Becker und Maass

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Becker & Maass (original bei Gründung Otto Becker & Maass, ab 1896 Otto Becker & Maass photogr. art. Atelier Heinr. Maass, publizistisch auch O. Becker und Maass und Becker & Maaß sowie ähnliche Schreibweisen) war ein Fotostudio in Berlin, das mit unterschiedlichen Fotografen und Inhabern vom 1. Januar 1890 bis dem Namen nach 18. August 1957 existierte. Es wurde nach der Wende zum 20. Jahrhundert vor allem durch die Fotografin und Eigentümerin Marie Boehm für ihre Porträts von Künstlern und Modefotografie bekannt, in den 1920er Jahren bis zu Boehms Emigration 1933 auch als Treffpunkt der gehobenen Kunst- und Kulturgesellschaft.

Vorgeschichte: Atelier Otto Becker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zeitungsanzeige zur Eröffnung des Ateliers von Otto Becker 1885
Leipziger Straße im Jahr 1902; etwas die Straße hinunter auf der linken Seite befand sich die Nr. 94

Otto Paul Becker (1850–1892) war 1881 als nicht bevollmächtigter Gesellschafter in die Chemikalien-Handlung von Johanna Sachs ein- und knapp zwei Jahren später wieder ausgetreten. Zu dieser Zeit war er als Berliner und Fotograf ausgewiesen.[1][2][3] In den Berliner Adressbüchern der Vorjahre ist er nicht eingetragen. Für das Jahr 1884 ist im Berliner Adressbuch ein Fotograf O. Becker als Mitarbeiter des Ateliers Theodor Prümm in der Straße Unter den Linden aufgeführt. Möglicherweise handelt es sich um die hier behandelte Person.[4]

Im Februar 1885 kündigte Becker seine Ateliereröffnung in Berlins geschäftiger Leipzigerstrasse im Haus Nr. 94 an. Es lag zwischen Charlottenstraße und Markgrafenstraße.[5] Im gleichen Gebäude befanden sich u. a. neben Wohnungen Zigarren-, Möbel- und Vorkosthandlung, in den Häusern gegenüber u. a. Musikalien-, Buch- und Weingroßhandlung[6] Für das Jahr 1889 ist Becker als Mitglied des Photographischen Vereins zu Berlin nachgewiesen.[7] In den Folgejahren machte Becker mit den üblichen Anzeigen in den Tageszeitungen Berlins auf sein Atelier aufmerksam[8][9], trat ansonsten jedoch in der sich rasant entwickelnden Fotografiekultur nicht weiter in Erscheinung. Überliefert sind gängige Porträtaufnahmen als Carte de Visite.

Die ersten Jahre des Ateliers unter Otto Becker und Heinrich Maass[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zum 1. Januar 1890 gründeten Otto Paul Becker als wiederum nicht bevollmächtigter Gesellschafter und Heinrich Maass, der sich als Berliner Maler und Fotograf angab, die offene Handelsgesellschaft Firma Otto Becker & Maass.[10] Die gemeinsame Lokalität war Beckers vormals allein geführtes Atelier.[10] Das Atelier konnte einen gewissen Bekanntheitsgrad in Berlin aufweisen. 1891 versuchten sich die Inhaber auch überregional zu etablieren. So boten sie z. B. in Witten „Vergrößerungen auch nach kleinsten und verblassten Bildern“ an.[11]

Otto Becker starb mit 42 Jahren „nach langem, schweren Leiden“ am 2. Januar 1892.[12] In der Folge war Maass zunächst allein Inhaber, hatte sehr bald jedoch in rascher Folge wechselnde Gesellschafter, die jeweils Kaufmann als Beruf angaben.[13][14][15] Er führte in dieser Zeit seine überregionalen Bestrebungen weiter, wobei der Anteil seiner Mitinhaber daran wie auch an der inhaltlichen Ausrichtung des Ateliers (Stand 2023) unklar ist.[16][17] Gleichzeitig setzte er verstärkt auf Kundengewinnung mittels damals technisch hochwertiger Vervielfältigungsverfahren und Druckangebote wie Zinkografie, Autotypie, Niederschläge und Kupferdruckerei. Im Berliner Adressbuch für 1895 ist zusätzlich Photochemische Anstalt vermerkt.[18]

