GSW-Hochhaus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GSW-Hochhaus
Rocket-Tower (seit 2017)
GSW-Hochhaus
Das GSW-Hochhaus von der Rudi-Dutschke-Straße aus gesehen, Foto von 2020
Basisdaten
Ort: Berlin
Bauzeit: 1995–1999
Eröffnung: 2. September 1999
Status: Erbaut
Baustil: Zeitgenössische Moderne, High-Tech-Architektur
Architekt: Matthias Sauerbruch, Louisa Hutton, Juan Lucas Young
Architekten: Büro Sauerbruch Hutton
Koordinaten: 52° 30′ 23,4″ N, 13° 23′ 35″ OKoordinaten: 52° 30′ 23,4″ N, 13° 23′ 35″ O
GSW-Hochhaus (Berlin)
GSW-Hochhaus (Berlin)
Nutzung/Rechtliches
Nutzung: Bürogebäude
Eigentümer: ein Fonds von J.P. Morgan
Hauptmieter: Rocket Internet
Bauherr: GSW Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbau-Gesellschaft Berlin mbH
Technische Daten
Höhe: 81,5 m
Etagen: 22
Geschossfläche: 48.000 m²
Baukosten: 180 Millionen DM
Höhenvergleich
Berlin: 17. (Liste)
Anschrift
Anschrift: Charlottenstraße 4
Postleitzahl: 10969
Stadt: Berlin
Land: Deutschland

Das GSW-Hochhaus (seit 2017: Rocket-Tower) ist die von 1995 bis 1999 nach Plänen des Architektenbüros Sauerbruch Hutton erweiterte ehemalige Hauptverwaltung der GSW Immobilien AG in der Rudi-Dutschke-Straße im Berliner Ortsteil Kreuzberg mit 24.500 m² Büro- und Ladenflächen. Das 81,5 Meter hohe Gebäude befindet sich auf dem Grundstück des ehemaligen Ullstein-Komplexes im Berliner Zeitungsviertel.

Die Ostansicht zeigt den Altbau, die Hochhausscheibe und den Flachbau mit dem runden Aufbau, der „Pillbox“

Planung und Bau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Senatsbauverwaltung, der damalige Bezirk Kreuzberg und die GSW schrieben 1991 einen zweistufigen, beschränkten Architekturwettbewerb zur Erweiterung des bestehenden 17-geschossigen Hochhauses aus den 1960er Jahren aus, den Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton gewannen. Der ursprünglich für den Ullstein-Verlag errichtete Altbau war ein Entwurf der Architekten Paul Schwebes und Hans Schoszberger, geplant in den 1950er Jahren, fertiggestellt 1961.[1]

Unter Berücksichtigung des existierenden Baus planten die Architekten ein vierteiliges Bauensemble bestehend aus der 22-geschossigen Hochhausscheibe, die parallel zur Charlottenstraße steht, einem dreigeschossigen Flachbau an der Rudi-Dutschke-Straße und einem – „Pillbox“ genannten – elliptischen, dreigeschossigen Turm auf dem nordöstlichen Ende des Flachbaus. Die geschwungene Konvektionsfassade ab dem vierten Geschoss der Hochhausscheibe, die zum Teil auf dem Flachbau basiert, soll zur Reduktion des Energiebedarfs beitragen, ebenso wie die zweite Vorhangfassade vor der Westseite.[2] Das Dach des Hochhauses erinnert an die in den 1950er Jahren beliebten „Flugdächer“. Auch der schwarz verkleidete Flachbau ist konkav geschwungen, also nach innen gekrümmt. Fachplaner für die Konstruktion des Gebäudes war das Ingenieur-Büro Arup.[2]

Im Erdgeschoss des Flachbaus sind auch Ladenflächen enthalten. Die feierliche Eröffnung des Gebäudeensembles fand am 2. September 1999 statt, die Baukosten betrugen 180 Millionen Mark.[3] Projektleiter im Büro Sauerbruch Hutton war Juan Lucas Young; das weitere Team bestand aus Jens Ludloff, Brian Lilley, Philip Engelbrecht, Anna Bader-Hardt, Govert Gerritsen und Moritz Theden.[4]

