Arbeiterkolonie Kronenberg

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Arbeiterkolonie Kronenberg auf einer Übersichtskarte der Bürgermeisterei Altendorf aus dem Jahre 1898 im Maßstab 1:5000; im Osten schließt sich die Krupp-Gussstahlfabrik im hier nicht dargestellten Stadtbezirk Essen an

Die Arbeiterkolonie Kronenberg (auch: Colonie Cronenberg) war eine Arbeitersiedlung westlich des damaligen Stadtbezirks Essen auf Altendorfer Gebiet, die durch die Firma Krupp (seit 1903 Friedrich Krupp AG) nach der Deutschen Reichsgründung zum größten Teil in den Jahren 1872 bis 1874 für ihre Arbeiter errichtet worden war. Gegen Ende der 1930er Jahre wurde die Siedlung nach und nach zur Erweiterung der Gussstahlfabrik niedergelegt. Grund war, dass die damals als Waffenschmiede des Deutschen Reiches bezeichnete Fabrik mehr Platz für weitere Werke der Waffenproduktion benötigte.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfang der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts sah sich der Firmeninhaber Alfred Krupp genötigt, für seine stetig steigende Zahl von Arbeitern seiner rasch expandierenden Gussstahlfabrik, auf dem Gelände des heutigen Krupp-Gürtels, selbst Wohnraum zu schaffen. Eine sich zuspitzende Wohnungsnot in Essen resultierte aus Zuwanderungen von Arbeitskräften für die kruppsche Industrie, aber auch den aufstrebenden Bergbau in der Region. Daraufhin richtete Alfred Krupp ein firmeninternes Baubüro unter der Leitung des Regierungsbaumeisters Gustav Kraemer ein.

Die Arbeiterkolonie Kronenberg war die letzte errichtete Wohnkolonie unter Alfred Krupp. Zuvor begann der kruppsche Wohnungsbau mit der Errichtung zweier so genannter Meisterhäuser in den Jahren 1861/1862 und der Arbeiterkolonie Alt-Westend 1863. Nach dem Ende der Gründerzeit 1874, nach dem Bau der Kolonien Nordhof, Schederhof, Baumhof und schließlich Kronenberg, musste das Vorhaben aus finanziellen Gründen eingestellt werden. Erst um 1891 begannen unter Friedrich Alfred Krupp neue Aktivitäten des kruppschen Wohnungsbaus in neuem Maßstab mit den Siedlungen Alfredshof und Altenhof.

Die Kolonie Kronenberg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese letzte unter Alfred Krupp errichtete Arbeiterkolonie entwickelte sich zu seinem größten Wohnungsbauvorhaben. Sie erstreckte sich auf rund 19 Hektar westlich der Gussstahlfabrik und nördlich angrenzend an die Bergisch-Märkische Eisenbahnstrecke, auf dem Gebiet des damals selbständigen Altendorfes, seit 1901 ein Stadtteil von Essen. Dieses freie Feld gehörte zuvor dem Landwirt Krone, nach dem die Kolonie Kronenberg benannt wurde. Westlich der Arbeiterkolonie bildete die Bärendelle die Grenze zu damals landwirtschaftlich geprägten Flächen.[1] Der Bach Bärendelle (einst: Beerenbach) entsprang am heutigen Frohnhauser Platz und floss Richtung Altendorf.

Hammacherhof mit Blick auf die Kolonie Kronenberg

Die Arbeiterkolonie war als selbständiger Ort mit Freizeit- und Gemeinschaftseinrichtungen geplant, was sie in diesem Ausmaß von den anderen bestehenden Arbeiterkolonien unterschied. Die Straßen hatten keine Namen, sondern waren mit alphabetischen Buchstaben bezeichnet.

Zunächst verfügte die Kolonie über 1356 Wohnungen in 221 Häusern. Nach weiterem Ausbau, auch noch nach 1874, erhöhte sich die Anzahl der Wohnungen auf gut 1570, die für etwa 8000 Menschen gedacht waren. Unter den bis 1874 errichteten 1356 Wohnungen waren 693 Zweiraum-, 528 Dreiraum-, 129 Vierraum- und sechs Fünfraumwohnungen, meist aufgeteilt in eine Wohnküche und einen Schlafraum bzw. weitere zusätzliche Wohnräume. Die Essener Volkszeitung gibt in ihrer Ausgabe vom 30. April 1876 an, dass in der Kolonie Kronenberg 6095 Menschen wohnen, davon sind 3802 katholisch, 2218 evangelisch und 75 andersgläubig.