Im Januar 1896 mündeten die Beteiligungswechsel in eine Teilung der Gesellschaft, woraus zwei fast namensgleiche Firmen entstanden: Otto Becker & Maaß photographisch artistisches Atelier Heinrich Maaß mit dem alleinigen Inhaber Heinrich Maaß und Otto Becker & Maaß Graphische Kunstanstalt Carl Schütte mit dem Inhaber Kaufmann Carl Schütte.[19] Für die Firma von Schütte sind (Stand 2023) keine fotografischen Aktivitäten bekannt. Seiner Ehefrau erteilte er 1898 Prokura.[20] 1911 wurde die Firma laut Handelsregister in Carl Schütte umbenannt.[21]

Zum 1. November 1896 übernahm von Maass die Buchhalterin Marie Boehm vertraglich das Atelier, das sie laut einer späteren Jubiläumsschrift zuvor schon mehrere Jahre geleitet hatte.[22]

Heinrich Maass trat danach produktiv und gesellschaftlich nur noch als Maler (in wechselnden Ausrichtungen) auf.

Aufschwung unter Marie Boehm[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anzeige in der Zeitschrift Die Radlerin (1898)
Zeitungsseite aus Die Woche von 1902. „Toilettenbedarf einer Dame“ meint zu jener Zeit den Bedarf an Kleidung, den eine Dame im Tageslauf hat.

Atelierzeit Leipziger Straße[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Den Firmennamen Otto Becker und Maaß photographisch artistisches Atelier Heinrich Maaß behielt Boehm bei und veröffentlichte weiterhin unter den bereits etablierten Kurzformen Otto Becker & Maass oder Becker & Maass. In der Kunstfotografie trat sie zu dieser Zeit meistens unter eigenem Namen auf. Bereits 1901 gab Boehm Unterricht in der Fotografie.[23]

Geschäftlich suchte sich Boehm nach Übernahme des Ateliers zunächst auch als Sportfotografin zu profilieren.[24][25][26] Doch ebenso gehörten Porträts, Außen- und Reiseaufnahmen[27][28] sowie Fotos dinglicher Arrangements[29] bereits um die Jahrhundertwende zum Repertoire. Das Fachblatt Papierzeitung berichtete:

Künstlerpostkarten nennt Johannes Haacke in Berlin SW die in seinem Verlage erschienenen Bilderkarten. Sie sind nach Photographien von Becker & Maass in Lichtdruck angefertigt. Die Darstellungen sind verschiedensten Gebieten entlehnt. Kinderszenen jeder Art, ein Startbild von der Ruderregatta, Fantasiebilder mit Amoretten, Genien usw., kleine Genre-Szenen, Damenbildnisse usw. Der blaue Lichtdruck ist zum Theil vorzüglich.“

o. A.: Papier-Zeitung 1898[30]

Boehm schaffte es, sich neben bereits auf die Belieferung von Tagespresse und Magazinen spezialisierten großen Fotoateliers wie Zander & Labisch auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt zu etablieren. Dies fiel in eine Zeit starker Presse-Konkurrenz der Berliner Großverleger Leopold Ullstein, August Scherl und Rudolf Mosse (vor allem seit 1898 als sogenannter „Zeitungskrieg Ullstein-Scherl“)[31][32] und eines wachsenden Bilderbedarfs. Beispielhaft angeführt sei hier Die Woche aus dem Verlag August Scherls. Während Boehm im Jahrgang 1900 kaum mit Fotos (oder für diese nicht angezeigt) vertreten war, ist 1902/1903 Becker & Maass jenseits etlicher Einzelaufnahmen mehrfach schon im Titel zur Artikelillustration ausgewiesen. Dabei zeichnete sich bereits eine starke Ausrichtung auf Modefotografie ab:

  • Haarpflege bei Kindern. Hierzu 4 Spezialaufnahmen für „die Woche“ von Becker & Maaß, Berlin.[33]
  • Moderne Hauskleider. Hierzu 6 photographische Aufnahmen von Becker & Maaß, Berlin.[34]
  • Neue Frühjahrshüte. Hierzu 6 Aufnahmen von O. Becker & Maaß, Berlin.[35]
  • Kindermoden. Hierzu 5 Spezialaufnahmen für die „Woche“ von Becker & Maaß, Berlin.[36]
  • Der Toilettenbedarf einer Dame. Hierzu 6 Aufnahmen von Becker & Maaß, Berlin.[37]
  • Jenny Springer: Wie Tiere leiden. Hierzu 5 Aufnahmen von Otto Becker & Maaß, Berlin.[38]

Anschaulich wird mit dieser Liste zudem der unterschiedliche Gebrauch des Ateliernamens.

