Chlorkyuygenit

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Chlorkyuygenit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2012-046[1]

IMA-Symbol

Cky[2]

Andere Namen

Kyuygenit[3]

Chemische Formel Ca12Al14O32[(H2O)4Cl2][4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)

IV/A.07-045[5]
Ähnliche Minerale Fluormayenit, Chlormayenit, Fluorkyuygenit[6]
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol hexakistetraedrisch; 43m
Raumgruppe I43d (Nr. 220)Vorlage:Raumgruppe/220[4]
Gitterparameter a = 12,0285 (natürlich) Å[4]
Formeleinheiten Z = 2[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5 – 5,5[4]
Dichte (g/cm3) berechnet: 2,941[4]
Spaltbarkeit Bitte ergänzen!
Farbe farblos, selten blass grün oder gelb[4]
Strichfarbe weiß[4]
Transparenz transparent[4]
Glanz Glasglanz[4]
Radioaktivität -
Magnetismus -
Kristalloptik
Brechungsindex n = 1,672[4]
Doppelbrechung keine, isotrop[4]

Chlorkyuygenit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung Ca12Al14O32[(H2O)4Cl2]. Es kristallisiert im kubischen Kristallsystem mit der Struktur von Chlormayenit.[4]

Chlorkyuygenit entwickelt nur sehr kleine, farblose Kristalle oder rundliche Körnchen von unter 0,1 mm Größe. Die Kristalle zeigen Flächen des Triakistetraeder {211}.[4]

Gebildet wird Chlorkyuygenit bei niedrigen Druck und hohen Temperaturen bei der Umwandlung von Chlormayenit durch ein wasserreiches Fluid.[4]

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist ein kubisches Calciumaluminat bekannt, für das damals die Zusammensetzung 5CaO · 3Al2O3 angegeben wurde.[7] Da Calciumaluminate wichtige Verbindungen von Zementklinkern sind, wurden sie seither intensiv untersucht.

Die Struktur dieser Verbindung wurde 1936 von W. Büssem und A. Eitel am Kaiser-Wilhelm-Institut für Silikatforschung in Berlin-Dahlem aufgeklärt. Im Zuge der Strukturaufklärung korrigierten sie die Zusammensetzung zu 12CaO · 7Al2O3, C12A7 in der Zementchemische Notation.[8]

Die ersten Funde eines natürlichen, kubischen Calciumaluminats wurden 1963 von L. Heller in einem Sprurritfels im Nalhal Ayalon-Aufschluss der Hatrurim-Formation in Israel gemacht. Es ist ein gängiges Mineral in vielen Aufschlüssen der pyrometamorphen Hatrurim-Formation.[9]

Als neues Mineral beschrieben wurde es ein Jahr später von Gerhard Hentschel zusammen mit Brownmillerit in Kalksteineinschlüssen aus Laven des Ettringer Bellerberges mit der Zusammensetzung Ca12Al14O33. Er benannte das neue Mineral nach der nahegelegenen Stadt Mayen Mayenit.[10]

Das Chloranalog von Mayenit, die Verbindung 11CaO · 7Al2O3 · CaCl2, wurde 2008 von Tomoyuki Iwata und Mitarbeitern vom Nagoya Institute of Technology in Nagoya, Japan, synthetisiert und die Struktur untersucht.[11]

Ein hydratisierter Chlormayenit aus dem Ignimbriten der Chengem Caldera in der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien in Russland wurde 2013 von Evgeni Galuskin und Mitarbeitern beschrieben und mit dem Namen Kyuygenit, nach dem Fundort, dem Berg Kyuygen-Kaya, von der CNMNC der IMA als neues Mineral anerkannt.[3]

Im Zuge der Neudefinition der Mayenit-Obergruppe seit 2010 wurden Mayenite verschiedener Fundorte erneut untersucht. Alle natürlich vorkommenden Mayenite enthalten Fluor oder Chlor und die von Hentschel angegebene Zusammensetzung konnte in keinem Fall bestätigt werden. Mayenit wurde daraufhin als Mineralname verworfen, neue Minerale der Mayenitgruppe entdeckt und neue Namen eingeführt und, darunter auch Chlorkyuygenit für den Kyuygenit aus der Chengem Caldera.[12]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der aktuellen Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) gehört Chlorkyuygenit zusammen mit Chlormayenit, Fluorkyuygenit und Fluormayenit in der Mayenit-Obergruppe zur Mayenitgruppe mit weniger als 4 Cl und 2 Si pro Formeleinheit.[12][4]