Die Häuser hatten Gewölbekeller und boten einen Gemeinschaftsdachboden unter einem mit Pfannen gedeckten Dach. Zudem gab es bereits Toiletten auf dem Treppenabsatz. Um die Häuser herum gab es Gärten und gemeinschaftliche Bleichplätze. Die Außenwände der Häuser waren massiv mit unverputzten Ziegelsteinen gemauert, die Innenwände bestanden aus Steinfachwerk. Die überwiegend dreieinhalbgeschossigen Wohnhäuser waren rechtwinklig angeordnet, wobei sich am Ostrand und mittig der Siedlung langgezogene Wohnblöcke in Nord-Süd-Richtung sowie am Westrand kurze Blöcke in gleicher Richtung erstreckten. Rechtwinklig dazwischen waren Zwölffamilienhäuser in Dreier- bzw. Zweierreihe angeordnet. Nahe der Bahnstrecke befanden sich zudem zusammenhängende Zeilen von Sechsfamilienhäusern.

Die überwiegende Anzahl der Straßen der Siedlung waren mit alphabetischen Buchstaben gekennzeichnet, Straßennamen gab es dort nicht. Die Siedlungsstruktur wurde zentral durch eine Ortsmitte unterbrochen. Diese lag vor der noch erhaltenen, um 1910 erbauten Bierhalle und bestand aus einem Marktplatz für den Wochenmarkt, einer Parkanlage mit Konzertbühne und diversen Gemeinschaftseinrichtungen. Zu denen gehörte eine zentrale Konsumanstalt, also ein Geschäft mit Dingen des täglichen Bedarfs für die Arbeiter. Der Wochenmarkt wurde seit 1874 durch die Konsumanstalt betrieben.[2] Zusätzlich verfügte die Konsumanstalt speziell in der Kolonie Kronenberg über Kolonialwaren, Schuhwaren, eine Schlächterei und sogenannte Manufacturwaren, zu denen man Kurzwaren, Kleidung, Nähmaschinen und Ähnliches zählte. Weitere Gemeinschaftseinrichtungen waren die Bierhalle mit Kegelbahn, Biergarten und angeschlossenem Versammlungssaal für bis zu 1500 Personen sowie eine Poststelle. Der Versammlungssaal stand für Festlichkeiten und als Vereinslokal für Mitglieder der Gussstahlfabrik zur Verfügung und hatte zudem Bibliotheksschränke und eine Theaterbühne, auf der in den Wintermonaten Vorstellungen des Essener Stadttheaters gegeben wurden. Auf die ganze Siedlung verteilt gab es weitere Ausgabestellen der Konsumanstalt, eine Apotheke sowie Spielplätze und im Südosten, außerhalb der Kolonie, drei Schulgebäude. Die katholische Schule im Osten an der Sälzerstraße und die evangelische Schule im Süden der Kolonie waren als Privatschulen, getragen von der Firma Krupp, zur Entlastung der städtischen Schulen eingerichtet und boten, jeweils getrennt für Jungen und Mädchen, acht Jahrgangs-Klassen. Östlich der evangelischen Schule lag die 1877 eröffnete Simultanschule für Kinder beider Konfessionen. Dort lag auch der Krämerplatz, etwa dort, wo heute die Haedenkamp- auf die Frohnhauser Straße trifft. Dieser galt als Tor zur Gussstahlfabrik. Hier gab es Kneipen, Geschäfte, eine Bäckerei und das erste evangelische Gemeindehaus. Nördlich außerhalb der Kolonie ging aus einer 1872 bis 1873 errichteten katholischen Notkirche an der Helenenstraße der heutige, 1892 erbaute Altendorfer Dom (St. Mariä Himmelfahrt) hervor[1], der seit 1994 unter Denkmalschutz steht. Südlich der Bahnstrecke kam 1882 die Lutherkirche hinzu. 1901 wurde in einer Wohnung der Arbeiterkolonie Kronenberg der spätere Verleger und Unternehmer Jakob Funke geboren.[3]

In den Jahren 1912 und 1913 wurde das alte Empfangsgebäude des Altendorf-Cronenberg und später Altendorf Essen-Süd genannten Bahnhofes durch das heutige des seit 1901 Essen West genannten Bahnhofes ersetzt. Der alte, 1884 in Betrieb gegangene Bahnhof lag damals nördlich der Bergisch-Märkischen Eisenbahnstrecke, ungefähr gegenüber der Lutherkirche. Ebenfalls 1912 besuchte Wilhelm II. anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Firma Krupp ihre damals bedeutendste Arbeiterkolonie Kronenberg.[1]

