Eidgenössische Volksabstimmung über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien

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Bruno Hug und Philipp Gut waren vom Ja-Komitee an der Abstimmungsfeier

Das Referendum zum Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien, das auch kurz Referendum zum Medienpaket genannt wurde, war ein fakultatives Referendum, das von Exponenten der SVP, FDP und Der Mitte ergriffen wurde. Das Referendum wurde am 6. Oktober 2021[1] eingereicht und mit 64'443 gültigen Unterschriften von der schweizerischen Bundeskanzlei für gültig erklärt.[2] Am 13. Oktober 2021 entschied der Bundesrat, die Vorlage am 13. Februar 2022 dem Volk zur Abstimmung zu unterbreiten.[3] Da bei dieser Abstimmung über ein Bundesgesetz entschieden wird, braucht es für die Annahme nur die Mehrheit der Volksstimmen – das Ständemehr muss nicht erreicht werden (Art. 141 BV). Die Vorlage wurde in der Volksabstimmung mit 54,56 % Nein-Stimmen bei einer Stimmbeteiligung von 54,7 % abgelehnt.

Hintergrund und Ausgangslage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit Jahren lässt sich ein Strukturwandel bei den Medien verzeichnen. Im Zuge der Digitalisierung haben sich die Medien für Informationsbeschaffung stark verändert. Während im Jahre 2009 noch 9,2 Millionen Exemplare von Zeitungsauflagen produziert wurden, waren es zehn Jahre später noch 5,2 Millionen. Zudem halbierten sich die Werbeeinnahmen der Presse im Jahre 2018 im Vergleich zu 2009. Diese fehlenden Einnahmen lassen sich auch nicht durch die steigende digitale Mediennutzung kompensieren, weil der Ertrag eines Print-Abonnements deutlich höher ist als der eines Online-Abonnements. Eine Expertise der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK) kommt gar zum Schluss, dass sich ein gesellschaftlich relevanter Online-Journalismus auch zukünftig nicht durch Bezahlmärkte und Werbeanzeigen refinanzieren lasse. Die fehlenden Einnahmen führen zu Abbaumassnahmen in Redaktionen, wodurch vor allem die regionale Berichterstattung über nationale und internationale Geschehnisse Schaden nimmt. Zugleich profitieren viele Medienhäuser nicht von der Nutzungsverlagerung auf Online-Medien, da die dort eingenommenen Werbegelder an ausländische Anbieter fliessen.[4]

Entstehung des Gesetzes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Bundesrat unterbreitete der Bundesversammlung am 29. April 2020 seine Botschaft zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien.[4] Der Gesetzesentwurf wurde von den Eidgenössischen Räten intensiv diskutiert und am 18. Juni 2021 vom Nationalrat mit 115 zu 75 Stimmen bei 6 Enthaltungen und vom Ständerat mit 28 zu 10 Stimmen bei 6 Enthaltungen mit einigen Änderungen angenommen. Im Nationalrat stimmten die geschlossenen Fraktionen der SP und der Grünen, Mehrheiten der Grünliberalen und der Mitte sowie die Hälfte der FDP.Die Liberalen für das Gesetz. Die geschlossene Fraktion der SVP, die andere Hälfte der FDP.Die Liberalen und Minderheiten der Grünliberalen und der Mitte lehnten das Gesetz ab.[5]

Inhalt des Bundesgesetzes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Bundesgesetz enthielt die folgenden wesentlichen Neuerungen:

  • Die Zustellung von Zeitungen wird neu mit 50 Millionen anstelle von 30 Millionen jährlich unterstützt;
  • die Früh- und Sonntagszustellung von Zeitungen wird mit 40 Millionen jährlich gefördert;
  • Vereins- und Verbandszeitschriften (WWF, Publikationen von Kirchen etc.) werden neu mit 30 Millionen anstelle von 20 Millionen subventioniert;
  • Online-Medien werden mit 30 Millionen pro Jahr unterstützt. Gratisangebote zählen hierzu nicht, sondern nur Medien, die von der Leserschaft mitfinanziert werden;
  • die Aus- und Weiterbildung von Journalisten wird mit maximal 23 Millionen jährlich subventioniert.