Das auffälligste Merkmal des Gebäudes ist die Sonnenschutzanlage der Westfassade. Anstatt Rollos oder Vorhänge planten Sauerbruch Hutton vertikale Metall-Lamellen. In dem Zwischenraum zwischen der inneren und der äußeren Verglasung wurden farbig beschichtete Aluminiumbleche angebracht. Jedes Fenster besitzt jeweils drei dieser Metallbleche. Je nach Lichteinfall drehen sich die Lamellen: parallel zur Fassadenebene für starke Verschattung, senkrecht zur Fassadenebene für maximalen Lichteinfall. Da die Sonnenschutzelemente mit neun aufeinander abgestimmten Farbtönen gestaltet wurden, ergibt sich bei komplett geschlossener Fassade ein unregelmäßiges Bild, ähnlich einem Mosaik oder abstrakter Pixel-Art – in verschiedenen Tönungen der Farben Rot, Orange und Rosa. Wenn wenig Licht auf die Westfassade scheint, können die Lamellen gedreht und zusammengeschoben werden, sodass in der Frontalansicht gar keine farbigen Flächen zu sehen sind. Dann erscheint das Gebäude als komplett transparenter Glasbau. Die sich ständig verändernde Fassade bildet einen Blickfang an der Rudi-Dutschke-Straße. Fachberater für die Fassade war das Planungsbüro Emmer, Pfenninger + Partner aus Münchenstein.[4]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gebäude wurde international publiziert und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet:

Nominiert wurde das GSW-Hochhaus für folgende Preise: Mies-van-der-Rohe-Award und Stirling-Prize. Ein Architekturmodell und drei Entwurfszeichnungen sind Teil der Sammlung des Museum of Modern Art in New York City.[9] Diese Objekte wurden dort 2010–2011 in der Ausstellung Building Collections: Recent Acquisitions of Architecture gezeigt.

Die leuchtend bunte Fassade gilt als wegweisend für den Umgang mit Farbe in der Architektur des 21. Jahrhunderts. Fiona McLachlan: “It is a highly significant building and can be considered to have spawned numerous polychromatic derivatives.”[10] Anlässlich der 2022 geplanten Fassadenumgestaltung schrieb Nikolaus Bernau in der Berliner Zeitung: „Die in Rot, Orange und vielen anderen Tönen schillernde Streifenfassade wurde zur Sensation, ebenso die raffinierte Klimatisierung, der zarte Schwung nach Westen, die ökologisch vorbildliche Verbindung mit dem eigentlich banalen, aber als Ressource an Grauer Energie wichtigen Bürotürmchen.“[11] Marcus Woeller in Die Welt: „Wenn man sich am Nachmittag – die Sonne im Rücken – dem ehemaligen GSW-Hochhaus nähert, sieht man eine der schönsten Fassaden, die Berlin zu bieten hat. Dann strahlen die Sonnenblenden hinter der leicht geschwungenen Glasfront an der Kreuzberger Rudi-Dutschke-Straße in neun verschiedenen Rot-, Rosa- und Orangetönen. Das Haus ist ein Leuchtturm in der an herausragender Gegenwartsarchitektur armen Hauptstadt.“[12]

