Dongio

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Dongio
Wappen von Dongio
Wappen von Dongio
Staat: Schweiz Schweiz
Kanton: Kanton Tessin Tessin (TI)
Bezirk: Bezirk Bleniow
Kreis: Kreis Acquarossa
Gemeinde: Acquarossai2
Postleitzahl: 6715
frühere BFS-Nr.: 5048
Koordinaten: 716501 / 144172Koordinaten: 46° 26′ 20″ N, 8° 57′ 17″ O; CH1903: 716501 / 144172
Höhe: 478 m ü. M.
Fläche: 12,85 km²
Einwohner: 423 (2000)
Einwohnerdichte: 33 Einw. pro km²
Website: www.acquarossa.ch
Blick talaufwärts
Blick talaufwärts

Blick talaufwärts

Karte
Dongio (Schweiz)
Dongio (Schweiz)
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Gemeindestand vor der Fusion am 4. April 2004
Oratorium Santa Maria Nascente
Casa dei Pagani

Dongio ist ein Dorf und eine ehemalige Gemeinde im Kreis Acquarossa, im Bezirk Blenio des Kantons Tessin in der Schweiz. 2004 fusionierte die Gemeinde mit den benachbarten Gemeinden Castro, Corzoneso, Largario, Leontica, Lottigna, Marolta, Ponto Valentino und Prugiasco zur neuen Gemeinde Acquarossa.

Geographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dongio liegt im mittleren Bleniotal in einer Talebene entlang des Flusses Brenno. Der Ort verläuft als Strassendorf an der Kantonsstrasse und bildet um diese und die «Piazza San Domenico» einen historischen Siedlungskern. Nach Norden endet der Talboden, anschliessend an die Piazza, bei Fussgänger- und Autobrücken über den Brenno. Südöstlich des Siedlungskerns dehnt sich der Ort rund einen Kilometer in loser Bebauung entlang der Strasse aus. Die beiden Fraktionen Marogno und Motto liegen an der Strasse, tiefer in der Talebene. Bei Marogno verläuft eine Transportseilbahn zur vierten Ortsfraktion Stabbio. Der nicht ganzjährig bewohnte Ort liegt auf 1162 Metern über Meer.[1]

Das Gemeindegebiet von Acquarossa im Bereich von Dongio grenzt im Uhrzeigersinn an die Ortsteile Corzoneso im Westen und Lottigna und Torre im Norden. Im Osten und Süden grenzt Dongio an die zur Gemeinde Serravalle gehörenden Ortschaften Malvaglia und Ludiano.

Das Landschaftsbild rund um Dongio wird im Westen vom sanft ansteigenden Massiv des 2417 Meter über Meer erreichenden Pizzo Erra geprägt, dessen Kette nach Nord-Westen zum 2586 Meter hohen Pizzo Molare ansteigt. Ein östlicher Ausläufer dieses Berges schliesst das Tal optisch gegen Norden ab. Der emblematische Sosto bei Olivone wird erst bei Acquarossa sichtbar. Im Nord-Osten steigt das Terrain rasch an und erreicht mit dem Cima di Gana Bianca eine Höhe von 2843 Metern. Nach Südosten öffnet sich der Blick auf den Pizzo Muncréch mit 2251 Metern im südlichen Bleniotal.[2]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dongio wird im Jahr 1188 als Deuci, 1205 als Doxo und 1270 als Deucio in den Quellen erwähnt. Das Dorf war um 1200 eine der sechs ältesten vicinie des Blenotals und eine von sechs rodarie genannten Verwaltungs- und Steuerkreisen; es gehörte zur fagia de subtus. Das Patriziat von Dongio (Ortsbürgergemeinde) besitzt traditionell gemeinsam mit Leontica und Corzoneso das (diritto d’erba). Daraus lässt sich schliessen, dass diese Ortschaften früher zur vicinìa Dongio gehörten.[3] Gemeinschaftliche Sommerweiden[4] gab es zudem auch auf dem Lukmanier, im Val Camadra, Nara und im 19. Jahrhundert sogar in Medels, Vrin und Vals im Nachbarkanton Graubünden.