Eine von Boehms ersten größeren Arbeiten für die illustrierte Presse waren 1903 die ersten Aufnahmen von den Schauspielern in Maxim Gorkis Schauspiel Nachtasyl, das damals sehr erfolgreich im Kleinen Theater Unter den Linden lief. Danach war sie „in den Kreisen von Theater, Literatur und Kunst sehr geschätzt“.[39] In den Folgejahren trat Boehm zunehmend als Porträtfotografin gesellschaftlicher Akteure, v. a. von Künstlern in Erscheinung. Für die Zeit bis 1904 waren das beispielsweise Rudolf Rittner, Eduard von Winterstein und Agnes Sorma.

Direkt gegenüber dem Haus Leipzigerstrasse 94 lag das Wohn- und Geschäftshaus Nr. 38 des Kaufmanns Louis Blumenthal, der unter anderem eine Geschäftsbücherfabrik, eine Buchdruckerei und Lithographische Anstalt betrieb und hier um die Jahrhundertwende neben Kunst-, Luxus-, Galanterie- und Lederwaren auch die für Fotografen wichtige Papierkonfektionierung anbot.[40] Spätestens ab 1902 bis 1909 verlegte Blumenthal Porträtpostkarten vor allem mit Künstleraufnahmen von unterschiedlichen Fotografen. Auch Boehm gehörte häufig dazu.

Atelierzeit Charlottenstraße[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Charlottenstraße 50–51 im Jahr 1887

Durch den Abriss des Hauses Leipziger Straße musste sich Boehm 1904 neue Räumlichkeiten suchen.[39] Mit dem Umzug in die Charlottenstraße 50–51, Ecke Französische Straße, vergrößerte sie sich[39] und wertete gleichzeitig ihren Atelierstandort auf. Er befand sich nun direkt am Gendarmenmarkt gegenüber der Französischen Friedrichstadtkirche und unweit des Königlichen Schauspielhauses. Das Königliche Opernhaus erreichte man mit lediglich fünf Minuten Fußweg. Boehms neues Quartier prägte das Straßenbild und ist auf vielen zeitgenössischen Ansichtskarten des Gendarmenmarkts sichtbar. Das Gebäude mit seinem markanten, stumpf geschlossenen Eckturm war erst neun Jahre vor Boehms Einzug als repräsentatives Wohn- und Geschäftshaus nach Plänen des Eigentümers Maurermeister G. Schwartz fertiggebaut worden. Die Fassadengestaltung hatte dieser von den bekannten Architekten Paul Stegmüller und Ernst von Ihne modern entwerfen lassen. Kunden konnten bequem einen Fahrstuhl benutzen.[41] Im gleichen Haus befanden sich hier zu Boehms Atelierzeit u. a. eine Niederlassung der Emil Wünsche AG, die sowohl Kameras als auch Fotografenzubehör herstellte, die Verlagsbuchhandlung Priber & Lammers sowie das Restaurant Münchener Löwenbräu.[42]

„Die vielen Schaukästen an dem Eckhause Französische Strasse fesselten die Passanten immer durch die Porträts von Personen des öffentlichen Lebens, wobei der natürliche Ausdruck der Dargestellten und die geschmackvollen Aufmachungen immer wieder auffielen.“

o. A.: Photographische Chronik 1921[39]

Literarisch-überschwänglich verarbeitete dies Else Lasker-Schüler in einem Essay.[43]

Für Blumenthals Postkarten lieferte Boehm weiterhin zahlreiche Porträtfotos. Nachdem Blumenthal sich ca. 1909/10 zur Ruhe gesetzt hatte,[44] arbeitete sie mit dessen früherem Geschäftsmitinhaber Hermann Leiser, der die Firma als reinen Kartenverlag weiterführte, zusammen. Für das Jahr 1911 ist zudem das Anfertigen von Karten mittels Kupferätzung belegt.[45]

Im Juni 1914 kam es zu einem großen Brand im Haus, der von Boehm einen Arbeitsraum und das Kopierhaus zerstörte. Das Atelier selbst war verschont geblieben.[46]

Atelierzeit Bellevuestraße[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bellevuestrasse 5 im Jahr 1908
Anzeige im Deutschen Bühnenjahrbuch (1927)
Anzeige im Berliner Adreßbuch (1930) mit dem Angebot für Farb- und Heimaufnahmen

