Fluorkyuygenit

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Fluorkyuygenit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2013-043[1]

IMA-Symbol

Fky[2]

Chemische Formel Ca12Al14O32[(H2O)4F2][3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)

IV/A.07-040
Ähnliche Minerale Fluormayenit, Chlormayenit, Chlorkyuygenit[3]
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol hexakistetraedrisch; 43m
Raumgruppe I43d (Nr. 220)Vorlage:Raumgruppe/220[3]
Gitterparameter a = 11,966 (natürlich) Å[3]
Formeleinheiten Z = 2[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5 – 5,5[3]
Dichte (g/cm3) berechnet: 2,873[3]
Spaltbarkeit keine[3]
Farbe farblos, selten blass grün oder gelb[3]
Strichfarbe weiß[3]
Transparenz transparent[3]
Glanz Glasglanz[3]
Radioaktivität -
Magnetismus -
Kristalloptik
Brechungsindex n = 1,610[3]
Doppelbrechung keine, isotrop[3]

Das Mineral Fluorkyuygenit ist ein selten vorkommendes Oxid aus der Mayenit-Obergruppe mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung Ca12Al14O32[(H2O)4F2]. Es kristallisiert im kubischen Kristallsystem mit der Struktur von Chlormayenit.[3]

Fluorkyuygenit entwickelt nur sehr kleine, farblose Kristalle von unter 0,1 mm Größe. Die Kristalle zeigen gut ausgebildete Flächen des Triakistetraeder {211}.[3]

Gebildet wird Fluorkyuygenit bei niedrigen Druck und hohen Temperaturen bei der Umwandlung von calciumreichen Sedimenten durch ein fluor- und wasserreiches Fluid.[3]

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist ein kubisches Calciumaluminat bekannt, für das damals die Zusammensetzung 5CaO * 3Al2O3 angegeben wurde.[4] Da Calciumaluminate wichtige Verbindungen von Zementklinkern sind, wurden sie seither intensiv untersucht.

Die Struktur dieser Verbindung wurde 1936 von W. Büssem und A. Eitel am Kaiser-Wilhelm-Institut für Silikatforschung in Berlin-Dahlem aufgeklärt. Im Zuge der Strukturaufklärung korrigierten sie die Zusammensetzung zu 12CaO * 7Al2O3, C12A7 in der Zementchemischen Notation.[5]

Die ersten Funde eines natürlichen, kubischen Calciumaluminats wurden 1963 von L. Heller in einem Sprurritfels im Nalhal-Ayalon-Aufschluss der Hatrurim-Formation in Israel gemacht. Es ist ein gängiges Mineral in vielen Aufschlüssen der pyromethamorphen Hatrurim-Formation.[6]

Als neues Mineral beschrieben wurde es ein Jahr später von Gerhard Hentschel zusammen mit Brownmillerit in Kalksteineinschlüssen aus Laven des Ettringer Bellerberges mit der Zusammensetzung Ca12Al14O33. Er benannte das neue Mineral nach der nahegelegenen Stadt Mayen Mayenit.[7]

Das Fluoranalog von Mayenit, die Verbindung 11CaO * 7Al2O3 * CaF2, wurde 1973 von P. P. Williams vom D.S.I.R in Petone, Neuseeland, synthetisiert und die Struktur untersucht.[8]

Im Zuge der Neudefinition der Mayenit-Obergruppe seit 2010 wurden Mayenite verschiedener Fundorte erneut untersucht. Alle natürlich vorkommenden Mayenite enthalten Fluor oder Chlor, und die von Hentschel angegebene Zusammensetzung konnte in keinem Fall bestätigt werden. Mayenit wurde daraufhin als Mineralname verworfen, neue Namen eingeführt und neue Minerale der Mayenitgruppe entdeckt, darunter auch Fluorkyuygenit:[9]

