Hermann Schultze-von Lasaulx

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Hermann-Arnold Schultze-von Lasaulx [laˈsoː] (* 21. Oktober 1901 in Jena als Hermann-Arnold Schultze; † 1. Oktober 1999 in Renan/Italien[1][2] oder Renan/Schweiz[3]) war ein deutscher Jurist, Rechtshistoriker und Universitätsprofessor.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schultze-von Lasaulxs Vater war der Jurist und Rechtshistoriker Alfred Schultze; sein Großvater mütterlicherseits war Arnold von Lasaulx.[4] Seit 1928[5] nannte er sich konsequent Schultze-von Lasaulx.

Nach dem Abitur an der Thomasschule zu Leipzig[6] studierte er Rechtswissenschaft und Kunstgeschichte in Leipzig, Breslau und München. Nach erfolgreicher Promotion bei Paul Rehme war er ab 1927 zunächst Richter am Amtsgericht Leipzig, wurde dann 1930 Assistent von Arthur Benno Schmidt in Tübingen. Dort habilitierte er sich 1931 für Bürgerliches Recht, Handelsrecht, Deutsche Rechtsgeschichte und Nordisches Recht. Anschließend nahm er seine Lehrtätigkeit in Rostock auf. Nach einer Amtszeit als Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (1934/1935) wurde er für das akademische Jahr 1935 zum Rektor der Universität gewählt, trat dieses Amt allerdings nach Intervention des Gauleiters Friedrich Hildebrandt zu Gunsten von Paul Schulze nicht an.[7]

Stattdessen folgte er einem Ruf nach Jena. An der Jenaer Fakultät gehörte er ab 1935 zu einer Gruppe von „junge[n], aufstrebende[n], der neuen Zeit zumindest aufgeschlossen gegenüberstehende[n] Dozenten“ um Ulrich Scheuner und Günter Haupt.[8] Bereits 1933 war er der NSDAP beigetreten[9] (Mitgliedsnummer 4.869.266),[10] 1934 dem NS-Lehrer- und NS-Dozentenbund[1], sowie im April 1934 der SA.[11] 1936 wurde er Mitglied der Akademie für Deutsches Recht.[1] Vom Sicherheitsdienst des Reichsführers SS wurde Schultze-von Lasaulx als „politisch zuverlässig“ eingestuft,[12] verkehrte aber gleichzeitig im regimekritischen Jenaer Gesprächskreis um Ricarda Huch, der heute der Widerstandsgruppierung Neubauer-Poser-Gruppe zugerechnet wird.[13] 1940/41 war er Dekan der Jenaer Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und ordnete an, in den Fakultätsbibliotheken „‚von Juden verfasste Kommentare durch Kommentare arischer Verfasser‘ zu ersetzen“.[14] Überliefert sind allerdings auch rechtshistorische Examensklausuren, bei deren Bewertung er antisemitische Ausführungen zum Weltjudentum rügte und die Arbeiten mit „unzulänglich“ benotete.[15] Im mündlichen Examen erwartete er von Kandidaten indes fundierte Kenntnisse des NS-Rechts und prüfte etwa über das nationalsozialistische Sterilisationsgesetz.[16] Rückblickend bezeichnete er derartige Gesetze als „Unrechts-Gesetzgebung“.[17]

1941 wechselte er als Nachfolger von Hans Thieme nach Breslau. Im Nebenamt war er Richter am Oberlandesgericht Breslau.[1] Kurz vor Kriegsende übernahm er von Heinz Meyer die Leitung der Rechtswissenschaftlichen Abteilung des Osteuropa-Instituts.[18]

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er für kurze Zeit an die Universität Jena zurück, wurde aber im November 1946 suspendiert,[19] woraufhin er die Sowjetische Besatzungszone verließ.[20] Nach erfolgreicher Entnazifizierung in der Britischen Besatzungszone wurde er Nachfolger des verschollenen George Löning in Münster.[21] Hier gründete er das Institut für westfälische und deutsche Rechtsgeschichte sowie rechtliche Volkskunde und richtete auf dem Grundstock der nachgelassenen Bibliothek von Eberhard von Künßberg eine bis heute bestehende Rechtshistorische Bibliothek ein.[22][23] Bereits 1951 trat er ein Nebenamt als Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht an und wechselte schließlich 1955 auch als Professor nach Hamburg (Nachfolge Karl Haff). 1955/1956 amtierte er als Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft.