Infolge des Brands zog Boehm im Sommer 1914 erneut um und eröffnete ihr neues Atelier im damals angesagten Tiergartenviertel, in der Bellevuestraße 5. Dieses Wohn- und Geschäftshaus war vom seinerzeit bekannten Berliner Architekten Franz Kemnitz mit Fertigstellung 1907 errichtet worden, und zwar direkt gegenüber des etwa zeitgleich entstandenen mondänen neuen Hotel Esplanade. In der gleichen Straße befanden sich 1914 zahlreiche Adressen der gehobenen Gesellschaft wie von Weinhaus Rheingold, dem Verleger August Scherl, der Porzellansammlerin Hermine Feist, der Firma Vereinigte Modehäuser Gerson-Prager-Haussdorff, Bankier Julius Stern sowie von künstlerischen Einrichtungen wie dem Künstlerhaus des Vereins Berliner Künstler, der Berliner Filiale von Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk, dem Choralion-Saal und dem Architekturatelier Lucian Bernhard.[47] Die Verlegung des Ateliers gab Boehm ihren Kunden durch eine vom Karikaturisten August Hajduk gezeichnete Karte und Presseanzeigen bekannt.[48]

Während des Ersten Weltkriegs gab es einen hohen Bedarf an Bildmaterial für die Presse zu öffentlicher Unterhaltung und Mode – die Bereiche, in denen sich Boehm mit Becker & Maass bereits einen guten Namen gemacht hatte. „In Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt oder München blieb während des gesamten Ersten Weltkrieges mit Theatern, Varietés, Restaurants, Kaffeehäusern und Schankwirtschaften ein vielfältiges großstädtisches Unterhaltungsangebot bestehen, das Besucher oftmals in Erstaunen versetzte.“[49] Die Zahl der Kinos wuchs in Berlin binnen vier Jahren um mehr als ein Drittel auf 312 im November 1918.[50] Nach dem ersten Schock für die deutschen Film- und Verleihfirmen, nach Kriegsbeginn vom internationalen Markt weitgehend ausgeschlossen zu sein, hatten sich rasch Filmproduktionsfirmen entwickelt.[51] Ein Zentrum dabei wurde der Berliner Raum,[52] was für die hier ansässigen Fotografen von Vorteil war. Ausschweifend angekündigt, reportiert und kritisiert wurden weiterhin Theateraufführungen und zunehmend Unterhaltungsfilme, vielfach mit Fotos unterlegt. Etliche in Berlin lebende Theaterstars wurden (auch) Stummfilmstars, so Erika Glässner, Hans Marr und Käthe Wittenberg, die Boehm weiterhin porträtierte. Neue Talente wie Hedda Vernon und Lu Synd kamen für ihr Atelier hinzu.

Vor dem Krieg waren fotografische Modebeilagen in der deutschsprachigen Presse häufig Pariser Herkunft, vor allem von den Ateliers Reutlinger und Henri Manuel.[53] Der Konkurrenzdruck auf die einheimischen Ateliers war groß. Mit Kriegsbeginn 1914 hörte die Zufuhr französischer Bilder auf. Beim gleichzeitigen Darstellen des politisch geforderten Modeumschwung für Frauen – schlicht, praktisch, möglichst patriotisch[54] – wurden nun mehr Modefotos aus dem Staatsraum der eigenen Kriegsparteien benötigt. Dies galt sowohl für Österreich-Ungarn als auch das Deutsche Kaiserreich. Fotos von Becker & Maass wurden beispielsweise vermehrt in der führenden österreichischen Modezeitschrift Wiener Mode gedruckt.[55]

In der Nachkriegszeit florierte der Absatz von Starpostkarten mit Autogramm als Fan- und Sammelobjekt.[56] Viele der angesagten Film- und Theaterschauspieler übergaben und versendeten selbst ihre signierten Porträts oder Szenenbilder. Boehm bediente diesen Markt teils im Eigenverlag. Im größeren Maße jedoch tauchten ihre Fotos als Porträtserien in Fremdverlagen auf. Besonders umfangreich waren z. B. die Abgaben an die Berliner Hermann-Leiser-Verlag, Rotophot AG, die auch im Ausland agierte, und Ross-Verlag. Becker & Maass-Fotos finden sich ebenso auf Zigarettenbildern, z. B. von Eckstein-Halpaus in Dresden.