Das Areal zur Zeit des Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1938/39, zur Zeit des Nationalsozialismus, profitierte Krupp zwar von der steigenden Konjunktur, jedoch stieg die Einflussnahme des Hitler-Regimes so, dass auch Vorstandspositionen von diesem neu besetzt wurden. Eine Folge daraus war, dass Teile der Kolonie Kronenberg zu dieser Zeit unter anderem einer Panzerwerkstatt weichen mussten. Auch die anderen Siedlungsteile wurden in diesen beiden Jahren niedergelegt, um die Gussstahlfabrik erweitern zu können. Als Ersatz für das niedergelegte Gemeindehaus am Krämerplatz wurde durch Krupp das heutige an der Lutherkirche errichtet. Die in dieser Zeit erbaute Siedlung zwischen der Niebuhrstraße und der Bahnstrecke sollte als Ersatz von Kronenberg stehen.

Im Jahr 2011, als man mit Arbeiten für das Kronenberg Center östlich der heutigen Haedenkampstraße begann, wurde in diesem südöstlichen Teil der ehemaligen Kolonie Kronenberg ein Luftschutzbunker für 540 Krupp-Angestellte der Gussstahlfabrik entdeckt. Die etwa einhundert Meter lange unterirdische Anlage mit 30 Räumen wurde in den 1930er Jahren erbaut.[4]

Heutiger Zustand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von der ursprünglichen Arbeiterkolonie ist nahezu nichts mehr erhalten. Heute befindet sich im westlichen Bereich des Areals der ehemaligen Arbeiterkolonie Wohngebiet, meist bestehend aus Nachkriegsbauten. Im größten Bereich, heute östlich der Haedenkampstraße, befanden sich bis Ende 2011 etwas Einzelhandel und einige Brachflächen. Am 24. Oktober 2013 eröffnete hier das Einkaufszentrum Kronenberg Center. Von den Straßenzügen existiert noch die Richterstraße als einst westlichste Straße der Kolonie, sowie die ehemals zentral durch Kronenberg verlaufende Ost-West-Verbindung, die Sälzerstraße. Diese führte im Osten durch das Werksgelände, vorbei an der Zeche Vereinigte Sälzer & Neuack hin zur Westendstraße, wurde dort zur Werksstraße und durch Fabrikerweiterungen in diesem Abschnitt bald aufgegeben.

Das einzig noch heute erhaltene Gebäude der Arbeiterkolonie Kronenberg ist das der ehemaligen Bierhalle etwa aus dem Jahr 1910 mit einem Versammlungssaal für rund 1500 Personen. Es wird seit 1980 von der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Essen-Altendorf genutzt. Der Regionalverband Ruhr nahm das Gebäude Anfang 2013 in die Route der Industriekultur auf.[5]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Daniel Stemmrich: Die Siedlung als Programm. Hrsg.: Johann Georg Olms Verlag. 1981, ISBN 978-3-487-07064-3.
  • Boris Kretzinger: Werkwohnungsbau vor 1914. Hrsg.: GRIN Verlag. 2007, ISBN 978-3-640-14178-4.
  • ThyssenKrupp / Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Hrsg.): Krupp-Gürtel historisch. 2010.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Arbeiterkolonie Kronenberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Lokalkompass Essen West vom 13. November 2013: Der Kronenberg – Blick in die Geschichte
  2. Digitalis Uni-Köln: Consum-Anstalt, Seite 36; abgerufen am 9. Januar 2014
  3. Michael Weeke: Der Architekt des Erfolgs. Hrsg.: Westdeutsche Allgemeine Zeitung; 70 Jahre WAZ – Jubiläumsausgabe. Essen 31. März 2018.
  4. Archäologische RuhrZeiten: Luftschutzanlage der ehemaligen Friedr. Krupp Gussstahlfabrik an der Haedenkampstraße; abgerufen am 18. Dezember 2015
  5. Regionalverband Ruhr: Route der Industriekultur, Themenroute 5: Ehemalige Bierhalle Siedlung Kronenberg (Memento des Originals vom 11. Juni 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.route-industriekultur.de, abgerufen am 13. Januar 2013

Koordinaten: 51° 27′ 25″ N, 6° 58′ 56″ O