  • Chlormayenit für Mayenite mit der Zusammensetzung Ca12Al14O32[□4Cl2], z. B. vom Ettringer Bellerberg[10]
  • Chlorkyuygenit für hydratisierten Chlormayenit (Ca12Al14O32[(H2O)4Cl2])[11]
  • Fluormayenit für Mayenite mit der Zusammensetzung Ca12Al14O32[□4F2], z. B. vom Jebel Harmun der Hatrurim-Formation in Palästina[3]
  • Fluorkyuygenit für hydratisierten Fluormayenit (Ca12Al14O32[(H2O)4F2])[3]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der aktuellen Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) gehört Fluorkyuygenit zusammen mit Chlormayenit, Chlorkyuygenit und Fluormayenit in der Mayenit-Obergruppe zur Mayenitgruppe mit weniger als 4 Cl und 2 Si pro Formeleinheit.[9][3]

Die veraltete, aber noch gebräuchliche 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz führt den Fluorkyuygenit nicht auf. Als Fluor-Analog von Chlorkyuygenit wäre er zur „Brownmillerit-Mayenit-Gruppe“ mit der System-Nr. IV/A.07 in der Abteilung der „Oxide und Hydroxide“ gezählt worden.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik kennt den Fluorkyuygenit ebenfalls noch nicht. Hier würde er mit Mayenit in der unbenannten Gruppe mit der System-Nr. 4.CC.20 in der Abteilung der „Oxide (Hydroxide, V[5,6]-Vanadate, Arsenite, Antimonite, Bismutite, Sulfite, Selenite, Tellurite, Iodate)“ gehören.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana führt den Fluorkyuygenit noch nicht auf. Er würde zusammen mit Mayenit in die unbenannte Gruppe 07.11.03 der Abteilung der „Mehrfachen Oxide“ eingruppiert werden.

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fluorkyuygenit mit der idealisierten Zusammensetzung [X]Ca12[T]Al3+14O32[W][(H2O)4F2] ist das Fluor-Analog von Chlorkyuygenit ([X]Ca12[T]Al3+14O32[W][(H2O)4Cl2]) sowie das H2O-Analog von Fluormayenit ([X]Ca12[T]Al3+14O32[W][□4F2]), wobei [X], [T] und [W] die Positionen in der Mayenitstruktur sind und □ (Leerstelle) für eine unbesetzte Gitterposition steht.[9][3]

Die Zusammensetzung aus der Typlokalität ist

  • [X]Ca12,034[T](Al13,344Fe3+0,398Si0,224)O32[W][(H2O)3,810F1,894(OH)0,2960,110][3]

Die Abweichungen von der idealen Zusammensetzung gehen im Wesentlichen auf zwei Mischkristallreihen zurück. Zum einen wird Fe3+ auf den [T]-Positionen eingebaut, entsprechend der Austauschreaktion

  • [T]Al = [T]Fe3+ (hypothetisches Fe-Analog von Fluorkyuygenit),

zum anderen führt die Mischung mit dem hypothetischen (OH)- Analog [X]Ca12[T]Al3+14O32[W][(H2O)4(OH)2] zum Einbau von OH-Gruppen auf der [W]-Position entsprechend der Austauschreaktion

  • [W]F- = [W](OH)-.[3]

Die geringen Si-Gehalte zusammen mit leicht erhöhten Gehalten einwertiger Ionen auf der [W]-Position sprechen für eine Mischkristallbildung mit einem hypothetischen Fluor- oder OH-Analog von Wadalit.

  • [T]Al3+ + [W]□ = [T]Si4+ + [W](OH,F)-

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fluorkyuygenit kristallisiert mit kubischer Symmetrie in der Raumgruppe I43d (Raumgruppen-Nr. 220)Vorlage:Raumgruppe/220 mit 2 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Der natürliche Mischkristall aus der Typlokalität hat dem Gitterparameter a = 11,966 Å.[3]

Die Struktur ist die von Chlormayenit. Aluminium (Al3+) besetzt die zwei tetraedrisch von 4 Sauerstoffionen umgebenen Z-Positionen.[3] Sie bilden ein Tetraedergerüst, das miteinander verbundene Käfige umschließt. Jeder dieser Käfige ist mit zwei Calcium (Ca2+)- Ionen besetzt, die von 6 Sauerstoffen unregelmäßig umgeben sind.[5] In ihrem Zentrum zwischen den Calciumionen enthalten 1/3 der Käfige ein Fluorion (F-), die übrigen 4 [W]-Positionen enthalten H2O.[9][3]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fluorkyuygenit bildet sich pyrometamorph bei niedrigen Druck und hohen Temperaturen bei der Umwandlung von calciumreichen Sedimenten durch ein fluorreiches, wässiges Fluid oder bei der Hydratation von Fluormayenit durch ein wasserreiche Fluid.[3]