Die Zustellungsvergünstigung und die Förderung von Online-Medien sind auf sieben Jahre begrenzt und werden aus den bereits bestehenden Radio- und Fernsehabgaben und dem allgemeinen Bundeshaushalt finanziert. Zugleich wird die Förderung so ausgestaltet, dass die Behörden keinen Einfluss auf die Inhalte der Artikel haben. Kriterien für die Förderung bestehen trotzdem, insbesondere müssen die Medien eine breite Palette an Angeboten vorweisen können und klar zwischen Werbung und redaktioneller Arbeit trennen.[6]

Unterstützung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Referendum wurde unter anderem von folgenden Exponenten unterstützt:

Folgende Organisationen unterstützten das Referendum:

Argumente[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Argumente des Referendumskomitees[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Referendumskomitee war der Ansicht, dass Medien schon genug Subventionen bekämen. Einerseits profitierten vor allem die grossen Verlage wie die Tages-Anzeiger-Gruppe, Ringier, CH Media oder Hersant Média. Diese hätten die Subventionen überhaupt nicht nötig. Zudem bekämen sowohl die grossen als auch die kleineren Verlage schon sehr viel Unterstützung, denn die geplanten Subventionen seien ja nicht die einzige Förderung, die private Medienhäuser erhalten: Jährlich werden sie für ihre Radio- und TV-Stationen pro Jahr mit 81 Mio. Franken subventioniert. Dazu kommen noch ca. 130 Millionen dank der reduzierten Mehrwertsteuer. Addiert man die bisherigen Subventionen mit den neu geplanten 178 Millionen, so sollen die Medien insgesamt jährlich fast 400 Millionen erhalten. Ferner schliesse der Staat mit dem neuen Medienmassnahmenpaket Normalverdienende und Junge aus, die sich kein teures Abonnement leisten können. Denn mit dem neuen Bundesgesetz werden, wie das Referendumskomitee meinte, willkürlich keine Gratis-Medien unterstützt. Dies sei unsozial und diskriminierend und habe noch den Effekt, dass es «die schädlichen Medien-Monopole» weiter zentriere und der Innovation somit Steine in den Weg lege. Nebst ökonomischen und sozialen Argumenten hatten die Gegner des Medienpakets auch demokratiepolitische sowie juristische Bedenken: In einer (direkten) Demokratie müssen die Medien – in diesem Kontext auch als «4. Gewalt», neben der Legislative, Exekutive und Judikative, bezeichnet – den Staat kontrollieren und ihm kritisch über die Schulter schauen. Dies sei gefährdet, wenn der Staat die Medien «füttert», und werde sogar umgekehrt: Der Staat schaue nun den Medien auf die Finger. Zudem verstosse das Medienmassnahmenpaket direkt gegen die Verfassung, namentlich gegen Art. 93.[6]

Argumente von Bundesrat und Parlament[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für Bundesrat und Parlament sind die Medien von grosser demokratiepolitischer Relevanz. Viele seien aber in einer schwierigen finanziellen Situation, und ohne ein Eingreifen durch den Staat verschwänden immer mehr, insbesondere kleine Verlage, die jedoch die regionalen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Geschehnisse abdecken. Für die Demokratie sei dies schädlich, weil der Bevölkerung wichtige Informationen fehlten, die notwendig sind, damit das Volk den Behörden auf die Finger schauen könne. Mit der Vorlage werde dafür gesorgt, dass diese Berichterstattung in allen Landesteilen und somit auch die Kontrolle staatlichen Handelns gewährleistet ist. Zugleich werde den unterschiedlichen Wegen der Informationsbeschaffung in der Bevölkerung Rechnung getragen: Es profitiert, wer Zeitung liest, aber auch wer sich im Internet informiert, Radio hört oder fernsieht. Und in einer Welt, in der internationale Internetplattformen immer mehr Einfluss auf die Meinungsbildung haben, seien die bewährten Medien (Radio, Fernsehen, (Online-)Zeitungen etc.) immer wichtiger, die sich noch dazu an journalistische Standards zu halten haben, was für die Plattformen nicht gilt.[6]

Meinungsumfragen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Institut Auftraggeber Datum Befragte Ja Eher Ja Unentschieden
Keine Antwort
Eher Nein Nein
LeeWas[9] Tamedia 3. Januar – 4. Januar 2022 13'120 26 16 7 11 40
gfs. Bern[10] SRG SSR 17. Dezember 2021 – 3. Januar 2022 8819 22 26 4 22 26
LeeWas[11] Tamedia 3. Januar – 4. Januar 2022 13’342 28 11 4 8 49
LeeWas[12] Tamedia 27. Januar – 28. Januar 2022 13’342 36 6 2 5 56

Bemerkungen: Angaben in Prozent.

Volksabstimmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abstimmungsfrage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Abstimmungsfrage lautete: «Wollen Sie das Bundesgesetz vom 18. Juni 2021 über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien annehmen?»[13]

Parteipositionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die GLP, die SP, die EVP[14], die Grünen[15] und Die Mitte beschlossen die Ja-Parole zur Vorlage; die FDP, die SVP und die EDU die Nein-Parole.[2]

Ergebnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stände Ja: Uri, Freiburg, Basel-Stadt, Waadt, Neuenburg, Jura, Genf