Nachdem es der Talbevölkerung gelungen war, sich auf juristische und militärische Weise von der Herrschaft norditalienischer Adelsfamilien zu lösen, war das Bleniotal und somit auch die Bevölkerung von Dongio ab 1495 mit einem Treueeid an die Schutzmacht Uri gebunden und unterstand von 1503 bis 1798 der gemeinsam ausgeübten Herrschaft der Kantone Uri, Schwyz und Nidwalden. Am 26. Juni 1758 zerstörte ein Bergsturz die Häuser von 54 Familien, 120 Ställe und die Pfarrkirche. Die Katastrophe brachte 34 Einwohnern den Tod. Der anschliessende Wiederaufbau, etwas weiter nördlich, hatte das Ziel, Dongio zum Produktions- und Dienstleistungszentrum des Bleniotals auszubauen, was auch teilweise gelang.[5] So verfügte Dongio lange über die einzige Apotheke im Tal.

Während des Zweiten Koalitionskriegs war vom 27. Oktober 1798 bis 10. Januar 1799 die 106. Brigade der französischen Revolutionsarmee in Dongio stationiert. Im Gegensatz zur Bevölkerung der Leventina, die sich am 1. Mai 1799[6] erhob, leisteten die Menschen im Bleniotal keinen Widerstand gegen die Besatzung, sondern waren im Gegenteil in vielen Fällen bereit oder genötigt, sich den späteren Feldzügen der napoleonischen Armee anzuschliessen.[7] Ein Erbe dieser Zeit sind die traditionellen Milizie storiche Bleniesi in den Dörfern Aquila, Ponto Valentino und Leontica.[8] Am 21. September 1799 wurde Dongio durch ein Detachement durchziehender russisch-österreichischer Truppen von General Alexander W. Suworows Division Rosenberg[6] besetzt. Dieses zog nach Requirierungen sogleich weiter nach Norden, um via Lukmanier- und Oberalppass zum Gefecht gegen die französischen Truppen bei der Teufelsbrücke vorzustossen.[9]

Im Rahmen der die ganze Schweiz betreffenden Umwälzungen nach der Französischen Revolution gelangte Dongio in der Helvetischen Republik kurzzeitig unter die Verwaltung des Kantons Bellinzona und gehört heute zum 1803 neu gegründeten Kanton Tessin[10] 1801 gab die Helvetische Republik dem Architekten Francesco Meschini (1762–1840)[11], Brücken- und Strasseninspektor der Kantone Lugano und Bellinzona, die Planung der Strada del Satro zwischen Dongio und dem Kurort Acquarossa in Auftrag. Die 1819 gebaute 1,6 km lange zweispurige Strasse östlich des Brenno ermöglichte es, den Wiederaufbau von zwei zerstörten Brücken zu verschieben.[12] Erst 1891 kehrte die Strasse auf die Westseite des Brenno zurück, wo sie sich noch heute befindet. Zwischen 1841 und 1863 war Dongio Hauptort des Kreises Malvaglia. Damit sollte die Gemeinde Malvaglia für ihr illoyales Verhalten bei einem gescheiterten antiliberalen Putsch im Sommer 1841 bestraft werden.[4]

Dongio wurde wie alle Dörfer im Bleniotal seit Beginn der Neuzeit von der Auswanderung geprägt, die zunächst hauptsächlich nach Italien und später nach Übersee (USA, Australien) führte. Parallel dazu entwickelte sich eine saisonale Auswanderung in die urbanen Zentren Europas, namentlich in englische, französische und belgische Grossstädte. Die wichtigste Erwerbstätigkeit dieser überwiegend männlichen Auswanderer war das Hotel- und Gaststättengewerbe und der Handel mit eigenproduzierten Süsswaren. Diese Auswanderung war stark mit dem Unternehmen des aus Dongio stammenden Restaurateurs und Speiseeisproduzenten Carlo Gatti (1817–1878) verbunden. Der eingebürgerte britische Staatsbürger und liberale Tessiner Parlamentarier betrieb in England zahlreiche gut etablierte Lokale und gründete für deren Betrieb in London eine eigentliche Tessinerkolonie.[13] Als einziges Dorf im Bleniotal zog Dongio auch eine bedeutende Zahl von Einwanderern an: 1907 lebten 170 Italiener (96 Frauen, 74 Männer) im Ort, die alle in der nahe gelegenen Schokoladenfabrik der Chocolat Cima Norma S.A. in Dangio-Torre beschäftigt waren. Diese Gastarbeiter kamen mehrheitlich aus den grenznahen norditalienischen Gemeinden Laveno, Schignano und Monfurmo.[14] Von 1945 bis 1988 gab es in Dongio eine Hemdenfabrik der Brüder Fehlmann, ab 1950 zeitweise auch die Uhrenkomponenten-Fabriken Buzzi S.A. und Blenio Watch S.A.[4] Heute haben sich in der kleinen Industriezone Holz- und Metallbaubetriebe etabliert.

Verkehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dongio liegt als Strassendorf unmittelbar an der Hauptstrasse durch das Bleniotal, die nach Süden an die Autobahn A2 bei Biasca angeschlossen ist. Nach Norden besteht die Möglichkeit, den Lukmanierpass zu befahren, wofür der Strassenzustand und die klimatischen Bedingungen zu beachten sind. Die stündlich verkehrende Buslinie 131 der Autolinee Bleniesi S.A. gewährleistet eine Grundversorgung der Dorfbevölkerung mit Dienstleistungen des Öffentlichen Verkehrs.[15]

In der flachen Talebene zwischen Dongio und Motto befindet sich der Circuito Dongio-Motto, ein speziell für Rollstuhlgänger angelegter Wanderweg.[16]

Bevölkerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bevölkerungsentwicklung
Jahr 1808[17] 1850 1860 1870 1880 1888 1900 1910 1920 1930 1941 1950 1960 1970 1980 1990[18] 2000[19]
Einwohner 391 495 402 520 500 570 488 563 491 482 402 438 428 413 412 440 423

Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Dorfbild ist im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) als schützenswertes Ortsbild der Schweiz von nationaler Bedeutung eingestuft.[20]

  • Pfarrkirche Santi Luca e Fiorenzo, erwähnt 1205, der heutige Bau entstand 1760–1767[21][22]
  • Kirche Santa Maria Nascente im Ortsteil Motto (14. Jahrhundert) mit Gemälden des Malers Luigi Reali[23] und Fresken von Bernardino Serodine
  • Im Ortsteil Motto di Dongio: Kirche San Pietro von 1293 mit Fresken des 13. Jahrhunderts[21]
  • Oberhalb des Dorfes Dongio, in den Ortsteilen Boscone[24] liegen die Reste einer Casa dei Pagani (Heidehaus) aus dem 9.–11. Jahrhundert.
Gran Prix Giro Media Blenio

Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Fondazione Voce di Blenio, Herausgeberin der Monatszeitung Voce di Blenio und der Buchreihe Impronte bleniesi[25]