Da der Chlorkyuygenit erst 2012 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er weder in der seit 1977 veralteten 8. Auflage noch von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[13] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik verzeichnet. Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana führt den Chlorkyuygenit noch nicht auf.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. IV/A.07-045. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort der Abteilung „Oxide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : Sauerstoff = 1 : 1 und 2 : 1 (M2O, MO)“, wo Chlorkyuygenit zusammen mit Bitikleit, Brownmillerit, Chlormayenit, Dzhuluit, Elbrusit, Fluorkyuygenit, Fluormayenit, Shulamitit, Srebrodolskit, Tululit und Usturit die unbenannte Gruppe IV/A.07 bildet.[5]

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chlorkyuygenit mit der idealisierten Zusammensetzung [X]Ca12[T]Al3+14O32[W][(H2O)4Cl2] ist das Chlor-Analog von Fluorkyuygenit ([X]Ca12[T]Al3+14O32[W][(H2O)4F2]) sowie das H2O-Analog von Chlormayenit ([X]Ca12[T]Al3+14O32[W][□4Cl2]), wobei [X], [T] und [W] die Positionen in der Mayenitstruktur sind und □ (Leerstelle) für eine unbesetzte Gitterposition steht.[12][4]

Die Zusammensetzung aus der Typlokalität ist

  • [X]Ca11,979[T](Al12,986Fe3+0,823Si0,179Ti0,033)O32[W][(H2O)3,767Cl2,234(OH)0,296][4]

Die Abweichungen von der idealen Zusammensetzung gehen im Wesentlichen auf zwei Mischkristallreihen zurück. Zum einen wird Fe3+ auf den [T]-Positionen eingebaut, entsprechend der Austauschreaktion

  • [T]Al3+ = [T]Fe3+ (hypothetisches Fe-Analog von Chlorkyuygenit),

zum anderen führt die Mischkristallbildung mit Wadalit zu geringen Si-Gehalten zusammen mit leicht erhöhten Gehalten einwertiger Ionen auf der [W]-Position

  • [T]Al3+ + [W]□ = [T]Si4+ + [W]Cl- (Wadalit)

Der Einbau von OH-Gruppen, wie beim Chlormayenit oder Fluorkyuygenit, wurde im Chlorkyuygenit aus der Typlokalität nicht beobachtet.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chlorkyuygenit kristallisiert mit kubischer Symmetrie in der Raumgruppe I43d (Raumgruppen-Nr. 220)Vorlage:Raumgruppe/220 mit 2 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Der natürliche Mischkristall aus der Typlokalität hat dem Gitterparameter a = 12.0285 Å.[4]

Die Struktur ist die von Chlormayenit. Aluminium (Al3+) besetzt die zwei tetraedrisch von 4 Sauerstoffionen umgebenen Z-Positionen.[4] Sie bilden ein Tetraedergerüst, das miteinander verbundene Käfige umschließt. Jeder dieser Käfige ist mit zwei Calcium (Ca2+)- Ionen besetzt, die von 6 Sauerstoffen unregelmäßig umgeben sind.[8] In ihrem Zentrum zwischen den Calciumionen enthalten 1/3 der Käfige ein Chlorion (Cl-), die übrigen 4 [W]-Positionen enthalten H2O.[12][4]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chlorkyuygenit bildet sich kontaktmetamorph bei niedrigen Druck und hohen Temperaturen bei der Hydratation von Chlormayenit durch ein wasserreiche Fluid.[4]