Übergabe an Victor Festl-Hohenfels und letzte Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kurfürstendamm im Jahr 1940, links auf das Hotel folgend die Nr. 24. Foto: Willy Pragher
Anzeige im Fachblatt Photographische Chronik (1944)

Zum 1. Juli 1933 verkaufte Boehm Otto Becker & Maaß photogr. art. Atelier Heinr. Maaß an die Witwe Else Kuznitzki, geb. Ziegeler.[57] Der Verkaufswert betrug 30.000 Reichsmark.[58] Das entspricht etwa einem Wert von 141.000 Euro im Jahr 2020.

Am 25. Juli 1933 schlossen Kuznitzki und der als ‚Artist‘ bei den Behörden gemeldete Österreicher Victor Festl-Hohenfels (1897–1988), beide in Berlin wohnend, einen Kommanditvertrag.[58] Die Handelsregister-Information darüber, dass diese Kommanditgesellschaft bereits mit dem 1. Juli begann, erschien im Deutschen Reichsanzeiger allerdings erst Anfang Oktober. Persönlich haftender Gesellschafter war Festl-Hohenfels, nur beschränkt haftende Kommanditistin Kuznitzki.[59][58] Im Mai 1937 machten die Inhaber bekannt, dass die Kommanditeinlage Kuznitzkis herabgesetzt wurde.[60] Die Abfolge der Vorgänge legt die Vermutung nahe, dass Kuznitzki als Strohmann für die Übergabe der Firma von Boehm an Festl-Hohenfels fungierte. Dies deckt sich mit der späteren Darstellung in Hohenfels’ Biografie: „Seiner Geschäftspartnerin, einer 74jährigen (sic!) Jüdin, verhalf er mit hohem finanziellem Einsatz zur Flucht nach London, was seine abermalige Verhaftung zur Folge hatte.“[61]

Unter Festl-Hohenfels wurden vor allem Pressefotografien für Zeitungen, Verlagsanstalten sowie Industrie- und Handelsfirmen in Deutschland und im Ausland hergestellt. Er nutzte zudem das auf ca. 80.000 Platten angewachsene Archiv für die Erstellung und den Verkauf von Kollektionen an in- und ausländische Verleger. Zeitweilig beschäftigte er bis zu elf Angestellte.[58]

Ende 1937/Anfang 1938 verließ Festl-Hohenfels mit Becker & Maass die gesellschaftspolitisch exponierte Lage im Tiergartenviertel und betrieb das Atelier am Kurfürstendamm 24 weiter, sich wie in den Folgejahren nur als Inhaber und Kaufmann bezeichnend.[62][63][64] Es ist (Stand 2023) nicht bekannt, welche Gründe im Einzelnen zur Standortänderung führten. Das neue Domizil befand sich neben dem Hotel am Zoo und rückseitig fast angrenzend an die später während der Novemberpogrome 1938 zerstörte Synagoge Fasanenstraße. Es ist nicht erhalten. Werbung und Einträge im Branchenverzeichnis ließ Festl-Hohenfels ohne seinen Namen. Eine Woche vor Kriegsende brannten seine Räumlichkeiten vollständig ab.[61]

Nach dem Ende des Krieges gab es keine Gewerbetätigkeit bei Becker & Maass mehr.[58] Fest-Hohenfels arbeitete von Mai 1945 bis August 1947 angestellt am Aufbau des Berliner Rundfunks in der Sowjetischen Besatzungszone Berlins, wechselte dann in die Britische Besatzungszone und war in den Folgejahren als freischaffender Dirigent und Komponist aktiv.[65] Die Löschung der Firma Becker & Maass aus dem Handelsregister erfolgte am 18. August 1957.[58]