Nutzung und Eigentümerverhältnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Privatisierung und Verkauf an ein Konsortium internationaler Fondsgesellschaften unter dem Dach von Whitehall (Goldman Sachs) und Cerberus im Jahr 2004 verkaufte die sich nun GSW Immobilien GmbH nennende Firma ihren Sitz ein Jahr später an Finanzinvestoren und mietete ihre Büroflächen für zehn Jahre zurück. Als GSW Immobilien AG verließ sie das Gebäude zum 31. Juli 2015. Das Hochhaus gehört einem Fonds von J.P. Morgan, durch den es auch verwaltet wird.[13] Das Startup-Unternehmen Rocket Internet ist Ende 2016 als Hauptmieter in den Gebäudekomplex eingezogen, der auch von der Verbraucherzentrale Bundesverband und weiteren Unternehmen genutzt wird, und hat dort seinen neuen Firmensitz unter dem Namen Rocket Tower eingerichtet.[14] Seit Anfang des Jahres 2017 gibt es im Rocket-Tower ein modernes Konferenzzentrum, das unter dem Namen Rocket Tower Konferenz der Allgemeinheit zur Verfügung steht.[15]

Öffentlicher Aufruf zum Erhalt der Fassade[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Mai 2022 wurde bekannt, dass die für das Gebäude zuständige Verwaltungsgesellschaft, Sienna Real Estate Property Management, plant, den charakteristischen Sonnenschutz aus Metall-Lamellen durch Textil-Vorhänge zu ersetzen.[16] Matthias Sauerbruch, Louisa Hutton und Juan Lucas Young riefen öffentlich zum Erhalt der bestehenden Fassadengestaltung auf.[17] Zu den prominenten Personen, die die Petition von Beginn an unterstützten, gehören unter anderem: Ólafur Elíasson, Katharina Grosse, Daniel Libeskind, Regula Lüscher, Volkwin Marg, HG Merz, Kristin Feireiss, Kees Christiaanse, Karin Sander, Jean-Louis Cohen, Fritz Frenkler und Patrick Gmür.[18] Bereits nach drei Wochen hatten die Petition mehr als 4500 Unterschriften gesammelt.[19]