Nach seiner Emeritierung 1970 erblindete er und verstarb dann 97-jährig im Urlaub.[24]

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seine Habilitationsschrift über die Rechtsgeschichte der Wertpapiere wurde als „eine der besten Erscheinungen, die die letzte Zeit auf rein rechtsgeschichtlichem Gebiet hervorgebracht hat“ aufgenommen.[25]

1969 richtete er an seinem Hamburger Institut eine Forschungsstelle für Ostrecht[3] unter der Leitung von Georg Geilke[26] ein. Dabei handelte es sich um eine aus Mitteln des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen finanzierte Arbeitsstelle, die vor allem Gutachten erteilte über die Rechtslage bei Vertreibungsschäden der Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945–1950.[27]

Schultze-von Lasaulx war äußerst engagiert in der Lehre vertreten. Sein Lehrrepertoire umfasste neben der deutschen Privatrechtsgeschichte auch Genossenschaftsrecht, Urheber- und Erfinderrecht, Wertpapierrecht, Landwirtschaftsrecht, ferner Wasser-, Forst-, Jagd-, Fischerei- und Bergrecht, sowie skandinavische und schweizerische Rechtsgeschichte.[28] Er betreute zahlreiche Doktorarbeiten und war einer ganzen Hamburger Juristen-Generation unter dem Spitznamen Lasso-Schultze bekannt.[3]