Forschung und Datenlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stand Februar 2024 gibt es keine publizierten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse zu Becker & Maass oder den Biografien von Otto Becker, Heinrich Maass, Marie Boehm und Victor Hohenfels. Es existiert lediglich ein auf einer Quellenrecherche basierender Teilabschnitt in der Firmendarstellung, die in der Deutschen Fotothek über die Bildbeschreibung eines beliebigen Fotos von Becker & Maass abrufbar ist. Als Rechercheur ist Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin, angegeben. Fakten nach 1933, die wahrscheinlich aus der Akte des Handelsregisters Berlin stammen, sind jedoch mit im Internet beleglos kursierenden falschen Angaben vermischt, dazu teilweise ungenau in der Aussage, übergeneralisierend und sich widersprechend dargestellt, und so nur teilweise belastbar. Auf verschiedenen Fotografiehistorie behandelnden oder etwas davon angebenden Websites existieren zahlreiche unbelegte Kurzdarstellungen mit sehr unterschiedlichen Jahres- und Abfolgedaten. Von einigen wissenschaftlich aufgebauten Archiven (Universitäten, Museen, Stadtarchive) wurden diese und damit die Fehler in unterschiedlichem Umfang übernommen. Gelegentliche Literaturangaben erweisen sich bei Überprüfung als Bildnachweise. Ebenso wie die Erforschung der Firmengeschichte fehlt Stand Februar 2024 die wissenschaftliche Darstellung des Gesamtwerks von Becker & Maass oder eines seiner Teilgebiete.

