Gematik

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gematik GmbH

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Rechtsform GmbH[1]
Gründung 11. Januar 2005
Sitz Berlin, Deutschland
Leitung Florian Hartge
Mitarbeiterzahl 360
Branche Gesundheitswesen
Website www.gematik.de
Logo bis 2019

Die Gematik GmbH (eigene Schreibweise: gematik, zuvor gematik – Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH) wurde im Januar 2005[2] von den Spitzenorganisationen des deutschen Gesundheitswesens gegründet, um gemäß gesetzlichem Auftrag die Einführung, Pflege und Weiterentwicklung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und ihrer Infrastruktur in Deutschland voranzutreiben, zu koordinieren und die Interoperabilität der beteiligten Komponenten sicherzustellen.

Die Gesellschafter der Gematik sind das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Deutsche Apothekerverband (DAV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-SV), der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV).[3]

Das Gesundheitsministerium hält 51 Prozent der Geschäftsanteile. Der GKV-Spitzenverband, der 22,05 Prozent hält, finanziert die Arbeit der Gematik zu 100 Prozent mit einem Betrag in Höhe von 1 Euro je Mitglied der Gesetzlichen Krankenversicherung. Der Verband der Privaten Krankenversicherung ist seit dem 3. April 2020 wieder mit 2,45 Prozent an der Gematik beteiligt. Dazu hat der GKV-Spitzenverband 2,45 Prozent der Gematik-Geschäftsanteile an den PKV-Verband übertragen.[4] Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Gesundheit diesen Betrag entsprechend dem Finanzbedarf (Mittelbedarf) der Gematik und unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit durch die Rechtsverordnung in den letzten Jahren jeweils angepasst. Die restlichen 24,5 Prozent der Geschäftsanteile verteilen sich auf die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer.

Seit dem 1. Juli 2015 war Alexander Beyer Geschäftsführer der Gematik. Zuvor hatte der Jurist dort zehn Jahre lang den Bereich Recht geleitet. Im Januar 2019 kritisierte der Bundesrechnungshof die Rolle der Gematik[5] und Beyer widersetzte sich Reformplänen des neuen Gesundheitsministers Spahn.[6] Sein Nachfolger als Alleingeschäftsführer wurde zum 1. Juli 2019 der frühere Pharma-Manager Markus Leyck Dieken.[7][8]

Seit Anfang 2024 ist Dr. Florian Hartge Interims-Geschäftsführer.[9]

Gesetzliche Grundlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gründung, Existenz und Zweck der Gematik basieren auf gesetzlichen Grundlagen, die in § 291b des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) verankert sind.[10] Dort werden auch die Aufgaben beschrieben, die von der Gematik zu erfüllen sind, im Wesentlichen:

  • technische Spezifikation der erforderlichen Datenformate, Dienste und Komponenten für die Telematikinfrastruktur entwickeln
  • Test und Zulassung der Dienste und Komponenten (Erbringung bzw. Zulieferung erfolgt durch die Industrie)
  • Betrieb eines Teils der Telematikinfrastruktur

Das „E-Health-Gesetz“ von 2015 legte den Grundstein zur Einführung einer elektronischen Patientenakte und eines elektronischen Patientenfachs (ePF). Dies sollte gesetzlich Versicherten und Leistungserbringern einrichtungsübergreifend den ständigen Zugriff auf Behandlungsdaten ermöglichen wie auch auf selbst gespeicherte Messwerte, elektronische Arztbriefe, Behandlungsberichte und Medikationspläne.

Die Gematik wurde nach § 291a Absatz 5c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) verpflichtet, bis Ende 2018 technische und organisatorische Verfahren für eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation zu erarbeiten.

Gesellschafter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gesellschafter der Gematik sind das Bundesministerium für Gesundheit und die Spitzenorganisationen im deutschen Gesundheitswesen, welche sich in die beiden Gruppen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Apotheker, Krankenhäuser, Hebammen, Physiotherapeuten, Rettungsdienste etc.) und Kostenträger (Krankenkassen; die privaten Krankenversicherer hatten zwischen 2012 und April 2020 keine Gesellschaftsanteile) unterteilen lassen.

Die Kostenträger sind ebenfalls im Wesentlichen über ihren Spitzenverband beteiligt.