Sport[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Familie Gatti

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Piero Bianconi: Arte in Blenio. Guida della valle. S.A. Grassi, Bellinzona/Lugano 1944; derselben: Dongio. In: Inventario delle cose d’arte e d’antichità. Band I: Le tre valli superiori. Grassi, Bellinzona 1948. S. 71 (Motto), 72, 75.
  • Sonia Fiorini: Dongio. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 9. Januar 2017.
  • Virgilio Gilardoni: Dongio. In: Il Romanico. Catalogo dei monumenti nella Repubblica e Cantone del Ticino. La Vesconta, Casagrande, Bellinzona 1967. S. 38, 40, 299, 324–327, 463, 493, 494.
  • Simona Martinoli u. a: Dongio. In: Guida d’arte della Svizzera italiana. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Casagrande, Bellinzona 2007. S. 81, 84, 85, 89, 90, 92, 103.
  • Gianni Mazzucchelli: Il Miqweh di Dongio. Edizioni Pietra e Storia, 2006.
  • Johann Rudolf Rahn: I monumenti artistici del medio evo nel Cantone Ticino. Tipo-Litografia di Carlo Salvioni, Bellinzona 1894, S. 95–96, (Motto) 232.
  • Celestino Trezzini: Dongio. In: Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz, Band 2, Daehler – Eglolf. Attinger, Neuenburg 1924, S. 736 (Digitalisat).
  • Edoardo Villata: Luigi Reali nel Canton Ticino. Un’autorecensione. In: Arte&Storia, a. 8, n. 39, Edizioni Ticino Management, Lugano 2008.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Dongio – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Karten und Geodaten online. Bundesamt für Landestopografie swisstopo, Wabern bei Bern, abgerufen am 14. Juni 2018.
  2. Karten und Geodaten online. Bundesamt für Landestopografie swisstopo, Wabern bei Bern, abgerufen am 16. Juli 2018.
  3. Celestino Trezzini, in: Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz: Dongio. Hrsg.: Heinrich Türler. 2 (Basel – Egnach). Attinger Verlag, Neuchâtel 1924, S. 736.
  4. a b c Marco Marcacci, Fabrizio Viscontini: La Valle di Blenio e la sua Ferrovia – L'ingresso nella modernità. Salvioni arti grafiche, Bellinzona 2011, ISBN 978-88-7967-283-2, S. 43, 49, 55, 137.
  5. Luca Solari: Blenio: una valle a contronto. Salvioni arti grafiche, Bellinzona 1998, ISBN 88-7967-023-9, S. 50–57.
  6. a b Hannes Maurer: Tessiner Täler Tessiner Welten – Geschichte und Geschichten. Verlag NZZ, Zürich 2002, ISBN 3-85823-973-9, S. 132.
  7. Stefano Bolla, zitiert nach Abbé Cognet (Ernouf, Paris 1881): Descrizioni della Valle di Blenio tra Settecento e Ottocento. Hrsg.: Armando Dadò. Impronte bleniesi 1. Fondazione Voce di Blenio, Dongio (Acquarossa) 2010, ISBN 978-88-8281-297-3, S. 79, 82.
  8. Milizie storiche Bleniesi. Bellinzonese e Alto Ticino Turismo, abgerufen am 6. August 2018 (italienisch).
  9. Christian Schütt, et al. (Hrsg.): Chronik der Schweiz. Exlibris Verlag / Chronik Verlag, Zürich und Dortmund 1987, ISBN 3-611-00031-0, S. 324.
  10. Sonia Fiorini: Dongio. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 9. Januar 2017, abgerufen am 10. Februar 2020.
  11. Lara Calderari: Francesco Meschini. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 9. Dezember 2008, abgerufen am 10. Februar 2020.
  12. Patrizia Pusterla Cambin: Sentieri Storici della Valle di Blenio. Bellinzonese e Alto Ticino Turismo, Bellinzona, S. 11 f.
  13. Felicity Kinross: Coffee and Ices – The story of Carlo Gatti in London. Lavenham Press, 1991, ISBN 0-9517745-0-6, S. (Monografie, hauptsächlich: Appendix, S. 56–62).
  14. Marco Marcacci, Fabrizio Viscontini: La Valle di Blenio e la sua Ferrovia – L'ingresso nella modernità. Salvioni arti grafiche, Bellinzona 2011, ISBN 978-88-7967-283-2, S. 38.
  15. Autolinee Bleniesi SA – Trasporto pubblico. Abgerufen am 6. August 2018 (italienisch).
  16. Circuito Dongio-Motto. Abgerufen am 6. August 2018 (italienisch).
  17. Sonia Fiorini: Dongio. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 9. Januar 2017, abgerufen am 10. Februar 2020.
  18. Luca Solari: Blenio: una valle a confronto. Salvioni arti grafiche, Bellinzona 1998, ISBN 88-7967-023-9, S. 174.
  19. Sonia Fiorini: Dongio. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 9. Januar 2017, abgerufen am 10. Februar 2020.
  20. Liste der Ortsbilder von nationaler Bedeutung (Memento vom 10. Juli 2018 im Internet Archive), Verzeichnis auf der Website des Bundesamts für Kultur (BAK), abgerufen am 10. Januar 2018.
  21. a b Simona Martinoli und andere: Guida d’arte della Svizzera italiana. Hrsg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Edizioni Casagrande, Bellinzona 2007, ISBN 978-88-7713-482-0, S. 89–91.
  22. Adolfo Caldelari: Arte e storia nel Ticino. Ente Ticinese per il turismo, Bellinzona 1975, S. 37.
  23. Siehe: Luigi Reali Maler
  24. Casa dei Pagani
  25. Voce di Blenio. 2018, abgerufen am 21. Juni 2018 (italienisch).
  26. Football Club Dongio in portal.dnb.de (abgerufen am: 5. Mai 2016.)
  27. Football Club Dongio
  28. Blenio Calcio (Memento vom 7. Juni 2014 im Internet Archive)
  29. Giro Media Blenio. Abgerufen am 13. Juni 2018 (deutsch, italienisch).
  30. Sonia Fiorini: Agostino Gatti. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 5. September 2007, abgerufen am 10. Februar 2020.
  31. Nathalie Tami: Giovan Battista Martinoli. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 28. März 2008, abgerufen am 10. Februar 2020.
  32. Nathalie Tami: Sebastiano Martinoli. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 5. November 2007, abgerufen am 10. Februar 2020.
  33. Carla Vicari-De Righetti (italienisch) auf archividonneticino.ch (abgerufen am 22. Oktober 2016).