Wer fotografierte?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Partnerschaft zwischen dem Fotografen Otto Becker und dem Maler Heinrich Maass dauerte nur zwei Jahre. Für Becker ist im Adressbuch für 1892 eine geänderte Wohnadresse weit südlich von Berlin auf einem Berliner Stadtgut angegeben, auch starb er nach langer Krankheit. Heinrich Maass trat während ihrer Geschäftszeit als Maler und Fotograf auf, wurde im Juni 1896 in den Photographischen Verein zu Berlin aufgenommen. Stand 2023 ist kein angestellter Fotograf aus zeitgenössischen Quellen ablesbar. Gleiches gilt für die fast 37-jährige Atelierzeit der damals sehr bekannten Marie Boehm. Else Lasker-Schüler gab 1910 in ihrem Essay den Eindruck eines Ateliers mit genau dieser Fotografin.[43] Dies kann nur als Indiz gewertet werden. Zum 25-jährigen Geschäftsjubiläum Boehms 1921 jedoch ist zu lesen: „Die Aufnahmen macht sie stets selbst.“[39] Festl-Hohenfels beschäftigte zeitweilig fünf Fotografen.[58]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Becker und Maass – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Berliner Börsen-Zeitung vom 11. April 1881, Seite 17.
  2. Berliner Tageblatt vom 2. Februar 1883, Seite 4.
  3. Nachtrag zum Berliner Adressbuch für 1881, 1. Teil, Seite 20.
  4. Berliner Adressbuch für 1884, 1. Teil, Seite 45. Anmerkung: Als gesichert, dass es sich hier um Otto Paul Becker handelt, kann dies ohne weitere Belege nicht gelten.
  5. Berliner Tageblatt vom 15. Februar 1885, Seite 10.
  6. Berliner Adressbuch für 1885, 2. Teil, Seite 229.
  7. Photographischer Verein zu Berlin. Mitgliederverzeichniss. In: Photographische Nachrichten, 1. Jg., Nr. 4, Berlin 1889, Seite 43.
  8. Anzeige Atelier Otto Becker. In: Berliner Tageblatt vom 8. August 1885, Seite 7.
  9. Anzeige Atelier Otto Becker. In: Berliner Tageblatt vom 5. Dezember 1887, Seite 4.
  10. a b Anzeiger zum Handelsregister des Königlichen Amtsgerichts I zu Berlin. In: Berliner Börsen-Zeitung Nr. 12/1890 vom 8. Januar 1890, Seite 10.
  11. Anzeige als erstes Atelier für Vergrößerungen. In: Wittener Zeitung Jg. 40 vom 25. Dezember 1891, Seite 277.
  12. Todesanzeige Otto Becker. In: Berliner Tageblatt vom 5. Januar 1892, Seite 19. Anmerkung: Maass gab den Behörden den Austritt Beckers durch Ableben erst über ein Jahr später bekannt.
  13. Berliner Börsenzeitung vom 23. September 1893, Seite 18.
  14. 4. Beilage zum Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 226 vom 25. September 1894, Seite 9.
  15. 6. Beilage zum Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 124 vom 25. Mai 1895, Seite 14.
  16. Lüdenscheider Zeitung vom 14. Dezember 1893, Seite 2.
  17. Anzeige zur Anwerbung von Stadtreisenden auf Provisionsbasis. In: Berliner Tageblatt vom 7. Januar 1894, Seite 16.
  18. Berliner Adressbuch für 1895, 1. Teil, Seite 62.
  19. Handelsregistereintrag 27 570. In: 5. Beilage zum Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 14 vom 17. Januar 1896, Seite 12.
  20. Berliner Tageblatt vom 9. Juli 1898, Seite 10.
  21. Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger vom 22. Mai 1911, ohne Seiten.
  22. o. A.: Eine der bekanntesten Berliner Photographinnen. In: Sport im Bild, Heft 46/1921, Seite 1834. Anmerkung: Zu dieser Zeit lebte Maass, der hätte widersprechen können, noch und zudem in Berlin, sodass von einem recht hohen Wahrheitsgehalt ausgegangen werden kann.
  23. Anzeige Fotografieunterricht. In: Berliner Tageblatt vom 14. Juli 1914, Seite 15.
  24. Die Radlerin. Internationales Sportblatt der radfahrenden Damen. 1. Jg., Nr. 23 vom 10. August 1897, Seiten 421 und 422.
  25. Die Radlerin. Internationales Sportblatt der radfahrenden Damen. 2. Jg., Nr. 10 vom 25. Februar 1898, Seiten 192 und 197–201.
  26. Anzeige mit Spezialität Sportfotografie. In: Der Radler. Internationales Sportblatt der radfahrenden Herren vom 15. Dezember 1898, Seite 156.
  27. Anna Plothow: Nach Amerika. Ein Besuch auf dem Auswandererbahnhof Ruhleben bei Spandau. (Dazu zwei Spezialaufnahmen von Otto Becker & Maass, Berlin.) In: Sonntagsbeilage zum Berliner Tageblatt vom 17. Juni 1900, Seiten 185 und 186.
  28. Victor Ottmann: Skandinavische Figuren. Hierzu 9 photographische Aufnahmen. In: Die Woche, Nr. 26/1903, Seite 1161–1166, hier Seite 1163.
  29. M. L. B.: Der Schmuck als Geschenk. In: Deutsche Goldschmiedezeitung. Jahresbuch ohne Heftangaben, Rühle-Diebener, Stuttgart-Degerloch 1904, Seite 153–155, hier Seite 155.
  30. o. A.: Künstlerpostkarten. In: Papier-Zeitung Nr. 70 vom 1. September 1898, Seite 2613.
  31. Peter de Mendelssohn: Aufstieg und Fall einer Zeitungsstadt. Wie Berlin zur Presse-Metropole wurde. Artikel vom 19. Mai 2017, Website der Zeitung Tagesspiegel, abgerufen am 24. Januar 2024.
  32. Björn Berghausen: August Scherl und „Die Woche“. Artikel vom 11. Februar 2015, Website Archivspiegel des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs, abgerufen am 24. Januar 2024.
  33. o. A. In: Die Woche. Heft 3 vom 18. Januar 1902, Seite 128–129.