Fluorkyuygenit ist bislang (2018) nur in seiner Typlokalität, dem Hatrurim-Becken südöstlich der Stadt Arad in der Wüste Negev, Israel, nachgewiesen worden. Er tritt hier im Kontakt mit Larnit, Spinell, Oldhamit und Shulamitit auf. Weitere Begleitminerale sind Ye’elimit, Fluorapatit, Magnesioferrit, Periklas, Brownmillerit und den retrograd gebildeten Mineralen Portlandit, Hämatit, Hillebrandit, Afwillit, Foshagit, Katoit und Hydrocalumit.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z Evgeny V. Galuskin, Frank Gfeller, Thomas Armbruster, Irina O. Galuskina, Yevgeny Vapnik, Mateusz Dulski, Mikhail Murashko, Piotr Dzierzanowsky, Viktor V. Sharygin, Sergey V. Krivovichev and Richard Wirth: Mayenite supergroup, part III: Fluormayenite, Ca12Al14O32[〈4F2], and fluorkyuygenite, Ca12Al14O32[(H2O)4F2], two new minerals from pyrometamorphic rocks of the Hatrurim Complex, South Levant. In: European Journal of Mineralogie. Band 27, 2015, S. 123–136 (researchgate.net [PDF; 689 kB; abgerufen am 28. Juli 2018]).
  4. Ernest Stanley Shepherd and G. S. Rankin: The binary systems of alumina with silica, lime, and magnesia; with optical study by Fred. Eugene Wright. In: American Journal of Science. Band 28, 1909, S. 293–333, doi:10.2475/ajs.s4-28.166.293.
  5. a b W. Büssem, A. Eitel: Die Struktur des Pentacalciumtrialuminats. In: Zeitschrift für Kristallographie. Band 95, 1936, S. 175–188 (rruff.info [PDF; 628 kB; abgerufen am 22. Juli 2018]).
  6. S. Gross: The mineralogy of the Hatrurim formation, Israel. In: Geol. Surv. Isr. Bull. Band 70, 1977, S. 1–80 (rruff.info [PDF; 5,7 MB; abgerufen am 29. Juli 2018]).
  7. Michael Fleischer: New Mineral Names - Mayenit. In: The American Mineralogiste. Band 50, 1965, S. 2096–2111 (rruff.info [PDF; 1,3 MB; abgerufen am 29. Juli 2018]).
  8. P. P. Williams: Refinement of the structure of 11CaO.7Al2O3.CaF2. In: Acta Crystallographica Section B. B29, 1973, S. 1550–1551, doi:10.1107/S0567740873004942.
  9. a b c d Evgeny V. Galuskin, Frank Gfeller, Irina O. Galuskina, Thomas Armbruster, Radu Bailau and Viktor V. Sharygin: Mayenite supergroup, part I: Recommended nomenclature. In: European Journal of Mineralogie. Band 27, 2014, S. 99–111 (amazonaws.com [PDF; 802 kB; abgerufen am 30. Juni 2018]).
  10. E. V. GALUSKIN, J. KUSZ, T. ARMBRUSTER, R. BAILAU, I. O. GALUSKINA, B. TERNES AND M. MURASHKO: A reinvestigation of mayenite from the type locality, the Ettringer Bellerberg volcano near Mayen, Eifel district, Germany. In: Mineralogical Magazine. Band 76, 2012, S. 707–716 (rruff.info [PDF; 388 kB; abgerufen am 29. Juli 2018]).
  11. E. V. Galuskin, I. O. Galuskina, J. Kusz, F. Gfeller, T. Armbruster, R. Bailau, M. Dulski, V. M. Gazeev, N. N. Pertsev, A. E. Zadov, P. Dzierzanowski: Mayenite supergroup, part II: Chlorkyuygenite from northern Caucasus Kabardino-Balkaria, Russia, a new microporous mayenite supergroup mineral with ‘‘zeolitic’’ H2O. In: European Journal of Mineralogie. Band 27, 2015, S. 123–136, doi:10.1127/ejm/2015/0027-2419 (researchgate.net).