Chlorkyuygenit ist bislang (2023) nur in seiner Typlokalität, dem Skarn-Xenolithen No. 1 aus den Ignimbriten des Berges Kyuygen-Kaya der Chengem Caldera in der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien in Russland nachgewiesen worden. Er findet sich hier als Einschluss in Chegemit, Reinhardbraunsit und Srebrodolskit oder als Kruste um Wadalit. Weitere Begleitminerale sind Fluorchegemit, Kumtyubeit, Rondorfit, Hydroxylellestadit, Lakargiit, Perowskit, Kerimasit, Elbrusit, Minerale der Ettringit-Gruppe, Hydrocalumit, Bultfonteinit, und Grossular-Katoit-Mischkristalle.[4]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 9. Mai 2023]).
  3. a b P. A. Williams, F. Hatert, Marco Pasero, S. J. Mills: IMA Commission on new minerals, nomenclature and classification (CNMNC) Newsletter 15. New minerals and nomenclature modifications approved in 2012 and 2013. In: Mineralogical Magazine. Band 77, 2013, S. 1–12 (rruff.info [PDF; 126 kB; abgerufen am 9. Mai 2023]).
  4. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v E. V. Galuskin, I. O. Galuskina, J. Kusz, F. Gfeller, Thomas Armbruster, R. Bailau, M. Dulski, V. M. Gazeev, N. N. Pertsev, A. E. Zadov, P. Dzierzanowski: Mayenite supergroup, part II: Chlorkyuygenite from northern Caucasus Kabardino-Balkaria, Russia, a new microporous mayenite supergroup mineral with ‘‘zeolitic’’ H2O. In: European Journal of Mineralogie. Band 27, 2015, S. 123–136, doi:10.1127/ejm/2015/0027-2419 (rruff.info [PDF; 516 kB; abgerufen am 9. Mai 2023]).
  5. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  6. Evgeny V. Galuskin, Frank Gfeller, Thomas Armbruster, Irina O. Galuskina, Yevgeny Vapnik, Mateusz Dulski, Mikhail Murashko, Piotr Dzierzanowsky, Viktor V. Sharygin, Sergey V. Krivovichev, Richard Wirth: Mayenite supergroup, part III: Fluormayenite, Ca12Al14O32[4F2], and Chlorkyuygenite, Ca12Al14O32[(H2O)4F2], two new minerals from pyrometamorphic rocks of the Hatrurim Complex, South Levant. In: European Journal of Mineralogie. Band 27, 2015, S. 123–136 (researchgate.net [PDF; 689 kB; abgerufen am 9. Mai 2023]).
  7. Ernest Stanley Shepherd, G. S. Rankin: The binary systems of alumina with silica, lime, and magnesia; with optical study by Fred. Eugene Wright. In: American Journal of Science. Band 28, 1909, S. 293–333, doi:10.2475/ajs.s4-28.166.293.
  8. a b W. Büssem, A. Eitel: Die Struktur des Pentacalciumtrialuminats. In: Zeitschrift für Kristallographie. Band 95, 1936, S. 175–188 (rruff.info [PDF; 628 kB; abgerufen am 22. Juli 2018]).
  9. S. Gross: The mineralogy of the Hatrurim formation, Israel. In: Geological Survey of Israel Bulletin. Band 70, 1977, S. 1–80 (rruff.info [PDF; 5,7 MB; abgerufen am 9. Mai 2023]).
  10. Michael Fleischer: New Mineral Names. In: The American Mineralogist. Band 50, 1965, S. 2096–2111 (rruff.info [PDF; 1,3 MB; abgerufen am 9. Mai 2023]).
  11. Tomoyuki Iwata, Masahide Haniuda, Koichiro Fukuda: Crystal structure of Ca12Al14O32Cl2 and luminescence properties of Ca12Al14O32Cl2:Eu2+. In: Journal of Solid State Chemistry. Band 181, 2008, S. 51–55, doi:10.1016/j.jssc.2007.11.002.
  12. a b c d Evgeny V. Galuskin, Frank Gfeller, Irina O. Galuskina, Thomas Armbruster, Radu Bailau, Viktor V. Sharygin: Mayenite supergroup, part I: Recommended nomenclature. In: European Journal of Mineralogie. Band 27, 2014, S. 99–111 (rruff.info [PDF; 726 kB; abgerufen am 9. Mai 2023]).
  13. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 9. Mai 2023 (englisch).