  34. o. A. In: Die Woche. Heft 6 vom 7. Februar 1902, Seite 448–449.
  35. o. A. In: Die Woche. Heft 15 vom 24. Mai 1902, Seite 676.
  36. o. A. In: Die Woche. Heft 21 vom 24. Mai 1902, Seite 964–966.
  37. o. A. In: Die Woche. Heft 24 vom 14. Juni 1902, Seite 1108–1109.
  38. In: Die Woche. Heft 6 vom 7. Februar 1903, Seite 264–268.
  39. a b c d e o. A.: Jubiläum Marie Böhm. In: Photographische Chronik und Allgemeine Photographen-Zeitung, Nr. 42, Verlag Wilhelm Knapp, Halle a. S. 1921, Seite 345.
  40. Berliner Adressbücher 1884 bis 1909, Website der Digitalen Landesbibliothek Berlin, abgerufen am 28. März 2024.
  41. o. A.: "Haus Schwartz" in Berlin, insbesondere in seinen Heiz- und Lüftungs-Einrichtungen. In: Deutsche Bauzeitung, Heft 10, Berlin 1886, Seite 64–69.
  42. Berliner Adressbücher 1905 bis 1914.
  43. a b Else Lasker-Schüler: Marie Böhm. In: Der Sturm, Jg. 1, Heft 30/1910, Berlin, Seite 239. Text vollständig in Wikisource: Marie Böhm (Lasker-Schüler).
  44. Berliner Adressbuch 1909, Teil 1, Seite 219 und Berliner Adressbuch 1910, Teil 1, Seite 230.
  45. Geographischer Literaturbericht. Neuerscheinungen Karten. In: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes geographischer Anstalt, Jg. 58, Gotha 1912, Seite 244.
  46. o. A.: Großfeuer in der Charlottenstraße. In: Berliner Volkszeitung vom 13. Juni 1914, Morgenausgabe, 1. Beiblatt, Seite 1.
  47. Berliner Adressbuch für 1914, 3. Teil, Seite 64.
  48. Ateliernachrichten. In: Photographische Chronik und Allgemeine Photographen-Zeitung, Nr. 73/74 vom 13. September 1914, Verlag Wilhelm Knapp, Halle a. S. 1914, Seite 475.
  49. Olivia Fuhrich und Arnulf Scriba: Erster Weltkrieg. Kunst und Kultur. Projekt LEMO - Lebendiges Museum Online, Website des Deutschen Historischen Museums Berlin, abgerufen am 4. Februar 2024.
  50. Ulrike Oppelt: Film und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Propaganda als Medienrealität im Aktualitäten- und Dokumentarfilm. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2002, Seite 14.
  51. Christian Berndt: Erst belächelt, dann bewundert. Artikel vom 4. August 2014, Website von Deutschlandfunk Kultur, abgerufen am 4. Februar 2024.
  52. Lutz Röhrig: Berlin als Stadt der Filmtechnik. Artikel auf der Website Zeit für Berlin, abgerufen am 4. Februar 2024.
  53. Anton Holzer: Rasende Reporter. Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945. Verlag Primus, Darmstadt 2014, Seite 16 und 310.
  54. Simone Reber: Ausstellung „Krieg und Kleider“ in Berlin. Wie der Erste Weltkrieg die Mode prägte., Artikel vom 15. Dezember 2014, Website der Zeitung Tagesspiegel, abgerufen am 4. Februar 2024.
  55. Anton Holzer: Rasende Reporter. Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945. Verlag Primus, Darmstadt 2014, Seite 310.
  56. o. A.: Starpostkarten. Artikel vom 4. März 2022, Website des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, abgerufen am 19. Januar 2024.
  57. Handelsregistereintrag 15 584 vom 6. Juli 1933. In: Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 160 vom 12. Juli 1933, Erste Zentralhandelsregisterbeilage, Seite 2.
  58. a b c d e f g Recherchiert von der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin und abrufbar über die Bildbeschreibung eines Fotos von Becker und Maass in der Deutschen Fotothek, kein Direktlink verfügbar, abgerufen am 9. Dezember 2023. Anmerkung: Die Schreibungen Kutznitzki und Kunitzki sind möglicherweise Abschreibfehler oder in verschiedenen Dokumenten wurden unterschiedliche Schreibweisen benutzt bzw. sind nicht gut lesbar.
  59. Handelsregistereintrag 15 584. In: Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 231 vom 3. Oktober 1933, Erste Zentralhandelsregisterbeilage, Seite 1.
  60. Handelsregistereintrag 15 584. In: Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 231 vom 4. Mai 1937, Erste Zentralhandelsregisterbeilage, Seite 1.
  61. a b Gottfried Eberle: Victor Hohenfels und das Sinfonieorchester Berlin. Ein Novum in der Berliner Musiklandschaft. In: Konzertdirektion Prof. Victor Hohenfels (Hrsg.): Zwei Leben für die Bühne. Berlin 2010, Seite 52–55, hier Seite 55. PDF abgerufen am 8. Januar 2024.
  62. Berliner Adressbuch für 1938, 4. Teil, Seite 60.
  63. Amtliches Fernsprechbuch für den Bezirk der Reichspostdirektion Berlin 1938, Seite 67. Anmerkung: Während das Adressbuch noch die Bellevuestraße angibt, zeigt das Fernsprechbuch bereits die neue Adresse.
  64. Berliner Adressbuch für 1937, 4. Teil, Seite 1087. Anmerkung: Es existieren belegfreie, spekulative Aussagen, dass Festl-Hohenfels das Atelier des jüdischen Emigranten Gregor Harlip und sein Archiv übernommen haben soll. Grund mögen die zeitliche Nähe der Ereignisse wie auch die gleiche Adresse sein und auszuschließen ist es nicht, da es auch zu Harlip an Forschung mangelt.
  65. Stephan Kretschmer: Vittorio del Monte − Victor Hohenfels auf historischen Tonträgern. In: Konzertdirektion Prof. Victor Hohenfels (Hrsg.): Zwei Leben für die Bühne. Berlin 2010, Seite 56–60, hier Seite 57.