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Fusion eingetragener Genossenschaften. Leipzig 1927
  • Beiträge zur Geschichte des Wertpapierrechts. Marburg 1931
  • Geschichte des Hamburgischen Notariats seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts. Hamburg 1961, 2. Aufl. Hamburg 1980.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Sebastian Felz: Biogramm: Hermann Schultze-von Lasaulx. In: ders.: Recht zwischen Wissenschaft und Politik. Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Münster 1902 bis 1952. Münster 2016, S. 521.
  2. Eintrag zu Hermann Schultze-von Lasaulx im Catalogus Professorum Rostochiensium
  3. a b c Götz Landwehr: In memoriam: Erinnerung an Hermann Schultze-von Lasaulx. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 127 (2010), S. 1098–1102 (1102).
  4. Gertrud Schubart-Fikentscher: Alfred Schultze. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 65 (1947), S. XXVII–XLIV (XXVIII).
  5. Vgl. die biographischen Angaben bei Katrin Bayerle: Schultze, Alfred. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 705 f. (Digitalisat).
  6. Michael Buddrus: Die Professoren der Universität Rostock im Dritten Reich. Ein biographisches Lexikon (= Texte und Materialien zur Zeitgeschichte. Band 16). München 2007. S. 370.
  7. Michael Buddrus: Die Professoren der Universität Rostock im Dritten Reich. Ein biographisches Lexikon (= Texte und Materialien zur Zeitgeschichte. Band 16). München 2007. S. 84 Fn. 8.
  8. Stefan Wolf: Das Jenaer Studium der Rechte im Dritten Reich. Zwischen Tradition und nationalsozialistischer Ideologie (= Rechtshistorische Reihe. Band 442). Frankfurt am Main 2013. S. 93.
  9. Frank L. Schäfer: Von der Genossenschaft zur Volksgemeinschaft: Juristische Germanistik als Rechtsgeschichte während des Nationalsozialismus. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 132 (2015), S. 323–419 (360).
  10. Lieselotte Steveling: Juristen in Münster. Ein Beitrag zur Geschichte der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (= Beiträge zur Geschichte der Soziologie. Band 10). Münster 1999. S. 360.
  11. Lieselotte Steveling: Juristen in Münster. Ein Beitrag zur Geschichte der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (= Beiträge zur Geschichte der Soziologie. Band 10). Münster 1999. S. 647.
  12. Stefan Wolf: Das Jenaer Studium der Rechte im Dritten Reich. Zwischen Tradition und nationalsozialistischer Ideologie (= Rechtshistorische Reihe. Band 442). Frankfurt am Main 2013. S. 100.
  13. Jörg Opitz: Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Jena und ihr Lehrkörper im ‚Dritten Reich‘. In: Uwe Hoßfeld (Hrsg.): „Kämpferische Wissenschaft“ – Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus. Köln, Weimar, Wien 2003. S. 471–518 (490)
  14. Jörg Opitz: Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Jena und ihr Lehrkörper im ‚Dritten Reich‘. In: Uwe Hoßfeld (Hrsg.): „Im Dienst an Volk und Vaterland“ – Die Jenaer Universität in der NS-Zeit. Köln, Weimar, Wien 2005. S. 191–240 (227)
  15. Stefan Wolf: Das Jenaer Studium der Rechte im Dritten Reich. Zwischen Tradition und nationalsozialistischer Ideologie (= Rechtshistorische Reihe. Band 442). Frankfurt am Main 2013. S. 182.
  16. Stefan Wolf: Das Jenaer Studium der Rechte im Dritten Reich. Zwischen Tradition und nationalsozialistischer Ideologie (= Rechtshistorische Reihe. Band 442). Frankfurt am Main 2013. S. 189.
  17. Hermann Schultze-von Lasaulx: Rezension von Schönfeld, Zur Frage des Widerstandsrechts. In: Historische Zeitschrift 185 (1958), S. 351–354 (351).
  18. Thomas Ditt: „Stoßtruppfakultät Breslau“ – Rechtswissenschaft im „Grenzland Schlesien“ 1933–1945 (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Ban 67). Tübingen 2011. S. 176.
  19. Lieselotte Steveling: Juristen in Münster. Ein Beitrag zur Geschichte der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (= Beiträge zur Geschichte der Soziologie. Band 10). Münster 1999. S. 647.
  20. Jan Jeskow: Die Entnazifizierung des Lehrkörpers der Universität Jena von 1945 bis 1948. In: Uwe Hoßfeld (Hrsg.): Hochschule im Sozialismus. Studien zur Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena 1945–1990. Köln, Weimar, Wien 2007. S. 71–95 (81).
  21. Sebastian Felz: Recht zwischen Wissenschaft und Politik. Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Münster 1902 bis 1952. Münster 2016, S. 193.
  22. Sebastian Felz: Recht zwischen Wissenschaft und Politik. Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Münster 1902 bis 1952. Münster 2016, S. 193f.
  23. https://www.jura.uni-muenster.de/de/fakultaet/bibliotheken/sammlungsschwerpunkte-der-bibliotheken/ auf den Seiten der WWU Münster.
  24. Götz Landwehr: In memoriam: Erinnerung an Hermann Schultze-von Lasaulx. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 127 (2010), S. 1098–1102 (1101f.).
  25. Herbert Meyer: Rezension von Schultze-von Lasaulx, Beiträge zur Geschichte des Wertpapierrechts. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 52 (1932), S. 470–476 (472).
  26. Geilke, Georg im Hamburger Professorenkatalog.
  27. Tilman Repgen: Grußwort. In: Russland. Verfassung, Recht und Realität. Festschrift für Prof. Dr. Otto Luchterhandt aus Anlass seines 70. Geburtstags. Berlin 2014. S. 12–14 (12).
  28. Götz Landwehr: In memoriam: Erinnerung an Hermann Schultze-von Lasaulx. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 127 (2010), S. 1098–1102 (1100).