Kritik an der Zusammensetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bis 2019 wurde die Zusammensetzung der Gematik aus je 50 Prozent Kassenvertretern und Leistungserbringern (u. a. Ärzte, Apotheker) kritisiert, da sie Entscheidungsfindungen selbst in kleinsten technischen Details erschwerte. "Die Gesellschaft für Telematik-Anwendungen der Gesundheitskarte, kurz Gematik, musste im Laufe ihres fast fünfzehnjährigen Bestehens reihenweise Projektvorgaben einkassieren. Verantwortlich dafür sind in erster Linie ihre Gesellschafter, die Verbände von Krankenkassen, Ärzten, Krankenhäusern und Apothekern – die sogenannte Selbstverwaltung. Die Lobbygruppen machen die Gematik nahezu beschlussunfähig, weil sie sich in zentralen Fragen nicht einigen."[11]
  • „Die Entscheidungsprozeduren der gemeinsamen Selbstverwaltung sind für ein solches Großprojekt zu schwerfällig, die gegenseitige Blockade wird allzu häufig belohnt“ sagte Susanne Mauersberg von der Verbraucherzentrale.[11]
  • Seit der Bundestagswahl 2009 erwogen die Gesellschafter eine Neustrukturierung der Gematik. Ziel war eine neue Aufgabenverteilung bei den Anwendungen mit klar abgesteckter Durchführungsverantwortung. So wären z. B. Ärztevertreter für die zeitnahe Einführung einer sicheren Arzt-zu-Arzt-Kommunikation (Arztbrief) bzw. für die Anwendung Notfalldaten zuständig gewesen, Krankenkassen für das Versichertenstammdatenmanagement und Apotheker für das geplante eRezept. Laut Pablo Mentzinis von der Bitkom könnten die Beteiligten jetzt nicht mehr der Gematik den Schwarzen Peter zuschieben. Es gäbe Projektleiter, die persönlich verantwortlich seien.[11]
  • Da die Bundesärztekammer als Gematik-Gesellschafter dem Unternehmenszweck (der Gesundheitskarten-Einführung) verpflichtet wurde, stimmte der 113. Deutsche Ärztetag 2010 erneut gegen das Projekt. Der niedersächsische Vertreter Axel Brunngraber kündigte weitere Maßnahmen der ärztlichen Selbstverwaltung an: „Wir haben in den vergangenen Jahren wichtige Bollwerke geschaffen und das Projekt auf Jahre hin gestoppt, und das werden wir auch weiter durchhalten“.[12]

Änderung der Mehrheitsverhältnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Januar 2019 schlug Gesundheitsminister Jens Spahn vor, durch eine Gesetzesänderung dem Bund 51 Prozent der Anteile und damit die Kontrolle über die Gematik-Gesellschaft zuzuweisen, um unter anderem die Einführung der elektronischen Patientenakte schneller voranzutreiben. Beschlüsse sollten zudem mit einfacher Mehrheit erfolgen, um den Aufbau und die Einführung des sicheren Gesundheitsdatennetzes zu beschleunigen. Die Änderungen traten mit dem Terminservicegesetz am 11. Mai 2019 in Kraft.[13][14] Zuvor hielt der GKV-Spitzenverband die Hälfte der Stimmrechte in der Gematik. Die andere Hälfte lag bei den Verbänden der Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Apotheker. Ihre Anteile wurden entsprechend geschrumpft.

Weitere Gremien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die gesetzliche Grundlage der Gematik fordert die Einrichtung eines Beirats, der die Gesellschaft in fachlichen Belangen berät. Die Zusammensetzung des Beirats ist ebenfalls in § 291b des SGB V festgelegt und umfasst:

Von Organisationen oder Bundesbehörden können weitere Vertreter in den Beirat berufen werden. Hiervon wird auch Gebrauch gemacht. Die jeweilige Zusammensetzung des Beirats ist auf den Internetseiten der Gematik nachlesbar. Der Beirat darf der Gesellschafterversammlung Themen von grundsätzlicher Bedeutung zur Beschäftigung vorlegen und muss vor ebensolchen Entscheidungen gehört werden.

Neben dem Beirat existiert ein Fachausschuss aus Vertretern der Gesellschafter, der die Gematik in speziellen fachlichen Fragen berät.

Kostenstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gematik schätzte die Gesamtkosten des Projekts auf 14 Milliarden Euro. Es gab bis 2013 keine Kosten-Nutzen-Analyse des eGK-Projekts.

Die bis 2013 amtierende Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, Ulrike Flach, bestätigte, dass das Projekt schon 2009 1,5 Milliarden Euro gekostet habe. Bis Anfang 2013 betrugen nur die internen Ausgaben der Gematik 630 Millionen Euro, inzwischen mehr als 700 Millionen Euro.[15]

Die zweite Generation der elektronischen Gesundheitskarte muss bis 2018 ausgegeben werden, sie sollte etwa zehnmal so viel kosten wie die erste Generation. Die Gesetzlichen Kassen rechnen dann mit erneuten Kosten von 1 Milliarde Euro.

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2022 kritisiert der Chaos Computer Club die Gematik für den zwangsweisen Austausch von Konnektoren, speziellen Internetroutern mit eingebauten Sicherheitszertifikaten, in Arztpraxen und bei anderen Gesundheitsdienstleistern.[16][17][18] Dieser mit dem Ablauf der Zertifikate begründete Austausch kostet die Krankenkassen potentiell hunderte Millionen Euro. Wie der Chaos Computer Club nachwies, lassen sich die Zertifikate auch kostengünstig durch Software-Updates erneuern.