Die Berliner Tagespresse[11][20] sowie der Berliner Landesverband des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten bezogen eindeutig Stellung für den Erhalt der Fassade. Julia Dahlhaus, Vorsitzende des BDA-Berlin: „Mit dem Austausch der Sonnenschutzanlage wird der einzigartige ikonografische Charakter des Gebäudes zerstört.“[1] Eike Roswag-Klinge, Professor für Constructive Design & Climate Adaptive Architecture am Natural Building Lab der Technischen Universität Berlin: „Diese Fassade müsste als junges Denkmal für einen wichtigen evolutionären Schritt klimaangepasster Architektur unter Schutz gestellt werden.“[21] Der aktuelle Aufruf hat dazu geführt, dass das Thema des Fassadenumbaus im Baukollegium der Berliner Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt diskutiert wird.[22] Bei der Sitzung des Baukollegiums wurde die Reparatur der verbogenen Lamellen vorgeschlagen. Die Schäden an den existierenden Lamellen seien auch dadurch zustande gekommen, dass bereits 2003 Lüftungsöffnungen verschlossen wurden, die für die Temperaturregulierung notwendig waren. Bei sachgemäßer Benutzung sei auch mit der ursprünglich geplanten Fassade ein Betrieb möglich, ohne dass die Lamellen durch zu hohe Temperaturen zu Schaden kommen, so Nikolas Bernau im Radiobeitrag bei RBB.[23]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: GSW-Verwaltungsgebäude – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Protest gegen geplante Fassadenveränderung des GSW-Gebäudes. Bund Deutscher Architekten, abgerufen am 4. Juni 2022.
  2. a b Antony Wood, Ruba Salib: Guide to Natural Ventilation in High Rise Office Buildings. New York 2012, ISBN 978-0-203-72004-2, S. 65–72 (google.de).
  3. Schwungvoll Richtfest beim GSW-Hochhaus von Sauerbruch Hutton in Berlin. baunetz.de, 23. September 1998
  4. a b Matthias Sauerbruch, Louisa Hutton, Isabelle Hartmann (Hrsg.): GSW Hauptverwaltung Berlin – Sauerbruch Hutton Architekten. Lars Müller, Baden 2000, ISBN 3-907078-14-4, S. 251 (google.de).
  5. GSW-Haus wieder vorn – BDA-Preis Berlin 2000 für Sauerbruch und Hutton. BauNetz, 20. November 2000, abgerufen am 3. Juni 2022.
  6. Deutscher Fassadenpreis 2001 für vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF). (PDF)
  7. The importance of being physical - Bauphysik-Preises 2003 entschieden. BauNetz, 10. Oktober 2003, abgerufen am 3. Juni 2022.
  8. Gläserne Sicherheit - Benedictus-Award entschieden. BauNetz, 1. Juli 2003, abgerufen am 3. Juni 2022.
  9. Matthias Sauerbruch, Louisa Hutton. GSW Headquarters, Berlin, Germany, Urban isometric. 1991. MoMA, abgerufen am 3. Juni 2022.
  10. Fiona McLachlan: Architectural Colour in the Professional Palette. 1st ed Auflage. Routledge, Abingdon, Oxon [England] 2012, ISBN 978-1-136-32759-9, S. 148 (google.de).
  11. a b Bitte das GSW-Hochhaus nicht verunstalten! In: Berliner Zeitung
  12. Marcus Woeller: GSW-Hochhaus: Anlass für Petra Kahlfeldt, Farbe zu bekennen. In: Welt Online. 11. Juni 2022, abgerufen am 21. Juni 2022.
  13. GSW hat ihr Hochhaus an der Kochstraße verkauft. In: Der Tagesspiegel, 11. Oktober 2005; abgerufen am 9. April 2015.
  14. Rocket Internet bezieht neues Hauptquartier. In: Gründerszene, 1. April 2015
  15. Rocket-Tower-Konferenz
  16. Manuel Pestalozzi: GSW-Fassade in Gefahr. In: german-architects.com. world-Architects.com, 30. Mai 2022, abgerufen am 8. Juni 2022: „Die geschosshohen, dreh- und verschiebbaren Sonnenschutzpaneele aus perforierten, in neun Sonderfarben beschichteten Aluminiumblechen sollen zurückgebaut und ersetzt werden durch Stoffbehänge, die am Ort fixiert sind und lediglich vertikal auf- und wieder eingerollt werden können. Es ist geplant, diese Stoffbehänge in Farben auszuführen, die aus der Farbtabelle eines bestimmten Anbieters ausgewählt werden und von der bisherigen Farbgebung der Fassade vollständig abweichen.“
  17. Online-Petition von Sauerbruch Hutton – Rettet die GSW-Fassade! In: db-bauzeitung.de. 1. Juni 2022, abgerufen am 3. Juni 2022.
  18. Rettet die GSW-Fassade! Abgerufen am 3. Juni 2022.
  19. Rettet die GSW-Fassade - Protest gegen Umbaupläne in Berlin. BauNetz, 16. Juni 2022, abgerufen am 21. Juni 2022.
  20. Bernhard Schulz: Das ehemalige GSW-Hochhaus in Berlin steht vor der Umgestaltung. In: Der Tagesspiegel. 3. Juni 2022, abgerufen am 4. Juni 2022.
  21. Katharina Cichosch: "Grundlose Entstellung": Protest gegen die Umgestaltung der GSW-Fassade. In: monopol-magazin.de. Res Publica Verlag, 8. Juni 2022, abgerufen am 12. Juni 2022.
  22. Isabell Jürgens: GSW-Hochhaus in Berlin: Protest gegen neue Fassade. 14. Juni 2022, abgerufen am 14. Juni 2022: „‚Leisten Sie dem Klimawandel keinen Vorschub, sondern senden Sie stattdessen mit der Reparatur der Fassade ein zeitgemäßes Signal der Abfallvermeidung und der Ressourcenschonung!‘, so der Appell, der immerhin bereits dazu geführt hat, dass sich das Baukollegium von Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt auf der nächsten Sitzung am 4. Juli mit dem Thema beschäftigen wird.“
  23. Ikonische Hochhausfassade in Gefahr. In: rbb-online.de. Abgerufen am 9. Juli 2022.