grabmale sind jenes der Hofopernsängerin Anna Sachse-Hofmeister auf dem Jerusalemer Kirchhof in Berlin (entfernt), das des Erboberjägermeisters Karl von Jagow in Ruhstädt, Altmark, und das für Emil Wasmuth auf dem Städtischen Kirchhof in Berlin-Steglitz (entfernt). In Brandenburg an der Havel steht die von ihr geschaffene Springbrunnengruppe Mutter und Kind.[1][7][5]

Ihr Selbstporträt als Marmorbüste von 1879 wurde 2018/2019 in der Ausstellung „Bildhauerinnen in Deutschland“ in der Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn und im Gerhard-Marcks-Haus in Bremen gezeigt. Daran wird die besondere Stofflichkeit des Kleids, der Haube und der Frisur sowie die „perfekte Darstellung des Unperfekten“ gerühmt, womit die lebensnahe Darstellung bis hin zu Unregelmäßigkeiten im Gesicht, Tränensäcken und leichtem Doppelkinn gemeint ist.[10][4]

Marmorskulptur von Anna von Kahle, Mutter mit Kind, vor dem Herrenhaus in Bellin. Aufnahme 1929, Lehrer Otto Dahms aus Bellin

Viele ihrer Werke waren auf dem Gutshof ihrer Eltern im neumärkischen Bellin (polnisch Bielin (Moryń)) in Ostbrandenburg aufgestellt. Die Marmorskulpturen „Bacchus“, „Mutter mit Kind“ und „Der Sommer“ befanden sich im Park des spätbarocken Herrenhauses von Bellin, die Marmorskulpturen „Amor“ und „Der Frühling“ befanden sich im Haus. An der Ostseite der Kirche von Bellin in der Familiengrabstätte der Rittergutsbesitzer von Kahle war ein lebensgroßer Engel aus Marmor auf dem Grabmonument von Adelaide von Kahle, geb. Freiin von Steinacker aufgestellt. Auf dem Anna-Platz in Bellin stand ein Friedensengel. Diese Belliner Werke sind seit 1945 vermisst. Der Belliner Lehrer hat 1930 Fotos von diesen Werken veröffentlicht.[3]

Eine gelblich gefasste Porträtbüste Theodor Fontanes von Anna von Kahle aus dem Jahre 1881 befand sich im ehemaligen Lebuser Kreismuseum in Müncheberg und ist seit 1945 kriegsbedingt verschollen.[12] Die Suchmeldung des Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste hat die Nummer Lost Art-ID273988.

Ihr umfangreiches Œuvre ist kunsthistorisch noch nicht aufgearbeitet.[10]

Büste von Theodor Fontane von Anna von Kahle. Gipsbüste, gelblich gefasst, mitgegossener Fuß. Ehemals Lebuser Kreismuseum, Müncheberg. Seit 1945 verschollen. H. 37,3 cm, B. 28,1 cm, T., 16,7 cm. Foto: Erwin Schreyer. Objekt aus: Projekt Verlustsache: Märkische Sammlungen. Suchmeldung: Lost Art-ID273988.
„Die junge Mutter“ Skulptur von Anna von Kahle (Wiener Hausfrau, 27.4.1913)

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g Carola Muysers, Dietmar Fuhrmann: Käthe, Paula, und der ganze Rest. Kupfergraben, Berlin 1992, ISBN 3-89181-411-9.
  2. Standesamt Berlin XII a – Sterberegister 1920. (PDF; 168 MB) Landesarchiv Berlin; Bestand P Rep. 811; im PDF S. 64.
  3. a b c d e Otto Dahms: Bellin bei Bärwalde Nm. In: Kreisausschuß des Kreises Königsberg Nm (Hrsg.): Königsberger Kreiskalender 1930. J. Neumann, Neudamm 1930, S. 104–113.
  4. a b c d e Ideal und Form. Friedrichswerdersche Kirche. In: Stadtmuseum Berlin. Abgerufen am 21. Dezember 2021.
  5. a b c d Kahle, Anna von. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 19: Ingouville–Kauffungen. E. A. Seemann, Leipzig 1926, S. 435 (biblos.pk.edu.pl).
  6. Kahle, Anna von. In: Benezit Dictionary of Artists. Oxford University Press, 31. Oktober 2011, doi:10.1093/benz/9780199773787.article.b00096728 (oxfordartonline.com [abgerufen am 21. Dezember 2021]).
  7. a b c Brigitte Hüfler: Zwölf Bildhauerinnen des 19. Jahrhunderts. Ein Nachtrag zur Berliner Bildhauerschule. In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft. Band 43, Nr. 2, 1989, ISSN 0044-2135, S. 64–79, hier S. 72.
  8. a b Arie Hartog: Leere Sockel: eine vorläufige Geschichte der Bildhauerinnen in Deutschland. In: Marc Gundel, Arie Hartog, Frank Schmidt (Hrsg.): Bildhauerinnen in Deutschland. Wienand, Köln 2019, ISBN 978-3-86832-520-1, S. 168–176, hier S. 170–171.
  9. a b Mirjam Verhey: Anna von Kahle. 1843–1920. In: Marc Gundel, Arie Hartog, Frank Schmidt (Hrsg.): Bildhauerinnen in Deutschland. Wienand, Köln 2019, ISBN 978-3-86832-520-1, S. Katalognr. 3.
  10. a b c Anna von Kahle. In: Mapping the Practice and Profession of Sculpture in Britain and Ireland 1851–1951. University of Glasgow History of Art and HATII, 2011, abgerufen am 21. Dezember 2021 (englisch).
  11. Kahle. In: Berliner Adreßbuch, 1920, Teil 1, S. 1236.
  12. Georg Mirow: Neueingänge für Museum, Bibliothek und Archiv (bis 1. Januar 1918). In: Verein für Heimatkunde des Kreises Lebus (Hrsg.): Mitteilungen des Vereins für Heimatkunde des Kreises Lebus in Müncheberg. Band II, H. 1-2. Müncheberg 1916, S. 17, 75.