«Medienpaket» – vorläufige amtliche Endergebnisse[16]
Kanton Ja (%) Nein (%) Beteiligung (%)
Kanton Zürich Zürich 45,30 % 54,70 % 47,47 %
Kanton Bern Bern 41,99 % 58,01 % 45,46 %
Kanton Luzern Luzern 44,97 % 55,03 % 45,89 %
Kanton Uri Uri 50,53 % 49,47 % 37,64 %
Kanton Schwyz Schwyz 33,86 % 66,14 % 47,47 %
Kanton Obwalden Obwalden 37,19 % 62,81 % 46,75 %
Kanton Nidwalden Nidwalden 38,79 % 61,21 % 48,18 %
Kanton Glarus Glarus 40,81 % 59,19 % 44,23 %
Kanton Zug Zug 39,85 % 60,15 % 50,60 %
Kanton Freiburg Freiburg 57,41 % 42,59 % 33,89 %
Kanton Solothurn Solothurn 39,83 % 60,17 % 41,93 %
Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt 55,26 % 44,74 % 48,62 %
Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft 44,39 % 55,61 % 43,77 %
Kanton Schaffhausen Schaffhausen 38,45 % 61,55 % 66,09 %
Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden 36,01 % 63,99 % 46,41 %
Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden 33,60 % 66,40 % 40,16 %
Kanton St. Gallen St. Gallen 35,60 % 64,40 % 42,76 %
Kanton Graubünden Graubünden 47,30 % 52,70 % 40,24 %
Kanton Aargau Aargau 39,69 % 60,31 % 42,05 %
Kanton Thurgau Thurgau 34,39 % 65,61 % 41,97 %
Kanton Tessin Tessin 47,15 % 52,85 % 43,64 %
Kanton Waadt Waadt 57,09 % 42,91 % 42,49 %
Kanton Wallis Wallis 46,70 % 53,30 % 41,90 %
Kanton Neuenburg Neuenburg 63,15 % 36,85 % 38,40 %
Kanton Genf Genf 56,77 % 43,23 % 40,69 %
Kanton Jura Jura 64,90 % 35,10 % 36,17 %
Eidgenössisches Wappen Schweizerische Eidgenossenschaft 45,44 % 54,56 % 44,13 %

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien Chronologie. In: Politische Rechte. Schweizerische Bundeskanzlei, abgerufen am 28. Dezember 2021.
  2. a b Medienpaket. In: Abstimmung. swissvotes.ch, abgerufen am 23. Dezember 2021.
  3. Abstimmungsvorlagen für den 13. Februar 2022. In: Dokumentationen. Der Bundesrat, 13. Oktober 2021, abgerufen am 29. Dezember 2021.
  4. a b Botschaft zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien. In: Bundesblatt. Bundesrat, 29. April 2020, abgerufen am 23. Dezember 2021.
  5. 20.038 Massnahmenpaket zugunsten der Medien. In: Geschäftsdatenbank Curiavista (mit Links zur Botschaft des Bundesrates, zu den Verhandlungen der Räte und zu weiteren Parlamentsunterlagen). Parlamentsdienste, abgerufen am 29. Dezember 2021.
  6. a b c Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien. In: Abstimmunsbüchlein. Schweizerische Bundeskanzlei, abgerufen am 28. Dezember 2021.
  7. Politiker sagen Nein. In: medien-massnahmenpaket-nein.ch. Verein «NEIN zu staatlich finanzierten Medien», abgerufen am 26. Dezember 2021 (Schweizer Hochdeutsch).
  8. Diese Organisationen und Parteien sagen NEIN. In: medien-massnahmenpaket-nein.ch. Verein «NEIN zu staatlich finanzierten Medien», abgerufen am 26. Dezember 2021 (Schweizer Hochdeutsch).
  9. 20 Minuten-/Tamedia-Abstimmungsumfrage. Eidgenössische Volksabstimmungen vom 13. Februar 2022, Auswertung 1. Umfragewelle. (PDF) In: LeeWas. 7. Januar 2022, abgerufen am 20. Januar 2022.
  10. 1. SRG-Trendumfrage zur Abstimmung vom 13. Februar 2022. In: gfs.Bern. 3. Januar 2022, abgerufen am 20. Januar 2022.
  11. 20-Minuten Abstimmungsfrage. (PDF) In: LeeWas. 21. Januar 2022, abgerufen am 25. Januar 2022.
  12. 20-Minuten Abstimmungsfrage. (PDF) In: LeeWas. 2. Februar 2022, abgerufen am 5. Februar 2022.
  13. Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien. In: Dokumentationen. Der Bundesrat, abgerufen am 28. Dezember 2021.
  14. Demokratie braucht starke Medien - Ja zur Medienförderung! In: Abstimmungen. EVP Schweiz, abgerufen am 29. Dezember 2021.
  15. Ja zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien. In: gruene.ch. GRÜNE Schweiz, 9. November 2021, abgerufen am 29. Dezember 2021 (deutsch).
  16. Vorlage Nr. 654: Provisorisches amtliches Ergebnis. Bundeskanzlei, abgerufen am 16. März 2022 (Schweizer Hochdeutsch).