Henry Chéron

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Henry Chéron 1921
Aristide Briand, André Tardieu, Henry Chéron auf der Haager Konferenz, 1930

Henry Chéron (* 11. Mai 1867 in Lisieux; † 14. April 1936 ebenda) war ein französischer Politiker der Dritten Republik.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Henry Chéron stammte aus einfachen Verhältnissen – sein Vater Isidore-Frédéric Chéron (geboren 1943) war Handelsvertreter – und absolvierte eine Apothekerlehre, um Jura studieren zu können. Seine Mutter war Felicie Duval (1844–1912). Am 8. Juli 1889 heiratete er Marie-Louise Fauguet, Tochter eines Großgrundbesitzers im Calvados. Sie bekamen zwei Söhne. Henry Chéron erwarb 1891 einen Abschluss in Jura.[1]

Chérons Erfolge als Anwalt in seiner Heimatstadt steigerten seine Popularität, die er sich durch seine Freundlichkeit und sein heiteres Wesen erworben hatte.[2] Er begann seine politische Karriere 1894 mit 27 Jahren, als er Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Lisieux wurde. Nach vier gescheiterten Versuch von 1893 bis 1902 wurde er für die Parti républicain, radical et radical-socialiste 1906 in die Abgeordnetenkammer gewählt. Trotz seiner mangelnden Erfahrung berief ihn Georges Clemenceau als Sous-secrétaires d’État für das von Marie-Georges Picquart geleitete Kriegsministerium in sein Kabinett. Im Kabinett Briand I übte er diesen Posten im Marineministerium aus. Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung legte er fünf Gesetzesentwürfe zu sozialen Fragen vor. Er wurde ausgewählt, um über zahlreiche Finanzprojekte zu berichten und den allgemeinen Bericht über den Haushalt in den Jahren 1911, 1912 und 1913 vorzulegen. Am 23. Januar 1913 präsentierte und verteidigte er ein Vertrauensvotum für die Regierung Briand.[2] Chéron war 1912 Ehrenvorsitzender des französischen beratenden Komitees für die erste Internationale Eugenik-Konferenz in London.[3]

Die Qualität seiner Arbeit, seine Integrität und seine Popularität sicherten Chéron von 1913 bis 1934 eine Reihe von Ministerämtern. Diese Ämter sowie sein Amt als Präsident des Generalrats von Calvados (1911–1936) und seine Wahl zum Senator (1913) – diesen Posten behielt er bis zu seinem Tod bei – zwangen ihn, das Bürgermeisteramt von Lisieux aufzugeben. Am Ende seines Lebens, von 1932 bis 1936, kehrte er jedoch auf den Bürgermeistersessel zurück.[2] Als Finanzminister vertrat er Frankreich auf der Ersten Haager Konferenz, die im August 1929 das Problem der deutschen Reparationen zu lösen versuchte. Dabei kam es zu einem Eklat, als der britische Finanzminister Philip Snowden die französischen Vorschläge „grotesque and ridiculous“ nannte. Der korpulente Chéron wartete die Übersetzung ins Französische nicht ab und drohte mit Abreise, weil er die Adjektive auf sich persönlich bezog.[4]

Im Laufe seiner Karriere wurde er konservativer; nach sozialistischen Anfängen war er spätestens ab 1913 bis zum Ende seines Lebens Mitglied der Alliance démocratique. Chéron war als bodenständiger und sparsamer Politiker bekannt; diese Sparsamkeit trug 1929 zum Zusammenbruch der Compagnie générale aéropostale (Allgemeine Luftpostgesellschaft) bei, deren Rekapitalisierung er als Finanzminister als zu teuer abgelehnt hatte.[A 1][5]

Der Anarchist Victor Méric[6] schrieb im Januar 1910 ein feindseliges Profil, in dem er Chéron als „einen Mann mit einem runden Kopf, einem dichten Bart und kleinen Augen“ beschrieb, „die fast an der Seite einer dicken Nase klebten und den Eindruck eines gebildeten Kalbs vermittelten“.[7] Ein sympathischerer Autor, der 1931 über Chéron schrieb, beschrieb ihn als „eine große, fröhliche Figur, voller Energie, ein Feinschmecker mit großem Appetit“.[8]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rue Henry Chéron in Lisieux

1902 wurde er zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.[9] Die Hauptstraße von Lisieux trägt seinen Namen; auch eine Straße in Caen ist nach ihm benannt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Yves Robert: Henry Chéron, un grand nom de l’histoire normande. Cahiers du temps, 2010, ISBN 978-2-35507-033-4.
  • William H. Schneider: Quality and Quantity: The Quest for Biological Regeneration in Twentieth-Century France. Cambridge University Press, 2002, ISBN 978-0-521-52461-2 (google.de).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Henri Chéron – Sammlung von Bildern

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Siehe hierzu weiterführend fr:Affaire de l'Aéropostale in der französischsprachigen Wikipédia.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Henri Chéron (Memento vom 12. März 2007)
  2. a b c Henry Chéron. In: Assemblée nationale; hier: Biographie extraite du dictionnaire des parlementaires français de 1889 à 1940 (Jean Jolly). Abgerufen am 24. Januar 2024 (französisch).
  3. Schneider 2002, S. 85
  4. Jon Jacobson: Locarno Diplomacy: Germany and the West, 1925–1929. Princeton University Press, Princeton 1972, S. 312.
  5. Nicolas Neiertz: Argent, politique et aviation. L’affaire de l'aéropostale (1931–1932) (= Vingtième Siècle. Revue d’histoire. Band 24/1). 1989, S. 29–40, doi:10.3406/xxs.1989.2183 (persee.fr).
  6. Michel Dreyfus, Nicolas Offenstadt, Guillaume Davranche: MÉRIC Victor, Célestin. In: Le Maitron. Abgerufen am 24. Januar 2024 (französisch).
  7. Henry Chéron. (französisch).
  8. Raoul Banet-Rivet: Souvenirs 1893 – 1958. BoD, 2012, ISBN 978-2-8106-2475-1, S. 79 f.
  9. Chéron. In: Base Léonire. (französisch).
VorgängerAmtNachfolger

René Besnard
Arbeitsminister
22.03. 1913 – 22.12. 1913

Albert Métin

Edmond Lefebvre du Prey
Landwirtschaftsminister
15.01. 1922 – 29. 03. 1924

Joseph Capus

Maurice Bokanowski
Minister für Handel und Industrie
02.09. 1928 – 11.09. 1928

Georges Bonnefous
Minister für Post und Telegrafie
14.09. 1928 – 11.11. 1928

Raymond Poincaré
selbst
selbst
Louis Germain-Martin
Finanzminister
11.11. 1928 – 29.07. 1929
29.07. 1929 – 03.11. 1929
02.11. 1929 – 21.02. 1930
18.12. 1932 – 28.01. 1933

selbst
selbst
Charles Dumont
Georges Bonnet

Raoul Péret
selbst
Eugène Penancier
Justizminister
17.11. 1930 – 04.12. 1930
13.12. 1930 – 22.01. 1931
09.02. 1934 – 15.10. 1934

selbst
Léon Bérard
Henry Lémery

Théodule Peulevey
Arthur Lesigne
Bürgermeister von Lisieux
1894 – 1908
1932 – 1936

Joseph Guillonneau
Albert Degrenne