2022 verweigerte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber seine Zustimmung für einen einfacheren Weg, das E-Rezept einzulösen. Es müsse auf jeden Fall bei jeder Nutzung die 6-stellige PIN eingegeben werden, einfacher gehe es nicht. Die Gematik hofft jedoch, im Jahr 2023 ein vereinfachtes Verfahren (also ohne die Notwendigkeit der Eingabe der persönlichen Identifikationsnummer) einführen zu können.[19]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Impressum. gematik.de, abgerufen am 4. Januar 2022.
  2. gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH). AOK-Bundesverband, abgerufen am 16. Juni 2021.
  3. Über uns: Struktur – Gesellschafter und Gremien Gematik, abgerufen am 4. Januar 2022.
  4. Gemeinsame Pressemitteilung: Einheitliche digitale Infrastruktur für das Gesundheitswesen. PKV, 3. April 2020, abgerufen am 4. Januar 2022.
  5. Der Bremser ist nicht die gematik. Ärztezeitung, 25. Januar 2019, abgerufen am 4. Januar 2022.
  6. Cornelia Dölger: Gematik-Chef sträubt sich gegen Reformpläne. Pharmazeutische Zeitung, 4. Januar 2019, abgerufen am 4. Januar 2022.
  7. Benjamin Rohrer: Spiegel: Neuer Gematik-Chef soll mindestens 300.000 Euro verdienen. In: Deutsche Apothekerzeitung vom 21. Juni 2019.
  8. Jost Müller-Neuhof: Spahn erfolgreich im Villa-Streit. („2019 holte Spahn den mit ihm auch privat befreundeten Leyck Dieken an die Spitze der dem Ministerium unterstellten Gematik GmbH, die die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben soll. Die Postenvergabe habe mit dem Kauf nichts zu tun, beteuerte der Minister“) Der Tagesspiegel, abgerufen am 4. Januar 2022.
  9. News-Detail | gematik. Abgerufen am 17. Februar 2024.
  10. § 291b Verfahren zur Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte als Versicherungsnachweis. gesetze-im-internet.de, abgerufen am 4. Januar 2022.
  11. a b c Willkommen in der Vergangenheit. (Memento vom 25. Januar 2014 im Internet Archive) kma-online.de, abgerufen am 10. Juni 2010.
  12. Heike E. Krüger-Brand: Telemedizin und Telematikinfrastruktur: Auf der Zuschauertribüne. Deutsches Ärzteblatt, abgerufen am 4. Januar 2022.
  13. Spahn entmachtet Kassen und Ärzte bei der Digitalisierung. Handelsblatt, 31. Januar 2019, abgerufen am 1. Februar 2019.
  14. Terminservice- und Versorgungsgesetz. bundesgesundheitsministerium.de, abgerufen am 20. Mai 2019.
  15. Stellungnahme von Teilnehmern des Deutschen Ärztetages 2014 zum Sachstandsbericht der Bundesärztekammer über die Zusammenarbeit mit der gematik. stoppt-die-e-card.de, 19. Juni 2014.
  16. Hartmut Gieselmann: 300-Millionen-Hack: CCC verlängert Laufzeit der TI-Konnektoren per Software - Im Streit um den teuren Austausch der Konnektoren in Arztpraxen führt der CCC vor, wie die Krankenkassen hunderte Millionen Euro einsparen könnten. In: heise online. 15. Oktober 2022, abgerufen am 15. Oktober 2022.
  17. Kai Biermann: gematik - 300 Millionen Euro Krankenkassenbeiträge für die Elektroschrott-Tonne. - Um weiter mit den Kassen abrechnen zu können, brauchen Arztpraxen neue Technik. Den Staat wird das Millionen kosten. Unnötig und Unsinn, findet der Chaos Computer Club. In: Die Zeit (Hrsg.): Die Zeit Online. 15. Oktober 2022.
  18. Torsten Kleinz: Einsparung von 400 Millionen Euro möglich - Wie der Chaos Computer Club die Bürokratie im Gesundheitswesen vorführt - Tausende Arztpraxen sollen neue Spezial-Hardware kaufen, um weiter Leistungen abrechnen zu können. Dahinter stehe kein technischer Grund, sagen Hacker des CCC, sondern »strategische Inkompetenz« der Hersteller. In: Spiegel Online. 18. Oktober 2022, abgerufen am 18. Oktober 2022.
  19. Marie-Claire Koch: Datenschutz: Keine Duldung für E-Rezept auf Gesundheitskarte ohne PIN. In: c't Magazin für Computer Technik. Heise, 22. November 2022, abgerufen am 31. Dezember 2022.